Hochschilds feuchter Traum wird wahr — der Greifenbrunnen ist in Betrieb

Nicht weniger als 18 Jahre mussten vergehen, bis der Greifenbrunnen im Vorgarten des Theatercafés aufgestellt werden konnte. Die Idee dafür soll zurück bis in die 1980er Jahre reichen, doch der Auftrag wurde erst 1994 erteilt.

TRITT FÜR TRITT!

Beauftragter wurde damals der diplomierte Bildhauer Heinrich Zenichowski, der seit 1972 in Greifswald lebt. Er entwarf den Greifenbrunnen und fertigte die Krone an. Danach folgte eine jahrelange Odyssee der Standortsuche, denn der Brunnen passte nicht mehr in den ursprünglich vorgesehenen Platz vor der Stadtbibliothek und die ins Spiel gebrachten Standortalternativen überzeugten nicht. Schlussendlich einigten sich vor etwa vier Jahren Künstler, Verwaltung und die Greifswalder AG Kunst im öffentlichen Raum — es handelt sich dabei um keine Streetart-Gruppe — auf den Theatervorplatz als zukünftigen Standort.

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Seit dem 24. August ist das Kunstwerk nun im Vollbetrieb, denn zum Brunnen gehören auch eine Brunnenschale mit einem Durchmesser von 2 Metern und eine Stele aus rotem Granit, der aus Schweden importiert wurde und die bronzene Greifenkrone trägt. Aber das ist noch nicht genug des Guten: um den Brunnen herum sind mehrere Trittplatten in das Pflaster eingelassen, die ebenfalls von Zenichowski gestaltet wurden und mit einem Sensor ausgestattet sind, der bei Betätigung den Wasserfluss auslöst.

Es ist der absolute Wahnsinn: Tritt — Platsch! Tritt — Platsch!

EINE LOKALPOSSE FINDET IHR ENDE

greifenbrunnen fisch

Axel Hochschild, seines Zeichens Anführer der CDU Greifswald mit Hang zum Populismus, hat sich schon vor Jahren den Kampf für den Greifenbrunnen auf seine Fahne geschrieben. Das ging so weit, dass er 2009 die Öffentlichkeit per Pressemitteilung darüber in Kenntnis setzte, manchmal sogar vom Greifenbrunnen zu träumen. Pragmatische Lösungen mussten gefunden werden und mit der städtischen Projektgesellschaft (PGS) als Grundstückseigentümerin wurde schließlich eine Vereinbarung geschlossen: die Stadt kümmert sich von nun an um den Brunnen.

Bei allem Jubel über die neueste Attraktion an repräsentativer Stelle soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass sich die Kosten für den Brunnen inklusive Wasseranschluss und ausgeklügelter Steuerung auf schlappe 91.000 Euro beliefen. Die Greifenkrone, also das eigentliche Kunstwerk, ist davon wohlgemerkt ausgenommen, denn die wurde bereits nach Fertigstellung bezahlt.

Damit findet eine Lokalposse zwischen  der Verwaltung, der Bürgerschaft und einem Künstler, dessen Arbeit nicht öffentlich ausgestellt und der darüber irgendwann gnatzig wurde, ein Ende. Das ist zwar nicht besonders günstig gewesen, steht aber dafür als steinerner Zeuge einer womöglich traumgelenkten Investitionsfreude fast genau an der Stelle, wo die — mit Verweis auf ihre vermeintlich hohen Kosten bislang verhinderte — Diagonalquerung münden würde.

Speicher Ade! Scheiden tut weh.

Ach, hätte Caspar-David Friedrich seine Wiesen bei Greifswald nur gute hundert Jahre später gemalt — der alte Speicher wäre heute unleugbarer Bestandteil der Silhouette Greifswalds! Doch Friedrich stellte sein Gemälde, das in der Hamburger Kunsthalle aufbewahrt wird, bereits 1822 fertig — der Kornspeicher am Hafen hingegen wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft in den Jahren 1936/37 erbaut.

Bauaufsichtsbehörde genehmigte Abrissantrag

Dem letzten großen Gebäude dieser Art in Greifswald droht nun jedoch ein vorzeitiges Ende. Anfang April genehmigte die untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt den von Douglas Fernando (Petruswerk) gestellten Antrag auf Abriss. Zuvor befürwortete bereits das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin das Ersuchen des Immobilieninvestors, der an Stelle des historischen Baus ein „markantes Gebäude in der Größe des jetzigen Speichers“ errichten will, wie die Stadtverwaltung in ihrer damaligen Pressemitteilung ankündigte.

Speicher Museumshafen Greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog, 02/2012)

Um was für ein Gebäude es sich dabei dann konkret handeln wird, blieb bislang unklar. Im April sei der Bau eines Hotels im Gespräch gewesen, das Bestandteil des Wohngebiets werden soll, welches Fernando im Gebiet zwischen Marienstraße und An den Wurthen errichten will. Diese Fläche (Bebauungsplan 55) wurde in der Vergangenheit immer wieder als „Filetstück“ bezeichnet.

Kritik an „durchgepeitschtem“ Verkauf und zu guten Geschäftsbeziehungen

Kritiker der Transaktion — das Petruswerk bezahlte für das 13 Hektar große Arreal nur 1,5 Millionen Euro — warfen dem Bürgerschaftspräsidenten Egbert Liskow (CDU) damals vor, den Verkauf zugunsten des Petruswerks „durchgepeitscht“ und mit dem Verzicht auf eine Ausschreibung des Grundstücksverkaufs außerdem gegen europäisches Recht verstoßen zu haben.

Zudem wurde immer wieder über die harmonische Geschäftsbeziehung zwischen Douglas Fernando und dem damaligen Baudezernenten Reinhard Arenskrieger spekuliert, mit dem sich vor zwei Jahren sogar ein Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft beschäftigte. Das Speichergebäude soll abgerissen werden, sobald die Bürgerschaft den Entwurf für den Bebauungsplan 55 beschließt. Die Abrissgenehmigungen sind drei Jahre lang gültig.

Indes verfällt der denkmalgeschützte Gebäudekomplex Stralsunder Straße 10, den die Universität Greifswald 2008 für relativ wenig Geld ebenfalls an das Petruswerk verkaufte, weiter. Einer Initiative, die das Haus anschließend kaufen und vor allem retten wollte, war kein Erfolg beschieden und von Sanierungsarbeiten fehlt dort jede Spur.

Flache Decken, dunkle Räume — Wohnungsbau im Kornspeicher wird schwierig

Zurück zum alten Speicher in die Hafenstraße 37. Der sechsstöckige neoklassizistische Bau besteht aus einem 35 Meter hohen Betonsilo und einem zweistöckigen flachen Lagerhaus. Die frühere Funktion des ehemaligen Kornspeichers macht eine Sanierung der Ruine schwierig: die Deckenhöhen der einzelnen Etagen sind sehr niedrig, die Fenster klein und deswegen ist es im Inneren des Gebäudes relativ dunkel. Durch den Bau zieht sich ein Betontrichter, des Speichers Kern, in die Höhe. Wer hier umbauen will und keine Kinderkrippe plant, steht vor einer anspruchsvollen architektonischen Herausforderung.

Früher oder später wird der alte Speicher, der heutzutage die Szenerie am Museumshafen dominiert, verschwinden. Vermutlich erlebt der Bau dieses Jahr seinen letzten Sommer und es ist Zeit, von ihm Abschied zu nehmen. Die Erinnerungen an den unverstellten Blick über die Stadt bis hinaus nach Wieck werden verblassen — das Bier in der Morgensonne war schließlich auch irgendwann geleert. Ach, hätte Caspar-David Friedrich doch sein Werk nur gute hundert Jahre später auf die Leinwand gebracht.

  • Die Greifswalder Einkaufstour des Immobilienmagnaten Douglas Fernando (Fleischervorstadt-Blog, 08.02.11)
  • Bildergalerie Alter Speicher (Mryia Jackalope, 2005)
  • Abriss des Wahrzeichens alter Speicher am Ryck genehmigt (daburnas Logbuch, 12.04.12)
  • Douglas Fernando, die Bürgerschaft, der Alte Speicher… und was davon übrig bleibt. (webMoritz, 18.04.12)

Straze: Landesamt für Kultur und Denkmalpflege lehnt Abrissantrag ab

Mitte März berichtete die Ostsee-Zeitung, dass die Greifswalder Bauaufsichtsbehörde den Abrissantrag des Petruswerks für den denkmalgeschützten Gebäudekomplex Stralsunder Straße 10/11 (Straze) abgelehnt hat. Vor wenigen Tagen entschied nun auch das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege gegen den Abrissantrag — vorerst wird das Gebäude also stehen bleiben.

stralsunder strasse(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Die Ablehnung des Abrissantrags wird damit begründet, dass  das Petruswerk „nicht sämtliche Möglichkeiten für den Erhalt ausreichend geprüft“ hätte und daher nicht alle Voraussetzungen für die „Beseitigung des Denkmals“ vorgelegen hätten. Dazu gehöre unter anderem der Nachweis, dass der Erhalt des Gebäudes unzumutbar sei und es außerdem keine anderen Interessenten gäbe, die dieses Objekt wirtschaftlich betreiben könnten, wie es in der Pressemitteilung der Stadtverwaltung weiter heißt.

KEIN GRUND ZUM JUBELN — GERETTET IST NOCH GAR NICHTS! 

Damit ist die Straze aber noch lange nicht gerettet, denn schon im März — nach der Entscheidung der Stadtverwaltung — kündigte das Petruswerk an, die schriftliche Begründung abzuwarten, um weitere Schritte zu prüfen. Dazu könnte auch die Beschreitung des Rechtswegs gehören, um den Abriss schlussendlich juristisch durchzusetzen.

An dieser Stelle sei auch nochmal auf die Online-Petition zum Erhalt des Gebäudes hingewiesen, die seit dem 28. März fast 400 Mal gezeichnet wurde. Das ist zwar gar nicht so wenig, aber angesichts der hohen Zahl derjenigen, die von einem funktionierenden Kulturbetrieb in der Straze profitieren würden, ein klickaktivistisches Armutszeugnis. Das Zeichnen der Petition dauert nur wenige Augenblicke und ist schnell erledigt, also ran an den Speck!

Elegien des Abschieds: „Segmente der Wirklichkeit“

Nun schweigt es still, das alte Haus / Mir aber ist’s als schritten / Die toten Väter all‘ heraus / Um für das Haus zu bitten.*

Die Greifswalder Masterstudentin M. Kardinal lädt heute Abend zu ihrer Abschlussausstellung Segmente der Wirklichkeit. Wer vorherigen Einladungen der Künstlerin folgte und zum Beispiel die Ausstellungen Shima, Il diario di bambola oder den Hortus Conclusus in ihren privaten Räumen in der Erich-Böhmke-Straße besuchte, für den ist es nur logisch, dass auch ihre Abschlussarbeit wieder in das eigene Wohnumfeld führen wird.

Alles steht auf Abbruch 

Waren die Ausstellungen im eigenen Schlafzimmer anfangs vielleicht noch prekäre Notlösung, so wuchs mit jeder weiteren Veranstaltung der Stellenwert des immerhin 108 Jahre alten Gebäudes für Werk und Wirken der Künstlerin — für ihre Segmente spielt das alte Haus nun endlich die zentrale Rolle, die es verdient, ein Ende ist in Sicht.

Das Gebäude Zeuge gesellschaftlicher Umbrüche und überdauerte die grundlegenden Veränderungen in der Fleischervorstadt stoisch, doch die Glocken zur letzten Stunde haben bereits geschlagen. Der Erinnerungsort wird umfassend saniert, den Mietern wurde gekündigt oder sie wurden mit der Ankündigung horrender Kostensteigerungen hinauskomplimentiert. Alles steht auf Abbruch, die staubigen Vorboten sind kaum zu übersehen.

In den ausgestellten Arbeiten beschäftigt sich Kardinal mit den Themen Ort, Projektion und Erinnerung. Sie besteht aus einer Serie von Gleichbild-Aufnahmen, einer Sequenz fotografischer Selbstporträts und aus Segmenten von Laufbildern.

Altes Haus: Bis zur Geiserhaftigkeit durchdrungen

Hier lässt sich bereits erahnen, dass nicht nur die Künstlerin als letztverbliebene Bewohnerin dem Haus Leben einhaucht, sondern auch, wie sehr sie selbst vom vergangenheitsschwangeren Bau durchdrungen ist, „geisterhaft darin aufgeht“, wie es im Katalog heißt, der für die Ausstellung angefertigt wurde. Segmente der Wirklichkeit verspricht, eine der momentan besuchenswertesten Vernissagen zu werden. Noch steht das alte Haus!

Die Ausstellung ist nach der Vernissage am 21.04. und 22.04. von jeweils 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Fakten: 20.04. | 18 Uhr | Böhmke
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*(aus Das Alte Haus, Friedrich Hebbel)

Luxuswohnen: Ein Penthouse für die Fleischervorstadt!

Wenn es nach der Immobilen-Firma Global Management Glavac geht, entsteht noch in diesem Jahr das vermutlich größte Haus in der Gützkower Straße. Nicht weniger als fünf Geschosse sollen auf der Freifläche Ecke Neunmorgenstraße aus dem Boden wachsen. Derzeit wird dieses Arreal als Parkplatz genutzt.

guetzkower strasse

ARCHITEKTONISCHE AKZENTE UND EIN DACHTERRASSE ZUM SCHNÄPPCHENPREIS

Die verantwortliche Architekten Milica Cacsiran-Glavac erklärte Mitte März gegenüber der Ostsee-Zeitung, an die Kreuzung „architektonische Akzente“ setzen zu wollen. Diese Drohung ist ernst zu nehmen, denn die wortsinnliche Krönung des barrierefreien Neubaus ist ein Penthouse mit umlaufender Dachterrasse. Wer sich dieses Sahnehäubchen zum Freundschaftspreis von 340.000 Euro kaufen will, sollte sich beeilen, denn die Vermarktung der Wohnungen hat bereits begonnen. Wem das zuviel Geld ist, dem bleiben noch die anderen neun 3-5-Raum Wohnungen, die bereits ab ca. 150.000 Euro angeboten werden.

Der Antrag für den Bau ist bereits eingereicht und die Baurbeiten sollen Mitte des Jahres beginnen und im Frühjahr 2013 fertiggestellt werden. Das Unternehmen will 1,7 Millionen Euro in das Objekt investieren. In einem nie enden wollenden Werbevideo werden derweil schon mal die architektonischen Akzente des Baus vorgestellt. Schöner wohnen in der Fleischervorstadt!

Rettung in Sicht? Unterstützt die Straze-Petition!

Neuigkeiten von der Straze. Für das im Januar 2008 von der Universität an das Petruswerk verkaufte Haus stehen die Zeichen der Zeit zwar längst auf Verfall, doch vor kurzem wendete sich das Blatt. Die Greifswalder Stadtverwaltung lehnte nämlich den vom Petruswerk beantragten — und vermutlich auch von Anfang an intendierten — Abriss ab.

KULTURRAUM VS. PROFITTRAUM

Das denkmalgeschützte und in Vorpommern einmalige Haus, für dessen Finanzierung und Nutzung das Konzept eines Greifswalder Vereins vorlag, ist bislang allerdings noch nicht gerettet.

17vier: Übersicht über die Geschäfte des Petruswerk

Dem Petruswerk steht es jetzt frei, sich mit dem Fall an die oberste Bauaufsichtsbehörde in Schwerin zu wenden, um der Stadt vielleicht doch noch ein paar hochrentable Studierendenappartments zu verpassen, oder die Stralsunder Str. 10/11 endlich zu verkaufen, damit der Verfall des Hauses aufgehalten werden kann.

Das beabsichtigen die Urheberinnen einer Petition, von  der auf dem grünen Wildwuchs-Blog berichtet wird. Diese ist unter anderem an Ministerpräsident Sellering, die Landesregierung MV, das Landesamt für Denkmalpflege, die Universitäts- und Hansestadt Greifswald und deren Oberbürgermeister König addressiert. Sie soll den Verantwortlichen nachdrücklich zeigen, dass „Greifswald das einzigartige Gebäude weiterhin braucht und es nicht einem unseriösen Immobilienhai überlassen möchte“.

ZEICHNET MIT UND UNTERSTÜTZT DIE ERHALTUNG DER STRAZE!

Es wird dazu aufgerufen, diese Petition zu unterschreiben, um so den Erhalt der Straze zu unterstützen. Die Petition findet ihr hier bei openpetition.de. Das Unterzeichnen dauert nur wenige Sekunden und ist wahlweise auch anonym möglich. Der Vorgang wird mit einer Bestätigung abgeschlossen, die euch — nachdem ihr mitgezeichnet habt — per E-Mail zugesandt wird.

Es ist nicht verkehrt, Freundinnen und Bekannte auf diese Petition aufmerksam zu machen und sie zur Unterstützung zu ermuntern, damit aus den bislang 22 Unterstützerinnen bedeutend mehr werden. Straze bleibt!