Rigolf Hennig, „Alter Herr“ der Greifswalder Burschenschaft Rugia, wurde unlängst wegen Volksverhetzung in mehreren Fällen zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Das Amtsgericht Verden verurteilte am 13. April 2017 den früheren NPD-Kommunalpolitiker Rigolf Hennig wegen Volksverhetzung in acht Fällen und versuchter Volksverhetzung in einem Fall zu 18 Monaten Haft ohne Bewährung. Der „Alte Herr“ der rechten Greifswalder Burschenschaft Rugia hat nach Ansicht des Gerichts in der revisionistischen Publikation „Stimme des Reiches“ den Holocaust verharmlost. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Seit 1996 wird dieser Tag auf Anregung des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog jährlich im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus begangen, die Vereinten Nationen erklärten 2005 den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
Universität, Stadtverwaltung sowie die Kulturreferentin für Pommern laden aus diesem Grund heute Abend zu einer Gedenkveranstaltung ins Pommersche Landesmuseum ein, bei der in diesem Jahr von den Nationalsozialisten verfolgte Homosexuelle im Zentrum stehen werden:
„Bereits kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Anfang 1933 gingen diese auch gegen homosexuelle Menschen, deren Einrichtungen, Vereine und Zeitschriften vor. Gesetze wurden verschärft und schließlich sogar eine Behörde ‚zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung‘ geschaffen. Etwa 10.000 Männer wurden wegen ihrer sexuellen Orientierung polizeilich erfasst, verurteilt, inhaftiert, für Experimente missbraucht oder ermordet. In Konzentrationslagern internierte männliche Homosexuelle wurden von den Nationalsozialisten mit dem ‚Rosa Winkel‘ gekennzeichnet.
Am 12. Dezember 2003 fasste der Deutsche Bundestag den Beschluss, ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen zu errichten, um die verfolgten und ermordeten Opfer zu ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach zu halten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben zu setzen. Am Beispiel der Errichtung des Berliner Gedenkorts für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen soll auch die Geschichte der Aufarbeitung des Unrechts, das an dieser Opfergruppe begangen wurde, dargestellt werden.“
Am Montag verbot der Landkreis Vorpommern-Greifswald die für Freitag von der NPD angemeldete Demonstration in Wolgast. Die Neonazis planen, am 9. November mit Fackeln vor dem neuen Flüchtlingsheim aufzumarschieren. Der Landkreis begründete das Verbot damit, dass der Aufzug nicht im Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünde. Bezogen auf die Geschichte des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung sei gerade dieser Tag ein besonderer Gedenkanlass.
„AM 9.11. KANN JEDER NATIONALIST DER SCHÖNEN STADT WOLGAST EINEN BESUCH ABSTATTEN“
Die NPD reagierte erzürnt auf das Verbot und kündigte juristische Schritte dagegen an. Ungeachtet der Verfügung rief sie ihre Anhänger weiterhin dazu auf, am Freitagabend nach Wolgast zu fahren: „Verbot oder nicht, am 09.11 kann auch jeder Nationalist gerne einmal der schönen Stadt Wolgast einen privaten Besuch abstatten“, fordert der Landesverband seine Anhänger auf und droht damit implizit, das Demonstrationsverbot zu unterlaufen.
(NPD-Aufruf)
In einer Pressemitteilung zitiert der NPD-Landesverband das Bundesverwaltungsgericht, das feststellte, dass eine Demonstration auch am 9. November nur dann verboten werden könne, „wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, daß von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürger und Bürgerinnen erheblich beeinträchtigen.“
Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass ein Fackelmarsch im Abendlicht vor das Flüchtlingsheim das „sittliche Empfinden“ vieler Bürgerinnen ganz massiv stören wird. Die pogromhaften Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen, als ein rassistischer Mob aus Neonazis und zornigen Anwohnenden tagelang das Sonnenblumenhaus belagerte und für die schlimmsten fremdenfeindlichen Übergriffe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verantwortlich war, liegen nur wenig mehr als 20 Jahre zurück. Wer lebt schon gerne in Pogromien?
„ES MUSS ENDLICH WAS GESCHEHEN, UND ZWAR BALD!“
Eine der Schlüsselpersonen von Rostock-Lichtenhagen, Michael Andrejewski, sitzt heute für die NPD im Landesparlament Mecklenburg-Vorpommerns sowie im Kreistag Vorpommern-Greifswald.
Der Jurist verantwortete 1992 ein Flugblatt, das im Vorfeld der pogromhaften Ausschreitungen nach eigener Angabe in einer Auflage von 100.000 Stück erschienen ist und massenhaft in und um Rostock-Lichtenhagen verteilt wurde. Darin riefen er und seine Mitstreiter unter dem Titel „Rostock bleibt deutsch“ zum „Widerstand gegen die Ausländerflut“ auf, um „Wohnungen, Arbeitsplätze und Steuergelder“ zu schützen — der geistigen Brandstiftung folgten entsetzliche Tage und Nächte.
Zwanzig Jahre später hat sich an den inhaltlichen Aussagen der Neonazis wenig verändert. Ende September verteilten NPD-Mitglieder in Wolgast Flugblätter, in denen behauptet wird, dass die Stadtverwaltung den im „Luxus-Asylantenheim“ untergebrachten „Armutsflüchtlingen“ jeden Wunsch von den Augen ablese und dass ihre Unterkünfte im Gegensatz zu den Wohnungen der zwangsumgesiedelten Wolgaster Bevölkerung neu saniert wurden. Den Flüchtlingen wird Asylmissbrauch unterstellt und „den Politikern“ angekündigt, dass „das Volk diese Mißstände nicht länger dulden will“.
Der Aufruf endet mit einem Satz, der — zumindest im Rückblick auf das Lichtenhagener Ergebnis einer ebenfalls ausländerfeindlichen Kampagne — durchaus als Drohung verstanden werden kann: „Es muß etwas geschehen, und zwar bald!“
IDENTIFIZIERT SICH DIE DEMO MIT RITEN UND SYMBOLEN DES 3. REICHES?
Soviel zur Störung der sittlichen Empfindungen; das Sicherheitsbedürfnis der Flüchtlinge, die neben positiven Erlebnissen mit der Wolgaster Bevölkerung auch von rassistischen Diskriminierungen berichten können, bleibt weiterhin ausgeblendet. Der ausländerfeindlichen Parole, die Nachts an das Haus gesprüht wurde, folgte ein Feuerwerkskörper, der auf das Heim geworfen wurde. Verletzt wurde bislang glücklicherweise niemand. „München, Rostock, Wolgast? Das Problem heißt auch Kontinuität!“ weiterlesen →
Im Dokumentarfilm Fritz Bauer — Tod auf Raten (D, 2010, 97 Min.) wird einer der bedeutensten deutschen Juristen des 20. Jahrhunderts vorgestellt, dessen Lebenswerk untrennbar mit der Aufarbeitung der deutschen NS-Verbrechen verknüpft ist.
(Ausschnitt Filmplakat)
„Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist Gegenwart und kann wieder Zukunft werden“. Dieses Zitat spiegelt am besten wider, was den Juristen Fritz Bauer in den 1950er und 1960er Jahren bei der juristischen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Deutschland antreibt. Für ihn spielte die Justiz eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau der Demokratie. Als Staatsanwalt rehabilitierte er die Attentäter vom 20. Juli 1944 und initiierte die Frankfurter Auschwitzprozesse. In der Bundesrepublik löste Bauer damit erstmals eine breite öffentliche Diskussion über den Holocaust aus.
Die Dokumentation führt in eine Zeit, in der vor allem die ältere Generation in Deutschland die NS-Vergangenheit verdrängte. 1968 starb Fritz Bauer. Sein überraschender Tod ist bis heute ungeklärt.
Zum Filmgespräch ist nicht nur Regisseurin Ilona Ziok zu Gast, sondern auch Mitproduzent und Tonverantwortlicher Manuel Göttsching.