Im Pommerschen Landesmuseum wird morgen eine Ausstellung eröffnet, deren Besuch gerade für diejenigen lohnenswert ist, die sich für die bauliche Vergangenheit Greifswalds interessieren und bereit sind, in die bausubstanzielle Trostlosigkeit der 1980er Jahre einzutauchen.
„Das, was unterging, zumindest zweidimensional zu bewahren“
Heimatkunde zeigt Fotografien des in Greifswald geborenen Architekturfotografen Robert Conrad, der seine Eindrücke der flächendeckenden Gebäudeabrisse in der Hansestadt festhielt: „Es blieb mir nur, das, was dort unterging, mit dem Medium der Fotografie zumindest zweidimensional zu bewahren.“
Seine Fotografien zeigen beispielsweise die nördliche Altstadt, die Fleischervorstadt sowie die Gegenden um die Grimmer Straße und die Wolgaster Straße. Sie sind Zeugnisse einer Ära, die tiefe Wunden in der baulichen Substanz der historischen Greifswalder Altstadt hinterließ.
„Ein Gegenbild schaffen“
Conrad wollte mit seinen trostlosen Bildern „ein Gegenbild zu den gefeierten Neubauten schaffen und die Betrachter für die Vergangenheit und Individualität ihrer Stadt sensibilisieren“. Seine ablehnende Haltung gegenüber der staatlichen Baupolitik verhinderte seine Zulassung zum Wunschstudium Kunstgeschichte und Architektur mit dem Schwerpunkt Baugeschichte, das er erst nach der Wende aufnehmen konnte.
Die Ausstellung zeigt neben Verfall und Abriss auch Spuren Greifswalder Subkultur auf. So sollen neben den Baufotos auch Portraitbilder und Aufnahmen „einer Gruppe junger Greifswalder, deren trotziger Mut Mitte der 80er Jahre durch den großflächigen Zerfall ihrer Stadt katalysiert wurde“ zu sehen sein, die einen „Einblick in die alternative Szene der Bewohner der Abrisshäuser und deren damalige Aktivitäten gegen die Repressionen des DDR-Staates“ versprechen.
Neben den Fotografien wird außerdem der Super-8-Film Greifswald ist alle gezeigt, den Conrad zwischen 1986 und 1989 in Eigenregie drehte.
Kontextsensitives Begleitprogramm
Die Ausstellung wird von einem kurzen historischen Rückblick auf das damalige Zeitgeschehen begleitet, der auf Conrads Fotografien einstimmen soll. Darin wird versucht, die Meinung der staatstreuen Printmedien zum Thema darzustellen und die unterschiedlichen Reaktionen der Bürger Greifswalds in Vergangenheit und Gegenwart zu berücksichtigen.
Hierbei werden neben Pressefotos, Fotoserien, Zeitungs- und Zeitschriftenmaterial auch Modelle und Farbentwürfe für Fassaden zu sehen sein. Fotografien des Greifswalder Bauhistorikers und Altstadtaktivisten Torsten Rütz ergänzen die Ausstellung, die nach ihrer Eröffnung bis zum 31. Januar im Pommerschen Landesmuseum verweilen wird.
In diesem Zusammenhang sei außerdem auf eine Extraveranstaltung am kommenden Mittwoch hingewiesen. Um 12 Uhr wird der Greifswalder Museologe Mario Scarabis im Pommerschen Landesmuseum über den ausgestellten Architekturfotografen unter dem Titel Gegen das Vergessen – Der Fotograf Robert Conrad und die Altstadt von Greifswald in den 1980er Jahren referieren. Der Eintritt kostet 2,50 Euro.
Fakten: 30.09. | 11 Uhr | Pommersches Landesmuseum | frei
*Update*: Die Ausstellung wurde aufgrund des hohen Besucherzuspruchs bis zum 3. März 2013 verlängert.
(Fotos: Robert Conrad, keine CC-Lizenz)