We remember Café Quarks! #1: Die alte Website

In genau neun Tagen jährt sich zum zehnten Mal die Räumung des ehemaligen AJZ/Café Quarks am Karl-Marx-Platz. Das Haus mit der denkmalgeschützten Fassade stand seitdem leer, bis es ganz überraschend am 26. November des Vorjahres abgerissen wurde.

schriftzug quarksEin Überblick über die Geschichte des Hauses und ein Video des Abrisses sind einen Tag später auf dem Fleischervorstadt-Blog erschienen. Kurz darauf fand vor den Ruinen des einstigen Kulturtempels eine Art Gedenkveranstaltung statt. Auch diese Zusammenkunft wurde hier dokumentiert.

WOCHE DER KULTURELLEN FREIRÄUME

remember cafe quarksAnlässlich des Räumungsjubiläums werden in unmittelbarer Zukunft einige Veranstaltungen unter dem Label We remember Café Quarks! stattfinden, die subkulturelle Einblicke und Ausblicke ermöglichen sollen. Vom 30.01. bis zum 06.02. wird eine Woche der kulturellen Freiräume zwischen Gedenken und Zukunftsvision offeriert.

Auf die verschiedenen Parties, Filmvorführungen und Diskussionsveranstaltungen wird hier in den kommenden Tagen noch explizit eingegangen werden. Einen kurzen Überblick auf das, was uns erwartet, bietet der aktuelle IKUWO-Flyer.

AUSSTELLUNG SUBKULTURELLER LIEBHABERSTÜCKE „We remember Café Quarks! #1: Die alte Website“ weiterlesen

Pop am Wochenende: Pauler „An der Zeit“

Die Reihe „Pop am Wochenende“ versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Pünktlicher hätte das Stück An der Zeit von Pauler nicht veröffentlicht werden können. Die Staubwolken des vor drei Wochen abgerissenen AJZ/Café Quarks haben sich gerade erst gelegt, da wird bekannt, dass das Greifswalder Studententheater die seit etwa zwei Jahren genutzten Räume verlassen muss. Zack, wieder ein Kulturraum verloren!

(Foto: Peter Randt)

Am Montag wird um 16.30 Uhr eine Kundgebung an der Straze (Stralsunder Straße 10) stattfinden und man wird zum wiederholten Mal öffentlich den Willen demonstrieren, dieses Haus zu erhalten. Hoffentlich kommen auch die Hedonisten und laden sich vorher dieses Stück herunter.

Dessen Autor Pauler ist gebürtiger Rostocker, verbrachte allerdings viele Jahre in Greifswald und war offensichtlich vom Abriss seines früheren Zuhauses am Karl-Marx-Platz so entsetzt und wütend, dass er vor wenigen Tagen einen Song zum Thema veröffentlichte:

Gestern riss man wieder mir ein Stück Erinnnerung nieder, das besetzte Haus aus meiner wildern Zeit […] Sie zerstören deinen Club und dein Zuhause solange sie n Cent daran verdienen, doch was zu weit geht, geht zu weit.Spürst du die Trauer? Spürst du die Wut? Spürst du den Hass und fühlst du die Glut und das Feuer in dir und den wachsenden Unmut? Wohin mit soviel Zorn? In deinen Adern kocht das Blut.Wenn du erkennst, dass schon wieder ein Stück Hoffnung stirbt, weil irgendwelche Großverdiener denken, dass für ein bißchen Geld ihnen die Welt gehört. Und wenn du siehst wie sie mit ihren Zahlen spielen, Lebensräume unterspülen,  denn der Finanzerseelesystem sind Liebe und Kultur ein unbekannter Wert.

Der Song kommt dubby daher und lässt sich hier herunterladen. Ein Klick auf den Link sollte einen Player öffnen, um das Stück ohne Umwege an Ort und Stelle hören zu können. Es empfiehlt sich die Verwendung einer bassaffinen Anlage oder eines Kopfhörers, die in Computern integrierten Lautsprecher können die essentiellen Tieffrequenzen einfach nicht transportieren. In Rostock arbeitet Pauler gemeinsam mit dem Schlagzeuger Jörn Knüppel in Richtung Dub und TripHop. Vom düsteren, aber dennoch jazzigen Ergebnis kann man sich mit diesem Livemitschnitt einen Eindruck machen.

Bilder der AJZ-Gedenkveranstaltung

Dem sehr kurzfristig verbreiteten Aufruf zum Gedenken der lokalen Freiräume folgten am gestrigen Abend sehr viele Menschen. Etwa 120 Leute fanden sich an den Ruinen des Alternativen Jugendzentrums am Karl-Marx-Platz ein und harrten dort trotz des feucht-kalten Wetters knappe zwei Stunden aus.

Alte Strukturen trafen auf junge Strukturen, wie zum Beispiel die Hedonistische Internationale Sektion Greifswald (M.u.S.i.K.). Die Lustprinzipler machten den gestrigen Abend mit ihren mobilen Systemen zu einem vollen Erfolg.

remember cafe quarks

Das kleine Rabauke beschallte die Feierlichkeit mit Musik von einst im AJZ/Café Quarks aufgetretenen Künstlern, während mit dem Strahlemann Fotos und Flyer an die freistehende Wand des Nachbarhauses projiziert wurden. Dabei erzeugten die Abriss-Videos eine sehr surreale Atmosphäre.

Außerdem wurden am gestrigen Abend an sieben verschiedenen Freiräumen Transparente angebracht. Wie immer freue ich mich auf die Einsendung gelungener Bilder. 

Remember AJZ/Café Quarks!

Remember AJZ / Café Quarks!

Vor genau acht Tagen wurde das ehemalige AJZ / Café Quarks abgerissen und damit ein Denkmal subkultureller Bewegung in Greifswald zerstört. Heute Abend um genau 21 Uhr wird aus diesem Grund eine Art Mahnwache am damit geschaffenen, alternativen Ground Zero Greifswalds stattfinden.

Flankiert von den mobilen Beschallungs- und Beleuchungseinheiten der hiesigen Hedonisten und saisontypisch wie weihnachtstaumelig abgefüllt mit warmem Glühwein, wollen wir heute des verlorenen Freiraums gedenken und dabei auch das Bewusstsein für andere verlorene (z.B. die Straze), bedrohte (z.B. das Café Pariser) und gerettete Häuser (z.B. Grimmer Str.2) wiedererwecken.

Kommt so pünktlich wie zahlreich!

Alternatives Jugendzentrum abgerissen — ein Rückblick

Wer wird sich daran später noch erinnern? Diese Frage stellte ich vor zwei Wochen mit dem Hinweis auf die Neubauten in der Pfarrer-Wachsmannstraße. So wie mit den Baulücken auch ein einzigartiges Kapitel der jüngsten Greifswalder Stadtgeschichte verschwand, so hat es gestern Mittag völlig überraschend die Ruine des Alternativen Jugendzentrums am Karl-Marx-Platz getroffen. Innerhalb weniger Stunden wurde das Haus dem Erdboden gleichgemacht.

Seit 1991 wurde das ehemalige Kinderheim Hertha Geffke besetzt, anfangs geduldet und sogar kurzzeitig im Rahmen des Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt (AgAG) gefördert. 1993 wurde das Haus an seine Hamurger Alteigentümerin rückübereignet. Es blieb besetzt, die Stadt hörte aber auf, mit den Bewohnern des AJZ – später in Café Quarks umbenannt – zu kooperieren. Das Projekt entwickelte sich zu dem mit Abstand legendärsten alternativen Veranstaltungsort Greifswalds. Hier wurden rauschende Feste gefeiert.

AJZ Greifswald

Wo wir am Leben gehindert werden, fängt unser Widerstand an

1999 wurde die Lage für die Besetzer und Besetzerinnen immer dramatischer, im November des Jahres gab es aus diesem Grund eine Demonstration, an der rund 800 Jugendliche mit Transparenten wie „Wo wir am Leben gehindert werden, fängt unser Widerstand an“ teilnahmen. Für den Erhalt des Hauses wurden in wenigen Wochen 1700 Unterschriften gesammelt.

Der kurzfristige Versuch, das Quarks zu kaufen, scheiterte am unangemessenen Kaufpreis und dem Verhandlungsunwillen der Alteigentümerin. Anfang Januar 2000 erhielten die Bewohner des AJZ die Räumungsaufforderung. Das Haus wurde am 4. Februar 2000 von Polizeibeamten geräumt.

Jugendliche tragen AJZ zu Grabe Greifswald

Danach entlud sich in Greifswald eine unvorstellbare Frustration der Jugend. Die plötzlich obdachlosen Hausbewohner indes kamen zeitweise auf dem Dachboden des Cafés Pariser unter.

Die Räumlichkeiten am Karl-Marx-Platz wurden schnell unbewohnbar gemacht, um eine erneute Besetzung zu verhindern. Anschließend überließ man das Haus dem Verfall. Mit dem Abriss des Gebäudes verliert diese Stadt eine Art subkulturelles Denkmal, das – auch wenn es in den vergangenen zehn Jahren leerstand –  an glanzvollere Zeiten erinnerte und dazu motivierte, Freiräume zu erkämpfen.

Parallelen im Umgang mit dem Denkmalschutz

Mit Blick auf die momentanen Entwicklungen um die Straze ist ein weiteres Detail interessant. Dort wird eindrucksvoll vorgeführt, wie leicht man in Greifswald dem Denkmalschutz begegnen kann und seiner ungeachtet ein traditionsreiches Gebäude verfallen lässt beziehungsweise abreißt.

Unter Denkmalschutz stand auch die Fassade des AJZ am Karl-Marx-Platz. Wie ernst es mit der Bewahrung solcher Güter genommen wird, kann man in diesem Video, das die gestrige Zerstörung dokumentiert, nachvollziehen.

Am 4. Februar wird sich die Räumung des AJZ zum zehnten Mal jähren und es sind schon mehrere Veranstaltungen geplant, um der wilden Zeiten zu gedenken. Unter dem Namen we remember cafe quarks wird Ende Januar die Auftaktparty mit einem Balkan-Dancehall-Gypsy-HipHop-Mashup von Las Balkanieras begangen werden.

Es ist weiterhin geplant, eine Ausstellung über das Café Quarks zusammenzustellen. Hierfür wird noch dringend Material gesucht. Wer also noch Fotos, Videos, Zeitungsartikel, Plakate, Fyler etc. besitzt und die Idee unterstützen möchte, sollte nicht davor zurückscheuen, mich per E-mail zu kontaktieren. Ich bin dankbar für jedes Kleinod. Wer mir ein Stück der alten Quarks-Spiegelkugel bringt, kriegt Kaffee und Kuchen!

Blogger lebewesen hat Bilder des  symbolischen Trauerzuges ins Rathaus (Februar 2000) veröffentlicht. Eine chronologische Übersicht der Entwicklung des AJZ offeriert der Likedeeler in seiner vierten Ausgabe.

Pop am Wochenende: Al-Haca „Family Business“

Die Reihe „Pop am Wochenende“ versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

Die Greifswalder Klang- und Partylandschaft vor knappen zehn Jahren war maßgeblich von Sounds zwischen Dub und Downbeat aus dem produktiven und umtriebigen Netzwerk zwischen Ostudio, AJZ und dem Magazin Zonic geprägt.

Damals wurden die Tanzflächen verschiedener und inzwischen aufgegebener beziehungsweise aufgelöster Orte wie der Alten Druckerei oder die Mensa Caféteria von dem kollaborativen Projekt Al-Haca beschallt, geformt und diktiert. Das Projekt, das sich in den Folgejahren zersiedelte, schaffte es auch in die Spex, sogar zweimal.

Der Projektname Al-Haca hat übrigens keinerlei orientalischen Bezug, sondern ist eine Verballhornung aus den Namen der Gründungsmitglieder Alex, Hardy und Carsten. Die Methode ist ja spätestens seit den Puhdys bekannt. Soundtüftler und Mitmusiker Christian Schwanz aka Cee (ex-MCC) operiert inzwischen seit Jahren aus der Östereichischen Bundeshauptstadt Wien heraus und veröffentlicht nach wie vor Musik in Zusammenarbeit mit einschlägigen Szenegrößen.

Im Videoportal youtube erhascht man eine Ahnung der Weltgereistheit des Musikers Cee, der nach wie vor mit RQM und Stereotype arbeitet und dabei von Tel Aviv über das Sziget-Festival bis nach Malaysia kommt. Fürs Wochenende gibt es das legere Stück Familiy Business vom gleichnamigen Album, professionell aufbereitet in Bild und Ton.