Das ehemalige „Café Pariser“ ist seit eineinhalb Jahren geschlossen und steht leer. Nun wird das Haus an einen Verein verkauft, der dort einen Jugendtreff schaffen möchte.
Im Oktober 2015 wurde das „Café Pariser“ in der Kapaunenstraße zum letzten Mal geöffnet. Mit dem sperrigen Jugendwohnzimmer kam eine subkulturelle Institution Greifswalds abhanden, für die es bis heute leider keinen Ersatz gibt. Nach eineinhalb Jahren Leerstand wird das Haus nun an den Greifswalder Verein „Jugend kann Bewegen“ verkauft, der das frühere „Pari“ wieder in einen Ort der Begegnung verwandeln möchte. Der Verein ist ein Netzwerk verschiedener Gruppen aus der hiesigen Kultur-, Jugend- und Bildungsarbeitsszene.
Fotogen: das Café Pariser in der Kapaunenstraße (Foto: privat)
Rettung des Parisers mit einem bitteren Wehmutstropfen
Im vergangenen Jahr wurde in Greifswald gespalten und verbunden, bis sich die Balken bogen. Einerseits gab es Anlässe genug für eine ungesunde Portion Pessimismus, andererseits stimmen bestimmte Entwicklungen hoffnungsfroh. Ein Jahresrückblick mit Schlaglichtern aus Kommunalpolitik und Subkultur in der Hansestadt.
Kommunalpolitik: Historische Wende bei der Oberbürgermeister-Wahl
Selten erfuhr Greifswalder Kommunalpolitik so viel Aufmerksamkeit wie die Oberbürgermeisterwahl im Frühsommer. Das schlug sich zwar kaum in der Wahlbeteiligung nieder, sorgte dafür aber für bundesweite Öffentlichkeit. Der Gemeinschaftskandidat von Grünen, Linken, SPD und der Piratenpartei, Stefan Fassbinder, konnte sich in einer Stichwahl gegen seinen Konkurrenten Jörg Hochheim (CDU) mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur 15 Stimmen durchsetzen. Doch wer dachte, dass sich der historische Wechsel im Rathaus so reibungslos vollziehen ließe, wurde alsbald durch die drei Einsprüche von CDU-Mitgliedern beziehungsweise parteinahen Einzelpersonen eines Besseren belehrt.
Jubel auf der Wahlparty von Stefan Fassbinder (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 06/2015)
Eine verrutschte Fußmatte, die zwischenzeitlich nicht mehr als Türöffner dienen konnte und so den Wählenden einen der drei Eingänge ins Wahllokal temporär versperrte, wurde kurz darauf zur bundesweit belächelten Ikone der christdemokratischen Intervention. Aufgrund dieser Panne will der unterlegene Kandidat Hochheim nun vor Gericht. Die Verhandlung ist für den 19. Januar angesetzt. Kurz vor Weihnachten soll die CDU indes den anderen vier Parteien ein Angebot unterbreitet haben, um die Klage abzuwenden. Doch das Parteienbündnis erklärte in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass man zu keinem Handel bereit sei, „um dadurch die Rücknahme der Klage gegen das Ergebnis der OB-Stichwahl zu erreichen. Das verstößt gegen jegliche demokratischen Regeln. Wir kaufen keine Wahlergebnisse.“ Stefan Fassbinder hat am 1. November 2015 die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Arthur König (CDU) übernommen. „Jahresrückblick: Das war 2015“ weiterlesen →
Gestern Nachmittag besuchten die Mitglieder des kürzlich gegründeten, zeitweiligen Ausschusses für Investitions- und Sanierungsvorhaben die beiden Jugendhäuser Klex und Café Pariser, um sich vor Ort einen Eindruck vom baulichen Zustand und der Nutzung beider Häuser zu verschaffen.
Hintergrund ist ein Beschluss der Bürgerschaft (pdf, 0,1 MB), der die Erstellung einer Prioritätenliste für die städtische Bauförderung vorsieht. Beide Häuser stehen auf dieser Liste und weisen zum Teil einen erheblichen Sanierungsbedarf auf. Vor einem halben Jahr soll zudem durch einen interessierten Investor die weitere Nutzung des Jugendzentrums Klex in Frage gestellt worden sein. Das Immobilienverwaltungsamt hat im Fall des Klex vorgeschlagen, das Haus entweder zu sanieren oder zu verkaufen. Doch für eine Sanierung dürfte nicht erst seit der Kreisgebietsreform — die den finanziellen Gestaltungsraum der Stadt weiter einschränkte — das Geld fehlen.
Schlechte Aussichten also, die sich so neu leider gar nicht anfühlen — schon seit zehn Jahren gibt es Diskussionen über die Zukunft des Klex, fanden Baubegehungen statt und standen Alternativobjekte im Raum. Geschehen ist seitdem wenig und die Luft wird allmählich dünner. Steht also bald ein weiterer Freiraum vor dem Aus? Für die Greifswalder Vereins- und Kulturlandschaft wäre das eine Katastrophe! Das Studierendenfernsehen Moritz TV war gestern bei den Begehungen dabei und heftete sich an die Fersen der Mitglieder des Sanierungsausschusses. Im Klex sprachen sie auch mit Leuten, die sich in dem Jugendhaus engagieren.
Die Entscheidung über die Prioritätenliste und die städtischen Sanierungsprogramme 2014 hat noch einen längeren Weg vor sich. Bis zum 16. September wird jetzt im Senat, im Finanz-, Wirtschafts- und Liegenschaftsausschuss, im Ausschuss für Bauwesen und Umwelt, im Hauptausschuss und schließlich in der Bürgerschaft noch darüber verhandelt. Das Klex beheimatet derzeit etwa zehn Vereine, zum Beispiel den ADFC und die angeschlossene Fahrradselbsthilfewerkstatt, den Stadtjugendring, Jugendmedien Greifswald, den QueerKompass, den Pfadfinderstamm „Enontekiö“, den Infoladen Analog, den Arbeitskreis Kritischer JuristInnen (AKJ) oder das Veranstaltungskollektiv Proton.
Wir leben jeden Tag von vorgestern bis übermorgen / Jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde, die wir borgen / Scheint uns sinnvoll, doch genauso ohne Sinn / Verrinnt die Zeit durch unsere Finger / Wir verzagen, haben Angst, dass uns die Welt nicht mehr zu Füßen liegt / Wenn wir nichts wagen, nicht flexibel sind, nicht kooperativ / Und unser Leben ganz in die Hände unserer Arbeit legen / Dabei hatt‘ ich mir doch fest geschworen / Nie mehr vor Mittag aufzustehen / Nie mehr vor Mittag aufzustehen.
Greifswald blinzelt noch ein wenig sommerschläfrig und entsprechend mager fällt das kulturelle Angebot in der großen Pause fernab von Kulturnächten und anderen Großveranstaltungen aus. Wer trotzdem ausgeht, findet vielleicht auf einer der Veranstaltungen in der Kulturbar, im Koeppenhaus, im Keller des Café Caspar oder schließlich im Pariser ein ansteuernswertes Ziel. Eine Übersicht. „Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #29“ weiterlesen →
Im Café Pariser findet heute Abend eine Lesung statt, in der es um Italien geht, genauer gesagt, um das Reiseland Italien.
Gelesen wird aus Reiseberichten in das südeuropäische Land, die einerseits von Mark Twain und andererseits vom bayrischen Schriftsteller Ludwig Thoma stammen.
Dabei werden die Erlebnisse der Thomaschen Familie Käsebier aus Berlin den Eindrücken Mark Twains gegenübergestellt, zusammengesucht und vorgetragen von A.S. Die Ankündigung verpricht boshafte Zeilen über ein Land und seine Bewohner.
„Warum seid Ihr nicht bei uns, um all dies Schöne mit zu genießen?“
In Anknüpfung an eine Lesung des vergangenen Jahres, wird der Greifswalder A.S. heute Abend unter dem Titel Lyrik und Prosa vom Leben und vom Tod im Café Pariser Kurzgeschichten und Gedichte vorlesen und rezitieren. Versprochen wird ein schizophrener Abend, genaueres wollte A.S. noch nicht verraten — und er auch nicht.