Lass dich nicht keilen! Das Corps Borussia und die Greifswalder Wohnungsnot

Der Start ins neue Semester ist nicht nur für die Neuankömmlinge anstrengend, die sich um die Organisation des bevorstehenden Studiums, die Beschaffung einer Bleibe und den Neuaufbau eines sozialen Umfelds kümmern müssen. Kräftezehrend ist diese Zeit auch für jene Menschen, die hier schon länger verweilen und für die in dieser Zeit die Jagdsaison anbricht.

KORPORIERTE ROTTEN UND FRISCHLINGE OHNE ORIENTIERUNG

Fast allen geht es darum, die Frischlinge für sich und das eigene Rudel zu gewinnen. Brünftige Platzhirsche streifen auf der Suche nach zwischenmenschlichen Abenteuern offenen Auges durchs Revier. Die Vertreterinnen fast aller ökologischen, hochschulpolitischen, sozialen und sportiven Vereine sind mit ihren Werbematerialien unterwegs und suchen Verbündete in Sachen Ehrenamt.

Clubs und Kneipen geben sich in diesen zwei Wochen größte Mühe, als besonders interessante Adressen wahrgenommen zu werden, und akquirieren neue Stammkunden. Und dann sind da noch die Burschenschaften und Studentenverbindungen, die wenig unversucht lassen, um zum Semesterbeginn neue Frischlinge für ihre korporierten Rotten zu rekrutieren.

corps borussia greifswald (Montage: 17vier, Foto: Veranstaltung des Corps Guestfalia Greifswald, von Corps Guestfalia)

Dieses Ziel verfolgten Greifswalder Studentenverbindungen in den letzten Jahren vorwiegend auf zwei Wegen. Einerseits bemühte man sich darum, bei der Erstsemesterbegrüßung als Tutor aufzutreten und sich beim anschließenden Kneipenbummel als kompetente Ansprechperson darzustellen und für die eigene Verbindung zu werben — am besten gleich auf dem eigenen Haus.

Andererseits offerieren einige Korporationen mal mehr, mal weniger günstige Zimmer in der Innenstadt und profitieren von der strukturellen Wohnungsknappheit in Greifswald. Mit diesen Angeboten bot man Schnittstellen für die drei wesentlichen Probleme der Neuankömmlinge: Wohnraum, Orientierung im Studium und soziales Umfeld.

DIE KÜMMERER: „KEIN GELD FÜR DAS HOTEL? WIR HELFEN!“

Die pflichtschlagende Studentenverbindung Corps Borussia ist dieses Jahr auf eine neue Idee gekommen, um Erstsemester auf sich aufmerksam zu machen und an sich zu binden. Seit dem 1. März stellen die Corpsburschen zehn Schlafplätze in ihrem Haus in der Goethe-Straße zur Verfügung. Für 10 Euro pro Nacht dürfen es sich wohnungslose Studierende auf einem Feldbett bequem machen — sogar Frauen sind eingeladen. Die Losung der Aktion lautet Kein Dach über dem Kopf? Kein Geld für das Hotel? Wir helfen!

corps borussia verbindungshaus

Das Inserat wird auf dem digitalen schwarzen Brett der Uni unter dem Nickname CubaLibré verbreitet, ein zweiter Account wurde eigens eingerichtet, um auf die Angebote scheinbar zu antworten und sie im aktualisierten, sichtbaren Bereich des Online-Forums zu halten.

Die Aktion ist gut überlegt und soll bis zum Ende des Monats andauern. Die Initiatoren kümmern sich um die Erstis und decken mit ihrem Angebot die drei oben genannten Problemfelder ab.

Wer sich am Köder des Corps verschluckt hat, könne „nach anstrengender Wohnungssuche“ den Tag im „großen Gemeinschaftsraum mit Tresen“ ausklingen lassen und bei der ersten Orientierung zudem auf die Hilfe „erfahrener Studenten“ zurückgreifen. Spätestens hier sollten die Alarmglöckchen klingeln und den Wohnungssuchenden bewusst machen, wie hoch der Preis für den vermeintlich komfortablen Studienbeginn in Greifswald sein kann, wenn aus einem mehrtägigen Mietverhältnis ein Bund fürs Leben wird.

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Wer in Greifswald noch keine Wohnung gefunden hat, sich aber vor Schmissen, Schärpen und Schädelbrummen in Acht nehmen möchte, sollte diese verlinkten Inhalte im Auge behalten.

Jetzt wird es ernst: Umzugsbeihilfe soll ausgesetzt werden

Wie schon im November 2011 befürchtet, ist die Umzugsbeihilfe für Studierende und Azubis, die ihren Hauptwohnsitz nach Greifswald verlegen, nun ernsthaft bedroht. Einer Pressemitteilung des AStA Greifswald zufolge berät aktuell die Bürgerschaft darüber, die Zahlung von 150 Euro — womit die neuen Bürgerinnen der Stadt in den vergangenen Jahren für ihren Umzug prämiert wurden — für ein Jahr auszusetzen.

asta greifswald

Die AStA-Vorsitzende Anne Lorentzen weist darauf hin, dass die Bürgerschaft mit einer Aussetzung der Umzugsbeihilfe ein in Deutschland einmaliges Pilotprojekt zum Scheitern verurteile, das die Unterfinanzierung der Universität lindern könne. Sie fordert, dass alle Beteiligten zusammenkämen, um die Zahlung der Prämie langfristig zu sichern.

Die Universität erhält eine Hauptwohnsitzprämie von 1000 Euro für jeden zweiten Studierenden, der seinen Hauptwohnsitz von einem anderen Bundesland nach Greifswald verlegt. Die AStA-Referentin für Veranstaltungen schätzt die Zahl der Studienbeginner im Wintersemester 2012 auf 3000 Studierende. Würden — bei aller Utopie — alle neuen Erstsemester ihren Hauptwohnsitz in die Hansestadt verlegen, könnte die Universität folglich 900.000 Euro nach Angaben des AStAs bis zu 1 Million zusätzlicher Geldern erhalten, die in die Verbesserung der Studienbedingungen investiert werden könnten. Die Prämie war für viele ein starker Anreiz, sich umzumelden.

hgw haeuser(Foto: grenzfrequenz via Flickr)

Mit der Umzugsbeihilfe sollen Studierende und Azubis dazu motiviert werden, sich hauptwohnsitzlich nach Greifswald umzumelden. Stadt und Kreis erhalten höhere Mittelzuweisungen, je mehr Menschen dort leben. Im vergangenen Jahr wurden bis Oktober 480 Ummeldungen registriert. Die geplante Aussetzung der Prämie wird mit einem Haushaltsdefizit im laufenden Jahr von über zwei Millionen Euro begründet.

Stellenausschreibung: Studentische Hilfskraft bei GETIDOS

jobs arbeitDie in Berlin und Greifswald angesiedelte sozial‐ökologische Forschungsgruppe GETIDOS sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine studentische Hilfskraft. Neben einem Interesse an den Themen Social Entrepreneurship und Nachhaltigkeit, sollen die Bewerberinnen optional über sehr gute Englischkenntnisse verfügen.

Zu den Aufgaben der Stelle gehören die Pflege von Literaturdatenbanken (citavi, SSRN), organisatorische Bürotätigkeiten (Scannen und Kopieren), Assistenz bei Recherchen im Rahmen des Forschungsvorhabens von GETIDOS sowie Öffentlichkeitsarbeit.

big jump getidosGETIDOS ist unter anderem an der Bildungskampagne Big Jump beteiligt und untersucht die Rolle und das Potenzial von Social Entrepreneurship, nachhaltige Problemlösungen im Wassersektor umzusetzen.

Die Stelle hat ein Arbeitsvolumen von 20 Monatsstunden und kann bis zum Ende der Projektlaufzeit von GETIDOS im Frühjahr 2013 verlängert werden. Der Stundenlohn für studentische Hilfskräfte an der Uni Greifswald beträgt ab dem 1.4.2012 8,56 Euro.

Die Bewerbungsfrist endet am 4. März. Weitere Informationen dazu sind in der offiziellen Stellenausschreibung (pdf-Dokument, 0,1 MB) aufgeführt.

Journalizzm im Interview mit Prof. Schiewe: „Die Professorin war die Frau des Professors“

Auf dem noch relativ jungen Greifswalder Blog journalizzm erschien heute unter dem Titel Zwischen Hirn und Gesellschaft ein lesenswertes Interview mit Prof. Dr. Jürgen Schiewe, Lehrstuhlinhaber für Germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Greifswald,  über geschlechtergerechte Sprache.journalizzzmIm Interview geht der Germanist auf die Grundlagen und Ziele einer Sprache ein, die in dieser Form erst von der feministischen Sprachkritik  in den späten Siebziger Jahren gefordert wurde, und spricht sich gegen die Verwendung des generischen Maskulinums aus.

„ERSTER SCHRITT ZU EINER SOZIAL GERECHTEREN GESELLSCHAFT“

Für ihn ist ein „geschlechtergerechter Sprachgebrauch der erste Schritt zu einer sozial gerechteren Gesellschaft“, doch er beobachtet unter seinen Studierenden ein nachlassendes Interesse am Thema, für das früher mit Vehemenz gestritten wurde. Diesen Bedeutungsverlust erklärt Schiewe unter anderem mit dem sprachlichen Mehraufwand geschlechtergerechter Sprache und einem veränderten Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Sichtbarkeit von Frauen auch sprachlich zu erkämpfen.

juergen schiewe greifswald

„Gleichstellung wird heute in der Universität zwar groß geschrieben – nicht zuletzt, weil von wichtigen Institutionen, potentiellen Geldgebern, dieses Thema stark befördert und gefordert wird. Dass Gleichstellung aber zunächst einmal im Kopf und damit auch in der Sprache beginnen muss, diese Erkenntnis hat sich noch nicht durchgesetzt oder wird wieder — wie vor den 1970er Jahren — ignoriert.“

Das ausführliche Interview ist in leicht gekürzter Form bei journalizzm online abrufbar und liegt als sechsseitiges pdf-Dokument (0,09MB) außerdem in vollständiger Version vor. Es ist kurzweilig und dürfte auch für jene interessant sein, die sich bislang noch nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt haben.

(Foto: idw, privat, nicht unter CC-Lizenz)

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Auf dem Fleischervorstadt-Blog wird aus ästhetischen Gründen auf den alles einschließenden Unterstrich ebenso verzichtet, wie auf das dualistische Binnen-I oder die Doppelnennung, die hier mit geschlechtspolitischer Absicht vermieden werden. Stattdessen wird versucht, so willkürlich wie möglich zwischen generischem Maskulinum und Femininum zu changieren, um so auf Sichtbarkeiten und sprachliche Repräsentation aufmerksam zu machen. Selbstverständlich sind mit diesen Formen alle Menschen unabhängig von ihren Geschlechtern gemeint.

Mehr zum Thema geschlechtergerechter Sprache:

“2014 schmeißen wir unser erstes Plasma an“ — Radio Corax über das Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X

Das freie Radio Corax aus dem Raum Halle telefonierte mit einem Doktoranden des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) und sprach mit ihm fast 12 Minuten über Grundlagen und Möglichkeiten der Kernfusion und die Forschung am IPP.

Die Außenhülle des dort gebauten Fusionsexperiments Wendelstein 7-X wurde Ende Dezember geschlossen. Die Versuchsanlage soll 2014 in Betrieb gehen.

Führungen durchs Großexperiment

Das IPP bietet in unregelmäßigen Abständen Führungen an, bei denen den Besuchern der Aufbau des Experiments Wendelstein 7-X sowie Technik und Werkstätten gezeigt werden. Auf Anfrage und mit kurzem zeitlichen Vorlauf lassen sich für Gruppen auch eigene Termine arrangieren. Diese Visiten sind unbedingt zu empfehlen. Einen Eindruck vermittelt die folgende Fotostrecke.

Polly Faber offeriert Atelierräume

Der aus der Insomnale des vergangenen Jahres entstandene Verein Polly Faber hält nun schon seit über sechs Monaten in den Hallen am Bahnhof die Stellung. Mit einem vorangeschickten „Achtung, Achtung!“ offerieren die Künstlerinnen seit gestern gut isolierte, beheizbare Atelierräume und rufen Kreative und Freischaffende dazu auf, ihre Wirkungsstätte in die Bahnhofstraße zu verlegen.

polly faber greifswald(Foto: Polly Faber)

Interessenten sollten aufgrund des begrenzten Angebots so schnell wie möglich Kontakt zu Polly Faber aufnehmen und eine E-Mail an pollyfaber.greifswald[at]googlemail.com senden.