Am Sonntag ist nun wirklich die letzte Gelegenheit, im Pommerschen Landesmuseum die absolut empfehlenswerte Ausstellung Heimatkunde zu besuchen.
Das Interesse an den dort gezeigten Fotografien des in Greifswald aufgewachsenen Architekturfotografens Robert Conrad über den baulichen Niedergang und die Flächenabrisse in der Hansestadt war so groß, dass diese Ausstellung die bislang zweithöchsten Besucherzahlen seit der Geburt der Romantik verzeichnete.
Um 11 Uhr wird die letzte begleitete Führung durch Heimatkunde stattfinden, die zuzüglich zum Eintritt in die Ausstellung zwei Euro kostet. Um 14 Uhr wird es dann eine Finissage geben, auf der Robert Conrad aus dem Buch Zerfall und Abriss lesen wird, zu dem der Fotograf selbst Texte beisteuerte. Die Teilnahme an der Lesung kostet 2,50 Euro. In diesem Preis ist die Besichtigung von Heimatkunde inbegriffen — günstiger war der Eintritt nur bei der Vernissage!
Im nichtöffentlichen Teil der Greifswalder Bürgerschaftssitzung wurde gestern Abend beschlossen, dass dem Petruswerk keine weitere Verlängerung der Zahlungsfrist für das Areal in der Hafenstraße eingeräumt wird. Der Vertrag zwischen der Stadt und dem Immobilienunternehmen von Douglas Fernando soll nun rückabgewickelt werden.
KONKURS IN ÖSTERREICH UND EINE ASIATISCHE FRISCHGELDKUR
Ende 2012 verstrich Fernandos letzte Frist, um die fälligen 1,6 Millionen Euro für die erworbenen sechs Hektar Land zu bezahlen. Das Petruswerk plante, dort auf einer Fläche von insgesamt 13 Hektar ein Wohngebiet am Ryck zwischen der Marienstraße und An den Wurthen zu errichten.
Noch vor einer Woche berichtete die Ostsee-Zeitung, dass das Petruswerk das notwendige Geld inzwischen beisammen hätte — ein asiatischer Großkonzern sollte die für die Investition notwendigen 120 Millionen Euro beisteuern.
Doch an der finanziellen Vitalität des Petruswerks bestehen erhebliche Zweifel — nicht zuletzt deswegen, weil es im vergangenen Jahr in Österreich heftig ins Straucheln geriet. Gegen das von Fernando vor vier Jahren übernommene Unternehmen Aktivbau wurde im November 2012 sogar ein Konkursverfahren eröffnet; die Verbindlichkeiten sollen sich dort mittlerweile auf über sechs Millionen Euro belaufen. Ein Insolvenzverfahren gegen das Petruswerk wies das Linzer Landgericht zwar Ende des vergangenen Jahres ab, die Angelegenheit ist allerdings noch nicht vom Tisch.
ENDLICH EIN DEUTLICHES ZEICHEN DER GREIFSWALDER STADTVERWALTUNG
Im Januar 2013 empfahl der Finanzausschuss der Bürgerschaft die nun beschlossene Rückabwicklung des Vertrages. Das Petruswerk besitzt trotzdem noch drei Hektar Land am Hafen und den Alten Speicher in der Marienstraße. Dessen Abriss wurde im April 2012 genehmigt; er soll einem großen Hotelbau weichen. Außerdem gehört dem Unternehmen seit Januar 2008 das denkmalgeschützte Gebäude in der Stralsunder Straße 10 (Straze), das seit dem Kauf und einem abgelehnten Abrissantrag langsam, aber stetig verfällt.
Vermisste man in der Vergangenheit eine selbstbewusste Haltung der Stadtverwaltung gegenüber dem Petruswerk, so wurde jetzt endlich einmal ein deutliches, längst überfälliges Zeichen gesetzt. Douglas Fernando steht es natürlich frei, sich zeitungsöffentlich über Zweifel an der „Finanzkraft und Seriosität seines Unternehmens“ zu ärgern — ein kurzer Ausflug in das durch ihn blockierte Initiativhaus Stralsunder Straße 10 hilft jedoch ungemein dabei, das zögerlich aufsteigende Mitleid zu überwinden.
Heute Abend findet im Rathaus eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Transparente Stadt – Fairer Wettbewerb statt Korruption“ statt, bei der Wolfgang Joecks (Universität Greifswald), Ludmila Lutz-Auras (Universität Rostock), Stefan Fassbinder und Michael Steiger (beide Grüne) über Vorteilsnahme und Formen von Korruption diskutieren werden.
Der Schwerpunkt der Diskussion soll auf der kommunalen Ebene liegen. Im Idealfall soll sie eine Antwort auf die Arbeitsfrage, welche Möglichkeiten seitens der Bevölkerung bestehen, um korrupten Strukturen entgegenzuwirken, generieren.
Die Veranstaltung wird organisiert vom Grünen Forum „Selbstverwaltung“ und den Fraktionen der Grünen im Kreistag Vorpommern-Greifswald und der Greifswalder Bürgerschaft.
Nicht weniger als 18 Jahre mussten vergehen, bis der Greifenbrunnen im Vorgarten des Theatercafés aufgestellt werden konnte. Die Idee dafür soll zurück bis in die 1980er Jahre reichen, doch der Auftrag wurde erst 1994 erteilt.
TRITT FÜR TRITT!
Beauftragter wurde damals der diplomierte Bildhauer Heinrich Zenichowski, der seit 1972 in Greifswald lebt. Er entwarf den Greifenbrunnen und fertigte die Krone an. Danach folgte eine jahrelange Odyssee der Standortsuche, denn der Brunnen passte nicht mehr in den ursprünglich vorgesehenen Platz vor der Stadtbibliothek und die ins Spiel gebrachten Standortalternativen überzeugten nicht. Schlussendlich einigten sich vor etwa vier Jahren Künstler, Verwaltung und die Greifswalder AG Kunst im öffentlichen Raum — es handelt sich dabei um keine Streetart-Gruppe — auf den Theatervorplatz als zukünftigen Standort.
Seit dem 24. August ist das Kunstwerk nun im Vollbetrieb, denn zum Brunnen gehören auch eine Brunnenschale mit einem Durchmesser von 2 Metern und eine Stele aus rotem Granit, der aus Schweden importiert wurde und die bronzene Greifenkrone trägt. Aber das ist noch nicht genug des Guten: um den Brunnen herum sind mehrere Trittplatten in das Pflaster eingelassen, die ebenfalls von Zenichowski gestaltet wurden und mit einem Sensor ausgestattet sind, der bei Betätigung den Wasserfluss auslöst.
Es ist der absolute Wahnsinn: Tritt — Platsch! Tritt — Platsch!
EINE LOKALPOSSE FINDET IHR ENDE
Axel Hochschild, seines Zeichens Anführer der CDU Greifswald mit Hang zum Populismus, hat sich schon vor Jahren den Kampf für den Greifenbrunnen auf seine Fahne geschrieben. Das ging so weit, dass er 2009 die Öffentlichkeit per Pressemitteilung darüber in Kenntnis setzte, manchmal sogar vom Greifenbrunnen zu träumen. Pragmatische Lösungen mussten gefunden werden und mit der städtischen Projektgesellschaft (PGS) als Grundstückseigentümerin wurde schließlich eine Vereinbarung geschlossen: die Stadt kümmert sich von nun an um den Brunnen.
Bei allem Jubel über die neueste Attraktion an repräsentativer Stelle soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass sich die Kosten für den Brunnen inklusive Wasseranschluss und ausgeklügelter Steuerung auf schlappe 91.000 Euro beliefen. Die Greifenkrone, also das eigentliche Kunstwerk, ist davon wohlgemerkt ausgenommen, denn die wurde bereits nach Fertigstellung bezahlt.
Damit findet eine Lokalposse zwischen der Verwaltung, der Bürgerschaft und einem Künstler, dessen Arbeit nicht öffentlich ausgestellt und der darüber irgendwann gnatzig wurde, ein Ende. Das ist zwar nicht besonders günstig gewesen, steht aber dafür als steinerner Zeuge einer womöglich traumgelenkten Investitionsfreude fast genau an der Stelle, wo die — mit Verweis auf ihre vermeintlich hohen Kosten bislang verhinderte — Diagonalquerung münden würde.
Ich heiße Einheitsarchitekt. Du kannst auch Blödmann
zu mir sagen. Stimmt, wenn alles in einanderpasst,
hat es bald nichts mehr zu bedeuten.
Vor fast genau 14 Monaten wurde der Plattenbau abgerissen, in dem einst das WBS 70 residierte. Das Grundstück lag nicht lange brach und alsbald begannen die Bauarbeiten für einen weiteren gestalterischen Geniestreich des Architekten Eckehard Bürger, dessen Webseite ähnlich originell gestaltet ist wie seine Entwürfe. Dieser hätte den Wohnklotz gerne mit sechs statt der nur genehmigten vier Geschosse entworfen, um mit viel Glas „Akzente zu setzen“, wie die Ostsee-Zeitung im November 2011 berichtete.
Die Eltern von Studenten seien sehr gute Kunden
Damals sollen bereits 60 Prozent der Wohnungen verkauft worden sein und für weitere 30 Prozent habe es bereits Reservierungen gegeben. Die „Eltern von Studenten seien sehr gute Kunden“ und die müssen einigermaßen tief in die Taschen greifen, wenn sie ihren Kindern eine Wohnung kaufen oder zumindest mieten wollen.
So beläuft sich die monatliche Warmmiete für eins der 40m²-Appartements auf nicht weniger als 520 Euro, dazu kommen noch Stromkosten und bei Bedarf 25 Euro für den PKW-Stellplatz. Außerdem werden 800 Euro Kaution und eine „Vermittlungsgebühr“ in Höhe einer Warmmiete (+ MwSt.) — also in diesem Beispiel nochmal 618,80 Euro — fällig.
Wohnsilo mit Einbauschrank für unter 600 Euro
Insgesamt sind also 1418,80 Euro für Provision und Kaution zu bezahlen, ehe man in den Genuss der monatlichen Mietbelastung von knapp 600 Euro (mit Parkplatz) gelangt. Dafür gibt es dann aber auch einen behaglichen Platz im Wohnsilo mit Aufzug, Fußbodenheizung, Einbauschrank und TV-Flat.
Wer in Bürgers Klötzchenwelt eintauchen möchte, muss sich nur den anderen buntbalkonierten Zweckbau in der Brinkstraße neben dem Netto-Discounter ansehen, darf anschließend sorgenvoll die Stirn in Falten legen und die an anderer Stelle auf dem Fleischervorstadt-Blog hinterlegten, sentimentalen Bilder vom WBS 70 begutachten.
Eigentlich ist das Thema Diagonalquerung für die nächsten Monate durch. Die Bürgerschaft hat die Umsetzung des Verkehrsprojekts vor einigen Wochen zum zweiten Mal abgelehnt und seit der hedonistischen Critical Mass hat sich in der Sache nichts weiter bewegt.
Blogger Daburna kolportierte jedoch gestern über seine Facebook-Seite das angeblich aus Stadtkreisen stammende Gerücht, dass die Ergebnisse der Online-Umfrage zur Diagonalquerung, die vor einigen Wochen durchgeführt wurde, „nicht gepasst“ hätten. Hier könnte einer der Gründe für die angeblich repräsentative Umfrage zu suchen sein, die in den vergangenen Tagen im Auftrag der Ostsee-Zeitung von der Rostocker Markforschungsserviceagenur Sonja Dukath durchgeführt wurde und die heute den Leserinnen der Zeitung unmissverständlich klarmachen sollte, dass dies Projekt weder gewollt noch von der Mehrheit der Bvölkerung getragen sei.
HERAUSKOMMT, WAS HERAUSKOMMEN SOLL
Herausgekommen ist dabei, was womöglich herauskommen sollte: Von den befragten 387 Bürgern (0,64% der gemeldeten Greifswalder Bevölkerung) waren 283 Personen (73,13% der Befragten) gegen den Bau des Projekts eingestellt. Aber wieso weicht dieses Ergebnis so signifikant von den Daten der besagten Online-Umfrage ab, bei der sich erst vor einem Monat 556 Personen (über 70% der Teilnehmenden) für den Bau der Diagonalquerung aussprachen?
(OZ-Umfrage im Februar)
Die Gründe hierfür sind im Design der durchgeführten Umfrage zu suchen. Die Diagonalquerung hat naturgemäß besonders unter den Fahrradfahrern viele Fürsprecher und die wohl relevanteste Gruppe dieser Verkehrsteilnehmer dürfte unter den über 12.000 Studierenden zu finden sein.
TENDENZIÖSES UMFRAGEDESIGN: KEIN TELEFONANSCHLUSS — KEINE STIMME
Mitte März, es ist vorlesungsfreie Zeit. Deswegen haben die meisten Studierenden vorübergehend die Stadt verlassen, machen Ferien, absolvieren Praktika oder besuchen ihre Familien außerhalb Greifswalds. Einen günstigeren Zeitpunkt, um so wenige Fahrradfahrer wie möglich in einer Befragung auftauchen zu lassen, gibt es höchstens im Hochsommer.
Die Teilnehmer der Erhebung wurden übrigens telefonisch befragt. Um die stark auseinanderklaffenden Ergebnisse zu erklären, könnte auch die Antwort auf die Frage, wieviele Greifswalder Studierende überhaupt über einen Festnetzanschluss verfügen, zu einer interessanten Einsicht führen. In Zeiten von Mobiltelefonie und den durch Firmen wie O2 bereitgestellten Homezone-Angeboten sind die klassischen Festnetzanschlüsse in der studentischen Bevölkerungsgruppe vermutlich kaum noch zu finden.
Bleibt also zu behaupten, dass eine Umfrage zu einem Verkehrsprojekt in einem Zeitraum, in dem der Hauptanteil der Fürsprecher dieser Idee nicht anwesend ist und wenn doch, dann kaum über den gewählten Kommunikationskanal erreicht werden kann, zu sehr verzerrten Ergebnissen gelangen wird.
Ein kleiner Testballon zur dieser Problematik soll mit der folgenden Mini-Umfrage aufsteigen:
Wie stehst du zur Diagonalquerung und bist du auf einem Festnetztelefon erreichbar?
Ich habe keinen Festnetzanschluss in Greifswald und bin für den Bau der Diagonalquerung (41%, 76 Votes)
Ich habe einen Festnetzanschluss in Greifswald und bin für den Bau der Diagonalquerung (37%, 69 Votes)
Ich habe einen Festnetzanschluss in Greifswald und bin gegen den Bau der Diagonalquerung (15%, 28 Votes)
Ich habe keinen Festnetzanschluss in Greifswald und bin gegen den Bau der Diagonalquerung (7%, 14 Votes)
Total Voters: 187
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STIMMUNGSMACHE IN DER LOKALZEITUNG
Doch mit dem bauchschmerzbereitenden Umfragedesign allein ist es nicht getan — im redaktionellen Teil des Lokalblatts geht es mit der Stimmungsmache heiter weiter. Sybille Marx verklärt zum wiederholten Mal das Verkehrsprojekt. Dabei suggeriert sie wider besseres Wissen, dass die kalkulierten Kosten von 185.000 Euro allein den Fahrradfahrern zugute kämen, und blendet die Kosten für die ohnehin notwendige Modernisierung der Ampelanlage aus.
Sie beschreibt das innovative Verkehrsprojekt als verschwenderisch. Die Bürgerschaft plane, so Marx, 185.000 Euro „auf die Europakreuzung zu werfen“ und „den ungeduldigen Radfahrern im Idealfall ein paar Sekunden“ zu schenken. Dann bringt die Redakteurin wieder verschiedene Interessengruppen — diesmal sind es vorwiegend Eltern — gegen die Radfahrer in Stellung:
185 000 Euro, damit kann man fast vier Jahre lang sämtliche Spielplätze in Greifswald reparieren und sogar noch ein paar neue Geräte aufstellen. Schon ein Siebtel der Summe würde genügen, um der Musikschule die ersehnten neuen Instrumente zu spendieren.
Die gute Hälfte reicht, um in ganz Greifswald Verkehrsinseln, Geländer und andere Konstruktionen zu bauen, die den Schulweg unserer Kinder sicherer machen. Und für die volle Summe ist fast ein komplettes Feuerwehrauto zu bekommen.
Im nebenstehenden Artikel kommen dann Verkehrsexperten wie der Sprecher des Greifswalder Seniorenbeirats, Berndt Frisch, zu Wort, der nochmal behaupten darf, dass die Diagonalquerung ein unvermeidliches Unfallrisiko mit sich brächte. Ihr kleines Editorial schließt Sybille Marx mit der grandiosen Idee, den „hippeligen Radlern einen Yogakurs zu finanzieren“, um so für mehr Entspannung zu sorgen. Die Redakteurin selbst hat dergleichen kaum nötig — sie ist inzwischen voll auf Kurs und dient sich der veränderungsunwilligen Klientel aus Autofahrern und Senioren an.
REPRÄSENTATIV? DREI UMFRAGEN UND DREI VÖLLIG UNTERSCHIEDLICHE ERGEBNISSE
Nachdem die Ostsee-Zeitung das Thema Diagonalquerung so dauerhaft, einseitig und emotionalisierend warmgehalten und dabei in drei Anläufen jeweils drei völlig unterschiedliche Meinungsbilder der Bevölkerung präsentiert hatte, sollte jeder klar sein, dass von der Lokalzeitung kein aussagefähiges Stimmungsbild in dieser Sache zu erwarten ist.
Viel eher sollte darüber nachgedacht werden, das Projekt Diagonalquerung vorerst einzufrieren und die nächste kommunale Wahl mit einem Bürgerinnenentscheid zu verbinden, in dem verlässliche Ergebnisse der wahlberechtigten Einwohner eingeholt werden. Anschließend sollte auf Grundlage dieses Votums entschieden werden.