Greifswalder Arndt-Befürworter

Wer heute den Blick in die Ostsee Zeitung nicht scheut, kann in den Leserbriefen die Befindlichkeiten und Ressentiments überwiegend älterer Mitbürger entdecken. Ein kurzer Blick über die heute abgedruckten Leserreaktionen.

Kritiker können Arndt nicht das Wasser reichen

Prof. Joachim Buhrow empfindet den Namen Arndt als zeitgemäß und gibt zu Protokoll:

Wir armseligen Zeitgenossen können ihm (Arndt) 150 Jahre später allesamt das Wasser nicht reichen. Das gilt aber vor allem für die Zeitgenossen, die ihn kritisieren, diffamieren und seine Lebensleistung reduzieren.

Ist nicht gerade die überschaubare Lebensleistung neben Arndts Antisemitismus ein wichtiger Grund für die geforderte Umbenennung?

Ex-EMAUler Prof. Ulrich Guth mischt sich in die Arndt-Debatte mit völlig neuen Perspektiven und Argumenten ein:

Bitte immer den historischen Kontext beachten!

Historischer Kontext ist eine inzwischen zur Worthülse mutierte, inflationär gebrauchte Konstruktion im Zusammenhang mit Arndt. Hat nicht der Baden-Württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger schon versucht, den historischen Kontext eines Hans Filbingers zu beachten?

Idelogisch vorbelastete Wichtigtuer-Studenten

Der Greifswalder Hans-Jürgen Schumacher findet die

Hysterie ideologisch vorbelasteter Wichtigtuer-Studenten bezüglich einer möglichen oder wahrscheinlichen Umbenennung der alterwürdigen Greifswalder Alma mater […] für die Ur-Greifswalder kaum zu ertragen. Ich denke, wie die Uni heißen soll, ist auch ein wenig eine (zumindest moralische) Angelegenheit der Greifswalder Bevölkerung.

Schumacher knüpft damit unabsichtlich an einen Beitrag Ulrich Roses an. Der Antiquar stellte unlängst die Frage, wie und wann man eigentlich zum Einheimischen wird. Ich als Greifswalder finde die Diskussion wesentlich erträglicher als die heutigen vier Leserbriefe.

Diskutieren oder notbremsen?

Zum Abschluss meldet sich nochmal Bodo Müller aus Potthagen zu Wort:

Wer tatsächlich auf die Website „Uni ohne Arndt“ geht, erhält nicht die Möglichkeit zu diskutieren oder gar gegenteilige Meinungen abzugeben. Einzig und allein darf er abstimmen, dass er gegen den Namen Arndt ist und warum und Basta. Die Universität Greifswald sollte schnellstmöglich die Notbremse ziehen.

Mein liebes Lischen! Bodo Müller ist ja schon einmal mit einem desavouierenden Leserbrief aufgefallen. Jetzt trägt er seine mangelnde Medienkompetenz wütend und zeitungsöffentlich zur Schau, denn auf der genannten Website lässt es sich ganz herrlich mitdiskutieren.

Spannend dürfte es heute Abend im IKUWO werden, denn dort wird um 20 Uhr eine mit der Amadeu Antonio Stiftung organisierte Podiumsdiskussion zum Namenspatron stattfinden. Moderiert von Marcus Unbenannt werden Prof. Dr. Arno Herzig (Hamburg), Prof. Dr. Reinhard Bach (Greifswald), Prof. Dr. Werner Buchholz (Greifswald) und Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann (Greifswald) als Diskutanten erwartet.

Universität klärt über Arndt auf

Seit kurzem ist auf der offiziellen Internetseite der Universität Greifswald ein Link zu finden, hinter dem sich eine knappe Auseinandersetzung mit dem kontroversen Namenspatron der Hochschule verbirgt. Die grundsätzliche Debatte zu Ernst-Moritz soll nicht an dieser Stelle geführt werden.

Merkwürdigerweise geht es in den Diskussionen ausschließlich um den Namen der Uni, nicht um die Arndt-Schule und die nach ihm benannte Straße.

Arndt Greifswald

In dem Artikel über Arndt werden viele das Wort „Antisemit“ vermissen, jedoch wird auf Arndts fragwürdige Einstellungen  eingegangen:

Zu einer Zeit, als noch darüber gestritten wurde, was und wer überhaupt die deutsche Nation ausmacht, vertraten Arndt und andere die Auffassung, dass Nationen vor allem durch die Sprache und Abstammung definiert werden und sich unvermischt erhalten müssten. Juden sollten in Deutschland keine staatsbürgerliche Gleichstellung erhalten. Über außereuropäische Völker äußerte sich Arndt im Zusammenhang zeitgenössischer Rassentheorien abwertend.

1933 beantragte der Senat auf Initiative des „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ bei der preußischen Staatsregierung, Arndts Namen tragen zu dürfen. An dieser Stelle war das nationalistische Motiv zweifellos ausschlaggebend.

Damit ist ein erstes Ziel der Arndt-Gegnerinnen erreicht.

Aktuelles über den Widerstand gegen den Namenspatron findet sich auf dem Blog der Kampagne für die Umbenennung der Universität Greifswald.

Hochkarätig besetzte Professur für Neuere Deutsche Literatur

An dieser Stelle soll aber nicht das Klagelied über den Niedergang der Uni und inbesondere über die Tötung der Geisteswissenschaften gesungen werden, im Gegenteil, es gibt Grund zum Frohlocken!

In den vergangenen Jahren bot die Personalpolitik der Universität Greifswald außerordentlich selten Anlass zu Optimismus. Lehrstühle blieben wie am Kunstinstitut oder bei den Kommunikationswissenschaften über Monate und Jahre unbesetzt, Stellen wurden gekürzt, die Zahl der Kommilitonen wuchs und die räumlichen Bedingungen wurden kaum besser.

Popkultur akademisch aufbereitet

Seit diesem Sommersemester wird der Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie von Prof. Dr. Eckhard Schumacher besetzt, der sich momentan noch in Elternzeit befindet und derweil von PD Dr. Thomas Wegmann vertreten wird. Ab dem kommenden Wintersemester wird Schumacher dann den Lehrbetrieb aufnehmen.

Ein kurzer Blick auf die Titel vergangener Veröffentlichungen untermauert, dass die Universität Greifswalder wirklich einen interessanten Neuzugang zu erwarten hat. An dieser Stelle  nur ein kurzer Auszug, die gesamte Auflistung findet man hier.

  • Existentielles Besserwissen. Dilettantismus und Professionalität im Pop-Diskurs
  • Underground Resistance. Anonymität und Adressierung im Detroit-Techno
  • Unverständlichkeit, Unergründlichkeit, Unentscheidbarkeit – Popgeschichtsschreibung mit Elvis Presley
  • Zeichen über Zeichen: Pop als Resignifikation, Rekombination und Reproduktion
  • Das Stolpern der Banalität. Über Helge Schneider
  • Mix, Cuts & Scratches: Die Autorität der Unterhaltung
  • Nach der Party: Techno – Literatur – Theorie

Popmusik zwischen westfälischer Provinz und Hamburger Schule

Auf Schumacher, der insgesamt sieben Jahre als Konzertveranstalter und DJ aktiv war (1985-1992), stieß ich bei der Lektüre des 2008 erschienenen Sammelbandes Stadt.Land.Pop. – Popmusik zwischen westfälischer Provinz und Hamburger Schule, an dem er als Mitautor beteiligt war. Hier wird eine kultursoziologische und pophistorische Spurensuche nach den Wurzeln der Hamburger Schule unternommen, deren Ursprung ja  bekanntlich in Ostwestfalen liegt.

In eloquenten wie liebevollen Aufsätzen erinnert man sich an die Zeit in Bad Salzuflen zurück und reflektiert das Geschehen um das umtriebige Label Fast Weltweit. Zu den Künstlern der ländlichen Region gehörten zum Beispiel Bernd Begemann (Die Antwort), Jochen Diestelmeyer (Blumfeld), Frank Spilker (Die Sterne), Michael Girke (Jetzt) und Bernadette La Hengst (Die Braut haut ins Auge).

Stadt Land Pop

Der Sammelband präsentiert längst vergessene Kleinode, zum Beispiel Konzertfotos aus den 1980ern von Arthur Dent (die Spilker-Band vor den Sternen) oder auch einen Flyer für eine Party am 25.12.1995 unter dem Titel „alte säcke – plattenauflegen mit bernd begemann, jochen diestelmeyer, michael gierke, eckhard schumacher“  im Bielefelder Etablissement „Sounds“.

Ich will da nicht leben, wo es niemals Leben gab

Wer seine musikalische Sozialisation in irgendeiner Form mit der Hamburger Schule verbindet und Berührungspunkte zu den genannten Künstler aufweist, sollte tunlichst alles daran setzen, dieses Buch zu lesen. Hier folgt eine Textprobe von Till Huber, der sich in seinem Aufsatz  „Ich will da nicht leben, wo es niemals Leben gab“ – der Diskurs-Pop der Sterne als ‚kapitalistischer Realismus‘ ausführlich mit der Poplyrik Frank Spilkers beschäftigt:

„obwohl man auch in der Hamburger Schule ein unbefangenes deutschsprachiges Textverfahren anstrebt, wird das Aufrufen von Klischees zumindest sprachlich vermieden, was einem Bruch mit Textverfahren der Neuen Deutschen Welle gleichkommt, denn in letzteren liefert das Klischee als Stilmittel idealisierte und artifizielle Bilder der Wirklichkeit.

In der Poplyrik der Hamburger Schule arbeitet man stattdessen an einer sich der traditionellen Popästhetik, die um jeden Preis das Auslösen eines ‚Schlagerreflexes‘ vermeiden will. Dies geschieht mit Hilfe einer sich der traditionellen  Popästhetik verweigernden textlichen Sperrigkeit, die sich beispielsweise  in Albumtiteln wie Tocotronics Wir kommen, um uns zu beschweren oder dem des Sterne-Albums Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die Interessanten niederschlägt. Solcherlei Titel orientieren sich an gesprochener Sprache und bilden einen scheinbar unästhetisierten Ausschnitt aus der sozialen Wirklichkeit.“ (Till Huber, 2008).

Produkte in den Regalen, perfekter Service, korrekte Preise

Als wären die hervorragenden Texte nicht schon Kaufgrund genug, gibt es als Dreingabe auch noch eine DVD mit Interviews (Bernadette La Hengst, Frank Spilker, Erdmöbel, Frank Werner & Michael Girke). Gemeinsam mit Frank Spilker erkundet man den alten Proberaum der Sterne und besucht Plätze, die sich offenbar tief ins kollektive popkulturelle Gedächnis eingebrannt haben. Die DVD zu Stadt.Land.Pop. ist übrigens Ergebnis eines Gestaltungsprojektes im Rahmen des Seminars Popliteratur – eine dokumentarische Spurensuche in OWL an der Universität Paderborn, Sommersemster 2008. So kann der output universitärer Seminare auch aussehen!

Fanfilm lokaler Star Trekkies feiert Premiere

Frau Dr. Brauer aus der Anglistik muss die utopistische Science-Fiction-Serie Star Trek lieben.

Im Sommersemester 2008 gab es sogar eine Ringvorlesung zu diesem Thema und wenig später, im vergangenen Wintersemester, scharte sie eine kleine Schar Star Trekkies um sich und es wurde ein episodenhafter Fanfilm produziert, der die Serie nach Greifswald holen soll. Das ambitionierte Machwerk firmiert unter dem Titel STAR TREK: TO THE RES-Q.

Es ist aufgrund des normativen Gehalts der Serie mehr Substanz  zu erwarten, als junge Männer in blauen Anzügen, die hektisch durch die Hansestadt eilen. Mit Liebe zum Detail wurden neben den Kostümen auch ein Plakat und ein Trailer hergestellt. Das gefällt.

Einen Trailer zum Film gibt es übrigens hier zu sehen. Die Premiere findet heute Abend um 20 Uhr im Mensakino statt. Der Eintrittspreis beträgt lediglich einen Euro.

Studentenclub C9 übt sich in rechter Semantik

Der Studentenclub C9 ist inzwischen schon einige Jahre wegen Umbauarbeiten geschlossen und tritt nur noch marginal mit Exilparties in Erscheinung. Dank Bachelorisierung und Bologna werden auch bald die meisten Greifswalder Studierenden vergessen haben, wie und vor allem wo dieser Club war, bzw. ist.

Es wird allerdings nicht nur im (er)baulichen Sinne renoviert, auch die Homepage des Vereins erfährt eine Generalüberholung. Und genau hier scheint den Verantwortlichen ein häßlicher Fauxpas unterlaufen zu sein. Auf der Internetpräsenz gibt es derzeit nur ein Bild zu sehen: Ein Gruppenphoto mit stolz hochgehaltenem C9-Transparent.

Erklärende Wort finden sich in der Bildunterschrift: „Wir bauen um. Nicht nur den Club, sondern auch unsere Weltnetzseite. Demnächst mehr an dieser Stelle… :-)“

„Offenbar fielen den verantwortlichen Textproduzenten keine gefälligeren Synonyme für world wide web ein. Mit der Wahl des Begriffes Weltnetz haben sie sich einen Bärendienst erwiesen. Der Begriff erfreut sich in rechtsextremen Kreisen sehr reger Verwendung, wenn das Wort Internet eine Eindeutschung erfahren soll. Solche semantischen Missgriffe passen eigentlich nicht zu einem Studentenclub.