Unter Liberal-Konservativen: Jan Fleischhauer liest in Greifswald

Es gibt Tage, an denen man sich einen Irrtum eingestehen muss, weil man dachte, den gröbsten publizistischen Unfug gelesen zu haben, der hierzulande binnen einer Woche rechts der sogenannten politischen Mitte publiziert werden kann. Das sind seit fast eineinhalb Jahren häufig Donnerstage, denn seit Januar 2011 polemisiert Publizist Jan Fleischhauer in seiner wöchentlich bei Spiegel Online erscheinenden Kolumne Der schwarze Kanal dem Wochenende entgegen. Am Freitag wird er in Greifswald sein ältestes Buch vorstellen.

„Besonderes Engagement für die Fortentwicklung des politischen Liberalismus“

Fleischhauer arbeitet seit Ende der Achtziger für den Spiegel, aber erst mit seiner rege kritisierten Klageschrift Unter Linken: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde (2009) gelang ihm der Schritt zum nächsthöheren Bekanntheitsgrad: Unter Linken wurde 2010 mit dem Flach-Preis ausgezeichnet. Doch damit wurde keineswegs die Seichtheit des Buches gewürdigt — vielmehr verleiht die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung diese Auszeichnung für besonderes Engagement, das die „Fortentwicklung des politischen Liberalismus“ erkennen lässt.

SPIEGEL TV machte damals das Buch fürs Fernsehen zurecht und brachte es bei RTL ins Program. Mehr Worte über das Ergebnis müssen kaum vergeudet werden, obwohl? Christian Ströbele, Punkt.

Ein Publibrid aus Broder und Sarrazin

Der neoliberal-konservative Kolumnist, eine publizierende Mischung aus Henryk M. Broder und Thilo Sarrazin, legte aber dieses Jahr nochmal nach und veröffentlichte unlängst mit Der Schwarze Kanal: Was Sie schon immer von Linken ahnten, aber nicht zu sagen wagten (2012) ein weiteres Buch zum bewährten Thema, in dem er seine Kolumnen zweitverwertet. Trotzdem ist er in Greifswald weiter mit Unter Linken auf Tour.

Jan Fleischhauer

Die „Linken“ müssen sich seiner Meinung nach „in Deutschland für ihre Ansichten nicht rechtfertigen. Sie haben ihre Meinung flächendeckend durchgesetzt, nicht im Volk, aber in den tonangebenden Kreisen, also da, wo sie vorzugsweise zu Hause sind. Wer links ist, lebt im schönen Gefühl, immer Recht zu haben.“

In der Beschreibung des Buches heißt es weiter: „in der Politik haben sich die Linken oft gerirrt, bei der Reform des Bildungssystems ebenso wie bei der Integration der Ausländer oder dem Ausbau des Sozialstaats. Aber irgendwie macht das nichts, immer werden ihnen die besten Motive zugebilligt, die lautersten Absichten. Warum eigentlich?“

Schmerzfreien und Idealisten bleibt das Podium

Die kostenlose Lesung wird von der Friedrich-Naumann-Stiftung finanziert und tatkräftig von den hiesigen Jungliberalen unterstützt. Für Neoliberal-Konservative, die sich einen Abend verstanden wissen und nicht alleine dastehen wollen, ist sie ein absoluter Pflichttermin. Sollte jemand diesem Spektakel neunzig Minuten zuhören können, ohne an einer plötzlichen Stirnrunzelfieberattacke zugrunde zu gehen, bleibt ihm immerhin noch die sich anschließende Podiumsdiskussion zur Intervention. Ordentlich Pomade ins Haar, Brillenrand abmontiert und ab die Post!

Fakten: 22.06. | 19. 30 Uhr | Konferenzsaal der Uni Greifswald (Domstr. 11) | frei

Es ist noch lange nicht vorbei: Extra-Studenten-Vorstellung von Yann & Beatrix

Soll das nun die aber wirklich letzte Aufführung des Stückes Yann & Beatrix werden? Das Ende des von Lukas Goldbach inszenierten Stückes wurde seit dem vergangenen Jahr schon mehrmals angekündigt, doch auch heute Abend werden Katja Klemt und Jan Holten nochmal in ihren Rollen zu erleben sein, und zwar in einer „Extra-Studenten-Vorstellung“.

yann & beatrixSie sind die einzigen beiden Darstellenden im Schauspiel von Carole Fréchette, das zuletzt in der Brasserie Hermann aufgeführt wurden und eine Zweierbeziehung verhandelt.

„Es war einmal eine Frau voll Sehnsucht, aber statt Gefühl bloß eine einsame Wüste im Innern. Ein Aushang „Suche einen Mann, der imstande ist, mich zu interessieren, zu rühren und zu verführen. In dieser Reihenfolge. HOHE BELOHNUNG.“

Und ein Mann, der an nichts mehr glaubt, als an die Zwanzigerscheine, die er als Prämienjäger verdient. Er stellt sich der Prüfung, welche sich zu der Suche nach dem Moment entwickelt, da wirkliche, wahre Liebe entsteht. Es beginnt ein Kampf zwischen Anziehung und Abneigung, Faszination und Verführung, Liebe und Hass. Und inmitten dieses unwirklichen Glücksspiels entsteht fast unmerklich etwas Wahres, Zartes, Echtes, das vielleicht die Angst vor der Liebe überwinden kann. Fast wie im Märchen.“

Der Regionalsender Greifswald TV hat einen kurzen Beitrag dazu mit Aufnahmen aus dem Stück veröffentlicht, aber das ersetzt natürlich nicht den Besuch in den neuen heiligen Hallen des Studententheaters, sondern kann nur Appetit auf mehr machen.

Fakten: 20.06. | 20 Uhr | Stuthe (Mehring-Str. 48) | 4 / 6 EUR (erm.)

Ostsee-Zeitung will Pedalritter verschrotten

Versprochen ist versprochen: In der vorletzten Wochenendausgabe der Ostsee-Zeitung kündigte Redakteur Dr. Eckhard Oberdörfer an, zukünftig auf die beiden Begriffe „Pedalritter“ und „Drahtesel“ verzichten zu wollen.

Die Chance, dass diese beiden grausligen Ausdrücke nun in die lokaljournalistische Mottenkiste wandern, ist zum Greifen nahe.

„NIE WIEDER PEDALRITTER, VERSPROCHEN!“ 

Der Redakteur und Überbringer der hoffnungsweckenden Botschaft gehört selbst zur radelnden Zunft. Sein Faible für die beiden welkgewordenen Stilblüten erklärt er damit, nach entsprechenden Synonymen gesucht zu haben. Er äußerte sich betroffen darüber, dass sich andere durch den Begriff „Pedalritter“ als Verkehrsrowdys diskriminiert gefühlt hätten. In dieser Hinsicht darf von meiner Seite aus Entwarnung gegeben werden.

Unangenehmer als der Verkehrsrowdy ist dagegen die Zuordnung zu einer Klasse sozial privilegierter und mordlüsterner Männer mit einem Fetisch für metallene Kleidung — aber das ist vielleicht auch nur so eine persönliche Abneigung, die sicher nicht von allen geteilt wird. Viel wichtiger: die „Pedalritter“ verschwinden endlich, gerne auch zum Preis der befürchteten Wortwiederholungen.

Und wenn es dann doch etwas variantenreicher werden darf, gibt es neben den „Fahrradfahrern“ auch „Radfahrer“ und „Radler“, sowie die geschlechtergerechten „Fahrradfahrenden“, „Radfahrenden“ und „Radelnden“. Der Duden kennt außerdem noch „Biker“ und „Bikerin“, aber das ist dann vielleicht doch etwas zuviel des Guten. Wer aber trotzdem auf weltmännisch machen will, könnte noch mit dem spanisch-italienischen „Bicyclista“, der französischen „Cycliste“ oder den „Velofahrern“ aus der Schweiz liebäugeln.

Nehmen wir den Redakteuer beim Wort: „Nie wieder Pedalritter, versprochen!“

Brand in Verbindungshaus

In den Morgenstunden des heutigen Tages brach in einem Gebäude der Studentenverbindung Corps Marchia in der Stralsunder Straße ein Feuer aus, in dessen Folge sieben Menschen leicht verletzt wurden.

Gesamtes Gebäude unbewohnbar 

Kurz vor sechs Uhr informierte ein Bürger die Feuerwehr darüber, dass aus dem Dach und den Fenstern des Gebäudes Rauch drang. Die herbeigerufenen Feuerwehren waren daraufhin mit insgesamt 35 Leuten im Einsatz und retteten eine Person aus einer brennenden Wohnung. Mehrere Personen konnten sich durchs Fenster flüchten, zwei weitere wurden vor einem Sprung aus dem Haus bewahrt und mit einer Drehleiter aus der Gefahrenzone gebracht.

feuerwehr stralsunder

Wie die Pressestelle der Stadt informiert, befinden sich alle sieben Leichtverletzten zur Beobachtung im Klinikum. Nach Mitteilung des Einsatzleiters sei nicht nur die ausgebrannte Wohnung, sondern das gesamte Gebäude unbewohnbar. Der Einsatz dauere an und die Feuerwehren nehmen Teile des Dachstuhls auf, um ihn auf Glutnester zu kontrollieren.

Nach Informationen der Ostsee-Zeitung vermutet die Polizei „entweder eine technische Ursache des Feuers oder eine fahrlässige Brandstiftung“. Hinweise auf eine Brandstiftung von außen gäbe gebe es bisher nicht.

(Foto: Malte Kretschmann)

Judith Schalansky geht ins Kloster

Die Greifswalder Autorin und Buchgestalterin Judith Schalansky lebt seit dem 6. Juni im ehemaligen Kloster St. Afra in Meißen. Sie wird dort als inzwischen dritte Klosterhofschreiberin an einer neuen Veröffentlichung arbeiten. Ihre beiden Vorgängerinnen im St. Afra waren Angela Krauß und Christoph Kuhn.

judith schalansky

Schalansky wurde in Greifswald geboren und ist hier aufgewachsen. Sie lebt als freie Autorin in Berlin und wurde für ihre Arbeiten mittlerweile mit mehreren Literatur- und Designpreisen geehrt, unter anderem mit dem 1. Preis der Stiftung Buchkunst: „Schönstes deutsches Buch des Jahres“ und dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg.

Aus ihrer Feder stammen Fraktur mon Amour (2006), Blau steht dir nicht: Matrosenroman (2008), Atlas der abgelegenen Inseln: Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde (2009) und Der Hals der Giraffe: Bildungsroman (2011).

Ihren Bildungsroman Der Hals der Giraffe stellte das NDR-Kulturjournal vor wenigen Monaten in einem eigenen Beitrag vor.

 (Foto: Filmstill)

Moritz TV: Thomas Meinecke im Interview

Vor gut einer Woche kam Thomas Meinecke mal wieder in Greifswald vorbei und stattete der Hansestadt einen Besuch ab.

Dabei absolvierte der Münchener gleich mehrere Termine vor Ort und trat auf gänzlich verschiedenen Veranstaltungen auf: als DJ beim Hoffest der Germanistik und der Rechtswissenschaften, als Gast und Gegenstand eines Schumacher-Seminares, oder eben in seiner Profession als Autor, für die er wohl am berühmtesten ist.

Thomas Meinecke Lesung

Im restlos ausverkauften Koeppen las Thomas Meinecke eine knappe Stunde aus seinem Roman Lookalikes. Anschließend plauderte er mit Prof. Dr. Eckhard Schumacher und später auch mit dem Publikum über das Buch und leuchtete dabei einige Hintergründe seiner Lookalikes und ihrer Entstehung aus.

Das Studierendenfernsehen Moritz TV nutzte den Besuch des 56jährigen Avantgarde-Punks für ein gut zehnminütiges Interview, in dem Meinecke über Literatur und Musik, Zitation und Sampling, Rekontextualisierung und Sprachknäste, Stuckrad-Barre und Christian Kracht spricht.

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)