Holt die Jeansjacken raus, es ist wieder Präventionstag!

Heute findet der Greifswalder Präventionstag statt und mit ihm einher geht ein Reigen aus Kinder- und Jugendbespaßung „für mehr Toleranz, gegen Gewalt und Kriminalität“. In den vergangenen Jahren fiel insbesondere das Abendprogramm dieser Veranstaltung durch eine eher überraschende Zielgruppe jenseits des vierzigsten Lebensjahres auf.

Bekanntlich steigen ab diesem Alter Gewaltbereitschaft und die Affinität zu kriminellen Handlungen rasant, so dass, um diese Gruppe im Zaum zu halten und Greifswald ein adultes Kriminalitätsproblem zu ersparen, eine Art akzeptierende Erwachsenenarbeit auf den Plan tritt.


Foto: Peter Binder / OZ

Hatten Silly keine Zeit?

Da offensichtlich weder Silly noch Karussel für dieses edukative Top-Event eingekauft werden konnten, wird es heute Abend richtig international und vor allem altbekannt, denn mit der Tributband Mind2Mode dürfen drei Stunden Programm inklusive Kostümwechsel und den größten Hits von U2, Depeche Mode und den Simple Minds erwartet werden: „Holt die Jeansjacken raus, es ist wieder Präventionstag!“ weiterlesen

Grausame Botschaft an das IKUWO

Entsetzen lag in der Luft, als mehrere Personen am Abend des 30. Vorjahres-Dezembers im IKUWO eine grausige Entdeckung machen mussten. Unmittelbar vor der Eingangstür des Kulturzentrums wurde ein Plastiksack mit einer toten Katze abgelegt.

Botschaften wie im Mafiafilm

Es ist die in Gangsterfilmen tausendfach kolportierte Methode, jemanden zu warnen oder ihn einzuschüchtern. Man platziert übel zugerichtete Körperteile oder eben tote Tiere im möglichst privaten Umfeld desjenigen, dem man etwas ausrichten möchte.

Im Falle der vor dem IKUWO abgelegten Katze wurde dabei besonders grausam vorgegangen. Dem Tier – steif vor Kälte oder Totenstarre – wurde ein Nagel in den Kopf geschlagen und mit ihm ein Aufkleber, dessen Popularität sich an vielen Laternen der Innenstadt ablesen lässt.

Katze IKUWO

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Boxen und Ringen ist Bürgerengagement

Seit einigen Jahren ist es in Greifswald leider üblich geworden, dem bedeutungsschwangeren 1.Mai eine entpolitisierte Zone entgegenzusetzen.

 Zugegeben, die gewerkschaftlichen Veranstaltungen am Tag der Arbeit sind in der Regel nicht gerade funky, aber durch die Automeile am Helmshäger Berg wird das Heer der Arbeiter (die OZ schrieb von mehreren Tausend) mit billiger Unterhaltung von den normativen Wurzeln dieses Datums weggeführt und stattdessen mit schlechter Musik und verbranntem Fleisch geblendet. Volksmusik statt Arbeitskampf!

Beim Stichwort Kampf muss ich unweigerlich an die jüngste Pressemitteilung der lokalen CDU denken, die in freudiger Erwartung informierte, „auf dem Greifswalder Automeilenfest am 1. Mai in der Zeit von 11 Uhr bis ca. 15 Uhr Grillschwein vom Spieß verkaufen“ zu wollen.

„Mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Grillschweins möchte die CDU wie schon in den vergangenen Jahren das Bürgerengagement in Greifswald unterstützen. So geht der gesamte Erlös in diesem Jahr zu gleichen Teilen an die Ringer und an den Boxverein in der Universitäts- und Hansestadt.“

Boxen und Ringen sind also -den Vorstellungen unserer kommunalpolitischen Strippenzieher nach-  bürgerliches Engagement. Ich möchte auf gar keinen Fall diese Sportarten in Abrede stellen, aber hätte man nicht einen bürgerengagierteren Zweck finden können?

Wie wunderbar, dass ich manche Skurrilität verwahrt habe und sie an dieser Stelle noch nachreichen darf. Es handelt sich hierbei um einen Artikel über den letzten Präventionstag. Ich werde nicht müde, mich negativ über dieses Spektakel zu äußern. Beim damaligen Lesen des Artikels fiel mir sofort die unpassende Kombination aus Bild und Überschrift auf. Irgendwie muss ich jetzt wieder daran denken, wo doch die CDU am 1.Mai einen Schweine-Benefiz für die Faustsportler macht.

Für weitere Überlegungen zum kulturellen Niveau der von den Stadtwerken Greifswald geförderten Veranstaltung am Helmshäger Berg (die damit alle Schwimmerinnen und Stromnutzer auf Mikroebene mittragen) möchte ich die Rezeption des folgenden Videos nahelegen. Aber vorsicht, nicht nur die Bilddrehung bereitet Schmerzen.

(Bilder: CDU Greifswald und OZ)

Ostrock liegt in der Luft

Seine kulturelle Sozialisation in Greifswald zu erfahren, kann mitunter sehr schmerzhaft sein. Hier, wo sich eine Art Kulturszene beim Kampf um das letzte Quentchen Aufmerksamkeit -angebotsbedingt- nicht ins Gehege kommt, braucht es kreativen Willen, Leerräume zu füllen. Subkulturell wird regelmäßig der Blick über den Tellerrand gewagt, aber wie ist es um die etablierten Kulturräume bestellt? Ostrock liegt in der Luft!

MAN REVIVALT BIS ZUR VERRENTUNG

Seit Jahr und Tag treten in Greifswald die mehr oder weniger pensionierten Protagonisten vergangener Zeiten auf und besetzen die Erinnerung an ostdeutsche Musikkultur mit schlagerhaften Attitüden. Den eigenen Horizont längst überschritten, revivalt man sich bis zur Verrentung (und darüber hinaus) und verstellt den Blick auf die wirklich systemkritischen, subkulturellen Zuckungen des Ost-Undergrounds.

karussellAlljährlich findet in Greifswald ein Präventionstag gegen Gewalt statt, dessen Krönung in der Regel ein Konzert eben jener verblasster Helden ist, die momenthaft Stützstrumpfhose gegen E-Gitarre tauschen. Präventiver geht es gar nicht!

Wer noch nicht so lange in Greifswald lebt oder wem sich bei Zeitzeugen wie Karussell, Silly, Electra, Pankow, Stern-Combo Meissen, Karat, Klaus Renft und den Puhdys nicht die Nackenhaare sträuben, der sei nachdrücklich aufgefordert, im April ins hiesige Theater zu pilgern. Ab sofort startet der Kartenvorverkauf für das nächste und mit Sicherheit nicht letzte Karussel-Konzert in Greifswald.

Gegründet 1976 und aufgelöst Anfang der 90er Jahre, feierte die Rockgruppe 2007 ein erfolgreiches Comeback mit Reinhard Huth, Wolf Rüdiger Raschke, Joe Raschke u. a. Die Band ist bis heute geprägt durch ihre liedhafte, melodiebetonte Rockmusik in Songs wie „Fenster“, „Autostop“ oder „Als ich fortging“. Die kritischen, poetischen Texte greifen Themen und Alltagsprobleme auf, die bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.


Im Live-Betrieb klingt das dann wie auf diesem Video und unzähligen Musikunterrichtsstunden ähnlich .

https://www.youtube.com/watch?v=jdBJ1QaFnlM

Boxen als Gewaltprävention

Rückblickend sei noch mal auf den vergangenen Präventionstag hingewiesen, bzw. auf seine Perlen. Ich bin kein großer Verehrer des Boxsports und wenn man einzelne Zeilen des heutigen OZ-Artikels über die Boxer auf dem Markt aus dem Kontext löst und sie für sich stehen lässt, dann rumpelts in der Schädelkiste.

„Wie jedes Jahr freuten sich die Faustkämpfer des BC Greifswald wieder auf den Einsatz beim Präventionstag. Ganz stolz trugen sie dabei ihre T-Shirts mit der Aufschrift […] „ Ich spreche deine Sprache“. Selbst die Jüngsten, nämlich zwei süße Mädchen, zeigten schon, dass sie wissen, wie man die Fäuste gezielt einsetzt. Es ist schon schön, so manchem unentschlossenem Jugendlichen zu zeigen, was man so in seiner Freizeit alles anstellen kann, ohne negativ aufzufallen.“

Boxen Präventionstag Greifswald

Vom abendlichen Karat-Konzert war außerdem ein Video in miserabler Qualität – nicht nur was Ton und Bild angeht – auf der berühmtesten Video-Plattform der Welt zu finden.

Bin ich froh, dass das Leben in Greifswald durch die Arbeit des Präventionsrates so viel sicherer geworden ist. Auf dessen Internetpräsenz erfährt man auch, dass Prävention in Greifswald erstens auf solidem Fundament steht und sich zweitens sehen lassen kann. Na dann hoch die Tassen!

Präventionstag schon wieder im Vergeigen begriffen

Puhdys, City oder Karussell haben offensichtlich am 10.September keine Zeit, wenn mal wieder zur eintägigen Prävention geladen wird. Deswegen springen Karat ein. Wer wurde noch nicht von einer miesen Party mit dem Gassenhauer „Über sieben Brücken mußt du gehen“ vergrault?

Ich kann nicht müde werden zu betonen, dass solche Künstler an den Rezeptionsgewohnheiten der angeblichen Zielgruppe vorbeigehen. Da scheinen EntscheidungsträgerInnen ihre Jugend noch einmal blühen zu lassen. Pfui Spinne!