Die Greifswalder Band Morning Rain, inzwischen ein klein wenig auseinandergesiedelt, wird am 07. November beim f6-Music Award im Rostocker M.A.U. spielen.
Kompetetiv werden sie dort die Bühne mit Micha Maat (RÜG), Tyroon (HRO) und DeadStars (HRO) teilen. Wer hier die Jury überzeugen kann und gewinnt, wird in die Schlussrunde des ostdeutschen Musikförderwettbewerbes katapultiert werden.
Morning Rain machen nicht nur wunderschönen Indierock im Stil von Jimmy Eat World, sie haben jetzt auch ein kleines Video voller Vorfreude auf den kommenden Auftritt veröffentlicht. Es ist sehr kurz, unterhaltsam und sehenswert.
Dieser Tage ließ es sich sehr günstig in Greifswald leben.Die erste Etappe des Vernissage-Marathons sorgte nicht allein für kulturelle Sättigung, auch kulinarisch ging einiges.
Obwohl die Beköstigung der Besucher nicht Teil der Abschlussprüfungen ist, wurde sich im Regelfall in Großzügigkeit geübt und so stieg der Rotweinkonsum an den vergangenen Abenden ins Unermessliche. Bald wird sich das Kulturinteresse vor Ort sprichwörtlich an der Nase ablesen lassen.
Lukullische Siegerin Anne Zilch
Kulinarischer Spitzenreiter ist seit Mittwoch Anne Zilch (Pastasalat mit getrockneten Tomaten, Basilikum, gerösteten Pinienkernen und einer Spur Parmesan, außerdem frisches Schmalz (ohne Grieben) auf Zwiebelbrot und mundgerechte Pastetchen mit Hackfleischfüllung) mit ihrer Restauration Ausstellung Aufbruch im IBZ (Bahnhofstr. 2-3).
Die Exponate stehen dort noch am Freitag von 12-14 & 16-19 Uhr, sowie am Sonnabend von 14-17 Uhr zur Begutachtung offen.
Spektakuläre Gemeinschaftsausstellung
Unter dem Titel Alle in ’ner Halle wird mit einer Vernissage am 17. Oktober eine spektakuläre Gemeinschaftsausstellung – sie treibt ebenfalls im Fahrwasser von klein stadt GROSS – eröffnet werden:
Gezeigt werden Malereien von Antje Ingber, Christin Schalko, Julia Hoffmann, Susanne Möhring, Anne Ortmann und Katja Anke in Kombination mit Illustrationen Enrico Penses und Zeichnungen von Stefanie Riech und James Itt. Fotografien sind durch Nanne Springer, Filme durch Hannes Kleinschmidt vertreten.
Die Veranstaltung wird um 20 Uhr beginnen. Man munkelt bereits von einer Noise-Performance der KSG-Formation constructive crisis und von tanzbewegten Exzessen im Anschluss daran.bDie Ausstellung wird bis zum 28. Oktober in der Halle bleiben und täglich von 15 bis 18 Uhr offen sein.
Es ist allerhöchste Zeit, den Schaumwein im Kühlschrank zu deponieren, denn für den morgigen 12. Oktober ist die offizielle Veröffentlichung des Lokalkompilats klein stadt GROSS angekündigt.
Bereits am 20. August plauderten die Köpfe des Projektes mit dem Fleischervorstadt-Blog und steckten Sinnhorizonte ab. Nun liegt der Sampler im „aufwändigen Stülpkarton“ vor. Die CD wird auf rotem Teppich zur Rezeption gereicht. Die Verpackung läuft jeder Sinnbus-Pappkistchen-Bastelei den Rang ab.
„Nett zwergig knistert’s im Kamin. Hell-bumpernde Lebenszeichen aus der Provinz.“ (Martin Hiller)
Das Booklet wurde von neun verschiedenen hiesigen Künstlern und Künstlerinnen gestaltet und die abgedruckten Werke sind groß. Beinahe pförtnerhaft ist dem Begleitheftchen ein Manifest vorangestellt, hier wird die Stoßrichtung klargemacht, wird sich bekannt und positioniert:
„Man braucht nicht den großen Rummel um sich, wunderlich Inspirierendes gibt es überall, gar sowieso mehr im Kleinen als im Riesigen. In Zeiten von Ultra-Urbanitätswahn ist es doch schön, die Quellen des Inputs um einen herum fast bis aufs Atom zu kennen zu glauben. “
Die vier KSGler haben sich mit Pauken und Trompeten auf den Weg in die Öffentlichkeit gemacht und gleichen dabei eher selbsternannten Zuckerwatteverkäufern als im Musikgeschäft tätigen Marketing-Experten.
Mit ihrer Mischung aus hippelig-euphorischer Schüchternheit und wohlerzogener Eindringlichkeit erobern sie das Herz des Lokalpatrioten; in erster Linie lässt sich aber daran der Grad ihrer Leidenschaft für ihr Projekt erahnen.
Inzwischen sind einige Interviews im lokalen (Anzeigen-)Blätterwald erschienen, wurden NDR und GTV auf die Kompilanten aufmerksam und berichteten in unterschiedlichem Umfang und Qualitätsbewusstsein. Der Dreiminüter des NDR steht dabei beispielhaft für keine schlechte Recherche und mangelndes Verständnis der Rundfunkredaktion. Der Bericht soll nur für kurze Zeit online abrufbar sein. Die verzerrte Darstellung des Projektes bewegte KSG sogar zu einer Richtigstellung auf ihrem Blog.
Lokalfernsehen übertrifft sich selbst
Für eine wirkliche Überraschung sorgte allerdings unser Lokalsender Greifswald TV. In der Vergangenheit nicht unbedingt ein Titelaspirant in der Disziplin Gutes Handwerk und packende Geschichten, produzierten die Greifswalder unter der Federführung von Christoph Eder einen ganz hervorragenden Beitrag zum Thema.
Dabei wird die Entstehung und Umsetzung des Projektes filmisch begleitet, geht man auf Reise in die kleinen Wohnzimmer-Manufakturen von KSG, taucht ein in den zum Studio umgebauten Proberaum und erfährt in mehreren Interviews von Martin Hiller, Nico Schruhl und dem Grafiker Enrico Penske Hintergründiges zum Projekt.
Musik, Malerei und Manifeste
Die Greifswalder Kulturszene darf sich auf eine heiße Veröffentlichungsphase freuen, bis zum Rand gefüllt mit Konzerten, Partys, Lesungen und Ausstellungen der verschiedensten Künstler an den unterschiedlichsten Orten. Der Reigen wird am kommenden Mittwoch in der Alten Bäckerei und wenige Stunden später im Café Koeppen eröffnet werden. Weitere Informationen dazu folgen auf dieser Seite und sind außerdem auf dem Projekt-Blog abrufbar.
Die CD ist in der Stadtinformation, im Antiquariat Rose, in der Buchhandlung Weiland, in der Volks- und Raiffeisenbank, im Uni-Laden, im Vinyl-Kultur, Ravic, Koeppen und IKUWO für 10 Euro erhältlich.
Wir alle sollten morgen mit Korken knallen, unsere Terminkalender nach dem Veranstaltungsplan von KSG ausrichten und uns vor allem vom Esprit der vier Provinzbejaher anstecken lassen.
Die charmanten jungen Herren schließen ihr Manifest selbstbewusst mit einer markigen Parole, die viel über die Lage in Greifswald aussagt, Trotz mit Hoffnung verbindet und die Sache einfach auf den Punkt bringt:
„Chancen gibt es überall! Schampus gibt’s woanders!“
Schampus gibt’s woanders! lautet der markige Untertitel des kurz vor der Veröffentlichung stehenden Kompilationsmeisterwerkes klein stadt GROSS. Am 12. Oktober ist mit einem Marathon der Veröffentlichungsfeierlichkeiten in Greifswald zu rechnen, immerhin sind nicht nur 18 hiesige Bands, Solokünstler und Musikprojekte auf dem Silberling vereint, ganz nebenbei haben vier (Wahl-)Hanseaten der Lokalvernetzung enormen Vorschub geleistet. Grund genug, sich mit den vier charmanten jungen Herren zu treffen und mit ihnen über das Projekt zu sprechen.
FLV: Wir beginnen unser Gespräch am besten mit einer kleinen Vorstellungsrunde, in der Ihr Euren Bezug zum Projekt klein stadt GROSS erläutern könnt.
MS: Mein Name ist Mathias Strüwing und meine Aufgabe bei klein stadt GROSS war neben dem gemeinsamen Diskutieren und dem Auswählen der Stücke eine technische, sprich: Mastern der Songs und Soundbearbeitung.
NS: Ich bin Nico Schruhl, auch Projektmitglied bei klein stadt GROSS.
Wir haben gemeinsam darüber gesponnen, dass es schön wäre, zu wissen, was genau eigentlich in musikalischer und künstlerischer Hinsicht in Greifswald passiert. Und dass einem der Überblick – selbst in dieser kleinen Stadt – dann doch irgendwie fehlt. Besonders schade ist es, dass gerade diejenigen, die in ihrem Wohnzimmer schöpferisch tätig sind, nicht gehört oder gesehen werden.
SR: Ich bin Stephan und auch in diese Gruppe hineingeraten. Wir haben lange nachts zusammengesessen, erzählt und geschwärmt von Dingen, die man doch mal machen müsste und irgendwann haben wir dann solange darüber geredet, dass wir dachten, wir müssen das jetzt mal probieren: In Greifswald einen Überblick zu schaffen, um auch Leuten, die entweder neu in die Stadt kommen oder neu in der Stadt sind und noch gar nicht für sich selbst den Überblick gewonnen haben, eine Möglichkeit dafür zu geben. Der Bezug zum Projekt besteht natürlich in der Freundschaft zu den drei anderen Leuten und in einem riesengroßen Interesse für Musik im Allgemeinen und für das kulturelle Schaffen in meiner Umgebung, in Greifswald.
MH: Ja, und als vierter im Bunde bin dann ich, meines Zeichens Martin Hiller, zu nennen. Bei mir ist auch eine ähnliche oder dieselbe Verknüpfung wie bei den Anderen zu diesem Projekt vorhanden, nämlich dass uns interessiert hat, mal einen Überblick über künstlerische Tätigkeiten in dieser doch im Vergleich etwas kleineren Stadt zu erstellen; sowohl was musikalische Kunst als auch bildende Kunst betrifft. Und das wollten wir explizit zusammenbringen. Deshalb sind im Booklet in katalogähnlicher Form bildende Künstler vertreten. Am Booklet haben Nico und ich zusammen grafisch und praktisch mitgewirkt. Und letztlich sind wir ja auch alle musikalisch auf diesem Sampler vertreten.
NS: Vielleicht kann man das nochmal kurz zusammenfassen: Mathias ist bei Mexicola und Naked Neighbours on TV involviert. Martin ist Lofi Deluxe, Stephan ebenfalls bei Naked Neighbours on TV und ich bin bei Lumières Claires und Naked Neighbours on TV beteiligter Musiker.
Multifunktionalität, kulturelle Transparenz und das große Miteinander
FLV: In der Konzeptbeschreibung von klein stadt GROSS stand, dass es sich dabei um ein multifunktionales Projekt handle und dass ein Ziel die Schaffung kultureller Transparenz sei. Ihr habt alle drei von Überblicken gesprochen. Was bedeutet dieses Konzept für Euch? Mulitifunktionalität und kulturelle Transparenz?
NS: Das hat nicht nur damit zu tun, dass wir anderen Leuten einen Überblick verschaffen wollten, sondern auch damit, den beteiligten Parteien die Möglichkeiten zu geben, einander kennenzulernen und Vernetzung stattfinden zu lassen.
SR: Der Aspekt der Vernetzung ist schon einer der Hauptgründe, warum es überhaupt soweit gekommen ist. Es gibt zwar Bands, die hängen mehr miteinander herum, es gibt bildende Künstler, die miteinander Projekte starten. Aber dennoch lebt man trotz der kleinen Stadt Greifswald recht stark aneinander vorbei, wenn man nicht auch mal ein bisschen zu fördern versucht, dass die Leute näher zueinanderkommen. Das ist die Hauptfunktion.
Es geht darum, auch Räume zu schaffen, in denen die Leute einfach zusammenkommen und sich kreativ austauschen können. Zum Beispiel hat vor kurzem eine offene Jam-Session in der Alten Bäckerei stattgefunden, wo das alles zusammengeführt wurde: Die Ausstellung einer Künstlerin aus Greifswald, Antje Ingber, und dazu einfach zur Verfügung gestellte Verstärker und Instrumente, um Leuten die Möglichkeit zu geben, zueinander zu finden.
Eine andere Funktion des Projekts ist es, der Stadt ein anderes Bild nach außen zu geben, denn das wird oftmals ein bisschen verzerrt dargestellt.
Utopistische Kleinstadtromantiker
FLV: Was habt Ihr für Utopien von einer vernetzen, multifunktionalen, kulturell transparenten Lebensweise in Greifswald? Wie kann sich das in der Realität noch darstellen, außer – wie jetzt geschehen – bei dieser Jam Session?
MS: Es wurde ja schon angedeutet, dass die Idee klein stadt GROSS deutlich größer ist als die CD. Viele der Ideen, über die wir herumgesponnen haben, werden wir versuchen, in Zukunft zu realisieren. Im Klartext soll das heißen, dass wir eine Release-Woche planen, die verschiedene Locations in Greifswald involvieren wird. Dort versuchen wir dann den verschiedenen Künstlern des Samplers eine Plattform zum Auftreten oder Ausstellen zu geben.
NS: Es geht auch vor allem erstmal darum, dass man mit den ganzen schöpferischen Kräften, von denen sowieso jeder schon mal in Greifswald gehört hat, vernetzt wird. Diese ganzen Dinge spielen sich ja sonst nur zufällig ab – und das wollten wir forcieren.
Es geht außerdem darum, dass man sich kennt, dass man die Mitmenschen, denen man tagtäglich in dieser kleinen Stadt begegnet, kennenlernt; dass man auf sie zugehen kann und dass man auch bei ganz lapidaren Sachen, wenn es zum Beispiel um Equipment geht oder so, einander hilft, sich solidarisch gibt. Und das ist natürlich viel leichter wenn man weiß, wer sich hinter diesen ganzen Projekten verbirgt und wen es da überhaupt gibt.
SR: Was diese Utopie angeht, von der du gesprochen hast, das ist vielleicht ein Traum – aber dafür sind Utopien ja da – der durch diese Geschichte angestoßen werden könnte, dass vielleicht eine stärkere Unabhängigkeit der Musiker entsteht. Dadurch, dass sie diese Möglichkeiten der Vernetzung haben und auf diese Weise Potential, Technik, Kreativität, Infrastrukturen entstehen, die es für einige Leute sicherlich leichter macht, kreativ tätig zu sein und ihr Ergebnis nach außen zu tragen. Dinge, die sonst vielleicht einfach untergehen würden, wenn es sich nicht herumspräche, es niemand hörte oder sähe.
Überwindung von Genre-Grenzen als Programm
NS: Es gibt diese Vernetzung teilweise schon, ich denke dabei an die Bands Feine Sahne Fischfilet, Kein Plan und R!O, wo schon ganz starke Verquickungen existieren. Die reden miteinander, tauschen sich aus, beeinflussen sich auch künstlerisch gegenseitig. Das ist aber noch an das Genre gebunden. Es gibt aber eigentlich keinen Grund, warum man das auf so ein Genre beschränken sollte.
Ich war unlängst auf einem Konzert von Kein Plan und R!O und erwartungsgemäß war dort wieder nur ein Punkpublikum, bzw. ein erweiterter Freundeskreis. Dieses Konzert war so gut, dass man sich eigentlich fragt, warum es so wenige interessiert. Das kann meines Erachtens nur daran liegen, dass niemand diese Bands und die Musik, die dahinter steckt, kennt. Die hat durchaus einen Appeal für Leute, die sich sonst nicht unbedingt Punk oder Hardcore anhören.
MS: Das ist auch der Grund, warum dieser Sampler sich nicht auf bestimmte Musikrichtungen beschränkt.
MH: Deshalb war für uns ein ganz wichtiger Anspruch, über musikalische Stilgrenzen hinweg die Leute zu vereinen. Die Verbindung zwischen diesen verschiedenen Richtungen haben wir dann versucht, durch Interludes zwischen einzelnen Titeln herzustellen. Eben diese Interludes – es gibt auch noch ein Intro und ein Outro – spielen natürlich mit gewissen kleinstädtischen Romantiken oder auch Sounds, die eine gewissen Kleinstädtischkeit widerspiegeln.
Um nochmal auf diese Utopien zurückzukommen, hängt natürlich die Idee im Hintergrund, dass es auch spannend ist in Hinblick auf die gegenseitige Inspiration, Remixe anderer Bands anzufertigen.
NS: Mein Gedanke ist auch, dass den Leuten, die sich das anhören, das passiert, was mir passiert ist, nämlich dass man davon überrascht wird, was hier eigentlich los ist. Bands, welche ich mir sonst vielleicht niemals angehört hätte, wie zum Beispiel Disembowel. Die machen Metal auf ganz hohem Niveau. Das hat auf jeden Fall seine Berechtigung und muss unbedingt gehört werden, auch von Leuten die sonst vielleicht eher Pop hören.
„Hier kann man sich viel besser ausleben, weil das kulturelle Angebot ja irgendwie begrenzt ist“
FLV: Kleinstadt, Provinz; kleinstädtisch, provinziell. Wie ist das als Künstler oder als Musiker in der Provinz zu agieren? Vielleicht mit Hinblick auf deine Berliner Herkunft, Martin. Du hast da sicher den lebhaftesten Vergleich.
MH: Also ich als Hinzugezogener, in Greifswald Gelandeter, zwischendurch zurückgezogen nach Berlin und dann wieder hergekommen, ich habe natürlich Greifswald auch sehr schätzen gelernt, weil dieses provinzielle durchaus auch einen sehr inspirierenden Charakter hat. Dieser kleinere Kreis, den diese kleinere Stadt mit sich bringt, der zwingt einen als Musikschaffenden auch dazu, selbst zu agieren. Wohingegen in der Großstadt oftmals ja auch einfach nur viel konsumiert wird, da wird sich in lange Warteschlagen gestellt und es werden Eintrittspreise teilweise horrender Natur gezahlt, um sich dann vergnügen zu lassen. Was in dieser Stadt so abgeht ist ja häufig so etwas, was man selber auf die Beine stellt.
NS: Das, was viele als unangenehme Enge beschreiben, die es in der Kleinstadt gibt, das hat auch seine Vorteile, nämlich dass man hier eine ganz andere Freiheit hat, zu agieren, weil bestimmte Sachen in der Großstadt untergehen würden, die hier gelebt werden können. Das hat sich auch im Gespräch mit den Künstlern, zum Beispiel mit Antje Ingber gezeigt, dass sie das sehr genießt, hier einfach machen zu können, worauf sie Lust hat und das auch entwickeln kann.
Wohingegen man in der Großstadt vielleicht einen Markt zu bedienen genötigt ist. Dass man sich viel eher daran orientieren muss, was gewünscht wird. Und hier kann man sich viel besser ausleben, weil das kulturelle Angebot ja irgendwie begrenzt ist.
MS: Das ist eine Flucht nach vorne. Das hätte auch als Untertitel für die CD gut passen können. Statt Schampus gibt’s woanders eben Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Das ist genau die Geschichte hier in Greifswald. Es gibt viele Leute die sagen, mich ödet die Stadt an, ich fahre lieber am Wochenende in eine große Stadt, Hamburg oder Berlin. Aber wenn man hier was machen will, dann kommt man relativ schnell zu Ergebnissen. Die Wege sind halt kurz und das sehen wir hier als Vorteil.
FLV: Dann macht Ihr den Kästner zur Kampfansage!
An dieser Stelle wurde vorerst und vorfreudig nur der Sinnhorizont der verheißungsvollen Idee klein stadt GROSS! ausgelotet. Aufgrund der lokalen popkulturpolitischen Relevanz des Themas wird im Rahmen der Veröffentlichung des Kompilats ein weiteres Interview stattfinden.
Morgen ist die letzte Möglichkeit, der alljährlich stattfindenen Ausstellung Insomnale beizuwohnen. Am 13. Juni wurden die Räumlichkeiten in der Alten Post für die Öffentlichkeit freigegeben.
Der wirklich ausgezeichnete Standort der Insomnale sorgte für viele Besucher und verdient Respekt und Hochachtung. In diesem Sinn und an dieser Stelle ein ehrliches Dankeschön an das Organisationsteam.
Kunst aus Greifswald ist offensichtlich aufregend genug, sie zu entwenden. Und so fiel das Exponat, das den Publikumspreis gewann, Kunstdieben zum Opfer. Das ist zwar ärgerlich, aber adelt ja auch das Werk irgendwie. Jedenfalls ist morgen die letzte Chance, die Insomnale zu erleben.
An dieser Stelle soll aber nicht das Klagelied über den Niedergang der Uni und inbesondere über die Tötung der Geisteswissenschaften gesungen werden, im Gegenteil, es gibt Grund zum Frohlocken!
In den vergangenen Jahren bot die Personalpolitik der Universität Greifswald außerordentlich selten Anlass zu Optimismus. Lehrstühle blieben wie am Kunstinstitut oder bei den Kommunikationswissenschaften über Monate und Jahre unbesetzt, Stellen wurden gekürzt, die Zahl der Kommilitonen wuchs und die räumlichen Bedingungen wurden kaum besser.
Popkultur akademisch aufbereitet
Seit diesem Sommersemester wird der Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie von Prof. Dr. Eckhard Schumacher besetzt, der sich momentan noch in Elternzeit befindet und derweil von PD Dr. Thomas Wegmann vertreten wird. Ab dem kommenden Wintersemester wird Schumacher dann den Lehrbetrieb aufnehmen.
Ein kurzer Blick auf die Titel vergangener Veröffentlichungen untermauert, dass die Universität Greifswalder wirklich einen interessanten Neuzugang zu erwarten hat. An dieser Stelle nur ein kurzer Auszug, die gesamte Auflistung findet man hier.
Existentielles Besserwissen. Dilettantismus und Professionalität im Pop-Diskurs
Underground Resistance. Anonymität und Adressierung im Detroit-Techno
Unverständlichkeit, Unergründlichkeit, Unentscheidbarkeit – Popgeschichtsschreibung mit Elvis Presley
Zeichen über Zeichen: Pop als Resignifikation, Rekombination und Reproduktion
Das Stolpern der Banalität. Über Helge Schneider
Mix, Cuts & Scratches: Die Autorität der Unterhaltung
Nach der Party: Techno – Literatur – Theorie
Popmusik zwischen westfälischer Provinz und Hamburger Schule
Auf Schumacher, der insgesamt sieben Jahre als Konzertveranstalter und DJ aktiv war (1985-1992), stieß ich bei der Lektüre des 2008 erschienenen Sammelbandes Stadt.Land.Pop.– Popmusik zwischen westfälischer Provinz und Hamburger Schule, an dem er als Mitautor beteiligt war. Hier wird eine kultursoziologische und pophistorische Spurensuche nach den Wurzeln der Hamburger Schule unternommen, deren Ursprung ja bekanntlich in Ostwestfalen liegt.
In eloquenten wie liebevollen Aufsätzen erinnert man sich an die Zeit in Bad Salzuflen zurück und reflektiert das Geschehen um das umtriebige Label Fast Weltweit. Zu den Künstlern der ländlichen Region gehörten zum Beispiel Bernd Begemann (Die Antwort), Jochen Diestelmeyer (Blumfeld), Frank Spilker (Die Sterne), Michael Girke (Jetzt) und Bernadette La Hengst (Die Braut haut ins Auge).
Der Sammelband präsentiert längst vergessene Kleinode, zum Beispiel Konzertfotos aus den 1980ern von Arthur Dent (die Spilker-Band vor den Sternen) oder auch einen Flyer für eine Party am 25.12.1995 unter dem Titel „alte säcke – plattenauflegen mit bernd begemann, jochen diestelmeyer, michael gierke, eckhard schumacher“ im Bielefelder Etablissement „Sounds“.
Ich will da nicht leben, wo es niemals Leben gab
Wer seine musikalische Sozialisation in irgendeiner Form mit der Hamburger Schule verbindet und Berührungspunkte zu den genannten Künstler aufweist, sollte tunlichst alles daran setzen, dieses Buch zu lesen. Hier folgt eine Textprobe von Till Huber, der sich in seinem Aufsatz „Ich will da nicht leben, wo es niemals Leben gab“ – der Diskurs-Pop der Sterne als ‚kapitalistischer Realismus‘ ausführlich mit der Poplyrik Frank Spilkers beschäftigt:
„obwohl man auch in der Hamburger Schule ein unbefangenes deutschsprachiges Textverfahren anstrebt, wird das Aufrufen von Klischees zumindest sprachlich vermieden, was einem Bruch mit Textverfahren der Neuen Deutschen Welle gleichkommt, denn in letzteren liefert das Klischee als Stilmittel idealisierte und artifizielle Bilder der Wirklichkeit.
In der Poplyrik der Hamburger Schule arbeitet man stattdessen an einer sich der traditionellen Popästhetik, die um jeden Preis das Auslösen eines ‚Schlagerreflexes‘ vermeiden will. Dies geschieht mit Hilfe einer sich der traditionellen Popästhetik verweigernden textlichen Sperrigkeit, die sich beispielsweise in Albumtiteln wie Tocotronics Wir kommen, um uns zu beschweren oder dem des Sterne-Albums Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die Interessanten niederschlägt. Solcherlei Titel orientieren sich an gesprochener Sprache und bilden einen scheinbar unästhetisierten Ausschnitt aus der sozialen Wirklichkeit.“ (Till Huber, 2008).
Produkte in den Regalen, perfekter Service, korrekte Preise
Als wären die hervorragenden Texte nicht schon Kaufgrund genug, gibt es als Dreingabe auch noch eine DVD mit Interviews (Bernadette La Hengst, Frank Spilker, Erdmöbel, Frank Werner & Michael Girke). Gemeinsam mit Frank Spilker erkundet man den alten Proberaum der Sterne und besucht Plätze, die sich offenbar tief ins kollektive popkulturelle Gedächnis eingebrannt haben. Die DVD zu Stadt.Land.Pop. ist übrigens Ergebnis eines Gestaltungsprojektes im Rahmen des Seminars Popliteratur – eine dokumentarische Spurensuche in OWL an der Universität Paderborn, Sommersemster 2008. So kann der output universitärer Seminare auch aussehen!