Bildungsstau auf der Europakreuzung — Nachlese

Nach der gestrigen Protestaktion auf der Europakreuzung sind inzwischen noch mehr Berichte, Fotos und Videobeiträge veröffentlicht worden, auf die ich an dieser Stelle hinweisen möchte.

Moritz TV hat in ungewohnter Schnelligkeit einen Kurzbeitrag produziert. Die seit dem letzten Irakkrieg formelhaft gebrauchte Bezeichnung des embedded journalism bekommt hier einen ganz neuen Klang. Der Vergleich ist natürlich Unsinn, aber die mediale Begleitung des Protestes war wirklich lobenswert.

Am informativsten ist die gestrige punktUm-Sendung von Greifswald TV gewesen. Das Wirken der Polizeibeamten erscheint hier in einer erheiternden Mischung aus Hilflosigkeit und Provinzialität.

Das Hupkonzert der zum Stillstand genötigten Verkehrsteilnehmer und die rege Beteiligung an der Aktion lassen sich mit diesem Kameraschwenk gut nachvollziehen. Dabei fällt die gute Bildqualität auf, die sich von der vieler anderen privaten Videoaufnahmen des Bildungsstaus abhebt.

Unterdessen weist Blogger-Kollege daburna darauf hin, dass die Polizei inzwischen ein Ermittlungsverfahren gegen die zwischenzeitlich festgenommene Studentin eingeleitet hat. „Bildungsstau auf der Europakreuzung — Nachlese“ weiterlesen

Bildungsstau auf der Europakreuzung

Um 13:13 Uhr fand heute Mittag um 13:13 Uhr eine Smartmob-Aktion unter dem Titel Bildungsstau statt. Diese Protestform wurde im Vorfeld wesentlich offener beworben. Der Internetdienst Twitter spielte hierbei eine große Rolle.

Über die Plattform wurden auch unmittelbar nach der Aktion die ersten Informationen und Bilder versandt. An der Europakreuzung sollen sich nach Schätzungen Sebastian Jabbuschs 300 bis 400 Leute versammelt und  für 20 Minuten den Verkehr aufgehalten haben. Ob damit nicht die Adressaten des Protestes vertauscht wurden, sei dahingestellt, aber gerade nach der eher kläglichen Bewohnung des Audimax war das ein ermutigendes Signal.

Um so eine Masse zu beherrschen bzw. zu räumen, braucht es viele Polizisten. Diese gingen bei anfänglichen Räumungen nicht immer höflich mit den Protestierenden um, wie ein unmittelbar nach der Demonstration veröffentlichtes Video offenbarte.

Moritz TV: „Möchtegern-Helden und übernächtigte Studenten“

Das Studentenfernsehen Moritz TV hat auch endlich einen kurzen Beitrag zur derzeitigen Bewohnung des Audimax veröffentlicht.

Die Veröffentlichung einzelner, kurzer Sendungen ist wesentlich flexibler und schneller, als das Hinarbeiten auf eine große Produktion pro Monat. So kann sich studentisches Fernsehen an den medialen Veränderungen der letzten Jahre orientieren. Das Beispiel sollte in der Redaktion Schule machen, aber beim nächsten Mal erkundigen wir uns bitte vor der Veröffentlichung nach dem richtigen Artikel des bewohnten Gebäudes; ist doch schließlich Studentenfernsehen. Zurück zum Beitrag.

Der Dreiminüter offeriert Bilder aus den besetzten Hörsälen, Einblicke in eine Diskussion des sogenannten Plenums und ein Interview mit dem Vorsitzenden der AG Öffentlichkeitsarbeit, Christopher Denda. Das alles wird authentisch in herbem Norddeutsch serviert.

Produziert wurde die Sendung von Franziska Vopel. Sie ist seit einem halben Jahr Chefredakteurin bei Moritz TV. Ihre Haltung gegenüber den Besetzern lässt der wohlwollend-kritische Beitrag kaum erkennen, deutlicher wird sie aber in der Beschreibung des Videos bei YouTube: „Möchtegern-Helden und übernächtigte Studenten bei der Besetzung des Audimax Greifswald am 09. November 2009“.

Audimax bleibt weiterhin bewohnt

Es war ein trauriges Bild, das sich in der gestrigen Nacht im Audimax bot. Müde Gesichter, die auf die Displays ihrer Notebooks starrten, Resignation, die durch die Flure schlich und nur hin und wieder von Durchhalteparolen überdeckt wird. Über dem Hörsaal 4 waberte eine Glocke aus Resignation.

Grund für Entäuschungen gab es dieser Tage genug: So gelang es nicht, die studentischen Massen zu der Protestaktion zu mobilisieren, der AStA entsolidarisierte sich und von dem revolutionären Feuer, dass via Twitter versprochen wird, ist nichts zu spüren. Gerade der AStA sollte sich schämen. Jahr für Jahr wiederholt sich das Klagelied ob der Verdrossenheit in Sachen Hochschulpolitik Greifswalder Studierender. Unterdessen erklärt die erst 22jährige AStA-Vorsitzende Solvejg Jenssen in einer AStA-Presssemiteilung: „Die Besetzung eines Hörsaals mit der Einschränkung des Lehrbetriebs halten wir aktuell und lokal für kein probates Mittel, um  Missstände zu beheben.“

Grundsätzlich befürworte ich den Einzug ins Audimax und bedauere gleichzeitig, wie hilflos das Treiben dort regelmäßig wirkt. Heute wurde mir per Mail eine gepfefferte Polemik mit der Bitte um Veröffentlichung zugeschickt, der ich natürlich gerne nachkomme. Der Autor möchte seine Anonymität gewahrt wissen, um nicht zum meistgehassten Greifswalder zu werden.

Gastpolemik: Der Hauch eines konservativen REvolutiönchens

Erst Österreich, dann Westdeutschland und jetzt Greifswald: Die sogenannten Bildungsstreiks haben nun auch unser beschauliches Hansestädtchen erfasst. Am Abend des ehrwürdigen 9. Novembers wurde dem eh schon vielbelegten Datum ein weiteres Ereignis angereiht. Das Audimax der Universität Greifswald wurde erst etwas verhalten zur Zone „der offenen Diskussion und des Dialogs“ und, je später die magische hausmeisterliche Schließzeit um 22 Uhr rückte, schließlich doch für „besetzt“ erklärt. „Audimax bleibt weiterhin bewohnt“ weiterlesen

Eckhard Schumacher goes gender

Re-make / Re-model – Geschlechterrollen im Pop-Diskurs lautet der Titel, unter dem Prof. Dr. Eckhard Schumacher morgen der Ringvorlesung Greifswald regendered popkulturellen Glanz verleihen wird.

Es sei, schreibt Diedrich Diederichsen, »ein Indiz für einen pop-fühligen historischen Moment, daß die sogenannten ›Geschlechterrollen‹ ins sogenannte ›Rollen‹ kommen«. Der Vortrag wird den ersten Song der ersten, 1972 veröffentlichten LP der Band Roxy Music, Re-make / Re-model, als einen solchen Moment identifizieren und zeigen, wie er sich über die mit dem Titel benannten Verfahren des Zitierens und Resignifizierens bis in die Gegenwart fortsetzt.

Prof. Dr. Eckhard Schumacher ist nicht nur Spezialist für die sogenannte Hamburger Schule, sondern hat auch den Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie am Institut für Deutsche Philologie inne. Die Aufnahme seiner Lehrtätigkeit in Greifswald wurde hier schon an anderer Stelle bejubelt.

Flyer Ladyfest Greifswald

Um das Thema der Vorlesung ist auch das um 19 Uhr stattfindende, offene Treffen der Greifswalder Ladyfest-Gruppe angesiedelt. Auf den Hintergrund dieser Idee und auf die Greifswalder Gruppe wurde bereits hier Ende April in ausführlicherer Form eingegangen. Wer Interesse an Kultur und Politik von Frauen für alle hat, ist herzlich eingeladen, vorbeizukommen.

Don’t be in love with the guitarist…BE the guitarist!

Fakten:

11.11. | 16 Uhr | HS Rubenowstr.3 (Vorlesung)

11.11. | 19 Uhr | IKUWO (Ladyfest-Treffen)

Eine Minorität macht auf studentenunruhig

Seit gestern sind die lodernden Studentenproteste auch in Greifswald spürbar geworden, oder nicht? Um 16 Uhr fanden sich einige wenige zum Protestieren im Audimax ein, überall wurde von Besetzung gesprochen bzw. geschrieben. Aber Besetzung sieht anders aus.

Keinen Ärger mit dem Wachdienst

Allgemeine Erleichterung machte sich bemerkbar, als die Uni-Leitung mitteilte, die Proteste vorerst in den Räumlichkeiten dulden zu wollen, und die Nachricht, dass der Wachdienst nicht um 22 Uhr abschließen würde, sorgte für Euphorie im Revolutionstaumel. Die Befürchtungen bezüglich des Wachdienstes sind symptomatisch für das, was derzeit in der Rubenowstraße geschieht. Zahnlose Tiger träumen von der Revolution und laben sich an der Auch-in-Greifswald-wird-was-besetzt-Stimmung. Es weht ein Hauch von 1968 durch die Köpfe und das Gebäude, mehr aber auch nicht.

In den Kommentaren des webMoritz wird das Problem sichtbar: Da entsolidarisieren sich einerseits Studierende, wie jene mit dem Benutzernamen Juliane: „Hahaha, da die uni-verwaltung es wohl erlaubt hat, kann von „Besetzung“ keine rede mehr sein! Traurig traurig, dass die Asylanten der Uni anderen ihre Hörsäle blockieren und sie so am lernen hindern.“

Während andererseits über die Rolle des ASta, der sich bisher noch nicht für die vermeintlichen Besatzer stark gemacht hat, diskutiert wird: „Nein ret marut, das wurde nicht vom StuPa beschlossen! Es wurde die Idee eines bundesweiten Aktionstages begrüßt und der AStA beauftragt mit den BD-Organisatoren diesbezüglich zusammenzuarbeiten. Das StuPa hat keine Besetzung beschlossen und auch nicht den AStA beauftragt.“ (Thomas Schattschneider)

Eine Minorität macht auf Studentenunruhig

Unterdessen berauschen sich die Protestler im Hörsaal 4 an ihrem Aktionismus und geben sich studentenunruhig; obwohl sie nicht mal 0,5% der Immatrikulierten ins besetzte Uni-Gebäude locken konnten. Am späteren Abend wurde dann ein Foto durchs Netz geschickt, dass trotzig verkünden will, dass man willens sei, auch nachts die „Besetzung“ aufrechtzuerhalten.

Das Bild spricht für sich, vermutlich wurde deswegen kurz darauf wild getwittert, dass sich inzwischen schon mehr Schlafsäcke im Audimax befänden. Dann wurde Bier und Musik organisiert und die Aktion vermittelte immer mehr den Charme einer studentischen Pyjama-Party.

Stell dir vor, es ist Besetzung und keiner geht hin

Die Ostsee-Zeitung macht sich in der heutigen Ausgabe über die Ereignisse des gestrigen Abends lustig:

„Das Fernsehen war da, der Pressesprecher der Uni, Redakteure des Webmoritz und auch die OZ (nur inoffiziell) hatten erfahren, dass gestern 16 Uhr in Greifswald ein Bildungsstreik im Audimax per Besetzung des Hörsaals 5 beginnen sollte. Und ein paar Leute mit Schlafsäcken erschienen. Andere standen nur rum – aber keiner wollte verantwortlich sein, Ziele formulieren oder so. Nach 20 Minuten machte der Scherz die Runde: Die Zahl der Anwesenden reicht nur zur Toilettenbesetzung. Und: Die suchen einen freien Hörsaal. Der wurde in Hörsaal 3 gefunden. In der 5 fand eine Vorlesung statt.“

Dass aber in der vergangenen Nacht noch etwas entwickelt wurde, konnte Redakteur Eckhard Oberdörfer zu Redaktionsschluss nicht ahnen. Aber bereits am Vormittag korrigierte die OZ via Twitter ihre Berichterstattung und veröffentlichte einen Online-Artikel.

fleischervorstadtblog bei gtvAuch Greifswald TV hat es irgendwie geschafft, im Rekordtempo einen kurzen Beitrag über die Besetzung zu produzieren (ab Minute 05:32), und bringt darin sogar den Fleischervorstadt-Blog ins Fernsehen. Ich fühle mich gebauchpinselt. Wo aber bleiben eigentlich die Kommilitonen von Moritz TV? Und was ist mit Radio98eins?

Zurück zu den Besetzern ins Audimax. Heute wurden die ersten Arbeitsergebnisse der Nachtschichten veröffentlicht, dazu zählen ein alternativer Raumplan und eine Grundsatzerklärung, die auf dem eigens ins Leben gerufenen Streikblog erschienen ist. Um 16 Uhr wird ein großes offenes Plenum im Audimax stattfinden. Dort wird sich zeigen, wie es weitergeht.

Es regt sich was im Audimax, aber als 1968 Unruhe in der Luft lag, muss es anders gerochen haben. Damals wurde zwar weder getwittert noch gesocialt, aber es ging doch irgendwie mehr um den Kampf für das Ganze.