Der Greifswalder PolenmARkT hat sich seit seinem Beginn 1997 als essentieller Bestandteil des kulturellen Kalenders der Stadt Greifswald etabliert. Vor kurzem wurden die Verantwortlichkeiten innerhalb des Vereins auf neue Gesichter übertragen.
Die Mitglieder des gemeinnützigen PolenmARkT-Vereins bestimmten auf ihrer Vollversammlung Ende Februar einen neuen Vorstand. Der neue Vorsitzende ist der Slawistikprofessor Bernhard Brehmer. Sein Stellvertreter wurde Dr. Ulrich Rose (Alternative Liste), während Dr. Marek Fialek (Institut für Slawistik) weiterhin über die Finanzen wachen wird.
(v.l.n.r.: Bernhard Brehmer, Ulrich Rose, Marek Fialek, Fotos: PolenmARkT, Montage: Fleischervorstadt-Blog)
PolenmARkT will sich öffnen und neue Partner gewinnen
Der Monat November ist gewiss kein Zeitraum, in dem sich Greifswald von seiner gastlichen Seite zeigt — die Stadt fühlt sich in dieser Zeit schlicht zu kalt, zu dunkel und zu ungemütlich an. Eine kurze Aufhellung der Tristesse dieses schlimmsten aller Monate wird durch den alljährlich stattfindenden Polenmarkt besorgt, der morgen Abend beginnen wird.
Das deutsch-polnische Kulturfestival findet seit 1997 jedes Jahr in Greifswald statt und hat sich seitdem von einer studentischen Initiative zu einem festen Bestandteil des Greifswalder Kulturlebens etabliert. Der diesjährige Polenmarkt wird morgen Abend um 18 Uhr mit einer Lesung von Jacek Dehnel aus Gdańsk, „dem“ jungen Star der polnischen Literaturszene, offiziell im Krupp-Kolleg eröffnet. Wer sich für das östliche Nachbarland interessiert, sollte sich auf ein zwölf Tage andauerndes und abwechslungsreiches Programm mit Kostproben aus der polnischen Musikszene, literarischen und künstlerischen Ausstellungen, Lesungen für Kinder und Erwachsene, Filmvorführungen, Theaterinszenierungen und wissenschaftlichen Vorträgen einstellen. Doch noch bevor es richtig losgeht, finden bereits schon heute Abend finden zwei Vorveranstaltungen im Theater Vorpommern und in der Kulturbar statt! „Zwei Wochen Schlafmangel: Deutsch-polnisches Kulturfestival „PolenmARkT“ beginnt“ weiterlesen →
Vor 20 Jahren stand das inzwischen legendäre Al-Haca-Soundsystem zum ersten Mal unter diesem Titel hinter den Plattentellern. Damals, im Jugendzentrum Klex, hätten sich die beteiligten Akteure wohl kaum vorstellen können, dass sie zwei Jahrzehnte später — nach diversen Auseinandersiedlungen und Reunionsbemühungen — die, parallel zu Polen verlaufende Achse Al-Hacas, die von Greifswald über Berlin bis Leipzig reicht, reanimieren würden.
Zum zwanzigjährigen Jubiläum geht es zurück zu den eigenen Wurzeln, den „Grass Roots of Pomeria“ am mächtigen Ryck. Al-Hacas Bindung zur polnische Dub- und Reggaeszene ist lange gewachsen; und das nicht erst, seit der aus Polen stammende MC RQM zur Gruppe stieß. Der Titel der heutigen Abendveranstaltung im Rahmen des Polenmarkts heißt Polski Ogień; sie heißt damit genauso wie die Kooperation des deutschen Reggae-Produzenten Pionear mit polnischen Dancehall-Reggae-MCs und -Sängerinnen.
Hier verschmelzen die tieffrequenten Seiten des Polenmarkts mit dem 20. Al-Haca-Jubiläum zu einem einzigartigen Reggae-Clash, der alte Greifswalder aus dem Unruhestand zurückholt und an einen DJ-Tisch mit Sternen des polnischen Reggae — wie zum Beispiel Ras Luta, Junior Stress oder Kuba 1200 — bringt, wo bereits altgediente Größen wie Pionear oder Doc Dressla auf Kollaborationen warten. Ein Abend, den man nicht verpassen sollte!
Nach mehr als 30 Veranstaltungen binnen 12 Tagen hat es sich Montagnacht im St. Spiritus für den PolenmARkT ausgetobt — das war’s jetzt erstmal für ein Jahr! Wer die schönsten Momente des polnischen Festivals nochmal Revue passieren lassen möchte, kriegt womöglich in der folgenden Bildergalerie Hilfestellung.
Es wurde allerdings nicht nur fotografiert, sondern auch gefilmt, unter anderem die Veranstaltungen mit Leszek Możdżer, dem Bester Quartet oder dem Live-Hörspiel von Felix Kubin & The Complainer. Einige dieser Videos sind im Youtube-Kanal von Zajacmuseomaniak zu finden, so auch Aufnahmen vom Fürsten am Piano, Leszek Możdżer, der schon als Fünfjähriger mit dem Klavierspiel begann und später zur polnischen Jazz-Sensation aufstieg. Die gleich folgende Bach-Interpretation ist erwartungsgemäß wenig jazzig, dafür aber um so rasanter! „Festgehalten: Die Höhepunkte des PolenmARkTs 2011“ weiterlesen →
Wir tun das Gegenteil von dem, was du dir rätst / wenn du dein eigener Arzt bist / Wenn wir nicht so verzweifelt hier sein wollen / können wir ja rausgehen, oder ins Extrem / Wenn wir dabei nicht so verzweifelt aussehen wollen bleiben wir hier / um zunächst die Wohnung zu zerstören und dann neu zu beziehen / Ich weiß es gibt Krieg mit der Normalität / Und es wird spät.
Das anstehende Wochenende wird facettenreich und mit Durchhaltevermögen vom PolenmARkT bespielt, der zweifelsfrei die kulturellen Höhepunkte bietet. Neben den Theaterkonzerten des Bester Quartets und vom Pianisten Leszek Możdżer, machen an zwei Abenden die Russendisko und das DJ-Team Soul Service in Greifswald Station, während im Dom der historische Science-Ficition Film Metropolis gezeigt wird.
ZORNIG: DAS BESTER QUARTET
Gegründet unter dem Namen The Cracow Klezmer Band, erspielte sich das Quartet um den Akkordeonspieler Jaroslaw Bester seinen Platz in der internationalen Szene moderne jüdischer Musik. Wer sich noch mit gutem Gefühl an die grandiosen Kroke erinnert, die beim PolenmARkT vor zwei Jahren das Greifswalder Theater in ihren Bann zogen, ist beim Bester Quartet bestens aufgehoben. Hier trifft moderne Kammermusik auf improvisationsfreudigen Jazz.
Der New Yorker Jazzmusiker und Labelchef John Zorn hat die Band für sich entdeckt und bislang alle sechs Veröffentlichungen des Bester Quartets auf seinem Radical Jewish Music Label Tzadik herausgebracht.
Kurz nachdem das Bester Quartet auch die letzte Zugabe gespielt hat, beginnt im IKUWO die prominent besetzte Aftershowsause. Als DJ konnte hierfür niemand geringeres als Yuriy Gurzhy gewonnen werden.
Der gehört nicht nur zur Emigrantski-Raggamuffin-Band Rotfront, sondern ist vor allem durch die Russendisko berühmt geworden, die er als bis heute existierende Veranstaltungsreihe mit dem Autoren der gleichnamigen Kurzgeschichtensammlung, Wladimir Kaminer, realisiert. Gurzhy stellte gemeinsam mit dem Engländer Lemez Lovas die Kompilation Shtetl Superstars zusammen und präsentierte auf ihr „funky Jewish Sounds“ aus der ganzen Welt. Russendisko, das heißt durchdrehen bis zum Schluss und Yuriy Gurzhy wird das Hanse-Shtetl garantiert auf den Kopf stellen!
Am Sonnabend wird Fritz Langs Meisterwerk Metropolis (D, 1927, rest. 2010, 145 Min.) gezeigt. Der erste berühmte Science-Fiction-Film wurde 1927 der Öffentlichkeit vorgestellt, konnte dann aber über achtzig Jahre nur in gekürzter Fassung gezeigt werden. Erst vor wenigen Jahren wurde in Buenos Aires eine Kopie des Originals gefunden, mit deren Hilfe das Werk restauriert werden konnte.
Der Film führt in die zweigeteilte Zukunftsstadt Metropolis: „In der lichtlosen Unterstadt schuften Sklaven rund um die Uhr bei Wasser und Brot, die Luxusmenschen der Oberstadt dagegen vertreiben sich die Zeit mit Spiel und Sport aufs Angenehmste. Zwischen Ober- und Unterstadt dröhnen ohne Pause riesige Maschinen, deren Erfinder Rotwang ein übles Komplott ausheckt: Er schafft eine künstliche Frau, welche die Massen gegen die Bewohner der Oberstadt aufhetzen soll, um einen Vorwand für noch größere Unterdrückung zu liefern. Nur zwei Menschen durchschauen den Plan: Die schöne Maria, „Heilige der Unterdrückten“, und Freder, Sohn des Herrschers von Metropolis, der sich unsterblich in Maria verliebt hat.“
Wie zur Entstehungszeit üblich, wird die Filmvorführung live an an der Domorgel begleitet. Es spielt der Stettiner Organist Filip Presseisen. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Filmclub Casablanca e.V. statt. Hier ein Trailer:
Fakten: 26.11. | 19 Uhr | Dom | 5 / 3 EUR
FUNKY: DJ-TEAM SOUL SERVICE
Durch die Sonnabendnacht wird im IKUWO das Soul Service-DJ-Team aus Warschau und Lublin führen. Dieses Quartet der Schallplattenunterhaltung besteht aus Burn Reynolds, Cpt. Sparky, DJ Misty und Papa Zura, die als „retrovertierte Soundforscher und akribische Archivgänger in Sachen polski Fusion-Funk“ angekündigt werden.
„Als Kenner mit Sendungsbewusstsein brachten sie diesen hoch geschätzten polnischen Jazz-Sound der Siebziger geballt und zudem stilvoll verpackt zurück in die Pop-Warenzirkulation. Als versiertes und leidenschaftliches DJ-Team aber pumpen sie ihn vor allem dahin, wo er eigentlich hingehört: auf die Tanzfläche, in die Beine und Bäuche der Party-Crowd!“
Fakten: 26.11. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR
FÜRSTLICH: LESZEK MOZDZER
Mit einem Klavierkonzert der Superlative wird das inoffizielle Ende des PolenmARkTs eingeläutet. Der mit Preisen überhäufte, polnische Starpianist Leszek Możdżer wird am Sonntag im Theater gastieren und dort als Solokünstler auftreten. Możdżer begann schon als Fünfjähriger mit dem Klavierspiel, absolvierte eine klassische Ausbildung, bis er auf Jazz aufmerksam wurde und zur Szene-Sensation aufstieg.
Leszek Możdżer hat an über 100 Alben mitgewirkt, Musik für Theater und Film geschrieben und spielte unter anderem mit Arthur Blythe, Buster Williams, Billy Harper, Pat Metheny oder Archie Shepp auf internationalen Bühnen.
Nach einem veranstaltungsreichen Auftakt-Wochenende verliert der PolenmARkT nicht an Fahrt und lädt mit dem Film Beats of Freedom (PL 2010, 72 min, OmeU) zu einer kulturhistorischen Irrfahrt in den polnischen Underground der Achtziger.
Rock, Rastas, Rebellion — Polens Sounds der Achtziger zwischen Kontext und kontroverser Popkultur dient heute in Polen zumeist der Unterhaltung, wie überall auf der Welt. Doch das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da war sie nahezu überlebenswichtig.
Die Klangattacken von Punk, New Wave oder Reggae waren viel mehr als laute Musik – hier artikulierte sich ein Lebensgefühl, offenbarte sich ein Kanal in die große weite Welt, ein Fluchtweg und wurde ein Stück Unberechenbarkeit in einem überregulierten System zelebriert.
Nach der Filmvorführung schließt sich eine genreverwandte DJ-Lounge mit Selecta PEhLE an, in der die gezeigten Popkontexte musikalisch ergänzt und vertieft werden. Der Trailer gibt bereits einen ersten Vorgeschmack:
Das vollständige Programm der polnischen Kulturtage gibt es auf der Seite des PolenmARkT.