Vor etwa zwei Stunden begann die Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Greifswald mit einem Rettungstraining auf der gefrorenen Wasserfläche an der Fleischerwiese. Inhalt der Übung war das Retten von Personen, die eingebrochen sind und aus dem kalten Wasser gezogen werden müssen.
Hierfür wurden eigens zwei Löcher ins Eis geschlagen, aus denen jedoch statt der angekündigten Dummys Feuerwehrleute in Schutzanzügen winkten, denen das Wasser bis zum Hals stand.
Dem Spektakel wohnten neben etwa 20 Freiwilligen Feuerwehrleuten und einigen Mitgliedern des Technischen Hilfswerks (THW) auch mehrere schaulustige Passanten, drei Pressevertreter und sogar ein Fernsehteam bei — endlich mal was los!
Seit Donnerstag regnete es in Greifswald ohne Unterlass und bis Sonnabend sollen über 100 Liter pro m² auf die Hansestadt niedergegangen sein. Allein am Freitag fielen binnen drei Stunden 60 Liter pro Quadratmeter vom Himmel – was in etwa der durchschnittlichen Niederschlagsmenge des gesamten Julis entsprechen soll.
Reisanbau in Gartensparta
Der Dauerregen überfüllte rasch die Rückhaltebecken und sorgte für vollgelaufene Keller und überflutete Straßen mit Wasserständen von teilweise mehr als einem Meter. Fahrradtunnel wurden unpassierbar und die Gartensparten am Kleinbahnhof sahen aus wie Deutschlands nordöstlichstes Reisanbaugebiet – die hier sonst dominierende nationalbeflaggte Gemütlichkeit wurde einfach hinweggespült.
Von den Wassermassen waren vor allem die Lomonossowallee, die Makarenko-, Tolstoi-, Krull-, Hain-, Feld- und Gützkower Straße sowie die Spiegelsdorfer Wende betroffen. Freitagvormittag wurde schließlich auch die Unterführung am Südbahnhof unpassierbar, wenn man nicht gerade ein Wasserfahrzeug hatte.
Die Feuerwehr war machtlos, denn die Überflutung der Rückhaltebecken machte das sinnvolle Abpumpen des Wassers dorthin unmöglich. Allein am Freitag sollen die Wehren rund 160 Mal ausgerückt sein. Ein Stromschaden sorgte außerdem für einen Ausfall im Pumpwerk des Abwasserwerkes. Noch am Freitag wurde ein Krisenstab aus Technischem Hilfswerk (THW), freiwilligen und professionellen Feuerwehren gebildet, während aus den Gullis das Wasser schoss, wie zum Beispiel in der verlängerten Scharnhorststraße, wo sich ein nicht enden wollender Strom seinen Weg in den Fahrradtunnel bahnte.
Betrübliche Wetteraussichten
Auch am Sonntag waren noch einige der insgesamt neun gesperrten Straßen unpassierbar. Der NDR berichtete, dass die Pegel in den Rückhaltebecken leicht zurückgehen sollen und heute vormittag 50 Einsatzkräfte 20.000 Liter pro Minute abgepumpt hätten, unter anderem in den Stadtgraben. Heute Abend soll entschieden werden, ob die betroffenen Straßen am Montag wieder für den Berufsverkehr freigegeben werden können.
Ob man dieses Unwetter mit der Siebenschläfer-Regel in Verbindung bringen mag oder nicht, spielt erstmal eigentlich keine Rolle. Metereologe Werner Wehry (FU Berlin) tut es dennoch und beschreibt die Aussichten für die nächste Zeit als „betrüblich“ (Tagesspiegel): Das Wetter sei im Juli umgekippt und würde sich erst ab Mitte August spürbar bessern.
Verpasste Wahlkampfchancen
Die sintflutartigen Regenfälle überraschten offensichtlich auch die hiesigen Politiker, denen zum Wahlkampfauftakt eigentlich ein grauwolkiges Geschenk vom Himmel fiel. Wie passig wäre Axel Hochschilds Selbstinszenierung als Fluthelfer im Friesennerz gewesen: Eben noch die Lösungsmittelreste von der letzten Aufkleberbereinigung an den Händen und schon in gummibestiefelter Pose neben den pumpenden Feuerwehrmännern.
Derweil schippert Krisenmanager Egbert Liskow über die Fleischerwiese und sieht nach den Rechten, die Stimmung gegen polnische Tiefdruckgebiete schüren, während nur wenige Meter weiter Sebastian Ratjen gemeinsam mit seinen Kraftsportfreunden einen Damm improvisiert, um die Unterführung in der Osnabrücker Straße vor dem Absaufen zu bewahren.
Erwin Sellering hätte Regenschirme verteilt und die bedruckten Fahrradponchos der Grünen, deren Slogan ihre Benutzer deutlich gegen die Begradigung von Flüssen positioniert, wären der Renner gewesen. Chance vertan, denn seit heute regnet es kaum noch!
Heute vermeldete die Ostsee-Zeitung, dass ein Boot im Museumshafen gesunken ist. Wie man auf dem Foto erkennen kann, lag es unmittelbar neben der Schwalbe II.
Im kurzen Artikel wird erklärt: „Die Holzplanken des Kahns seien oberhalb der Wasseroberfläche von Kälte und Wind völlig ausgetrocknet gewesen. Der viele Schnee aber dann das trockene Holz unter Wasser gedrückt. Um das Schiff in dieser Woche bergen zu können, wurde es vom größten Schnee befreit. Eine Umweltgefahr geht vom Schiff nicht aus.“
Wassereinbruch bei der TS Atlantic
In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages traf es mit einem Wassereinbruch nun auch das Tradtionsschiff Atlantic. Seitdem ist das THW vor Ort und pumpt gegen die einbrechenden Wassermassen an. Hier einige Bilder der Bergungs- bzw. Rettungsarbeiten.