Durch Zufall bin ich auf den DEFA-Film Reife Kirschen (1972) gestoßen. Das Werk des renommierten DDR-Regisseurs Horst Seemann handelt vom Bau eines Kraftwerkes an der Ostsee und wurde offensichtlich in der Gegend um Lubmin gedreht.
Unter den Darstellern sind Größen wie zum Beispiel Eberhard Esche – in der Rolle des Dr. Ika – vertreten, der als Film- und vor allem Theaterschauspieler (z.B. Der Hase im Rausch) berühmt wurde. In den späten Neunzigern trat Esche auch im Greifswalder Theater mit seinem bzw. Goethes berühmten Reineke Fuchs auf. Cineasten kennen ihn aus Filmen wie Der geteilte Himmel (1964) oder Spur der Steine (1966).
Wer sich den folgenden Zusammenschnitt von Reife Kirschen ansieht, wird ab Minute 05:16 sehr alte Aufnahmen des Greifswalder Bahnhofes erkennen, außerdem natürlich die Boddenküste um Lubmin.
Mit Blick auf die Diskussion um den geplanten Bau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin stehen die gezeigten Szenen und Visionen inzwischen in einem ganz anderen Licht.
Das polnische Kulturfestival neigt sich dem Ende zu. Heute Abend wird das Greifswalder Studententheater (StuThe) mit dem Stück Die Grüne Gans im IKUWO Premiere feiern und das bisher offerierte Kulturangebot um ein Kabarett ergänzen.
Das Kleintheater „Die Grüne Gans“ genießt in Polen Kultstatus und begeistert durch einen intelligenten Humor, Ironie und poetische Sprache. Obwohl die absurden Theaterstücke von Konstanty Ildefons Gałczyński vor über 70 Jahren das Licht der Welt erblickt hatten, bestechen sie immer noch durch ihre zeitlose Aktualität.
Bürgerlicher Kleinmut, politischer Großmut, die Zuckungen von Kunstschaffenden oder Evas Biss in den Apfel – die breite Palette menschlicher Existenz findet sich in ausgesuchten Kurzstücken wieder, die eigentlich nie für die Bühne gedacht waren.
An diesem Abend steht nicht nur der Sinn für Humor auf dem Prüfstand, sondern auch die dezente Berührung mit der polnischen Vergangenheit. „Alois Kuckuck“, „Professor Bączyński“ oder gar „Fafik“, der sprechende Hund, empfehlen sich und ihre Zeitgenossen in „Kleinkariertem Schwarz und Weiß“.
Durch den umfangreichen Bühnenaufbau ist die Zahl der Sitzplätze stark begrenzt, pünktliches Erscheinen ist also anzuraten.
Die Reihe „Pop am Wochenende“ versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.
Die Greifswalder Band Jet Pilot gründete sich 2003 und brauchte über zwei Jahre, um sich in fester Besetzung zu formieren. Anfangs noch in den klassischen Gefilden des eigentlich schon wieder gestorbenen Alternative Rock verwurzelt, verzichtete man alsbald völlig auf Gitarren in der Instrumentierung und entwickelte einen in Greifswald bisher einzigartigen Sound.
Die Einflüsse aus modernem Hardcore und Emo waren nicht von der Hand zu weisen, deren Umsetzung als dreiköpfige, gitarrenbefreite Band funktionierte aber ganz hervorragend. Ihre Musik beschrieben Jet Pilot einst als low level noise und vermengten unerschrocken Noise-, Punk- und Ambientelemente zu einer energetischen Mischung, die in Richtung Electroclash tendierte.
Nachdem sie beim f6 Music Award 2007 den Titel Beste Nachwuchsband in MV gewannen, erschien im März 2008 ihr zweites Album Yeah, We Do Dance To Architecture!.
Zu dem Stück Set Your Neighbours on Fire entstand unter der Federführung des noch an anderer Stelle ausführlicher zu erwähnenden Lenox eine Art Wohnzimmer-Video, das den heutigen Sonnabend bereichern soll.
Seit etwa zwei Jahren bereichert die Greifswalder Sektion der Hedonistischen Internationalen die Stadt. Der Name M.u.S.i.K. (Mensch und Sound im Kollektiv) ist dabei Programm und die gewählten Aktionsformen verbinden Politik mit subversiver Heiterkeit, bringen Freude in die Drögheit des aktivistischen Alltages.
In den vergangenen zwei Jahren etablierte sich die HI vor allem dank des kleinen Rabaukens, einem in einem Kinderwagen untergebrachtes mobiles Soundsystem. Es sei
„…unser Licht in der Dunkelheit, die Melodie im Rauschen, die Vernunft des Wahnsinns, Geburtsprodukt eines universalen Orgasmus und vor allem billig & willig. Es lässt uns die Erleuchtung im Strobo erkennen, die Musik im Geräusch hören, es kennt den Sinn von Esoterik und es hält uns im Winter warm.”
Das kleine Rabauke ist inzwischen schon ein bisschen herumgekommen, zum Beispiel war es vor zwei Jahren bei einem konsumkritischen Rave in der Greifswalder Innenstadt (inklusive Dompassage) unterwegs, begleitete die Jubeldemo gegen den geplanten Bau des Steinkohlekraftwerks Lubmin und den Marsch durch die Fußgängerzone am Tag der Befreiung 2008. Daneben wurden viele kleine spontane Feierlichkeiten mit dem kleinen Rabauken beschallt und natürlich die nachhaltigen Loissiner Strandparties.
Seit Oktober 2009 hat das kleine Rabauke mit dem Strahlemann einen neuen Begleiter gekriegt.
Der Strahlemann, das ist eine mobile Visualisierungseinheit, die auch dort für Licht und Atmosphäre sorgt, wo es keine Steckdose gibt. Gerade diese Mobilität ist es, die in Verbindung mit dem kleinen Rabauken Freiräume eröffnet.
Er erweitert das Repertoire des Rabauken vor allem in dessen Fähigkeit, Licht zu machen, und strahlt mit Unterstützung seines Helfers Rosi, dem rosa Pony durch die dunkle Nacht. „Die Greifswalder Hedonisten in neuem Gewand“ weiterlesen →
Am 25. November spielte die energetische Warschauer Klezmer-Band Cukunft im IKUWO. Davor, danach und auch irgendwie dazwischen schob der polnische DJ Lenart – vermittels eines Bassverstärkers ein Grammophon simulierend – verschrobene und vor allem sehr alte Goldstücke aus seiner Sammlung.
Der PolenmARkT hat damit sein Bergfest hinter sich und das Ende des Kulturfestivals rückt in greifbare Nähe. Am Sonnabend wird ein PolenmARkT-Markt stattfinden, ebenfalls im IKUWO. Dort werden Kulinaria, Bücher, Plakate und Tonträger aus dem östlichen Nachbarland angeboten.
Das händlerische Treiben wird ab 20 Uhr von Trickfilmen für Erwachsene begleitet: „Anknüpfend an die goldene Zeit polnischer Animationskunst präsentieren wir an diesem Abend besondere Filmbeispiele aus den 50er- und 60er-Jahren. Skurrile Geschichten, nicht selten mit einer versteckten Kritik an den damaligen politischen und sozialen Zuständen gespickt, offenbaren sich in Form von avantgardistischen Zeichnungen, begleitet von einer abstrakt nach Jazz anmutenden Musik.“
Anschließend laden dann DJ Mariusz von der polnischen Postergalerie Pigasus in Berlin und Selekta PEhLE vom Zonic Magazin zur Polska Rootz Party.
Polska Rootz. Beats, Dubs, Mixes & Future Folk from Poland ist eine von Zonic zusammengestellte Compilation auf dem Berliner Label Eastblok Music, die einen Einblick versucht in den Umgang mit Roots-Kulturen in Polen: „Vom Folk aus den Masuren oder den Tatra-Bergen, der mittels Elektronik, Dub-Reggae oder Drum´n´Bass ins Jetzt katapultiert wird, über Mutant Klezmer Sounds bis zu weltmusikalischen Adaptionen, wo zum eigenen Erbe globales Kultur-Material tritt, das man sich offensiv angeeignet, zu eigen macht – zu neuen Traditionen, neuen Roots.“
Da verschmelzen urbane Sounds des Hier&Heute mit divers tradierten Klangformen, erwachsen frische Bastard-Formen und bringen sich neu in den weltweiten Klangkosmos ein. Versprochen wird jedenfalls hochprozentiger und hochenergetischer Osteuropatanztumult bis in die Früh!
Etliche der auf dem Sampler vertretenen Bands spielten in den vergangenen Jahren auch in Greifswald, zum Beispiel Zywiolak, Psio Crew, das Joint Venture Soundsystem oder Vavamuffin.
Wer wird sich daran später noch erinnern? Diese Frage stellte ich vor zwei Wochen mit dem Hinweis auf die Neubauten in der Pfarrer-Wachsmannstraße. So wie mit den Baulücken auch ein einzigartiges Kapitel der jüngsten Greifswalder Stadtgeschichte verschwand, so hat es gestern Mittag völlig überraschend die Ruine des Alternativen Jugendzentrums am Karl-Marx-Platz getroffen. Innerhalb weniger Stunden wurde das Haus dem Erdboden gleichgemacht.
Seit 1991 wurde das ehemalige Kinderheim Hertha Geffke besetzt, anfangs geduldet und sogar kurzzeitig im Rahmen des Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt (AgAG) gefördert. 1993 wurde das Haus an seine Hamurger Alteigentümerin rückübereignet. Es blieb besetzt, die Stadt hörte aber auf, mit den Bewohnern des AJZ – später in Café Quarks umbenannt – zu kooperieren. Das Projekt entwickelte sich zu dem mit Abstand legendärsten alternativen Veranstaltungsort Greifswalds. Hier wurden rauschende Feste gefeiert.
Wo wir am Leben gehindert werden, fängt unser Widerstand an
1999 wurde die Lage für die Besetzer und Besetzerinnen immer dramatischer, im November des Jahres gab es aus diesem Grund eine Demonstration, an der rund 800 Jugendliche mit Transparenten wie „Wo wir am Leben gehindert werden, fängt unser Widerstand an“ teilnahmen. Für den Erhalt des Hauses wurden in wenigen Wochen 1700 Unterschriften gesammelt.
Der kurzfristige Versuch, das Quarks zu kaufen, scheiterte am unangemessenen Kaufpreis und dem Verhandlungsunwillen der Alteigentümerin. Anfang Januar 2000 erhielten die Bewohner des AJZ die Räumungsaufforderung. Das Haus wurde am 4. Februar 2000 von Polizeibeamten geräumt.
Danach entlud sich in Greifswald eine unvorstellbare Frustration der Jugend. Die plötzlich obdachlosen Hausbewohner indes kamen zeitweise auf dem Dachboden des Cafés Pariser unter.
Die Räumlichkeiten am Karl-Marx-Platz wurden schnell unbewohnbar gemacht, um eine erneute Besetzung zu verhindern. Anschließend überließ man das Haus dem Verfall. Mit dem Abriss des Gebäudes verliert diese Stadt eine Art subkulturelles Denkmal, das – auch wenn es in den vergangenen zehn Jahren leerstand – an glanzvollere Zeiten erinnerte und dazu motivierte, Freiräume zu erkämpfen.
Parallelen im Umgang mit dem Denkmalschutz
Mit Blick auf die momentanen Entwicklungen um die Straze ist ein weiteres Detail interessant. Dort wird eindrucksvoll vorgeführt, wie leicht man in Greifswald dem Denkmalschutz begegnen kann und seiner ungeachtet ein traditionsreiches Gebäude verfallen lässt beziehungsweise abreißt.
Unter Denkmalschutz stand auch die Fassade des AJZ am Karl-Marx-Platz. Wie ernst es mit der Bewahrung solcher Güter genommen wird, kann man in diesem Video, das die gestrige Zerstörung dokumentiert, nachvollziehen.
Am 4. Februar wird sich die Räumung des AJZ zum zehnten Mal jähren und es sind schon mehrere Veranstaltungen geplant, um der wilden Zeiten zu gedenken. Unter dem Namen we remember cafe quarks wird Ende Januar die Auftaktparty mit einem Balkan-Dancehall-Gypsy-HipHop-Mashup von Las Balkanieras begangen werden.
Es ist weiterhin geplant, eine Ausstellung über das Café Quarks zusammenzustellen. Hierfür wird noch dringend Material gesucht. Wer also noch Fotos, Videos, Zeitungsartikel, Plakate, Fyler etc. besitzt und die Idee unterstützen möchte, sollte nicht davor zurückscheuen, mich per E-mail zu kontaktieren. Ich bin dankbar für jedes Kleinod. Wer mir ein Stück der alten Quarks-Spiegelkugel bringt, kriegt Kaffee und Kuchen!
Blogger lebewesen hat Bilder des symbolischen Trauerzuges ins Rathaus (Februar 2000) veröffentlicht. Eine chronologische Übersicht der Entwicklung des AJZ offeriert der Likedeeler in seiner vierten Ausgabe.
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