Moritz von Uslar im Nachgang

Am 9. Dezember las Moritz von Uslar im Koeppenhaus aus seinem jüngsten Buch Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung. Schon vor der Lesung – bei der zufälligen Begegnung am Pissoir – wurde klar, dass in der Person von Uslar Larmoyanz und beinahe prollige Coolness eins werden.

Anschließend saß der Autor im gut gefüllten Saal und unterhielt sein Publikum mit den Impressionen des protagonistischen Reporters, der für drei Monate ins brandenburgische Zehdenick auszog, um die Provinz und ihre Bewohnerinnen teilnehmend zu beobachten. Das darauf folgende Gespräch moderierte Popliteraturkenner Prof. Dr. Eckhard Schumacher (Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie).

Moritz von Uslar

Der erste Teil der Fragerunde fokussierte vorwiegend die methodische Problematik der zunehmenden Involvierung des Autors, der dadurch beginnt, Teil der beobachteten Wirklichkeit zu werden und sie zu verändern.

Über Zuspitzungen des Alltäglichen

Danach wurde der Produktionsprozess des Deutschbodens in den Mittelpunkt gerückt: von Uslars Tonbandaufnahmen, das Verhältnis von Fakt und Fiktion und die Notwendigkeit der Dramatisierung und Zuspitzung des Alltäglichen. Zehdenick und die neugewonnen Bekanntschaften lassen noch immer nicht so richtig vom Autor los, der auch nach der Veröffentlichung seines Buches noch ins Brandenburgische fahren kann, im Fall der nur für einen Abend besuchten Peenestadt Anklam dürfte das anders aussehen.

Mit von der Partie war auch das Studierendenfernsehen Moritz TV, das mit Moritz von Uslar vor der Lesung ein Interview führte und endlich wieder mal einen ausgesprochen guten Beitrag ablieferte, der allen Interessierten wärmstens ans Herz gelegt sei.

Peinlich: OZ druckt ungekennzeichnete Agenturmeldung über Caspar-David-Friedrich-Museum

Immer wieder wird die Ostsee-Zeitung dafür kritisiert, Pressemitteilungen ohne deren ausdrückliche Kennzeichnung als solche zu veröffentlichen. Heute schmückte die erste Seite des Greifswalder Lokalteils ein Beitrag über Verzögerungen beim Bau des geplanten Caspar-David-Friedrich-Museums, der einem irgendwie bekannt vorkommt.

Da sowohl der vermeintliche Artikel als auch die Überschrift dieses Beitrags seit zwei Tagen in unterschiedlichen Medien zu finden war – wohlgemerkt mit dem Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine Meldung der Nachrichtenagentur dapd handelt – lädt die ungekennzeichnete Version der Ostsee-Zeitung, die den Eindruck einer journalistischen Eigenarbeit suggeriert, zu einer Gegenüberstellung zwischen der Agenturmeldung und dem schließlich in der OZ gedruckten Text ein.

Das Ergebnis verblüfft durch die an Kongruenz grenzende Ähnlichkeit beider Texte:

Dabei ist es noch keine zwei Wochen her, dass der BILDblog auf einen anderen von der Greifswalder Redaktion verzapften Plagiatsfall hinwies. Der Greifswalder Redaktionsleiter Benjamin Fischer soll daraufhin vom Chefredakteur der Ostsee-Zeitung  entsprechend gerügt worden sein.

Torsten H., der für die ungewollte Prominenz verantwortliche Redakteur, dessen Artikel beinahe vollständig beim SZ Magazin abgeschrieben war, soll verschiedenen Stimmen zufolge bei der OZ gefeuert worden sein und dort zukünftig nicht mehr schreiben.

Inzwischen lernt man als OZ-Leser jede Mitarbeiterin zu schätzen, die ihre Texte noch selbst verfasst.

Umfrage: Steinkohlekraftwerk oder doch eher Zwischenlager Lubmin?

Dieser Tage dreht sich in Greifswald alles um den bevorstehenden Castor-Transport, der voraussichtlich am Donnerstag durch die Stadt rollen wird. Menschen tragen das gelbe Kreuz wie sonst die rote Schleife, in diesem Augenblick löst sich eine Lichterkette auf, die von der Wolgaster Straße bis nach Eldena reichte.

Das Thema Atompolitik ist wieder hochaktuell, nicht nur durch diesen Castor-Transport, auch die beschlossene Laufzeitverlängerung erregt sehr viele Gemüter. Die Anti-Atom-Bewegung hat mit den Massenprotesten im Wendland eine Renaissance erfahren. Sie ist inzwischen auch in bürgerliche Milieus vorgedrungen, womöglich beschleunigten die Bilder der Protestbewegung gegen das gigantische Bahnhofsprojekt Stuttgart21 diese Entwicklung.

ENTSCHEIDUNG ZWISCHEN PEST UND CHOLERA

oskar gulla lubmin

Am vergangenen Wochenende stand Oskar Gulla (SPD) auf der Kundgebung zur Greifswalder Auftaktdemonstration gegen den Castor-Transport am Rednerpult. Er gehört zu den meistabgelichteten Vertretern der Bürgerinitiative gegen den Bau des vom dänischen Energiekonzerns DONG geplanten Steinkohlekraftwerks Lubmin und tritt damit schon gegen zwei energiepolitische Projekte an („Der Kampf gegen das Steinkohlekraftwerk war umsonst, wenn der Kampf gegen das Zwischenlager verloren wird, weil es keine Garantie dafür gibt, dass aus dem Zwischenlager kein Endlager wird„).

Dieser von Gulla hergestellte Zusammenhang ist eine Steilvorlage für eine lange zergrübelte Frage, die an dieser Stelle in den Raum geworfen werden soll. Wenn man sich entscheiden müsste, neben einem Zwischenlager oder einem Steinkohlekraftwerk zu leben, welche Option wäre erträglicher? Pest oder Cholera?

Wenn du dich entscheiden müsstest, was wäre für dich das kleinere Übel?

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Fernsehberichte zur Auftaktdemo gegen den Castor

Am 11.12. schaffte es die Greifswalder Anti-Atom-Demonstration nicht nur in den überregionalen Blätterwald, sondern auch in das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Über den Protest berichteten die Tagesschau (ARD), heute (ZDF) und das Nordmagazin (NDR), deren Beiträge im folgenden Video aneinandergereiht sind und aus depublikativen Gründen bei youtube bereitgestellt werden.

castor atom sonneInteressant ist auch dieses DIY-Video von youtube-Nutzer medienkollektmafred, in dem gleich zu Beginn nochmal deutlich wird, dass sich die Atomgegnerinnen entschieden gegen Menschen mit rassistischem und nationalistischem Gedankengut positionieren.

Alle Nazis und Neonazis sollen nach Hause gehen – zurück auf Los – und ihre Gedanken neu sortieren!

Hier kommt die gute Stimmung während der Demonstration besser zur Geltung als bei den öffentlich-rechtlichen Medienberichten.

Auftaktdemonstration zur Castor-Woche

Glaubt man den Zahlen der Atomgegnerinnen und Castorskeptiker, beteiligten sich über 3600 Menschen am Sonnabend an der Demonstration gegen den geplanten Castor-Transport aus dem französischen Cadarache ins „Zwischenlager“ Lubmin,

Nur 1500 Teilnehmende zählte dagegen Franz-Robert Liskow von der Jungen Union, der in seinem OZ-Leserbrief einen „Demonstrationstourismus“ ausmachte und dem sich in den Demonstrationszug einreihenden Landesvater Erwin Sellering (SPD) vorwarf, die Atom-Debatte bewusst mit Lügen anzureichern, um bei der bevorstehenden Landtagswahl punkten zu können.

(Foto: Feldweg)

Die Grünen hatten ein Zählteam an der Spitze des Zuges platziert, das an der engsten Stelle der Route innehielt und die vorbeiströmenden Protestlerinnen zählte. Dort stellte man eine Beteiligung von 3100 Menschen fest. Die Polizei hingegen schätzte die Zahl der Teilnehmenden sehr niedrig ein und korrigierte sich im Laufe des Tages nach oben. Es gab also genügend Raum für Zahlenklaubereien.

Kein Grund zum Jubeln

Ganz gleich, welcher Teilnehmendenzahl man nun anhängig ist, rund 3000 Demonstrierende sind eher ein Anlass zur Sorge als ein Grund zum Jubeln.

Ja, es ist Dezember und viele Menschen haben viel zu tun und ja, es war kalt – erst hat es geschneit und später geregnet. Aber sind 3000 nicht auch sehr wenig eingedenk der Tatsache, dass tatsächlich viele Unterstützerinnen reisebusweise von außerhalb anreisten? „Demonstrationstourismus“ nennt das der zitierte kleingeistige Filius des hiesigen CDU-Kopfes Egbert Liskow, „bundesweite Mobilisierung und Solidarität“ heißt das bei den Veranstaltern.

Zieht man diese externen Besucher ab, wird die Beteiligung an der Demonstration überschaubarer, und subtrahiert man anschließend jene Menschen, die parteilich organisiert sind, wird es nochmals enger. Sind in einer Stadt mit mehr als 60.000 Einwohnern nicht mehr Menschen auf die Straße zu kriegen? Geistert durch die Köpfe und Identitätskonzepte der Greifswalder noch immer der Arbeitsmarktmotor Bruno Leuschner und fürchtet sich niemand vor der Strahlung? Oder ist den Menschen hier vor Ort schlichtweg egal, dass Lubmin zum „Zwischenendlager“ wird?

Nichtsdestotrotz war die Demonstration der größte Greifswalder Anti-Atom-Protest seit 1992. (Ein Bild des mit Demonstranten gefüllten Marktplatzes gibt es hier)

(Foto: Feldweg)

Parteien nutzten Demo als Bühne

Die Präsenz der politischen Parteien, ohne deren finanzielle Unterstützung die Veranstaltung so nicht hätte stattfinden können, empfanden viele Teilnehmer als befremdlich. Die wehenden Fahnen der LINKEN und der SPD passten sich nicht so recht in diese Szenerie ein, den Grünen sei Anti-Atom als ureigenes Parteiprogramm vergönnt, die lange nicht mehr gesichtete MLPD machte schmunzeln, mehr aber auch nicht.

Am lebendig fluktuierten Rednerpult wurde die milieuübergreifende Opposition wider die Bundesatompolitik deutlich, denn die Sprecherinnen rekrutierten sich aus sehr verschiedenen Lagern. Da waren die Professoren Michael Succow und Konrad Ott, Oskar Gulla (SPD) von der BI gegen das Steinkohlekraftwerk in Lubmin, Ulrike Berger (B90/Grüne), Bischof Hans-Jürgen Abromeit, Kerstin Rudeck (BI Lüchow-Dannenberg), Nadja Tegtmeyer vom hiesigen Anti-Atombündnis, Ingo Schlüter (DGB), Ulrike Mehl (BUND) und schließlich Verina Speckin (Mitglied Landesverfassungsgericht MV und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein).

Anti-Atom Volksfest

Ansonsten war es einigermaßen volksfestlich, da gab es Biobratwurst und vegane Suppe, leichte Unterhaltung von Thomas Putensen und Band, brachte der Wahlgreifswalder Jan Degenhard den Spiritus der friedlichen Revolution aus dem Wendland mit und stimmte der Anti-Atom-Chor auf das Weihnachtsfest ein.

Allein das massive Polizeiaufgebot störte das sonnabendliche come together und zeugte davon, dass der Staat die Atomgegnerinnen ganz offensichtlich für viel gefährlicher hält, als sie eigentlich sind. Martialisch aufgerüstete Gruppen von Uniformierten belebten den Greifswalder Bahnhof und säumten die Demonstrationsstrecke.

Gegen 17 Uhr war der Spuk schließlich vorbei und die Protestler stoben davon. Ein letztes Mal lief das durch die Greifswalder Hedonistinnen adaptierte Pantha-du-Prince-Stück, dann war der Auftakt der Aktionswochen auch schon wieder Geschichte.

Beide musikalischen Beiträge der Hedonisten stehen selbstverständlich zum Hören und Herunterladen bereit. Wenigstens hat der Widerstand jetzt einen Soundtrack!

 



Die Pariser Hurensöhne kehren zurück

Was kann es schöneres geben, als Überbringer guter Nachrichten zu sein? Die frohe Botschaft des Tages lautet, dass die Band Les Fils de Teuhpu aus dem französischen Paris nach Greifswald zurückkehrt und am heutigen Abend hoffentlich an ihren Geniestreich des letzten Besuches anknüpfen wird.

Kollektiv-Ekstase beim bislang denkwürdigsten IKUWO-Abend

Erinnern wir uns an ein furioses Konzert, dass das tobende Publikum mit tosenden Applaudierungen quittierte, während die schweißgebadete Gypsy-Chanson-Ska-Band – inzwischen weitestgehend entblößt – ihre physischen Grenzen erkundete. Selten trafen Ekstase, Euphorie und Exzess so explosiv aufeinander.

Die Band war nach der gefühlten einhundertsten Zugabe kaum von der Bühne, da kehrte sie zurück und räumte ihr Instrumentarium vor dem Tresen wieder auf, um dem grandiosen Konzert eine knapp zweistündige Unplugged-Jagd im Barraum folgen zu lassen. Wer dabei war, wird diesen Abend bis heute nicht vergessen haben. Die spürbar begeisterte Band bestand auf einer Wiederholung dieses Spektakels und diese findet heute Abend statt.

Jazzy-Gypsy-Madness from Paris

Die Hurensöhne kehren nun nach einer zweijährigen Greifswald-Pause zurück und werden – so die Straßenverhältnisse diesem Unterfangen nicht im Wege stehen – heute Abend ihre Fulminanzen wieder im IKUWO versprühen.

Instrumentiert mit Schlagzeug und Banjo, einer Bläsersektion von Posaune bis Sousaphon, einem zum Kontrabass umgebauten Spaten und melodiefähigen Meeresmuscheln, wird losgeswingt und der eigene Wahnsinn mit dem durchdrehenden Publikum geteilt, versprochen. Wer das verpasst, dem ist schlicht und ergreifend nicht mehr zu helfen!

Einstimmend sei noch ein mittlerweile vier Jahre altes Video zum nach wie vor gespielten und chansonesken Bricoleur hinterhergeschoben.

Fakten: 10.12. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR