Im Rahmen der webMoritz-Kolumnenreihe fünf x fünf meldete sich in der vergangenen Woche wieder einmal Torsten Heil zu Wort und erbrach sich auf über die Frauenquote.
GRÜSSE AUS DER STEINZEIT: INTOLERANTER BÖSMENSCH KOLUMNIERT
Gleich zu Beginn seines Textes wies er „unsere toleranten linken Gutmenschen, Macho-Gelaber-Hasser und Gleichberechtigungsfanatiker“ darauf hin, dass sie nicht weiterlesen und ihre Zeit sinnvoller nutzen sollten – ein wirklich heilsamer Vorschlag.
Doch statt diesem ziemlich guten Rat zu folgen, darf auch hinterfragt werden, wie der Gegenentwurf zu den vorab ruhiggestellten Kritikern beschaffen sein mag: ein intoleranter, rechter Bösmensch, Macho-Laberer und Ungleichberechtigungsfanatiker zugleich? Oder nicht doch vielmehr ein dringender Fall für die Heilanstalt?
Zurück zur Frauenquote. Im Beitrag graste der inzwischen als stellvertretender Pressesprecher des Landesbildungsministeriums angestellte Autor substanzlose Allgemeinplätze ab und will glauben machen, dass die Gleichstellung von Mann und Frau im Grunde vollzogen sei:
„Wir kochen jetzt selbst und besser, außer im direkten Vergleich zu Mutti und Oma. Es gibt Frauen in der Bundeswehr, naturwissenschaftliche und technische Berufe sind den Frauen auch nicht mehr fremd und uns regiert eine Kanzlerin. Nicht zuletzt müssen wir auch noch geschlechtergerechte Sprache ertragen.„
Er argumentiert, dass es eine „Frage der Zeit“ sei, ehe sich in den Führungsetagen ein geschlechtliches Gleichgewicht einstellen würde, dazu trügen demographischer Wandel und Fachkräftemangel bei.
Man könnte entgegegnen, dass, wer auf dieses vielbeschworene Gleichgewicht warten will, Geduld mitbringen müsse, und dass die Frauenquote im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, mit dem Heil aufgrund seiner Lohnarbeit eigentlich vertraut sein sollte, noch immer bei nur 19,7% liege – vom Gender Gap in der CDU-Landesfraktion ganz zu schweigen. Aber das wäre vermutlich verschenkte Liebesmühe, denn in dieser Hinsicht scheint es sich bei dem konservativen Autoren („bekanntermaßen bin ich selbst CDU-Mitglied“) um einen schwer heilbaren Patienten zu handeln.
DEPUBLIKATION NACH MINISTERIALER INTERVENTION?
Bleibt zu hoffen, dass das steinzeitliche Gedankenkonstrukt des Kolumnisten dieses Mal seinem eigenen Geiste entsprang und nicht – wie im Dezember des letzten Jahres – wieder vom SZ-Magazin kopiert wurde. Damals brachte ihn das geguttenbergte Gendergespött bis in den BILD-Blog, da wollte dann auch die herausgebende Ostsee-Zeitung nicht mehr mitmachen.
Inzwischen sind einige Tage vergangen und beide bislang erschienenen Kolumnen Torsten Heils wurden auf seinen Wunsch hin aus dem Verkehr gezogen („Ich hoffe, niemanden persönlich beleidigt oder angegriffen zu haben und entschuldige mich aufrichtig bei allen Leserinnen und Lesern, die dies anders empfunden haben.“). Es darf darüber nachgedacht werden, ob diese „Depublikation“ in Zusammenhang mit einer Pressemitteilung der LINKEN steht, in der die Frage aufgeworfen wurde, für wen Heil eigentlich spräche,
„wenn er von ‚toleranten linken Gutmenschen, Macho-Gelaber-Hassern und Gleichberechtigungsfanatikern’ faselt. Dann erfolgt in eigentlicher Absicht ein Frontalangriff auf Ministerpräsident Sellering. […] Wenn er dies aber als stellvertretender Pressesprecher des Bildungsministeriums tut, dann wäre von Interesse, was sein Vorgesetzter, Bildungsminister Tesch, und sein oberster Dienstherr, Ministerpräsident Sellering, zu den Tiraden des Herrn Heil sagen.“ (DIE LINKE)
Ob diese Erklärung das Ergebnis einer arbeitgeberischen beziehungsweise bildungsministerialen Intervention ist, bleibt also spekulativ. Ironie der Geschichte ist es trotzdem, dass der Autor auch beim zweiten Versuch, sich an der Gender-Thematik abzuarbeiten, heftig ins Stolpern geriet.
HEILIGER BIMMBAMM: MACHO ODER SOFTIE?
Die Kolumne endet ebenso geistvoll wie sie begann mit der Einschätzung, dass Frauen heute schon eine ganze Menge schafften und dürften, und dass noch keine Quote für sie benötigt würde, stattdessen aber „vielleicht eine Emanzipation vom Softie, Schlaffi oder Gleichberechtigungsfanatiker“?
Egal, Hauptsache nicht mehr gutmenscheln!
Heil entlässt uns mit einem „scheinbar unlösbaren Dilemma“ aus seiner testestoronschwangeren Geisteswelt: Was soll er nun sein – Macho oder Softie?
Ich für meinen Teil halte es da ganz mit webMoritz-Kommentator RichardBaer, den die Kolumne offensichtlich in Sorge um seine Repräsentation als Mann brachte und der dem Kolumnisten empfahl: „Wenn du das nächste Mal darüber nachdenkst, was du so für Probleme hast, mach das mit deinen Freunden (ob Macho oder Softie) aus und lass „uns Männer“ bitte aus dem Spiel.„
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Wer allen depublikativen Entwicklungen trotzen möchte, kann die Kolumne im originalen Wortlaut beim Lebewesen-Blog einsehen, wo sie dankbarerweise gespiegelt und für die Nachwelt aufbewahrt wurde. Eine Auseinandersetzung mit Heils kopierten Gedanken zum Thema geschlechtergerechter Sprache ist im Dezember 2010 hier auf dem Fleischervorstadt-Blog unter dem Titel Die Angst vor der Entmannung erschienen.