Am 23. März werden NPD-Anhänger durch Güstrow marschieren, um unter dem Motto Einmal Deutschland und zurück – Kein Asylantenheim in Dettmannsdorf und Anderswo Stimmung gegen ein geplantes Flüchtlingsheim in der Mecklenburgischen Kleinstadt zu schüren.
Gegen die geplante Demonstration der NPD hat sich inzwischen ein breites Bündnis formiert, das ankündigt, den Neonazis an diesem Tag entgegenzutreten und das dazu aufruft, am 23. März selbst nach Güstrow zu fahren und der rassistischen Propaganda der NPD etwas entgegenzusetzen. An diesem Tag werden von Unterstützergruppen auch Busfahrten von Greifswald nach Güstrow — und natürlich auch wieder zurück — offeriert.
(Foto: parallaxe)
Die Kosten für die Tickets der Busfahrt belaufen sich auf insgesamt 5 Euro (+Spende). Sie können beim Antirassistischen Fußballturnier am Sonntag und beim Infoladen Analog erworben werden; außerdem bei der Mobilisierungsveranstaltung, auf der am 19. März ab 20 Uhr im Koeppenhaus die wichtigsten Informationen ausgetauscht werden. Aktuelles ist auf dem Blog der Initiative Rassisten Stoppen! zu finden.
Ein sehr lesenswerter Text, der bei Parallaxe veröffentlicht wurde, führt bildlich in den Stadtteil Güstrow-Dettmannsdorf und zeigt die Unterschiede zur Situation in Wolgast auf, wo am historisch vorbelasteten 9. November des vergangenen Jahres mehr als 1000 Protestierende eine NPD-Demonstration blockieren konnten:
Was ist los in Güstrow-Dettmannsdorf? (Parallaxe, 13.03.2013)
Am kommenden Wochenende wird in der Arndt-Halle ein antirassistisches Fußballturnier stattfinden. Die Anmeldefrist dafür läuft am 14. März ab. Bis dahin können sich noch weitere Teams mit freigewähltem Namen per E-Mail (stop_it [at] gmx.de) anmelden. Die Teams sollten mindestens fünf Spieler zuzüglich Austauschspieler umfassen.
(Flyerausschnitt)
Mit der antirassistischen Sportveranstaltung soll die Isolation von Flüchtlingen aus der Region Ostvorpommern durch die Möglichkeit des Austauschs und der Vernetzung gezielt aufgebrochen werden. Anschließend geht es im IKUWO weiter mit einer Infoveranstaltung über die Situation im französischen Calais und einer Gesprächsrunde mit Flüchtlingen aus Greifswald, Stralsund, Anklam und Wolgast.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Greifswald organisiert alljährlich eine Spendenaktion. In diesem Jahr werden die Kinder im Greifswalder Flüchtlingsheim unterstützt. Ihnen sollen im Rahmen einer kleinen Weihnachtsfeier Kartons mit im Vorfeld gesammelten und gespendeten Geschenken überreicht werden.
(Flyer)
Wer sich an der Aktion beteiligen möchte, wird dazu aufgerufen, seine Präsente bis spätestens zum 14. Dezember in einem kleinen Karton zu verstauen und diese unverschlossen im AStA-Büro abzugeben. Gefragt sind besonders nützliche Geschenke, zum Beispiel Stifte, Anspitzer, Radiergummis, Notizblöcke, Papier, Mal- und Bilderbücher, Bücher zum Lesenlernen, Fingermalfarben, Wasserfarben, Pinsel, Spiele, Kuscheltiere, Mützen und Schals. Die Organisatorinnen bitten explizit darum, keine batteriebetriebenen Spielzeuge zu verschenken. Weitere Informationen zur Spendenaktion sind auf der AStA-Seite zu finden.
Keine kindgerechten Lebensumstände
Einen Eindruck von den teilweise lebensunwürdigen Zuständen in Flüchtlingsheimen vermittelt die am 13. September ausgestrahlte Reportage Vier Wochen Asyl – Ein Selbstversuch mit Rückkehrrecht, in der eine Journalistin für einen begrenzten Zeitraum in eine Gemeinschaftsunterkunft einzieht. Sie erlebt dort die völlige Abwesenheit von Privatsphäre, die lähmende Ungewissheit ob der schwebenden Asylverfahren und die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn zu viele Menschen auf zu wenig Raum leben müssen.
Das Leben in einem Flüchtlingsheim ist alles andere als kindgerecht, daran kann natürlich auch die singuläre Spendenaktion des AStA wenig ändern. Doch eine Freude werden sie den Flüchtlingen damit auf jeden Fall machen und verdienen deswegen auch eure Unterstützung beim Sammeln!
Am Montag verbot der Landkreis Vorpommern-Greifswald die für Freitag von der NPD angemeldete Demonstration in Wolgast. Die Neonazis planen, am 9. November mit Fackeln vor dem neuen Flüchtlingsheim aufzumarschieren. Der Landkreis begründete das Verbot damit, dass der Aufzug nicht im Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünde. Bezogen auf die Geschichte des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung sei gerade dieser Tag ein besonderer Gedenkanlass.
„AM 9.11. KANN JEDER NATIONALIST DER SCHÖNEN STADT WOLGAST EINEN BESUCH ABSTATTEN“
Die NPD reagierte erzürnt auf das Verbot und kündigte juristische Schritte dagegen an. Ungeachtet der Verfügung rief sie ihre Anhänger weiterhin dazu auf, am Freitagabend nach Wolgast zu fahren: „Verbot oder nicht, am 09.11 kann auch jeder Nationalist gerne einmal der schönen Stadt Wolgast einen privaten Besuch abstatten“, fordert der Landesverband seine Anhänger auf und droht damit implizit, das Demonstrationsverbot zu unterlaufen.
(NPD-Aufruf)
In einer Pressemitteilung zitiert der NPD-Landesverband das Bundesverwaltungsgericht, das feststellte, dass eine Demonstration auch am 9. November nur dann verboten werden könne, „wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, daß von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürger und Bürgerinnen erheblich beeinträchtigen.“
Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass ein Fackelmarsch im Abendlicht vor das Flüchtlingsheim das „sittliche Empfinden“ vieler Bürgerinnen ganz massiv stören wird. Die pogromhaften Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen, als ein rassistischer Mob aus Neonazis und zornigen Anwohnenden tagelang das Sonnenblumenhaus belagerte und für die schlimmsten fremdenfeindlichen Übergriffe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verantwortlich war, liegen nur wenig mehr als 20 Jahre zurück. Wer lebt schon gerne in Pogromien?
„ES MUSS ENDLICH WAS GESCHEHEN, UND ZWAR BALD!“
Eine der Schlüsselpersonen von Rostock-Lichtenhagen, Michael Andrejewski, sitzt heute für die NPD im Landesparlament Mecklenburg-Vorpommerns sowie im Kreistag Vorpommern-Greifswald.
Der Jurist verantwortete 1992 ein Flugblatt, das im Vorfeld der pogromhaften Ausschreitungen nach eigener Angabe in einer Auflage von 100.000 Stück erschienen ist und massenhaft in und um Rostock-Lichtenhagen verteilt wurde. Darin riefen er und seine Mitstreiter unter dem Titel „Rostock bleibt deutsch“ zum „Widerstand gegen die Ausländerflut“ auf, um „Wohnungen, Arbeitsplätze und Steuergelder“ zu schützen — der geistigen Brandstiftung folgten entsetzliche Tage und Nächte.
Zwanzig Jahre später hat sich an den inhaltlichen Aussagen der Neonazis wenig verändert. Ende September verteilten NPD-Mitglieder in Wolgast Flugblätter, in denen behauptet wird, dass die Stadtverwaltung den im „Luxus-Asylantenheim“ untergebrachten „Armutsflüchtlingen“ jeden Wunsch von den Augen ablese und dass ihre Unterkünfte im Gegensatz zu den Wohnungen der zwangsumgesiedelten Wolgaster Bevölkerung neu saniert wurden. Den Flüchtlingen wird Asylmissbrauch unterstellt und „den Politikern“ angekündigt, dass „das Volk diese Mißstände nicht länger dulden will“.
Der Aufruf endet mit einem Satz, der — zumindest im Rückblick auf das Lichtenhagener Ergebnis einer ebenfalls ausländerfeindlichen Kampagne — durchaus als Drohung verstanden werden kann: „Es muß etwas geschehen, und zwar bald!“
IDENTIFIZIERT SICH DIE DEMO MIT RITEN UND SYMBOLEN DES 3. REICHES?
Soviel zur Störung der sittlichen Empfindungen; das Sicherheitsbedürfnis der Flüchtlinge, die neben positiven Erlebnissen mit der Wolgaster Bevölkerung auch von rassistischen Diskriminierungen berichten können, bleibt weiterhin ausgeblendet. Der ausländerfeindlichen Parole, die Nachts an das Haus gesprüht wurde, folgte ein Feuerwerkskörper, der auf das Heim geworfen wurde. Verletzt wurde bislang glücklicherweise niemand. „München, Rostock, Wolgast? Das Problem heißt auch Kontinuität!“ weiterlesen →
Ein Gastbeitrag von Daniel Staufenbiel (DIE LINKE)
Bei der Unterbringung der Flüchtlinge in Wolgast Nord hat sich meiner Ansicht nach eine Tatsache gezeigt: Existierende Vorbehalte fußen zumeist auf Unkenntnis. Es ist eine menschlich vollkommen verständliche Reaktion, wenn man Neuem, Unbekanntem und Fremdem gegenüberstehend, zunächst ablehnend reagiert.
Was geschah vorher?
Dieses Bild zeigte sich uns am 25. Juni 2012, als wir von der Stadtfraktion DIE LINKE im Wolgaster Kleeblattcenter eine öffentliche Veranstaltung zum Thema anboten. Anwesend waren dabei nicht nur Fraktionsmitglieder wie Lars Bergemann und ich, sondern auch die Stadtvertretervorsteherin Brigitte Grugel und die Landtagsabgeordneten Jeannine Rösler und Peter Ritter. Zu diesem Zeitpunkt war nur bekannt, dass etwa 150-200 Flüchtlinge in die Stadt kommen würden. Und es war gerade diese Unkenntnis, die die Vorbehalte wachsen ließ. Dagegen wollten wir etwas unternehmen.
Als Herr Kiesow, damaliger Leiter des schon länger bestehenden Asylbewerberheimes Anklam-Greifswald, zu Wort kam und die Abläufe im Heim und die Bedingungen, unter denen sie stattfinden, schilderte, beruhigte sich die Stimmung der anwesenden Bedenkenträger. Es wurde klar, dass AsylbewerberInnen ebenso Rechte und Pflichten haben. Ihre Kinder müssen in die Schule, Anträge mussten beim Amt gestellt und ihre finanzielle Lage musste gesichert werden sowie vieles mehr. Hinzu kommt, dass die traumatischen Ereignisse, die die meisten von ihnen erlebt haben, verarbeitet und die Betroffenen psychologisch betreut werden müssen.
Es wird klar, dass es sich bei den ankommenden Flüchtlingen auch um Menschen handelt. Und dies hat die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wolgast, Elke Quandt, auch geäußert: „Öffnen Sie sich den Menschen und ihren Erfahrungen; Menschen, die aus ihren eigenen Ländern flüchten mussten, die zum Teil sehr schlimme Dinge erlebt haben, und sie werden sehen, sie kochen auch mit Wasser!“ Deshalb muss es uns darum gehen, aufzuklären und zu beruhigen.
Worum geht es eigentlich?
Die Unterkünfte in Wolgast Nord sind bei weitem kein Luxus. Die Wohnungen sind spartanisch, aber nicht menschenunwürdig eingerichtet (siehe Bildergalerie). Die Wolgasterinnen und Wolgaster, die für die gemeinsame Unterkunft umgezogen sind, wurden frühzeitig darüber informiert, konnten entscheiden, ob sie ausziehen und eine neue Wohnung annehmen oder nicht, und ihre gesamten Umzugskosten wurden von der Stadt getragen. Sie hätten sich auch gegen den Umzug entscheiden können.
Im Stadtbild ist es mittlerweile zu sehen, dass die Flüchtlinge in der Stadt sind. Mein Eindruck ist, dass es dabei im Großen und Ganzen keine Probleme gibt. Ganz im Gegenteil: nach Auskunft des Heimleiters, Herrn Wojcechowski, spenden mittlerweile viele Wolgasterinnen und Wolgaster für die Flüchtlinge und beteiligen sich an der Betreuung im Heim, da sie gesehen haben, in welcher Situation die Insassen leben, und nun so Anteil nehmen.
Mit dem erhobenen Zeigefinger auf andere zeigen, ist nutzlos
Eines möchte ich abschließend sagen: Ja, wir haben ein Problem mit Ausländerfeindlichkeit und, ja, auch mit Neonazis in der Region. Es wäre gefährlich, dies zu ignorieren. Ich bin aber dagegen, so zu tun, als würden morgen die Häuser der Flüchtlinge in Wolgast brennen! Erst recht, wenn diese Aussagen von Leuten kommen, die von außen beobachten und die Lage vor Ort nicht einschätzen können. Man kann die Gefahr auch herbeireden, in dem man solche Szenarien unterstellt.
Meine Erfahrung sagt mir, dass es in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus nichts nutzt, mit erhobenen Zeigefinger auf andere zu zeigen. Wir haben alle gleichermaßen ein Nazi-Problem in Deutschland und es beginnt mit der Ausländerfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft. Ich möchte, dass unser Land ein weltoffenes und tolerantes bleibt beziehungsweise wird, und dass Ausländerinnen und Ausländer, die zu uns kommen, sich hier wohl und heimisch fühlen.
Daniel Staufenbiel (DIE LINKE) wurde in Wolgast geboren und ist dort aufgewachsen. Er ist seit 1999 kommunalpolitisch aktiv und seit 2012 Wolgaster Stadtvertreter.
Anfang der vergangenen Woche sendete Deutschlandradio ein Feature über die afghanische Familie S., die im vergangenen Winter von der Domgemeinde aufgenommen wurde und vor kurzem ihr „stilles Kirchenasyl“ beendet hat.
FÜR DIE FLUCHT DAS HAUS VERKAUFT UND ALLES HINTER SICH GELASSEN
Die sechsköpfige Familie verließ vor über drei Jahren ihre afghanische Heimat. Sie verkaufte ihr Haus, um die Schlepper zu bezahlen, die sie für 14.ooo Euro von Afghanistan über den Iran in die Türkei und weiter bis nach Griechenland brachten. Von dort flog die Familie nach Norwegen und stellte einen Antrag auf Asyl.
Da der norwegische Staat im Gegensatz zu Deutschland nach Afghanistan abschiebt, waren die Aussichten der Familie auf einen geregelten Aufenthalt schlecht, obwohl die Mutter damals mit ihrem vierten Kind schwanger war. Deswegen verließ die Familie das Land und reiste mit dem Bus nach Deutschland, in der Hoffnung, dort Asyl zu finden.
Die Familie S. kam ins Asylbewerberheim im mecklenburgischen Jürgenstorf, bis im Januar die Polizei nachts kam, und sie abholen wollte. Sie sollten nach Norwegen ausgeflogen werden, denn nachdem die Familie dort ihren ersten Asylantrag gestellt hatte, waren die skandinavischen Behörden für ihren Fall zuständig. Das jüngste der vier Kinder war zu diesem Zeitpunkt erst vier Monate alt.
„OFT FINDEN SICH WEGE. MANCHMAL UNGEAHNTE, DIE MAN GAR NICHT GEKANNT HAT“ (PFARRER GÜRTLER)
Daraufhin stellte das Diakonische Werk Kontakt zum Dompfarrer Matthias Gürtler her und fragte, ob man bereit wäre, der Familie Kirchenasyl zu gewähren. Der rief binnen Stunden den Gemeindekirchenrat zusammen und einstimmig wurde dafür gestimmt, die Flüchtlinge vor einem erneuten Abschiebungsversuch zu schützen.
Die Behörden wurden von Anfang an über das Kirchenasyl informiert. Für Betroffene dieses Zustands besteht während dieser Zeit kein Anrecht auf staatliche Leistungen. Pfarrer Gürtler erklärt während des Features, dass die Gemeinde für die Flüchtlinge aufkommen muss: „Wir wussten ja auch, wir müssen die Familie auch über Wasser halten. Wir müssen die ernähren, wir müssen die finanzieren. Da kommt einiges auf uns zu.“
In Greifswald gründete sich ein Unterstützerkreis, der sich um Familie S.i kümmerte, finanzielle Dinge regelte und auch ärztliche Unterstützung für die traumatisierte Mutter organisierte — Hilfe, die man normalerweise von staatlichen Institutionen erwarten würde.
Im Gegensatz zum „offenen Kirchenasyl“, bei dem versucht wird, das Schicksal der Betroffenen öffentlich zu machen und sie durch die mediale Begleitung vor staatlichen Zugriffen zu schützen, wird Öffentlichkeit beim „stillen Kirchenasyl“ vermieden, um Verhandlungen mit den staatlichen Institutionen zu erleichtern und so für mehr Schutz der betroffenen Menschen zu sorgen. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche weiß derzeit von deutschlandweit 19 Kirchenasylen mit mindestens 44 betroffenen Personen, darunter etwa 20 Kinder (Stand September 2012).
Familie S. lebt nach wie vor in den Räumen der Gemeinde. Ende Juni hat Deutschland ihr Asylverfahren übernommen und ist nun für den Antrag zuständig. Wie lange es dauert, bis dieser beschieden ist, bleibt unklar.
(Pro Asyl)
Das empfehlenswerte Feature zeigt einen hoffnungsschimmernden Lichtblick der Menschlichkeit und Solidarität in der ansonsten düsteren Asyl- und Abschiebepolitik Deutschlands.