Abriss auf Raten: Alarmierende Fotos aus der Straze

Eine anonyme Gruppe verschaffte sich unlängst Zutritt zur Straze und dokumentierte  mit bedrückenden Fotografien den vorangeschrittenen Verfall des Hauses. Das Gebäude wurde 2008 an das Berliner Petruswerk verkauft, das nun schon mehr als viereinhalb Jahre keine Bemühungen für den Erhalt des ehemaligen Gesellschaftshauses Zum Greif erkennen lässt.

Die Greifswalder Bauaufsichtsbehörde lehnte vor einem halben Jahr einen Abrissantrag des neuen Eigentümers ab. Eine Bürgerinitiative versucht seit Jahren, das Haus zu kaufen. Die Fotos aus dem Inneren des Gebäudes, für dessen Begehung es nach Aussage der Fotografen nicht nötig war, Türen, Fenster oder Mauern zu beschädigen, zeugen davon, wie sehr die Substanz des Hauses unter dem halben Jahrzehnt des Leerstands gelitten hat.

Die Gruppe resümiert: „Das Dach der Straze ist undicht. Große Löcher klaffen dort. Niederschläge dringen dadurch ungehindert ein. Auch durch undichte Schornsteine gelangt Wasser in das Gebäude und bahnt sich seinen Weg durch alle Geschosse des Hauses. Einige Räume sind stark vom Verfall betroffen, andere (besonders im Erdgeschoss) dagegen weisen kaum Spuren des Verfalls auf. Die Beschädigungen durch Vandalismus halten sich in Grenzen. Nur wenige Graffiti oder Beschädigungen durch Vandalismus sind sichtbar, dafür aber in fast jedem Raum Löcher, die auf eine Gutachtenerstellung zurückzuführen sein sollen.

Das Betreten des Gebäudes ist an einigen Stellen sichtlich gefährlich. Die Decke ist eingestürzt oder gibt bei Schritten bereits spürbar nach. Eine Hälfte des 1. Obergeschoss riecht streng nach Schimmel, sie befindet sich unter dem nicht ausgebauten Speicher, in dem die größten Löcher im Dach sind.  In diesem Teil des Hauses sind auch die meisten Fotos von Deckeneinstürzen und Wassereinbrüchen entstanden.“

Die Fotografen weisen in ihrem Anschreiben ausdrücklich darauf hin, dass sowohl Aufnahme als auch Veröffentlichung der Fotos „ohne Mithilfe oder Mitwisserschaft von Mitgliedern der Bürgerinitiative zur Rettung des Hauses“ stattgefunden habe.

  • Bildergalerie
  • Aus dem Inneren der Straze – Fotos des Verfalls (daburna, 01.11.12)
  • Neue Fotos dokumentieren Verfall der Stralsunder Straße 10 (webmoritz, 02.11.12)

Streetart-Protest gegen Straze-Verfall: „Wir würden lachen, wenn wir nicht weinen müssten“

Letzte Nacht und pünktlich vor der heutigen Podiumsdiskussion begann die Straze zu weinen. Auf dem Blog der Hedonistischen Internationalen Greifswald meldet sich die neue Sektion Schöner wohnen zu Wort und merkt voller Zynismus an, dass man lachen würde, wenn man nicht weinen müsste:

„Fast 5 Jahre ist es nun her, dass die Uni das Haus Stralsunder Straße 10/11 an den Berliner Investor Douglas Fernando und seine Immobilienfirma “Petruswerk” verkaufte. Zur gleichen Zeit war weder die Uni noch die Stadt Greiswald gewillt, mit dem extra gegründeten Verein “Kultur- und Initiativenhaus” zu reden, bzw. deren Kaufangebote auch nur in Erwägung zu ziehen. Nach 5 Jahren Leerstand und Verfall findet heute der mindestens 100. Versuch statt, bei dem die Gruppe “Kultur- und Initiativenhaus e.V.” auf diesen Missstand hinweisen will. RETTET DIE STRAZE!“

stralsunder strasse 10 traenen(Foto: HIHGW, CC-Lizenz)

  • Schöner wohnen (HIHGW, 24.10.12)
  • Podiumsdiskussion zur Zukunft der Straze (Fleischervorstadt-Blog, 23.10.12)

Fakten: 24.10. | 18 Uhr | St. Spiritus

Podiumsdiskussion zur Zukunft der Straze

Am Mittwoch findet im St. Spiritus eine Podiumsveranstaltung zur Zukunft des ehemaligen Gesellschaftshauses Zum Greif, den meisten eher als Straze bekannt, statt.

 Verfall mit Kalkül nach Ablehnung des Abrissantrags?

Das Gebäude in der Stralsunder Straße wurde im Januar 2008 an ein Berliner Immobilienunternehmen verkauft und verfällt seitdem zusehends. Das Bemühen einer in der Zwischenzeit gegründeten Bürgerinitiative, das Haus vom Neueigentümer — Douglas Fernando (Petruswerk) — zu erwerben, blieb bis heute ohne Erfolg. Das Petruswerk hat seit der nicht erteilten Abrissgenehmigung nichts für den Erhalt des Gebäudes unternommen – sein Zustand leidet entsprechend.

Straze Greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog, 05/2012)

Aus Sicht der Veranstalterinnen ist es höchste Zeit, mit allen beteiligten Akteuren eine gemeinsame Lösung zu finden, um den Verfall des Hauses aufzuhalten. Die Podiumsdiskussion soll so „verschiedene Möglichkeiten zum Erhalt des Hauses aufzeigen, den Austausch der Akteure fördern und der Beratung des weiteren Vorgehens dienen.“

Gehen Zerfall und Abriss der Greifswalder Altstadt weiter?

Der Abend wird von Ines Yitnagashaw (Architektin, Altstadtinitiative Greifswald e.V.) eingeleitet, die eine Einführung in die Geschichte des Hauses geben und aktuelle Entwicklungen und Perspektiven erläutern wird. Anschließend sollen Unterschriften Greifswalder Bürgerinnen übergeben werden, die den Erhalt des denkmalgeschützten Hauses fordern. Bei der anschließenden Diskussion sitzen neben einem Vertreter des Petruswerks folgende Personen auf dem von Thorsten Erdmann (freier Mitarbeiter NDR) moderierten Podium:

  • Prof. Dr. Horst Wernicke (Historisches Institut, Universität Greifswald)
  • Michael Bräuer (Deutsche Stiftung Denkmalschutz – Ortskuratorium Rostock, Vorsitzender der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz)
  • Jörg Hochheim (Bausenator und 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters)
  • Erik von Malottki (studentischer Senator des akademischen Senats und Vorsitzender des Verwaltungsrates des Studentenwerks)
  • Thomas Schmidt (Kultur- und Initiativenhaus Greifswald e.V.)
  • Dr.-Ing. Michael Bednorz (Direktor des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege MV)
  • Ines Yitnagashaw (Architektin, Altstadtinitiative Greifswald e.V.)

Das überwältigende Interesse an der Ausstellung Heimatkunde, die den Greifswalder Abrisswahnsinn der Achtziger Jahre dokumentiert und noch bis Ende Januar im Pommerschen Landesmuseum zu sehen ist, verdeutlichte die Anteilnahme der hiesigen Bürger am Verlust der historischen Bausubstanz ihrer Stadt.

Fernando verspielt seinen politischen Kredit

Währenddessen verspielt das Petruswerk seinen politischen Kredit in der Stadt, da der Kaufpreis für ein erworbenes Grundstück am Ryck bis heute nicht bezahlt wurde. Nach dem auch das zweite Ultimatum zahlungslos verstrich, schwindet Fernandos Unterstützung in der Greifswalder Bürgerschaft weiter. Die Podiumsdiskussion verspricht also nicht zuletzt deswegen spannend zu werden, weil ein Vertreter des Unternehmens auf dem Podium sitzen wird. Die Häuser denen, die sie brauchen!

Hintergründe über die bisherigen Immobiliengeschäfte des Petruswerks und seine Verbindungen in die Greifswalder Kommunalpolitik sind im ausführlichen Artikel Die Greifswalder Einkaufstour des Immobilienmagnaten Douglas Fernando (Fleischervorstadt-Blog, 08.02.2011) zu finden.

Fakten: 24.10. | 18 Uhr | St. Spiritus (Lange Straße 49/51)

FAZ: „Mieten steigen am stärksten in Greifswald“

Die FAZ berichtete gestern über den neuen Immobilienmarktbericht, über den die Bundesregierung nächste Woche beraten wird. Demnach sei die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt im vergangenen Jahr ungebrochen gewesen und bewirkte bundesweit Steigungen der Mietkosten bei Neuverträgen.

faz

Doch gleichzeitig treten erhebliche regionale Disparitäten auf. An Standorten wie Berlin, Frankfurt und Hamburg steigen die Mietenkosten seit Jahren kontinuierlich, während sie in einigen ostdeutschen Landkreisen und strukturschwachen Regionen der alten Bundesländer mitunter sogar sinken würden.

Greifswald gehört leider nicht zu diesen ostdeutschen Landkreisen. Hier sollen die Mieten bei neuen Verträgen mit durchschnittlich 10,4 Prozent im vergangenen Jahr am massivsten gestiegen sein — fast viermal so stark wie der bundesdeutsche Durchschnitt (2,9%). In Hamburg und Berlin stiegen die Mieten laut dem zitierten Bericht um etwa 7,5 Prozent.

 mietpreise fleischervorstadt(Immobilienscout24)

Hauptgrund der Teuerung seien die steigende Nachfrage bei Investoren und Privatpersonen, die um ein Angebot konkurrieren würden, das sich nur unwesentlich vergrößerte. Diese wachsende Nachfrage soll sich im deutschlandweiten Schnitt noch nicht in den Bestandsmieten niedergeschlagen haben, die in den vergangenen elf Jahren um durchschnittlich 1,1 Prozent pro Jahr gestiegen seien sollen, jedoch prognostizieren die Autoren des Berichts einen zeitlich verzögerten Anstieg.

  • Mieten steigen am stärksten in Greifswald (FAZ, 09.10.2012)

Fotoausstellung über das Sterben der Greifswalder Altstadt in den Achtzigern

Im Pommerschen Landesmuseum wird morgen eine Ausstellung eröffnet, deren Besuch gerade für diejenigen lohnenswert ist, die sich für die bauliche Vergangenheit Greifswalds interessieren und bereit sind, in die bausubstanzielle Trostlosigkeit der 1980er Jahre einzutauchen.

„Das, was unterging, zumindest zweidimensional zu bewahren“

Heimatkunde zeigt Fotografien des in Greifswald geborenen Architekturfotografen Robert Conrad, der seine Eindrücke der flächendeckenden Gebäudeabrisse in der Hansestadt festhielt: „Es blieb mir nur, das, was dort unterging, mit dem Medium der Fotografie zumindest zweidimensional zu bewahren.“

Seine Fotografien zeigen beispielsweise die nördliche Altstadt, die Fleischervorstadt sowie die Gegenden um die Grimmer Straße und die Wolgaster Straße. Sie sind Zeugnisse einer Ära, die tiefe Wunden in der baulichen Substanz der historischen Greifswalder Altstadt hinterließ.

„Ein Gegenbild schaffen“

Conrad wollte mit seinen trostlosen Bildern „ein Gegenbild zu den gefeierten Neubauten schaffen und die Betrachter für die Vergangenheit und Individualität ihrer Stadt sensibilisieren“. Seine ablehnende Haltung gegenüber der staatlichen Baupolitik verhinderte seine Zulassung zum Wunschstudium Kunstgeschichte und Architektur mit dem Schwerpunkt Baugeschichte, das er erst nach der Wende aufnehmen konnte.

Die Ausstellung zeigt neben Verfall und Abriss auch Spuren Greifswalder Subkultur auf. So sollen neben den Baufotos auch Portraitbilder und Aufnahmen „einer Gruppe junger Greifswalder, deren trotziger Mut Mitte der 80er Jahre durch den großflächigen Zerfall ihrer Stadt katalysiert wurde“  zu sehen sein, die einen „Einblick in die alternative Szene der Bewohner der Abrisshäuser und deren damalige Aktivitäten gegen die Repressionen des DDR-Staates“ versprechen.

Robert Conrad Zerfall und Abriss

Neben den Fotografien wird außerdem der Super-8-Film Greifswald ist alle gezeigt, den Conrad zwischen 1986 und 1989 in Eigenregie drehte.

Kontextsensitives Begleitprogramm

Die Ausstellung wird von einem kurzen historischen Rückblick auf das damalige Zeitgeschehen begleitet, der auf Conrads Fotografien einstimmen soll. Darin wird versucht, die Meinung der staatstreuen Printmedien zum Thema darzustellen und die unterschiedlichen Reaktionen der Bürger Greifswalds in Vergangenheit und Gegenwart zu berücksichtigen.

Hierbei werden neben Pressefotos, Fotoserien, Zeitungs- und Zeitschriftenmaterial auch Modelle und Farbentwürfe für Fassaden zu sehen sein. Fotografien des Greifswalder Bauhistorikers und Altstadtaktivisten Torsten Rütz ergänzen die Ausstellung, die nach ihrer Eröffnung bis zum 31. Januar im Pommerschen Landesmuseum verweilen wird.

In diesem Zusammenhang sei außerdem auf eine Extraveranstaltung am kommenden Mittwoch hingewiesen. Um 12 Uhr wird der Greifswalder Museologe Mario Scarabis im Pommerschen Landesmuseum über den ausgestellten Architekturfotografen unter dem Titel Gegen das Vergessen – Der Fotograf Robert Conrad und die Altstadt von Greifswald in den 1980er Jahren referieren. Der Eintritt kostet 2,50 Euro.

Fakten: 30.09. | 11 Uhr | Pommersches Landesmuseum | frei

*Update*: Die Ausstellung wurde aufgrund des hohen Besucherzuspruchs bis zum 3. März 2013 verlängert.

(Fotos: Robert Conrad, keine CC-Lizenz)

Greifswald trennt sich vom Sanierungsträger BauBeCon

Die Greifswalder Bürgerschaft hat heute auf ihrer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen, die Zusammenarbeit mit dem Sanierungsträger BauBeCon nach zwanzigjähriger Kooperation zu beenden.

GEMAUSCHELT, GEEINIGT, GEKÜNDIGT

Der Abstimmung ist eine Vertrauenskrise zwischen Stadtverwaltung, BauBeCon und Bevölkerung vorausgegangen, die sich im Zuge der Veröffentlichung immer weiterer Details um den Bau des Technischen Rathauses verstetigte und 2010 zu einem kommunalen Untersuchungsausschuss führte. Die BauBeCon begleitet  als Unternehmen die letzten beiden Jahrzehnte die Sanierung der Stadt Greifswald und wachte dabei treuhänderisch über Gelder in Höhe von bislang 140 Millionen Euro. Bei der Verwendung der Gelder und bei der Vergabe von Architektenleistungen traten Unregelmäßigkeiten zutage, die in der Fälschung der Unterschrift des Oberbürgermeisters Arthur König (CDU) gipfelten und auch zu staatsanwaltlichen Ermittlungen führten.

Obwohl der Untersuchungsausschuss der BauBeCon ein schlechtes Zeugnis ausstellte und Zweifel ob einer zukünftigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Stadt und Sanierungsträger nährte, passierte erstmal wenig. Der Vertrag mit der BauBeCon wurde zwar im September 2011 nach einem Beschluss der Bürgerschaft gekündigt, doch der Kündigung folgten Vergleichsverhandlungen, die zum vorläufigen Fortbestehen der Kooperation führten.

entwurf technisches rathaus greifswald(Originalbild: Infoblatt CDU-Kreisverband, 02/2010)

Kurz vor Abschluss dieses Vergleichs im Dezember 2011 sollen nach Auskunft der Stadtverwaltung weitere Unregelmäßigkeiten bei bestimmten Rechnungsvorgängen zutage getreten sein. Stadt und BauBeCon schlossen daraufhin kurz vor Ende der Kündigungsfrist ein Stillhalteabkommen, um vor der endgültigen Entscheidung über die weitere Zusammenarbeit „umfängliche Rechnungsprüfungen“ durchzuführen, unter anderem „durch einen Wirtschaftsprüfer, den BauBeCon von sich aus beauftragte.“

RUND 850.000 EURO SANIERUNGSGELDER VERUNTREUT? 

Parallel dazu soll auch die Verwaltung mit der Prüfung ungeklärter Rechnungsvorgänge beauftragt worden sein, bei denen „im Frühjahr 2012 mehr und mehr ungeklärte Rechnungsvorgänge zum Vorschein“ kamen, die „größtenteils bis dato nicht erklärbar sind.“ Es soll dabei um Gelder in Höhe von rund 850.000 Euro gehen, die „ohne nachvollziehbare Aufträge an verschiedene Ingenieurbüros und Baufirmen“ gezahlt worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Nach eigener Darstellung führte die Stadt seither „zähe Verhandlungen“ mit der BauBeCon über eine „zumindest anteilige Schadensübernahme“, die schlussendlich nicht zum Abschluss gebracht wurden.

Die Stadtverwaltung kündigt an, während der Übergangszeit — also bis zur Einrichtung eines neuen Sanierungsregimes — die Sanierungsträgerarbeiten in Eigenregie erbringen zu wollen und jetzt dafür die notwendigen Voraussetzungen, unter anderem die Schaffung von zwei bis drei neuen Stellen, umzusetzen. Diesem Plan muss das Innenministerium noch zustimmen.