„Denn wo Freiheit und Leben sein soll, muß immer Krieg der Geister sein.“ — einige Anmerkungen zur Arndt-Debatte

Ein Gastbeitrag von Daniel Schwandt

Der Streit um den Namen der Greifswalder Ernst-Moritz-Arndt-Universität hat in den letzten Jahren und Monaten Emotionen und hitzige Diskussionsbeiträge hervorgebracht, die man bei den gemeinhin als etwas unterkühlt geltenden Norddeutschen kaum erwartet hätte. Dazu passt ein Arndt-Zitat: „Wo Freiheit ist, muß, wer öffentlich auftritt, sich auch öffentlich behandeln und verhandeln und mitunter wohl mißhandeln lassen.“ (Geist der Zeit IV: Verfassung und Preßfreiheit, 1818). Damit kein Mißverständnis entsteht: jegliche Diskussion sollte sachlich bleiben. Für mich ist es auch eine Selbstverständlichkeit, dass sich an der Diskussion alle Ehemaligen der Universität und auch alle Greifswalder beteiligen können — es betrifft sie.

Ich bin in Greifswald geboren, aufgewachsen und habe ein paar Semester an der EMAU studiert. Der Universitätsname Ernst-Moritz-Arndt war genauso wie die Arndtschule und die Arndtstraße einfach vorhanden. Er störte nicht und wurde auch nicht hinterfragt. Bei der Abkürzung EMAU ist ja auch nicht mehr viel Arndt zu erkennen. So war es erstaunlich, dass nach Jahrzehnten der Name Ernst-Moritz-Arndt von einigen Universitätsangehörigen als untragbar empfunden und diskutiert wurde. Die von Hochschullehrern auch auf dem Fleischervorstadt-Blog veröffentlichten Beiträge (Für die Universität Greifswald. Zeitung mit Fakten zum Namensstreit an der Universität Greifswald„) überzeugen mich nicht. Von mir aus kann jeder, der es will, von der Uni Greifswald reden, schreiben oder singen, aber denjenigen, die den traditionellen und offiziellen Namen Ernst-Moritz-Arndt-Universität weiter verwenden wollen, sollte man das auch zugestehen.

Das Wort ‚Rückbenennung‘ ist eine Nebelkerze

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Anmerkungen zur Rechtssicherheit der Namensführung „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“

Prof. Dr. Helmut Klüter (Institut für Geographie und Geologie, Universität Greifswald)

Rechtssicherheit

Die Rechtssicherheit staatlicher Entscheidungen stützt sich in Deutschland vor allem auf Art. 20 des Grundgesetzes. Dort heißt es in Satz (3): „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ (www.gesetze-im-internet.de, 2018-01-02)

Diese Norm sollte auch für das Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommern (Gesetz über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, LHG) gelten. Dort wird in § 1(1)1. die Greifswalder Universität „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“ genannt, wobei Satz (3) erläutert: „Der Name der Hochschule und die Bezeichnung der in Teil 9 vorgesehenen Ämter, Gremien und Organisationseinheiten werden in der Grundordnung festgelegt. Namensbestandteil ist der jeweilige Sitz der Hochschule.“ (landesrecht-mv.de, 2018-01-02)

Anmerkungen zur Rechtssicherheit der Namensführung „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“

(Foto: Michael Gratz)

2003 wurde die heute gültige Grundordnung der Universität Greifswald beschlossen, in der wie in der vorherigen die Hochschule als „Ernst-Moritz-Arndt Universität“ bezeichnet wird. „Anmerkungen zur Rechtssicherheit der Namensführung „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald““ weiterlesen

Greifswald kann Kreisverkehr

Wo wir gestern schon beim Thema NS-Spuren in Greifswald waren: In mehreren Diskussionen über die geplante, aber leider noch immer nicht verwirklichte Diagonalquerung über die Europakreuzung wurde der Vorschlag laut, auf dem Platz der Freiheit statt dem umstrittenen Fahrradweg einen Kreisverkehr zu installieren.

Diese Ideen wurden von anderen Diskutanten alsbald mit dem von einem Augenzwinkern begleiteten Verweis abgetan, dass die Greifswalder Bevölkerung nicht in der Lage wäre, das Prinzip Kreisverkehr zu verstehen und umzusetzen. Doch dieser Einwand ist falsch, denn an diesem Ort gab es schon einmal einen Kreisverkehr.

greifswald platz der s.a.Der Platz hieß damals allerdings noch Platz der SA (1937-1945). Er wurde nach Kriegsende zunächst zum Theaterplatz umbenannt (1945) und kurz darauf zum Platz der Einheit. Seit dem letzten, 1946 durchgeführten Namenswechsel, heißt er Platz der Freiheit und trägt diesen Titel bis heute.

Historische Bahnhofstraße und das Wirrwarr mit den Umbenennungen

Neue Namen für alte Plätze: in Greifswald wird wieder über Um- und Neubenennungen diskutiert. Dabei wird am Beispiel der heutigen Bahnhofstraße deutlich, dass unterschiedlichen Bezeichnungen nicht immer so einfach nachzuvollziehen sind, wie man annehmen könnte.

Bezeichnungswirrwarr von der Wiesenstraße bis zum ollen Stalin und zurück

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hieß zum Beispiel der Abschnitt zwischen der Arndt-Straße und dem heutigen Bahnhof aufgrund der vorhandenen Gärten Gartenstraße. Das Stück zwischen Luther- und Gützkower Straße hörte damals hingegen auf den Namen Wiesenstraße, welche ja heute irreführenderweise eine Parallelstraße der Bahnhofstraße ist.

Der Abschnitt zwischen dem Bahnhof und dem heutigen Karl-Marx-Platz hieß erst Luisebrink, später Erweiterte Gartenstraße und wurde schließlich Teil der Bahnhofstraße, wie wir sie heute kennen.

(Foto: historische Postkarte, unbekannte Fotografin)

Dies änderte sich aber mit dem Bau des Bahnhofs und der Eisenbahnwerkstätten (Bahnhofshallen) in den späten sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, durch den die heutige Pfarrer-Wachsmann-Straße entstanden ist. Die hieß damals allerdings zuerst Bahnhofstraße, ehe dieser Name 1868 auf die heutige Bahnhofstraße übertragen wurde — wenngleich dies nur für den Abschnitt zwischen Luther-Straße und Bahnhof geschah. Der Abschnitt zwischen Arndt- und Fleischerstraße blieb noch mehrere Jahre lang Gartenstraße.

Gut 90 Jahre darauf, 1959, wurde aus der Bahnhofstraße die Josef-Stalinstraße, ehe sie nur zwei Jahre später von ihrem unsäglichen Namenspatron entledigt und zum vorerst letzten Mal umbenannt wurde. Wer sich für Benennung von Straßen und Plätzen in Greifswald interessiert, sollte einen Blick auf den historischen Stadtplan werfen, über die Geschichte Greifswalder Straßen erfährt man hier mehr.

Historischer Plan der Stadt Greifswald

Vor kurzem fiel mir ein alter Greifswalder Stadtplan in die Hände, eigentlich ein Muss für Fans! Antiquar Dr.Ulrich Rose wusste auf Nachfrage auch einiges über den Verlag Julius Abel zu berichten, der die Karte einst herausgab.

Abel begann seine verlegerische Tätigkeit in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die letzten Verlagserzeugnisse bei mir waren Vorlesungsverzeichnisse bis 1951, danach habe ich nichts mehr von ihm. Das Adreßverzeichnis des deutschen Buchhandels 1896 nennt als Julius Abels Gründungsjahr 1850, Fernsprecher Nr. 5, aber keine Adresse. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts arbeiteten Adler (später Panzig) und Abel parallel.

Straßennamen als zeitgenössischer Ausdruck einer Gesellschaft

Lohnenswert ist ein Blick auf die Straßennamen. An ihnen wird deutlich, dass sie als Ausdruck eines bestimmten gesellschaftlichen Klimas gelesen werden können und wie symbolische Politik funktioniert.

stadtplan greifswald

Zur Zeit dieses Druckes  waren das alte Preußen und die Kaiserzeit präsent, davon zeugen zum Beispiel die Wilhelmstraße (heute Böhmke-), die Papenstraße (heute Luther-), die Bismarckstraße (heute Bach-) und die Roonstraße (heute Breitscheid-). Nach Karl I. wurden der heutige Karl-Marx-Platz und die Fallada-Straße unserer Tage benannt.

Einige Jahre später wurde die Wolgaster zur Wilhelm-Pieck-Allee, die Lange Reihe zur Külzstraße, die Anklamer zur Otto-Grotewohl-Allee und die Ringstraße nach Pestalozzi betitelt. Die Bahnhofstraße hieß von 1951 bis 1961 Josef-Stalin–Straße, wie das ausführliche, aber dennoch unvollständige Verzeichnis Greifswalder Straßennamen verrät.

Der Stadtplan steht hier in hoher Auflösung zum kostenfreien Download bereit.