Der heutige Freitagabend gestaltet sich vortragsreich und politisch. Zuerst wird im Koeppenhaus eine Einführung in das Thema Gentrifizierung angeboten. Die damit verschlagwortete Umstrukturierung von Stadtteilen ist durch die derzeitigen Proteste im Hamburger Gängeviertel gerade wieder einmal medial präsent. Auch in Greifswald sind die mit diesem Begriff zusammengefassten Entwicklungen beobachtbar, wenngleich sich der Veredelungsprozess hier auf einem niedrigeren Niveau bewegt. Doch gerade in der Fleischervorstadt haben sich die Bewohner und der Charakter des Viertels stark verändert.
Der Vortrag wird versuchen Schlagwörter wie Aufwertung, steigende Mieten, Verdrängung von angestammten EinwohnerInnen einzuordnen und zu diskutieren. Dabei wird auf die wissenschaftlichen Theorie der Gentrifizierung, die bereits 1964 von der Soziologin Ruth Glass beschrieben worden ist, eingegangen. Zudem gibt es einen kleinen Einblick über Protestformen am Beispiel von Hamburg. Nach der Veranstaltung kann man der Einladung der Gruppe Ladyfest Greifswald ins IKUWO zu einem Vortrag über Sexismus in Musik und einer sich anschließenden Soliparty folgen:
„Was heißt es, wenn in Songtexten ständig Wörter wie „Nutte“, „Schwuchtel“, „Hurensohn“, „bitch“ oder „motherfucker“ auftauchen? Wird hier Realität abgebildet? Ist das witzig gemeint? Wird vielleicht sogar schockiert, um aufzurütteln und um zum Nachdenken anzuregen? Haben Worte Wirkung? Und wenn ja, welche? Musik ist in unserem Leben ständig präsent. Sie geht wie alles, was wir lesen, sehen und hören, in unseren Alltag, ins Denken und Handeln ein. Unser Thema ist die Wirkung von Musik und ihren Texten.“
Dem Vortrag wird sich eine TRASHPARTEY anschließen, auf der trashige Outfits ausdrücklich erwünscht sind. Es wird außerdem Drag Make Up vor Ort wird versprochen!
Re-make / Re-model – Geschlechterrollen im Pop-Diskurs lautet der Titel, unter dem Prof. Dr. Eckhard Schumacher morgen der Ringvorlesung Greifswald regendered popkulturellen Glanz verleihen wird.
Es sei, schreibt Diedrich Diederichsen, »ein Indiz für einen pop-fühligen historischen Moment, daß die sogenannten ›Geschlechterrollen‹ ins sogenannte ›Rollen‹ kommen«. Der Vortrag wird den ersten Song der ersten, 1972 veröffentlichten LP der Band Roxy Music, Re-make / Re-model, als einen solchen Moment identifizieren und zeigen, wie er sich über die mit dem Titel benannten Verfahren des Zitierens und Resignifizierens bis in die Gegenwart fortsetzt.
Prof. Dr. Eckhard Schumacher ist nicht nur Spezialist für die sogenannte Hamburger Schule, sondern hat auch den Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie am Institut für Deutsche Philologie inne. Die Aufnahme seiner Lehrtätigkeit in Greifswald wurde hier schon an anderer Stelle bejubelt.
Um das Thema der Vorlesung ist auch das um 19 Uhr stattfindende, offene Treffen der Greifswalder Ladyfest-Gruppe angesiedelt. Auf den Hintergrund dieser Idee und auf die Greifswalder Gruppe wurde bereits hier Ende April in ausführlicherer Form eingegangen. Wer Interesse an Kultur und Politik von Frauen für alle hat, ist herzlich eingeladen, vorbeizukommen.
Don’t be in love with the guitarist…BE the guitarist!
Ladyfeste sind ein Ergebnis bestimmter antipatriarchialer, subkultureller Strömungen des US-amerikanischen Undergrounds.
Aus der Hardcore-Punk-Ecke gewachsen, das D.I.Y.-Prinzip verinnerlicht (do-it-yourself) und zum Großteil mit der Riot Grrrl-Bewegung verschwägert, fand im Jahr 2000 das erste Ladyfest in Olympia (Washington) statt. Dabei wird auf die faktische Nichtteilnahme oder Minderbeteiligung von Frauen im Leben allgemein und im Kulturbetrieb im Besonderen hingewiesen. Auch hetero-normative Konzepte von Sexualität werden offen angegriffen.
Wenige Jahre nach Olympia schwappte die Ladyfestidee, wie so viele Ideen aus den Vereinigten Staaten, nach Europa und stieß auf beigeisterte Aktivistinnen. Im vergangenen Jahr fand auch in Rostock ein Ladyfest statt, das in diesem Jahr vom 20. bis zum 23. Mai eine Wiederholung erfahren wird.
„Das Ladyfest soll Frauen und Mädchen ermutigen, in männlich dominierte Bereiche einzutauchen,Chancengleichheit ohne Hierachisierung erlebbar zu machen und Raum zur Auseinandersetzung mit bestehenden Rollenverhältnissen zu bieten. Im kreativen Rahmen können Frauen die eigene Vielfalt ent- und gesellschaftliche Stereotype aufdecken – ob beim Graffiti-, DJing-, Kampfsport- oder Drag-King-Workshop oder vielfältigen Lesungen und Vorträgen zu frauenpolitischen Themen.“
Ein Teil der Rostocker Ladyfestgruppe wird heute Abend eine Soliveranstaltung im IKUWO durchführen und für Fragen wie Diskussionen zur Verfügung stehen. Zur Einstimmung wird der Abend cineastisch mit dem Team vom musIKalischen UnterWeltenkinO begonnen. Es wird die Doku Don’t Need You: The Herstory of Riot Girrrl zu den Ursprüngen der Riot Girrrl Bewegung im amerikanischen Underground der 90er gezeigt. Der Film lockt mit Interviews und Liveaufnahmen von den Bands Bikini Kill, Heavens to Betsy und Bratmobile (Beginn: 20 Uhr, Eintritt (Spende): 2 Euro).
Auch in Greifswald gibt es seit kurzem eine Gruppe, die in Begriff ist, ein hiesiges Ladyfest zu organisieren. Die frisch aus dem Ei geschlüpfte Internetpräsenz ist seit heute in der Linkliste vertreten. Die Gruppe wird heute Abend auch im IKUWO zugegen sein und ist für weitere Mitstreiterinnen offen.
In diesem Sinn bleibt zu hoffen, dass der Abend ein voller Erfolg wird und auf dieser Seite bald ein Ladyfest Greifswald angekündigt werden darf. Viel Erfolg dabei!
Unregelmäßig und in viel zu langen Abständen geistert das vielerorts verfemte F-Wort durch den öffentlichen Diskurs. Zuletzt angefacht durch die – literarisch zweifelhafte, monetär und diskussionsanregend aber überaus erfolgreiche – Abrechnung mit dem Hygienediktat in Charlotte Roches „Feuchtgebiete“.
Auch die noch wesentlich kontroverser rezipierte und äußerst fragwürdige Lady Bitch Ray setzte mit einem neuen ‚Selbstverständnis als Frau‘ Impulse; als Gegenentwurf zu sexistischem Männerrap verharrt sie zumindest nicht mehr in der klassisch-femininen Duldungsstarre großstädterischen Jungs-Gebarens.
Die Sache mit dem S-Wort
Dann kam die Krise und das omnipräsente K-Wort verdrängte erst alle Diskussionen zum Thema und avancierte schließlich zum Wort des Jahres 2008. Was leider nicht verdrängt wurde, ist der ganz alltägliche Sexismus. Es ist diesem sexistischen Normalzustand zuzuschreiben, dass der Verwendung jenes S-Wortes in Kritik an gesellschaftlichen Zuständen häufig mit Dogmatismusvorwürfen seitens der Kritisierten begegnet wird, abgekanzelt als mißverstandener Feminismus oder schlicht und ergreifend als ‚witzig‘ bagatellisiert. Umso erbaulicher, dass sich eine Frau via E-Mail beim webMoritz meldete und ihrem Unmut über einen Flyer des TV Clubs Luft machte.
Hier ist ein Auszug der Email: „Ich finde, nun ist der Geschmack der schlechten Frauenwitze wirklich überschritten. Ich würde mich sehr freuen, wenn der Webmoritz diesen offensichtlichen Sexismus durch einen Artikel thematisieren könnte. Denn Sexismus ist Diskriminierung einer Menschengruppe. Wennn auf dem Flyer über irgendeine Nationalität, Religion oder Homo/Bisexuelle hergezogen worden wäre, dann hätten sich sofort alle aufgeregt und es hätte irgendwelche Konsequenzen, Reaktionen oder ernsthafte Gespräche mit den Flyerverantwortlichen gegeben (so hoffe ich jedenfalls), aber anscheinend ist Sexismus „normal“, in der Gesellschaft genügend akzeptiert, so dass der flyer „lustig“ gefunden wird. Wo bleibt die Sensibilisierung für Vorurteile egal welcher Art. Und bereitet ein so leichtsinniger Umgang mit Vorurteilen und Klischees nicht den Weg für weiteres Gedankengut ähnlicher Art, wie weit ist da der Schritt zur „spaßeshalben“ Diskriminierung anderer Menschengruppe?“
Um was geht es konkret? Der TV Club wirbt derzeit für die Medizine-Party „Sounds like medicine“. Die Rückseite des Flyers beheimatet einen Text, der sich in puncto Frauenverachtung nur schwer überbieten läßt und hier unkorrigiert wiedergegeben werden soll muss: „Letztes Wochenende haben wir mit ein paar Freunden über Bier diskutiert. Einer sagte dann plötzlich, dass Bier weibliche Hormone enthält. Nachdem wir ihn -wegen seiner dummen Bemerkung- aufs Korn genommen haben, beschlossen wir die Sache wissenschaftlich zu überprüfen. So hat jeder von uns, rein für die Wissenschaft, 10 Bier getrunken. Am Ende dieser 10 Runden haben wir dann folgendes festgestellt:
1. Wir hatten zugenommen.
2. Wir redeten eine Menge, ohne dabei etwas zu sagen.
3. Wir hatten Probleme beim Fahren.
4. Es war uns unmöglich auch nur im entferntesten logisch zu denken.
5. Es gelang uns nicht, zuzugeben, wenn wir im Unrecht waren, auch wenn es noch so eindeutig schien.
6. Jeder von uns glaubte er wäre der Mittelpunkt des Universums.
7. Wir hatten Kopfschmerzen und keine Lust auf Sex.
8. Unsere Emotionen waren schwer kontrollierbar.
9. Wir hielten uns gegenseitig an den Händen.
10. Und zur Kroenung wir mussten alle 10 Minuten auf die Toilette und zwar alle gleichzeitig.
Weitere Erläuterungen sind wohl überflüssig: Bier enthält weibliche Hormone!!!“
Es bedarf einer gehörigen Portion Dreistigkeit und einer antiquierten Vorstellung von Geschlechterrollen, um mit solchen Texten Werbung für eine Veranstaltung zu machen. Das sind die geistigen Kinder eines Mario Barth, also jenes ‚Komödianten‘, der es vermag, mit vergleichbaren Stereotypisierungen das Berliner Olympiastadion zu füllen. Auch wenn diese Art von ‚Humor‘ auf eine sehr viel ältere Tradition zurückblicken kann, so reproduzieren die Mario Barths dieser Gesellschaft doch die Salonfähigkeit frauenfeindlicher ‚Witzkultur‘.
Sounds like Medicine — smells like Sexism
Nicht viel weniger sexistisch gestaltet sich die Vorderseite des Flyers. Auch hier wirkt ein Rückblick haaresträubend. So eine Bildsprache muss erstmal bedient werden. Passend zum Partymotto wird der Typus naughty nurse kreiert: gewillt und duldsam auf den männlichen Teil des Publikums wartend.
An dieser Stelle drängt sich natürlich die Frage nach der Rezeption dieser Art von Werbung auf und vor allem nach den Reaktionen des (weiblichen) Publikums. Froh wäre ich, blieben sie zuhause, straften sie solche Denkweisen durch ihr Fernbleiben ab.
Stell dir vor, es wäre wieder Krankenschwesternabend und keiner ginge hin!