Entspannung im Hochpreissegment — bald noch mehr Luxuswohnraum in Greifswald

 „Probieren sie einmal, als Studentin oder Student eine kleine Wohnung zu bekommen. Das Angebot in Greifswald ist außerordentlich bescheiden. Oft muss nach Stralsund oder gar Rostock ausgewichen werden. Studieren wird dadurch ganz einfach viel teurer. Der Zeitverlust für die Studenten ist enorm, doch wir werden das ändern.“*

Vor 15 Monaten brannte in der Soldmannstraße 16/17 der leerstehende Gebäudekomplex nieder, der einst das Chemische Institut beheimatete. Einige Monate später ist die Frage, wer die mutmaßliche Brandstiftung zu verantworten hat, noch immer nicht zufriedenstellend aufgeklärt — zu vage mutet die bislang verbreitete These an, dass das Feuer bei der Zusammenkunft einer okkulten Gruppe durch das Abbrennen von Teelichtern ausgelöst worden sei.

Noch immer eine rentable Wertanlage: studentisches Wohnen

Inzwischen gibt es jedoch endlich Gewissheit darüber, was mit dem Objekt passieren wird. Schon kurz nach dem katastrophalen Feuer kaufte die Berliner Firma Select Werthaus GmbH & Co KG den niedergebrannten Komplex und begann mit den Bauarbeiten für ein in Greifswald noch immer höchst rentables Investment: luxuriöse Studentenwohnungen.

Bionique

(Foto: 17vier)

Die entstehenden Studentenappartments wurden mit versprochener „Top-Rendite“ und „hoher Denkmalabschreibung“ bereits auf den Markt geworfen. Nur in einem der drei Teilkomplexe stehen noch Wohnungen zum Verkauf. „Wandeln Sie Ihre Steuern um in Immobilieneigentum“, lautet die Offerte der Immobilienhändler, denn immerhin sind nicht weniger als 84% der Baukosten steuerlich absetzbar. Finanziert wird der Bau mit Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Im denkmalgeschützten Backsteinbau und der Villa des einstigen Institutsdirektors sollen nach Angaben der Ostsee-Zeitung bis zum 30. März 2012 — und damit pünktlich zum Semesterstart, wenn die studentische Wohnungsnot in Greifswald ihren halbjährlichen Höhepunkt erreicht — insgesamt 129 Wohnungen entstehen, deren Kaltmieten nicht unter 10 EUR/m² liegen werden.

YOUNIQ-Derivat mit ökologischem Anstrich

Den dritten Teil des entstehenden Ensembles wird Bioniq, ein YOUNIQ-Derivat mit ökologischem Unterbau, bilden. Hier sollen nochmal 112 luxuriös ausgestattete Wohnungen auf vier Etagen entstehen. Im Prospekt für die bewohnbare Wertanlage wird der ökologische Anspruch des Projekts betont. So würde bevorzugt Holz beim Bau des Gebäudes zum Einsatz kommen; alle bei Bioniq verwendeten Baustoffe sollen zu 100% recyclebar sein. Eine geothermische Heizung ist ebenso geplant wie eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und die Nutzung aufgefangenen Regenwassers. Ziel sei die Errichtung eines CO²-neutralen Hauses.

Der Öffentlichkeit sollen in der Soldmannstraße zukünftig zwei Einkehrstätten zugänglich sein: der alte Hörsaal wird denkmalgerecht saniert und in ein „originelles Café“ umgewandelt, während eine Etage tiefer das Mira einen Neuanfang starten soll.

Der Club musste 2010 sein altes Domizil in der früheren Reichsbahndirektion (Anklamer Straße) räumen, weil die Firma Select Werthaus, unter deren Federführung nun der Komplex Alte Chemie wiederaufgebaut wird, dort vor einigen Jahren einen ähnlich renditefreudigen, studentischen Wohnkomplex entwickelte.

Der Verkauf und die Sanierung beziehungsweise der Neubau der einzelnen Gebäude wäre ohne den damaligen Großbrand sicherlich nicht so schnell abgewickelt worden, wie es jetzt der Fall war. Über die ominöse Satanisten-Gruppe, ihre vermeintlich schwarzen Messen und die gewagte These eines suizidalen Gebäudes lässt sich allerdings in diesem hervorragenden Nachruf zur Alten Chemie eines Beteiligten mehr erfahren.
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* aus dem Bioniq-Prospekt

WBS 70 abgerissen

Der Lack ist ab, der Glanz vergangen und für die leerstehende Immobilie in der Brinkstraße hat die letzte Stunde geschlagen.

flyer wbs 70 greifswaldDas ist irgendwie gemein und Ironie der Geschichte, denn früher schlug hier normalerweise die letzte Stunde sehr spät, und zwar aus den Boxen. Damals, als die Miniaturplatte noch dem als WBS 70 beziehungsweise Elektro-Pröger bekannten Kulturraum Obdach bot, wurde hier regelmäßig die Nacht zum Tag gemacht. Gestört höchstens durch eine Stippvisite von Mira-Besuchern, deren Plaisierkaserne inzwischen allerdings auch verdrängt wurde. Alles geht den Bach runter!

Um die letzten Erinnerungsfetzen zu versammeln, seien an dieser Stelle alle gebeten, eine Inventur der eigenen Bildarchive durchzuführen und dabei Fund- und Schmuckstücke der guten wilden WBS-Zeit einzusenden, die dann zusammengeführt veröffentlicht werden können.

Und um in der allgemeinen Trauerstimmung nochmal kräftig am Tränendrüsenstöpsel zu rütteln, sind in der folgenden Galerie einige Innen- und Außenansichten des nun abgerissenen Hauses versammelt. WBS 70, rest in peace!

Das Mira und die Einladung zur Busenparty

Das Thema Werbung und Sexismus ist in Greifswald noch lange nicht vorbei, insbesondere nicht im Veranstaltungsbetrieb. Das Greifswalder Mira lud am 12. Februar zum Choco Club und untermauerte mit dem gewählten Motto Busen, Caps und Ärsche den vor Ort gepflegten Anspruch.

Busen, Caps und Ärsche

mira choco club Progressivität — gerade in Bezug auf Geschlechterverhältnisse — durfte man hier von den Veranstaltern ja schon quasi-traditionell nicht mehr erwarten, aber der Flyer für den Choco Club ist seit längerem mal wieder ein beschämender Höhepunkt ihrer Arbeit und ist an Unverhohlenheit kaum zu überbieten.

Für den Abend wurden die üblichen Lockrufe und Anreize des Party-Biz bemüht und es bleibt festzustellen, dass die Zeit der happy hours offensichtlich abgelaufen ist. Man kämpft heute mit anderen Kalibern. Angst, dass andernfalls zu wenig Frauen vorbeikommen?

Dabei huldigen wir allen weiblichen Wesen und darum erhalten die ersten 33 Ladies eine Flasche Eve zur Begrüßung gratis. Top-Sache für Top-Leute! Jetzt seid Ihr an der Reihe….Knaller!

Weniger Kalorien für unbeschwerten Genuss

Die ausgesuchte Getränkemarke wurde gut gewählt. Wie aus einer Pressemitteilung des Herstellers zu erfahren ist, sei „eve für trendig-aktive Frauen perfekt“. Kein Wunder, denn mit „ca. 30% weniger Kalorien als Weißwein überzeugt eve mit unbeschwertem Genuss“.

Und der Mythos um das neue Produkt zwischen Sekt und Selter geht noch weiter: „eve – das ist Bauchkribbeln zum Trinken! eve ist der ideale Begleiter in durchtanzten Nächten in angesagten Szene-Clubs und ein Muss für jeden Mädelabend. eve verleiht jedem Flirt ein extra Kribbeln und macht Lust auf ausgedehnte Shoppingtouren mit den Freundinnen. Ob Männer, Beautytrends, Must-haves der Saison, die neuesten Clubs und coolsten Partys – eve ist immer mittendrin.“

Wenn das mal nicht zum Sofortkauf anspornt. Fehlt eigentlich nur noch eine Tombola mit einem zu verlosenden Zimmer Appartment bei den Brüdern im Geiste aus dem Hause YOUNIQ.

Anzeige gegen Dr. Douglas Fernando

Aus einem Artikel in der Ostsee Zeitung von Benjamin Fischer geht hervor, dass Michael Steiger (Die Grünen) Anzeige wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung gegen den Geschäftsführer des Petruswerks, Dr. Douglas Fernando, erstattet hat.

Ungewohnt deutlich nahm die Lokalzeitung Stellung zum undurchsichtigen Treiben um das Haus. So heißt es in der Bildunterschrift: „Bloß schnell alles wegbaggern, ehe jemand was mitbekommt. Hinter der Stralsunder Straße 10 wurde ein Fachwerkgebäude plattgemacht.“

Gestern Abend fand mit dem Auftritt des WDR-Kabarettisten Jürgen Becker die erste Veranstaltung des Vereins Kultur- und Initiativenhaus Greifswald statt, die aber leider nicht in der Straze, sondern im Fremdsprachen- und Medienzentrum der Universität ablief und somit Exilcharakter aufwies. Der webMoritz hat dazu einen Podcast veröffentlicht.

Das Petruswerk besitzt inzwischen nicht nur die Straze, sondern auch den Komplex in der Anklamer Straße, dessen Sanierung den unter dem Haus befindlichen Club mira sein Obdach kosten wird. Heute Mittag wurde Fernando vor dem Anwesen in der Anklamer Straße in Begleitung eines Kamerateams gesichtet — offenbar interessiert sich jetzt sogar GTV für diese Angelegenheit.

*Update*

Eine aktualisierte und ausführliche Zusammenfassung der Immobiliengeschäfte, die das Petruswerk in Greifswald unternahm, ist im Beitrag Die Greifswalder Einkaufstour des Immobilienmagnaten Douglas Fernando zu finden.

Stralsunder Straße 10, Immobilienhandel und soziale Verantwortung

Das Berliner Petruswerk hat sich in den vergangenen Monaten nicht nur Freunde in Greifswald gemacht. Zweifelhafte Berühmtheit erlangte das Berliner Unternehmen um den Immobilienspekulanten Douglas Fernando durch den Kauf der Stralsunder Straße 10, kurz Straze.

Die Bürgerinitiative zur Rettung des Hauses klagte immer wieder über Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit Fernando, der entgegen seinen Selbstdarstellungen Gespräche blockierte und auf konkrete Anfragen nicht reagierte.

Derweil leidet die Bausubstanz, das Dach wird langsam abgedeckt und auch bei einem Wasserrohrbruch wurde nicht sofort reagiert, ungeachtet der Hinweise der BI. Offensichtlich spielt hier jemand auf Zeit.

ÜBER HUNDERT NEUE ATTRAKTIVE STUDENTENAPARTMENTS

Zeitungsöffentlich wurde Fernandos Bauvorhaben heute nochmal aktualisiert und die OZ frohlockt, dass Greifswald bald um 110 attraktive Studentenapartments reicher werden könne. Die Lokalzeitung orakelt weiter, er hätte „das geschichtsträchtige Haus auf Wunsch der Universität vor zwei Jahren gekauft“.

Nun würde er es erst für den doppelten Kaufpreis (600.000 Euro) veräußern. Involvierte sprechen bei dieser Summe sogar vom Dreifachen des Kaufpreises. Das Preisgefälle begründet Fernando mit Planungs- und Entwicklungskosten von über 300.000 Euro. Das ist ganz schön viel.

Auf der Internetseite des Unternehmens wird die selbstgestellte Frage, was das Petruswerk einzigartig mache, freimütig beantwortet: „Es ist die soziale Verantwortung, der wir uns verpflichtet fühlen. Unser Ja zum Menschen.“

Fernando bietet dem aus der Bürgerinitiative hervorgegangenem Verein Kultur- und Initiativenhaus an, den Saal in der Straze zu mieten, während im restlichen Teil des Hauses Studentenwohnungen installiert werden.

Es ist natürlich klar, dass sich so schallschutzbedingt weder ein Konzerthaus noch eine Theaterspielstätte etablieren kann. Die Vorwürfe, den Abriss des denkmalgeschützen Hauses beantragt zu haben, wies Fernando zurück: „Das war anfänglich nur kurz im Gespräch“

AKADEMIEPARK KOMMT – MIRA MUSS GEHEN

Das Petruswerk ist allerdings auch an anderer Stelle in der Stadt unternehmerisch aktiv. In der Anklamer Straße haben die Berliner ein etwa 9500m² großes Grundstück gekauft. Dazu gehört auch der Gründerbau Ecke Stellingstraße, dessen Keller das mira beheimatet, das sich nun nach einem neuen Standort umsehen muss.

Die Entwürfe auf der Internetseite des Unternehmens sind nicht aufregend und erinnern eher an die architektonischen Albträume von Youniq denn an schönes Bauen.

Laut webMoritz sollen dort 400 Studentenwohnungen,  „vor allem Einzimmer-Appartements, aber auch Wohnungen für Paare, für Behinderte und für Wohngemeinschaften, entstehen“.

WIE GEHTS WEITER?

Das Petruswerk pokert in der Stralsunder und schafft Tatsachen in der Anklamer Straße. Es bleibt zu hoffen, dass der Verein Kultur- und Initiativenhaus es doch noch irgendwie schaffen kann, die Immobilie vor dem Tod durch Sanierung zu bewahren und ein neues sozio-kulturelles Zentrum zu schaffen. Aber das wird eine schwierige Aufgabe.

Ein Blick auf die Liste der Gruppen und Initiativen, die früher in der Straze Arbeits- und Lebensraum gefunden haben, mag erhellend dazu beitragen, den Sinn eines sozio-kulturellen Zentrums zu erkennen. Zu den Nutzern des Hauses vor dem Verkauf zählten: das Caspar-David-Friedrich-Institut (Ateliers), das Historische Institut, der Hochschulsport, das Studententheater, GrIStuF, radio 98eins, Greenpeace, HSG UniGryps, die Tanzgruppe „Laribundus“, die Moritz-Gruppe, die BUND-Ortsgruppe, AK Ökologie, die BI Kernenergie und ein Kinderzirkus.

Einige der Gruppen sind heute quasi obdachlos, andere sind in Gebäuden untergebracht, deren Nutzung aus baupolizeilichen Gründen terminiert ist (z.B. Moritz Medien und GrIStuF in der Wollweberstraße).

Der Bedarf für ein Zukunftprojekt Straze besteht offenkundig, eine Betriebsstruktur wurde geschaffen und Gelder für den Immobilienkauf sind akquiriert worden. Jetzt müssten sich nur noch Douglas Fernando und das Petruswerk ihrer sozialen Verantwortung verpflichtet fühlen.

(Bildquellen: Feldweg via Flickr, Petruswerk, BI Straze)

*Update*

Eine aktualisierte und ausführliche Zusammenfassung der Immobiliengeschäfte, die das Petruswerk in Greifswald unternahm, ist im Beitrag Die Greifswalder Einkaufstour des Immobilienmagnaten Douglas Fernando zu finden.