Als sich gestern Abend nach einem kurzen Moment des Wartens die Tür der Volksbank öffnete und den Unpünktlichen schließlich doch noch Eintritt zu den ausgestellten Werken von Enrico Pense und Katja Anke gewährt wurde, lag irgendwie Banküberfall in der Luft.
Die Malereien schafften es in die belle étage des Kreditinstitutes und so wandelten die Kunstinteressierten durch die Geschäftsflure der Bank. Eine Tür mit der Aufschrift Tresorraum hätte nur zu gut in die Szenerie gepasst und deswegen wohl kaum Chancen gehabt, für Überraschung zu sorgen.
In Anknüpfung an die auch von der Volksbank geförderte Kompilation klein stadt GROSS war die Maxime am Buffet naheliegend: Schampus gibt’s woanders und diesem Thema folgend wurden Wein und Häppchen serviert.
Laudator Nico Schruhl setzte sich einfühlsam mit den Werken und dem Ansinnen der beiden Künstler auseinander und erklärte die Langsamkeit zum Verständnisprinzip der jungen Kunst. Entschleunigung par excellence!
In Auszügen soll die Laudatio an dieser Stelle wiedergegeben werden:
„Jeder kennt das wohltuende Gefühl, auf das Weiß einer unberührten Schneelandschaft zu schauen. Morgens vor die Haustür zu treten und – endlich befreit von der Ablenkung durch urbanen Architekturwahnsinn – wieder ganz auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Irgendwie scheint dann alles stiller und langsamer vonstatten zu gehen. Und das, wo sie doch der Todfeind dieser Leistungsgesellschaft ist, die Langsamkeit. Die Langsamkeit ist auch schon wieder so eine Freiheit und ist gewiss auch ein Schlüssel zum Verständnis der Malereien von Katja Anke und Enrico Pense.
Wenn eine mit weißer Spachtelmasse und Gips übertünchte Leinwand gerade noch die Worte „Hasten.bis.Schluss.“ erkennen lässt und anstatt eines Signums Spuren von Gewalt und Destruktion trägt, dann zeugt das nicht nur von einer ganz unversöhnlichen, leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Schaffen, sondern deutet auch gleichzeitig eine Sehnsucht nach ebendieser Langsamkeit an. Das ist kompromisslos und radikal.
Katja Anke sagt, dass ihr das Material, mit dem sie arbeitet sehr wichtig sei und dass sie Vergnügen gerade darin findet, dieses Material, diese Substanz zu verletzen. Das ist nur konsequent, denn im Unterschied zu Wochenarbeitszeiten, Geschwindigkeiten und Guthaben auf dem Konto, lässt sich Zerstörung nicht berechnen und so ist sie bei aller Perfektion, die uns umgibt, vielleicht die einzige Möglichkeit der Freiheit des eigenen Geistes, ohne Zugeständnisse Ausdruck zu verleihen. Und wie ist das mit Enricos Malereien?
Da stehen winzig kleine Handwerker vor verzerrt riesenhaften Hintergründen, die mit ihren gigantischen Ausmaßen zunächst gar nicht so hintergründig wirken. Ja, so unverhältnismäßig sind hier die Proportionen von Figuren und Kulisse, dass man augenblicklich Mitleid mit den kleinen Persönchen bekommt, die mit ihren viel zu kleinen Werkzeugen irgendwie verloren und hilflos wirken. Doch hält dieser Eindruck nur kurz an. Denn bei eingehender Betrachtung fällt auf, dass in den Bildern nicht nur das Große mit dem Kleinen kontrastiert, sondern auch das Grobe und Rohe der Wände mit dem Zarten der dargestellten Personen.
Mit seinem Gespür für das Feine und einer zärtlichen Detailverliebtheit lenkt Enrico den Fokus auf seine Charaktere und lässt erahnen, wie sehr diese ihm am Herzen liegen. Plötzlich wirken die grotesken Wände und Flächen nicht mehr erdrückend, sondern scheinen vielmehr mit ihrer zurückhaltenden Eintönigkeit, dem Individuum Platz einzuräumen zu wollen. Platz , der den Blick freigibt auf das eigene „Ich“. Das „Ich“ – dieser Kosmos, in dem sich phantastische Welten verdichten, Welten, in denen Menschen auf Spinnenbeinstelzen mehr fliegen als gehen, in denen Kreise und Farben und Formen alles und Leistung, Hast und Schnelllebigkeit nichts bedeuten. Kurz: es wird der Blick auf einen Kosmos gerichtet, in dem jeder Mensch so frei ist, wie nirgendwo sonst.
Die Malereien können bis zum 08. Januar innerhalb der Öffnungszeiten der Volksbank begutachtet werden. Ein Besuch ist unbedingt zu empfehlen.