Die Ausstellungsräume bei Polly Faber blieben dunkel — einzig das Publikum, das an diesem Abend zahlreich erschienen ist und angetan durch die Nebelschwaden taperte, setzte mit den mitgeführten Taschenlampen der Dunkelheit ein Schimmern entgegen. Dazu die Musik, die behutsam durch den Raum reverbt, bis irgendwann auch das letzte Delay sein tieffrequentes Finale gefunden hat — ein einmaliger Abend!
Wer P365 –die Ausstellung zum ganzjährigen Kunstprojekt der Greifswalder Künstlerin swinx, die Anfang Mai in den Räumen von Polly Faber eröffnet wurde — noch nicht gesehen hat, kann das heute in einmaligem Ambiente nachholen, wenn die Greifswalder The Splendid Ghetto Pipers Geräuschflächen und Echochochochos durch die Halle pumpen werden.
Das Greifswalder Psycho-Drone-Duo changiert zwischen „wohltemperiertem Lärm, entschlacktem Zeitlupen-Shoegaze und echotischen Geräuschteppichen“ — zu ihrem KnartzIV-Gedeck gehören neben zwei Gitarren, einem Synthie und dem obligatorischen Notebook vor allem Legionen analoger und digitaler Effektgeräte.
Für ihr Konzert haben sich die beiden Botschafter der entschleunigten Klanglandschaften ein besonderes Format überlegt: ihr Auftritt wird in nebelgefluteter Dunkelheit stattfinden. Die Beleuchtung wird das Publikum erledigen, das mit mitgebrachten Leuchtwerkzeugen die Ausstellung und die musikalische Performance erkunden kann, um die Kunstwerke von swinx in ganz neuem Licht zu entdecken.
Einen ersten Eindruck der Gestalt dieser Erkundungsreise fördert das folgende Video zutage, das Appetit auf einen erlebnisreichen Abend macht. Packt also Taschenlampen und Kopfstroboskope ein und vergesst nicht, sie ausgiebig zu gebrauchen!
Heute Abend findet in den Ausstellungsräumen der mittlerweile bis zum 29. Mai verlängerten Exposition P365, die seit Monatsbeginn bei Polly Faber gezeigt wird, eine Lesung statt, in der der ausgestellten Kunst mit ausgewählten Texten auf den Leib gerückt werden soll.
Auf die Ohren gibt es von A.S. gelesene, ins Deutsche übertragene Texte des russischen Literaten Daniil Charms. Die Veranstalter hoffen, mit dem „Klassiker des Absurden“ eine angemessene literarische Entsprechung zu den „skurrilen, phantasievollen, frechen, und oft tiefgründigen Collagen — ‚charming‘ im besten Charms’schen Sinne — bieten“ zu können.
Abliefern, jeden Tag, ein ganzes Jahr lang. Dieses ambitionierte Ziel setzte sich die Greifswalder Künstlerin Swinx, als sie im Herbst 2011 mit der Arbeit an P365 begann — einem Projekt, das sie in letzter Konsequenz bis auf die Bank eines Tätowierers führte.
Swinx bediente sich in diesem Jahr vielfältiger Ausdrucksformen. So entstanden unter selbstgeneriertem Schaffensdruck unzählige Collagen, viele Fotografien, einige Musikstücke sowie mehrere Videos und Stop-Motion-Filme — ihre Ergebnisse dokumentierte die Künstlerin immer sofort online.
Nun — ein halbes Jahr, nachdem swinx den 365. Baustein ihres Langzeitprojekts fertiggestellt hat — gibt es zum ersten Mal die Gelegenheit, die Arbeiten im nichtdigitalen Ensemble zu betrachten: heute Abend wird in der Polly Faber eine Ausstellung eröffnet, die eine großzügige Auswahl der in diesem Zyklus entstandenen Werke zeigt. Zur Vernissage wird die Greifswalder Postrock-Band broːm spielen. Die Ausstellung läuft bis zum 20. Mai.
Am 30. Oktober war Schluss. Die dauercollagierende Künstlerin Swinx hat ihr Ziel erreicht, nachdem sie mit einem Selbstportrait ihr Projekt P365 beendete. Das Foto zeigt sie in einem Zustand sichtlicher Ermattung. Die könnte unter anderem daher rühren, dass sie genau ein Jahr vorher mit so etwas wie einem Art-Blog begann, den sie mit der täglichen Veröffentlichung einer künstlerischen Arbeit vorantrieb.
„Am Anfang steht die Idee. Ist sie nicht da, muss man suchen. Und dann kommt der nächste Tag.“
Die dabei entstandenen Werke sind Kleinode des Alltäglichen, in denen sich Humor und Feinsinn die Hand reichen. Den größten Teil der Arbeiten stellen Collagen dar, die der inwischen verstetigten Bildsprache der Künstlerin treu bleiben. Dazu kommen Fotografien mit dem Blick auf’s Große im Kleinen, Musikstücke und kurzeVideos. In ihrer Gesamtheit lesen sich viele dieser Kleinode wie ein Katalog an Fragen nach der eigenen Rolle in dieser absurden Welt.
Wenn einen das Vorhaben umtreibt, jeden Tag etwas zu schaffen und diese Ergebnisse zu veröffentlichen, dann stellt sich früher oder später eine Art Publikationsdruck ein, der fortwährend Kreativität und Energie einfordert. Swinx drückt das in einem Text, den sie zum Abschluss des Projekts schrieb, folgendermaßen aus:
„Zeitweise hatte ich das Gefühl, wieder und wieder auf den Zehnmeterturm zu steigen, obwohl ich mich eigentlich vor dem Sprung fürchtete. Dann stand ich doch dort oben und sprang einfach – den Rausch des Fluges genießend, ohne darüber nachzudenken, ob und wie ich landen würde: elegant ins Wasser eintauchend, um dann loszuschwimmen – oder mit einem Bauchklatscher. Wenn es ein Bauchklatscher wurde, versuchte ich es noch einmal und noch einmal – bis ich endlich wusste, dass ich einen ansehnlichen Sprung hingelegt hatte. Dann kam der nächste Tag.“
Dreihundertfünfundsechzigmal Selbstüberwindung
Das ging ein Jahr lang in diesem Takt, dann schloss Swinx mit P365 ab — zumindest vorerst. Doch in Vergessenheit geraten wird das Projekt damit sicher nicht. Der Künstlerin bleibt es nun als mahnende Erinnerung an ihrem Ringfinger. Als Souvenir an „Dreihundertfünfundsechzigmal Selbstüberwindung, Suche und Realisierung“.
Alle im Rahmen von P365 entstandenen Arbeiten können auf der Website von Swinx abgerufen werden und liegen dort — nach Monaten sortiert — vor.
Die Greifswalder Künstlerin swinx verwirklicht seit Novemberbeginn einen kreativen Vorsatz und schenkt der Welt so etwas wie einen einjährigen Artventskalender, der jeden Tag aufs Neue ein kleines Stückchen vom großen Kunstkuchen bereithalten soll.
Die Fragmente des project: 365 veröffentlicht swinx im Internet. Bislang erschienen dort neun Werke, darunter ein Foto und ein Video. Vornehmlich beschäftigt sich die Künstlerin allerdings mit Collagen, weswegen diese auch den Löwenanteil der bisherigen Arbeitsergebnisse stellen.
In der folgenden Galerie sind erste Eindrücke des täglich unter Zeit- und Publikationsdruck stehenden project: 365 versammelt.
Wer mitverfolgen will, welche kreativen Outputs swinx in den kommenden 356 Tagen produzieren wird, sollte die Adresse ihrer Website im Hinterkopf behalten und täglich vorbeischauen. Es lohnt sich!