Es ist noch keine sechs Wochen her, dass der frühere Baudezernent Reinhard Arenskrieger (CDU) nach einem umstrittenen Wahlprozedere zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes wurde und seinen Schreibtisch räumte. Sein kommissarischer Nachfolger Jörg Hochheim (CDU) beginnt nun, den zurückgelassenen Scherbenhaufen zu sortieren.
Kostenexplosion beim Technischen Rathaus
Gestern Abend informierte er die Bürgerschaft über die nun zutage tretenden Explosionen der Sanierungskosten von ca. sechs auf stolze 13,8 Millionen Euro. Bereits am 20. April verhängte Hochheim gemeinsam mit Oberbürgermeister Arthur König (CDU) einen Auftragsstop, um „über Alternativen nachzudenken„, wie die Ostsee-Zeitung weiß.
Auf dem Blog der Grünen erhitzten derweil die Gemüter. Einer gewohnt — aber auch erfrischend — giftigen Schilderung der gestrigen Sitzung des Bau- und Finanzausschusses folgte wenig später eine Pressemitteilung die nicht weniger forderte, als dass Oberbürgermeister Arthur König die Konsequenzen aus dem Desaster zöge und sein Amt abgäbe: „Grüne fordern Rücktritt des Oberbürgermeisters *update*“ weiterlesen →
Vor knapp zwei Wochen ist mal wieder ein Zeitungsartikel erschienen, der das besonderliche Moment Greifswalds zu greifen versucht. Dörthe Nath stellte für ihren taz-Beitrag die Landeshauptstadt Schwerin der Hansestadt gegenüber und arbeitete Mentalitätsunterschiede zwischen beiden Orten heraus.
„EIN BISSCHEN LANDSCHULHEIMATMOSPHÄRE“
Auf die alte Mär vom zweimaligen Weinen, die nach wie vor und ungebrochen am Image Greifswalds klebt, konnte die Autorin leider nicht verzichten und auch die Bezeichnung als Deutschlands Fahrradhauptstadt bereitet sicher manch Ortskundigem Bauchschmerzen.
Interessanterweise versucht sie aber, gerade an Dichte und Beschaffenheit der Fahrräder den großen Unterschied zwischen Greifswald und Schwerin deutlich zu machen: klapprige Damenräder in der Studentenstadt versus Lenkertasche mit Kartenfenster im Ausflugsort:
„Schwerin ist langweilig und voller Rentner – Greifswald ist jung und quirlig. In Greifswald tragen die Studenten einen Hauch von Vielfalt und Urbanität in die Stadt, aber auch ein bisschen Landschulheimatmosphäre.
„MEINE KLEINE HOMOHÖLLE“
Neben dem Status als Durchgangsstation wird im Artikel aber auch ein anderes lokales Problem benannt. Um gleich alle Hoffnungen im Keim zu ersticken, es geht dabei nicht um Korruption, sondern um die Schwierigkeiten Homosexueller in Greifswald.
Der zitierte Gleichstellungsbeauftragte des AStA, Björn Reichel, macht auf die – im Wortsinn – unwirtliche Situation Greifswalder Homosexueller aufmerksam: kleine Szene, kaum Homo-Kultur und diesbezüglich fehlende Strukturen.
Mehr als der queere Stammtisch und die zweifelhaften Gender-Trouble-Parties fallen ihm nicht ein, viel mehr gibt es tatsächlich auch nicht, beziehungsweise hat es aufgehört zu existieren, wie zum Beispiel das schwul-lesbische Filmfest queerblick, das von 1996 bis 2005 jährlich stattgefunden hat.
Irgendwann findet auch dieser Artikel sein wohlverdientes Ende und man bleibt mit dem glücklichen Gefühl zurück, nicht in Schwerin leben zu müssen.
In der Ostsee-Zeitung des vergangenen Wochenendes konnte man bestaunen, wie vierzig „Prominente Partei für unsere Stadt ergriffen“ haben und zu Ablichtern des Kampfes für Kreisfreiheit wurden. Gesicht zeigen geht wieder um, aber wessen Antlitz wurde da eigentlich auf die erste Seite gehievt?
Unter den vierzig Kämpen muss man eine Weile suchen, um eine Frau zu finden. Insgesamt gibt es in der Auswahl derer drei; numerisch ausgedrückt liegt ihr Anteil also bei satten 7,5%. Gleichstellungsbeauftragtenherz, was begehrst du mehr als einen Spiegel der hiesigen Verhältnisse?
Die geplante Kreisgebietsreform wird heute in einer Anhörung vor dem Landtag behandelt.
Die Veröffentlichung hat verschiedene Reaktionen provoziert. In Sachen Gleichstellung und Repräsentation gibt es bei den Grünen einen Seitenhieb. Auf dem OZ-Watchblog werden indes Erinnerungen an journalistische Arbeit während der DDR aufgewärmt.
Die Befreiung Deutschlands vom Faschismus durch die Alliierten jährt sich heute zum nunmehr 65. Mal und bietet somit eine passende Gelegenheit zum Gedenken und Anlass für exaltierte Freudentänze.
„Wer nicht feiert hat verloren!“
Unter dem Motto Wer nicht feiert hat verloren! werden abends im IKUWO die Türen geöffnet und zur Show des Elektro-Polit-Kollektivs School of Zuversicht eingeladen. Der hoffnungsvolle Titel ist umgeben von einem Hauch Genre-Prominenz, denn neben Audiolith-Plemo ist auch DJ Patex mit von der Partie.
Letztere ist bekannt durch ihre musikalische und partnerschaftliche Verzahnung mit dem Hamburger Urgestein (King) Knarf Rellöm (Huah!, Ladies Love Knarf Rellöm, Knarf Rellöm ISM, Knarf Rellöm with the Shi Sha Shellöm, Knarf Rellöm Trinity), zuletzt aufgetreten unter dem klangvollen Namen The Next Big Thing: Knarf Rellöm.
Nach der Show geht es zackig elektronisch weiter mit DJ Headshot (Drum’n‘ Bass, HH) und DJane HaNNaH. Passend zum Grund der Feierlichkeiten sei das Stück Arme kleine Deutsche (AKD) von Knarf Rellöm Trinitys Album Move your ass and your mind will follow (2006) ans Herz gelegt.
Fakten: 08.05. | 21.30 Uhr | IKUWO | 5 EUR
Geht vielleicht noch mehr?
In vergangenen Jahren wurde der Tag der Befreiung auch tagsüber von farbenfroher Ausgelassenheit bestimmt und es ist zu erwarten, dass auch heute wieder etwas besonderes stattfinden wird.
Man munkelt bereits von einer critical mass, von Kulinaria für alle und mobilen Soundsystemen; klingt nach hedonistischem Aktivismus pommerscher Art. Nebenher soll um 15 Uhr das Caspar-David-Friedrich-Denkmal in der Lappstraße offiziell eingeweiht werden. Man darf gespannt sein.
In Kooperation mit der Kulturreferentin für Pommern und dem Filmclub Casablanca wird im Rahmen des Nordischen Klangs das preisgekrönte Regiedebüt des im dänischen Kopenhagen geborenen Norwegers Joachim Trier gezeigt.
Reprise (dt.: Auf Anfang, 2006) erzählt die Geschichte zweier Jungautoren, die versuchen, einen Verlag für ihren zweiten Roman zu finden. Dieses Unterfangen gelingt nur einem der beiden.
Der „essayistisch anmutende Versuch über die Alternativen, die das Leben bereithält, und die Folgen, die daraus erwachsen„, erinnert durch sein Spiel mit dem Möglichen ein wenig an Tom Tykwers Lola rennt (1998) und hat nach seiner Veröffentlichung zahlreiche Preise auf unterschiedlichen internationalen Filmfestivals gewonnen, unter anderem in Toronto, Istanbul, Karlovy Vary und Rotterdam. Werbung
Eine ausführlichere Handlungsbeschreibung findet sich auf der Seite des Nordischen Klangs, eine Vorschau des vielversprechenden Films gibt es derweil hier.
Zum nunmehr 19. Mal wird in wenigen Tagen das Kulturfestival Nordischer Klang in Greifswald beginnen. Das diesjährige Programm ist dabei so aufgeräumt und gediegen wie die Veranstaltungsorte; befreit von Kanten und allem, was wehtun kann.
Auftakt mit Valkyrien Allstars
Für einen mehr oder minder folkloristischen Auftakt werden Valkyrien Allstars aus dem norwegischen Oslo sorgen. Die Band ist mit ihren drei Hardangerfiedeln ungewöhnlich besetzt und wird von einer Schlagzeug-Kontrabass-Sektion unterstützt. Ob das Konzert allerdings – wie im Programmheft formuliert – den stärksten Festivalauftakt in der Geschichte des Nordischen Klangs darstellt, wird sich noch zeigen.
Die schwedische Sängerin Sylvia Vrethammar, die im vergangenen Jahr ihr vierzigjähriges Bühnenjubiläum feierte, beherrscht die Kunst des Entertainments. Sie wird von der Roger Berg Big Band begleitet. Das dänisch-schwedische Orchester ist nach seinem Schlagzeuger Roger Berg benannt, spielt sehr lebendig und auf hohem Niveau.
Diese ausschnitthaften Einblicke ins Festivalprogramm könnten jetzt noch weitergeführt werden und zum Beispiel Väinö Jalkanens Klavier-Rezital beinhalten oder neben den Bands Pollux und Kilimanjaro auch das Peter Wilgotsson Saxophon- und Orgelduo, Frida Ånnevik oder die dänischen Dinosaurier The Savage Rose. Über das bedauerliche Fehlen eines frischen Akzentes kann das aber leider auch nicht hinwegtrösten, zumal der Eintritt nicht billiger wird. Kultur hat eben ihren Preis, erst recht beim Nordischen Klang.
Obwohl alle eingeladenen Künstler und Bands auf höchstem Niveau spielen, löst das Festivalprogramm in seiner Gesamtheit alles andere als fiebrige Vorfreude aus. Amüsant könnte es vielleicht mit Múgsefjun aus Reykjavík werden, wenngleich die Erwartungen an isländische Musik anders geartet sind und hier wieder Potentiale verschenkt wurden. Auch die Jazz-Nacht im Medienzentrum verspricht einiges, aber den großen Wurf sehe ich bei den diesjährigen Musikveranstaltungen leider nicht.
Höhepunkt Filmvorführung
Mein persönlicher Höhepunkt des Nordischen Klangs 2010 wird eine Filmvorführung; und zwar die schwedisch-norwegischen Produktion Reprise (2006), die an dieser Stelle nochmal gesondert angekündigt werden wird.
Freunde von Kettengedichten und Internet können sich bis dahin mal drüben auf dem Ostsee-Blog umschauen und überprüfen, wie weit das deutsch-schwedische Renga gediehen ist.