Zieht euch warm an — die letzten Infos vor der Demo

Unmittelbar vor Beginn der Greifswalder Antifa-Demonstration seien an dieser Stelle nochmal die wichtigsten Informationen zusammengetragen. Wie verläuft die Route? Wo finden Redebeiträge statt? Welche Gegenstände lasse ich lieber zuhause und welche sollten unbedingt eingesteckt werden? Und gibt es auch dieses Mal einen Twitter-Ticker?

VOM SÜDBAHNHOF ZUR MENSA: DIE ROUTE

Die Demonstration soll um 13 Uhr am Südbahnhof beginnen. Von dort geht es nach der üblichen Wartezeit durch Schönwalde I und II über die Rathenau-Straße bis zur Mensa, wo am Gedenkstein für den von Neonazis ermordeten Obdachlosen Eckhard Rütz die Abschlusskundgebung stattfinden wird. Drei weitere Redebeiträge werden unterwegs gehalten, und zwar am Ärztehaus (Thälmann-Ring) und an der Kiste (Makarenkostraße und in der Wolgaster Straße.

demo route antifa greifswald(Grafik: J.Wenzel für die OZ)

TICKERST DU NOCH GANZ RICHTIG? ECHTZEIT-INFOS FÜR ALLE!

Bei den letzten größeren Ereignissen hat sich der Twitter-Hashtag #nazishgw bewährt und als nützliches Schlagwort etabliert, unter dem alle Twitter-Nutzerinnen ihre Tweets in einen gemeinsamen Nachrichtenstrom einspeisen konnten, der für alle abrufbar ist. Auf diese Weise kann eine Informationsquelle mit vielseitigen Blickwinkeln entstehen, die auch hier auf dem Fleischervorstadt-Blog abgerufen werden kann (Java aktivieren!).



VONNÖTEN, VERBOTEN, VERHAFTET

Die relativ lange Route und die vier Redebeiträge werden dafür sorgen, dass der heutige Spaziergang nicht nach einer Stunde vorbei sein wird. Daher ist es empfehlenswert, dem Rat der Veranstalterinnen zu folgen, und sich warm anzuziehen. Eine Thermoskanne mit heißem Tee verhindert nicht nur Frösteleien, sondern taugt auch dazu, sich bei anderen Protestlern beliebt zu machen.

Bestimmte Gegenstände sollten allerdings besser nicht mitgeführt werden, dazu zählen zum Beispiel Waffen und Drogen. Es kann passieren, dass Vorkontrollen seitens der Polizei durchgeführt werden. Im Klassiker Was tun wenn’s brennt?, der seit Jahr und Tag von der Roten Hilfe herausgegeben wird, sind die wichtigsten Verhaltensregeln auf Demonstrationen zusammengefasst, inklusive Handlungsanleitungen für den Fall einer Verhaftung.

Auch für die heutige Demo gibt es einen Ermittlungsausschuss (EA), dessen Nummer schon mal vorsorglich aufgeschrieben werden sollte (0151-237 458 08). Der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ) wird als Beobachter der Versammlung unterwegs sein und später einen Bericht schreiben.

NO CAMERA NO PROBLEM? 

Bei den Protestaktionen am 1. Mai fotografierten Neonazis, unter anderem Marcus G., die Demonstrierenden ab und veröffentlichten später die Fotos auf der Internetseite der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG). Auch heute ist damit zu rechnen, dass Neonazis versuchen, am Rand der Demonstration oder von Balkonen zu fotografieren. Wer das nicht gut findet, kleidet sich witterungsgemäß, bindet sich einen Schal um und hat im Idealfall auch noch eine Sonnenbrille dabei, um nicht bei plötzlicher Wetterverbesserung geblendet zu werden.

Die Veranstalterinnen der Demo haben unbedingt einzuhaltende Presserichtlinien veröffentlicht, die sich insbesondere mit Bildaufnahmen befassen:

  • Keine Nahaufnahmen, auf denen Gesichter zu erkennen sind
  • Bei Veröffentlichung von Fotos darauf achten, dass niemand erkennbar ist bzw. diese Personen ggf. unkenntlich machen
  • Den Anweisungen der Ordner_innen ist unbedingt Folge zu leisten.

Schlussendlich sei noch allen geraten, auf dem Hin- und Rückweg vorsichtig zu sein und sich in Bezugsgruppen zu bewegen. Zieht euch warm an und setzt ein lustvolles, kreatives und starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus!

Studientag zum Thema Antidiskriminierung

Am Wochenende veranstaltet der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ) in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien (IZfG) und mit Unterstützung des Fachschaftsrats Jura sowie des Rektorats einen Mobilen Studiengang zur feministischen Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunkt Antidiskriminierung.  diskriminierung disability

Der Studientag beginnt morgens um 9.30 Uhr und dauert inklusive Mittagspause bis 18 Uhr an. Im Laufe des Tages werden nacheinander drei verschiedene Workshops ablaufen, die von Doris Liebscher (Antidiskriminierungsbüro Sachsen) und Lena Foljanty (Referendarin am Landgericht Frankfurt-am-Main) geleitet werden. Zu Beginn wird ein Privilegientest durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eine Methode, die an dieser Stelle wärmstens empfohlen sei und die Denkanstöße austeilt.

(Bild: Antidiskriminierungsbüro Sachsen)

DISKRIMINIERUNG AUS RECHTLICHER SICHT

Die drei großen Themenkomplexe, denen sich die einzelnen Workshops annähern sollen, werden mit den folgenden Fragen angerissen:

  • Was ist Diskriminierung? Was ist Rassismus? Zur ambivalenten Rolle des Rechts.
  • Die Frau mit dem Kopftuch. Eine amerikanische Debatte.
  • Mit Recht gegen rassistische Diskriminierung?

Der Mobile Studiengang zur Feministischen Rechtswissenschaft setzt keine spezifischen Kenntnisse voraus und richtet sich vor allem an die Greifswalder Studierendenschaft, für die die Teilnahme glücklicherweise kostenlos ist. Um an einem der Workshops teilzunehmen, wird um eine formlose Anmeldung via E-Mail (akj-greifswald [at] systemausfall.org) gebeten. Der Faltflyer steht außerdem als pdf-Dokument bereit.

Der Widerstand gegen den Castor geht auf die Straße

Wie bereits Anfang Januar angekündigt, wird in der nächsten Woche wieder Atommüll ins sogenannte Zwischenlager bei Lubmin transportiert werden. Hierbei sollen fünf Castorbehälter aus Karlsruhe überführt werden, die insgesamt 140 Glaskokillen enthalten.

Zweite Großdemonstration binnen dreier Monate

Lokale Anti-Atom-Aktivistinnen mobilisieren seit Wochen zu Protest und Widerstand gegen diesen Transport und rufen dazu auf, sich an der morgigen Demonstration zu beteiligen. Es ist der zweite große Anti-Atom-Protest in Greifswald binnen drei Monaten, denn schon im Dezember 2010 gingen über 2000 Menschen auf die Straße.

Atom Widerstand Greifswald

(Foto: Feldweg)

Am Sonnabend beginnt um 14 Uhr auf dem Markt die Auftaktdemo, die über die Lange Straße, den Karl-Marx-Platz und die Bahnhofstraße durch die Goethestraße, die Anklamer- und Brinkstraße schließlich über den Hansering und die Bachstraße zurück zum Ausgangspunkt führen wird.

Redebeiträge sind von Nadja Tegtmeyer (Anti-Atom-Bündnis NordOst), Holger (Nachttanzblockade Karlsruhe), Simone Leuning (AG Schacht Konrad), Pfarrer Matthias Gürtler (Ev. Kirchengemeinde) und Renate Backhaus (BUND) angekündigt, für einen musikalischen Beitrag sollen die Stormbirds sorgen. Es wurde auch eine Google Map eingerichtet, auf der neben der Route auch Parkplätze und die Orte der Zwischenkundgebung und des Abendprogramms vermerkt sind.

Aktionstag als Warm-up für den Castor

Die ganze Veranstaltung wird mit Sicherheit wie beim letzten Mal von einem Großaufgebot der Polizei begleitet und es ist nicht auszuschließen, dass von Seiten der Polizei der Protest gegen Atomkraft wieder gefilmt wird. Außerdem ist zu erwarten, dass Presse und Fernsehen bildreich berichten und viele Menschen zusätzlich private Aufnahmen machen werden. Wer darauf keine Lust hat, sei an dieser Stelle nochmal daran erinnert, an diesem Tag die für solche Bedenken anzuratende Kollektion aufzutragen. „Der Widerstand gegen den Castor geht auf die Straße“ weiterlesen

Widerstand kostet Geld – braucht es eine alternative Castorsteuer?

In nicht einmal mehr drei Wochen soll der geplante Castor-Transport aus dem südfranzösischen Cadarache nach Lubmin rollen. Mittlerweile unterstützt auch die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg die Proteste dagegen und teilt in einer Pressemitteilung mit, dass Mitte Dezember bundesweit dezentrale Aktionen entlang der Castorstrecke geplant seien.

Sie sieht in Städten wie Erfurt, Halle, Magdeburg, Ludwigslust, Rostock, Potsdam/Berlin und Neubrandenburg sowie an der deutsch-französischen Grenze bei Karlsruhe sich herauskristallisierende Aktionspunkte. Auf der eingleisigen Bahnstrecke von Greifswald zum Zwischenlager sei mit Sitzblockaden und kreativen Aktionen zu rechnen. Womöglich werden also im Dezember sehr, sehr viele Atomkraftgegnerinnen nach Nordosten strömen.

Notwendige Ressourcen für die Protestbetreuung

Dass die Organisation und Durchführung von Massenprotesten eine Menge Geld kostet, liegt auf der Hand. Die kurzfristige Schaffung einer dafür geeigneten Infrastruktur frisst Ressourcen, und die sind nicht nur personeller Natur. Deswegen sei hiermit auf das von der BI Lüchow-Dannenberg beheimatete Spendenkonto der hiesigen Aktivistinnen hingewiesen, um eine zusätzliche Unterstützungsmöglichkeit im Bemühen wider die Atompolitik anzubieten:

  • BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
    Konto: 2300 45569
    BLZ: 258 501 10

    Stichwort: castorniX lubmin
ea

Inzwischen hat sich in Greifswald auch ein Ermittlungsauschuss gegründet, der angetreten ist, die geplanten Castor-Transporte zu begleiten. Die Gruppe sieht ihre Aufgabe darin, „Betroffene von Repression zu unterstützen und ihnen beispielsweise bei Ingewahrsamnahmen, Festnahmen oder auch Übergriffen seitens der Polizei rechtzeitig einen kompetenten Rechtsbeistand zur Seite zu stellen„.

Auch dieser Teil des Widerstands ist auf Unterstützung angewiesen, zum Beispiel um Druckkosten, Telefone, Computer und ähnliches zu beschaffen. Wer die Arbeit des Ermittlungsauschusses mitfinanzieren möchte, kann eine Spende an folgende Bankverbindung adressieren:

  • Rote Hilfe Greifswald
    Konto 400 723 83 07
    BLZ 430 609 67
    GLS-Bank
    Stichwort: EA-Greifswald

Für Rückfragen ist der Ermittlungsausschuss unter folgender E-Mail-Adresse erreichbar: ea-greifswald[at]systemausfall.org.

„Solidarität ist eine Waffe!“

Dem Spendenaufruf ist die Anmerkung angefügt, dass die Rote Hilfe Greifswald nicht mit dem Ermittlungsauschuss identisch ist, ihm aber ihr Konto zur Verfügung stellt, denn: Solidarität ist eine Waffe!

Weil der Erwähnung der Roten Hilfe häufig ein Aufschrei folgt, dem das Schmähwort ‚Verfassungsschutz‚ nacheilt, soll eine Passage des ungefähr zwei Seiten langen Berichtes über die „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation„, die sich „ausschließlich mit ‚Antirepressionsarbeit‘“ befasst, zitiert werden, die zeigt, wie gefährlich diese Organisation für die staatliche Ordnung ist:

Im Jahr 2009 engagierte sich die RH maßgeblich in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Protestaktionen gegen den NATO-Gipfel vom April 2009. Gemeinsam mit den „Legal Teams“ in Straßburg und Freiburg veröffentlichte die RH im Vorfeld des NATO-Gipfels „Rechtshilfetipps für Frankreich“. Zur finanziellen Unterstützung der „Legal Teams“ hatte die RH 10.000 Euro bewilligt.“ (Verfassungsschutzbericht 2009)

Der zweiseitige Abschnitt zur Roten Hilfe beginnt übrigens auf Seite 189 des verlinkten Berichts.

Legal Teams — Mission: Rechtsschutz

Legal Teams – das waren beim G8-Gipfel in Heiligendamm diese Menschen mit den grünen Westen, die immer sofort zur Stelle waren, wenn Polizisten gewaltsam gegen Demonstrierende vorgingen oder mit dem Versammlungsrecht sehr willkürlich umgegangen wurde, die mit den Beamten verhandelten und eine stark deeskalierende Aura ausstrahlten. Hoffentlich gibt es auch im heißen Dezember diese Art der Unterstützung und vielleicht ist das ja auch ein Thema für den noch jungen Arbeitskreis Kritischer JuristInnen Greifswald (AKJ)?

Die Rote Hilfe — Gefährliche Dämonen

Wer die Rote Hilfe dämonisieren möchte, findet in ihrer Unterstützung der drei angeklagten mutmaßlichen Mitglieder der mg (militante gruppe) Nahrung. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die Prozesse gegen diese Organisation im Allgemeinen und die Rolle des BKA im Besonderen äußerst kritisch diskutiert werden.

Der Fall des Berliner Stadtsoziologen Dr. Andrej Holm, der wegen seiner akademischen Beschäftigung mit dem Thema Gentrifizierung – ein weiteres von ihm verwandtes Wort, dass ihn zum mutmaßlichen Terroristen avancieren ließ, lautete ‚Prekarisierung‘ – ins Visier der Ermittlungen geriet und aufgrund von Internetrecherchen des BKA nicht nur einer einjährigen Observation seines Privatlebens ausgesetzt war, sondern sogar in Untersuchungshaft saß, ist der prominenteste Grund dafür, Verfassungsschutzberichten über die mg mit Skepsis zu begegnen. Andrej Holm wurde am 05.07.2010 freigesprochen.

Die Causa Holm spielt im folgenden Videobeitrag ab Minute 02:12 eine Rolle.

Atomarer Abstellplatz Lubmin juckt kaum jemanden

Einer der größten Unterschiede zwischen dem Wendland und Ostvorpommern lässt sich im Fehlen einer gemeinsam geteilten Protestkultur und -tradition verorten. Hierbei geht es um Rückhalt, um Akzeptanz und Unterstützung. Wo sich anderswo eine ganze Bevölkerung mobil macht, fehlt vor Ort die kollektive Erfahrung als atomarer Abstellplatz. Lubmin ist weit weg und Energiewerke Nord klingt eher nach städtischer Stromwirtschaft als nach Atommüllstandort.

Das Thema Atomenergie ist derzeit populär genug, um zumindest einen minimalen sozialen Druck auszustrahlen, sich dagegen zu engagieren – auch wenn monetären Spenden dabei häufig der fade Beigeschmack eines modernen Ablasshandels anhaftet. Geld wird aber dringend gebraucht! Andererseits ist diese Art der Unterstützung nur für jene Leute ein Aktionsfeld, die kraft ihres Einkommens überhaupt erst in ernstzunehmendem Maße spendenfähig sind.

Braucht Greifswald eine Castorsteuer?

Eine romantisierend-verklärende, utopistische Vorstellung Greifswalds und seiner Umgebung im Heißen Dezember 2010 könnte sich aber auch zum Beispiel dergestalt von der eher entmutigenden Realität unterscheiden, dass sich eine ganze Region gegen die geplanten Transporte erhebt, um nicht wieder in nuklearer Nachbarschaft wie in den Siebzigern und Achtzigern zu leben – auch wenn es jetzt  ’nur‘ um ein Zwischenlager von unbestimmter Dauer und nicht um ein AKW geht.

Diese Region in Aufruhr würde kurzerhand eine Art Castorsteuer einführen – gastronomische Betriebe führten für die angebotenen Speisen und Getränke einen Anti-Atom-Aufschlag ein, genauso wie sich die Hoteliers wieder an die früheren Zusatzabgaben erinnern. In den lokalen Bäckereien wird das 10 Cent teurere Atombrot angeboten und im IKUWO kostet der Schnaps mal einen Euro mehr. Sag Prost zum Protest!

Die über den Flattr-Button und die Ökostromwerbung dieses Beitrags generierten Einnahmen werden an den frisch gegründeten Ermittlungsausschuss gespendet.