Veranstaltungshinweis: Alarma Man (SWE) & syn*error & Aftershow

Kann noch jemand sagen, wann man das letzte Mal von Rockmusik aus Schweden nicht einfach nur bestens bedient, sondern komplett umgeblasen wurde, überrascht und geschüttelt und verbrannt und neu geboren? Oder anders gefragt: Will mal wieder jemand? (Sinnbus)

Liebhaberinnen extravaganter Gitarrenmusik kommen in Greifswald einfach zu selten auf ihre Kosten und so ist es mir eine große Freude, auf das Konzert der schwedischen Band Alarma Man hinzuweisen.

Intelligente Grobheiten

Das Quintett aus Göteborg machte 2006 mit seinem selbstbetitelten Debütalbum von sich reden. Die damals von ihrem Label „als Haken schlagende Dampfwalze, als Erlöser mit Turboboost, als apokalyptische Lässigkeit“ noch zurückhaltend beschriebene Formation trat mit ihrer musikgewordenen Irrgartenmathematik das Erbe ihrer Landsleute The Refused an – genauso intensiv, nur weitesgehend nonvokal.

 

Richtig energetisch wird es aber im treibend-drängend-flehenden Bird, das einen partiellen Live-Eindruck der Band zu vermitteln mag. Da fällt man hinten über:

Kopfkino statt Synapsenmassage

Jetzt ist Love Forever draußen und die neuen Stücke sind nicht weniger kompliziert – es wird vertrackt gefrickelt, dämmrig gesungen und die Mathrock-Wurzeln sind nach wie vor erkennbar.

„Alarma Man aus Göteborg scheinen auf ihrem Zweitling fast durchgängig unter Zeitdruck zu stehen. Das Quintett jagt permanent durch seine Songs und tut das mit derartiger Brillianz, dass die Energie schnell auf den Hörer überspringt. Dabei wirken die Stücke keineswegs wüst, sondern außerordentlich geschickt konstruiert: Fast jeder Track auf „Love Forever“ beginnt recht zurückhaltend, schaukelt sich aber schnell zu einer dichten, scheppernden Soundkulisse hoch, um dann in einem instrumentalen Strudel seinen Höhepunkt zu finden.

Mit jedem Stück schraubt sich die Band erneut in höchste Höhen: Taumelnd winden sich Gitarrenriffs umeinander, stürmische Schlagzeug-Rhythmen rasen in- und gegeneinander. Alarma Man verlieren sich gerne in rasanten Post-Rock-Riffs, die einander entgegen arbeiten und dabei doch harmonisch klingen. Viele ihrer Songs wirken wie in Ekstase eingespielt.“ (motor.de)

„Matula, hau‘ mich raus!

Den Abend werden die Berliner syn*error mit einer Zeitreise in die von Bands wie Fugazi, Hot Water Music oder Engine Down geprägten Post-Punk-HC-Zeiten der späten 1990iger Jahre einläuten. Danach gibt’s eine Indie-Classics-Aftershow-Party mit DJ matula, der neben Superpunk hoffentlich noch mehr tanzdiktatorische Exzessbejahungen im Gepäck haben wird.

Fakten: 12.11. | 21 Uhr | IKUWO | 5 EUR

Brasserie Hermann und der ballspielende Mensch gehen in die Verlängerung

Das pünktlich zur vergangenen Fußballweltmeisterschaft konzipierte Stück Homo Pilicrepus – der ballspielende Mensch, das bis dato ausschließlich im roten Salon der Brasserie Hermann aufgeführt wurde und sich bester Publikumsresonanzen erfreute, geht in die Verlängerung.

der ballspielende mensch(Foto: Stuthe)

Lukas Goldbach, Katja Klemt, Gunnar Fasold, Christian Gaul, Jana Nederost und Juwe wussten nicht nur mit einem Clash aus Philosophie und Ballsport zu überzeugen, sondern auch mit einer ganz hervorragenden Werbekampagne für das Stück. Ganz im Stil der Schokobackwaffeln beiliegenden Sportaufkleber, war die Reklame für das Theater auch irgendwie eine Hommage an die Sammelleidenschaft fußballverrückter Süßigkeitenverzehrer.

Das Spiel ist Ein grundlegendes Element unserer Kultur. Der Mensch ist ein Spieler – und ohne seine Lust und Fähigkeit zum spielen hätten sich ganze Bereiche seiner Kultur und Gesellschaftsstrukturen überhaupt nicht entwickelt: die Dichtung, das Recht, die Wissenschaft, die bildende Kunst, die Philosophie und viele andere.

stuthe luhmannDa alle Spiele, auch jene, aus denen sich unsere Gesellschaft gebildet hat, zunächst freiwillig passieren und den Charakter der Freiheit haben – da ein befohlenes Spiel ja kein Spiel mehr sein kann – entwerfen wir dieses Spiel, „WIR“ gegen „DIE“. Die Wissenschaft sagt, der mensch sei der Homo Sapiens, (der Vernünftige), mancher meint, er sei der Homo Faber (der Schaffende), wir aber sagen: der Mensch ist der Homo Pilicrepus, der Ballspielende Mensch!

Rechtzeitiges Erscheinen ist aufgrund des begrenzten Platzangebotes anzuraten. Die Kasse öffnet eine Stunde vor dem Vorstellungsbeginn. Die letzte Vorstellung wird am 1. November stattfinden.

Fakten: 18.10. | 20.30 Uhr | Brasserie Hermann (Gützkower Str.1) | 6 EUR (erm. 4 EUR)

Diasporische Lebenszeichen vom Balkan

Das in Veranstaltungsankündigungen fallende Schlagwort ‚Balkan‘ löst allzuoft Assoziationen mit nahexotischem Ufta-Ufta-Gehupe, weißhemdiger Dreitagebärtigkeit und wild durchtanzten, wodkaschwangeren Nächten aus und betrachtet man die Ex-Jugoslawen Trovači genauer, dann ist das gar nicht so verkehrt.

Sicher, die Band kommt ohne  Blasinstrumentenzirkus daher und vermengt den traditionellen Sound mit einer gehörigen Portion Ska, singt vereinzelt sogar auf deutsch, aber Balkan bleibt Balkan. Das lässt sich auch im Exil nicht abschütteln und bleibt immer die Grundzutat für das Düsseldorfer Quartett um den Sänger Danko Rabrenovič.

DER BALKANIZER

Rabrenovič, dessen Bruder Boris ebenfalls bei Trovači mitmischt, kommt allerdings nicht nur als Musiker nach Greifswald, sondern auch als Radiomoderator (Balkanizer bei Funkhaus Europa/WDR5) und Buchautor. In letztgenannter Funktion wird er den Abend mit einer Lesung aus seinem Balkanizer. Ein Jugo in Deutschland einläuten.

Er hat so gut wie alle bürokratischen Stationen der deutschen Einwanderungsbehörden kennengelernt, von Studenten- und Touristenvisum über die Duldung bis zu Ausreisepflicht und Aufenthaltserlaubnis.

„In seinem Buch gibt er pointiert und mit selbstironischem Witz einen unterhaltsamen wie erhellenden Bericht aus Deutschlands zweitgrößter Einwanderer- Community, der Deutschen und Jugos schonungslos, aber mit einer guten Portion Humor den Spiegel vorhält.“

Im Anschluss an die Lesung werden Trovači die Bühne betreten und mit ihrem Mix aus Balkan, Reggae, Punk und Ska hoffentlich ein musikalisches Feuerwerk loslassen. Die „sympathisch-schlitzohrigen Texte“ in deutsch-serbischer Sprachmelange nehmen den deutschen Alltag, Herzschmerz-Themen und Gastarbeiterklischees in den Blick.

Video (02:55)
[youtube hlkxlfq4UUE]

JUGO-PUNK & SINTI ‚N‘ ROMA-RAVE!

Nach dem Konzert ist die Balkanisierung des IKUWOs keinesfalls vorbei, denn dann wird der Exil-Greifswalder und musikalische Osteuropa-Experte Alexander Pehlemann aka Selecta PEhLE (ZONIC), der es sich mittlerweile in der Leipziger Greifswald-Diaspora gemütlich gemacht hat, das Kommando über die Aftershow-Party übernehmen. Bis das Morgengrauen naht, heißt es dann: von Jugo-Punk bis Sinti´n´Roma-Rave!

Fakten: 16.10. | 21 Uhr | IKUWO | 5 EUR

Vortrag: Cap Anamur und die Flüchtlinge im Mittelmeer

Am 27. Mai sind die Berufungsfristen für die im Oktober 2009 gefällten Freisprüche der drei Cap-Anamur-Mitarbeiter Bierdel, Schmidt und Dschkewitsch abgelaufen und die Urteile damit rechtskräftig. Den drei Angeklagten wurde zu Prozessbeginn 2006 unter anderem „bandenmäßige Schleuserei“ vorgeworfen.

Vorhergegangen ist dem juristischen Schaustück eine dramatische Rettungsaktion im Mittelmeer zwei Jahre zuvor, bei der 37 in Seenot geratenen Flüchtlingen aus Afrika von der Besatzung der Cap Anamur das Leben gerettet wurde. Erst nach dreiwöchigen Auseinandersetzungen mit den Behörden durften die Flüchtlinge an Land gehen, um kurz darauf abgeschoben zu werden. Derweil erhob die italienische Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kapitän Schmidt, Vereinsvorsitzenden Elias Bierdel und den Ersten Offizier Vladimir Daschkewitsch.

FREIGESPROCHENER KAPITÄN BEIM JUBILÄUM DER LOVIS

Der nun rechtswirksam freigesprochene Kapitän Schmidt wird morgen Abend in Greifswald Gast eines öffentlichen Gespräches sein. Der Abend findet im Rahmen des zehnjährigen Lovis-Jubiläums statt und fügt sich nahtlos in das Vereinskonzept zwischen Seefahrt, Zivilgesellschaft und Politik ein.

cap anamur vortrag

Wer mehr über den Prozess und die Cap Anamur erfahren will, hört sich die zehnminütige Sendung der deutschen Welle an oder führt sich den ZDF-Bericht zum Freispruch vor Augen, in dem nicht nur Bierdel zu Wort kommt, sondern auch die Rettungsaktion auf einer Karte verortet wird.

Video (01:51)
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Mit der Cap Anamur konnten inzwischen über 10.000 boat people gerettet und weitere 35.000 Menschen an Bord medizinisch versorgt werden.

Fakten: 06.10. | 19 Uhr | Koeppen | Eintritt frei

PaperArt – der Anfang vom Ende

Ramona Czygan lädt morgen zu ihrer – vorerst – vorletzten Vernissage in Greifswald und wird eine Zusammenfassung ihrer bis dato vier entstandenen Serien zum Thema Papierkunst zeigen. Entsprechend wenig verwundert auch der schlichte Titel der Ausstellung: PaperArt.

paper art

Wer die Homepage der Künstlerin besucht, darf  mehrere Bildergalerien klarer und gleichwohl kühler Fotografien erwarten – eine lohnenswerte Exkursion. Die Ausstellungseröffnung wird um 18 Uhr in der Wollweberstraße 4 stattfinden, also dort, wo auch GrIStuF und Moritz Medien ihre Büros unterhalten.

An diesem Abend werden Vernissage und Finissage zugleich hinter sich gebracht, so dass es nur eine Gelegenheit gibt, diese Fotografien zu sehen. Anschließend ist womöglich das traumhafteste Szenario dieser Woche für  Rotweinritter, Bierbanausen und nikotisierte Nichtsnutze  zu erwarten.

Fakten: 15.09. | 18 Uhr | Wollweberstr. 4 (Vernissage)

Ewiger Krach im Museumshafen

Der Theaterbetrieb auf der eigens im Museumshafen gebauten Spielfläche ruhte diese Saison. Dennoch wurde das Areal an einem der schönsten Plätze Greifswalds regelmäßig Schauplatz (sub-)kulturellen Treibens; sei es beim GrIStuF, der Fête de la Musique, beim Juli im Freien oder den Werftparties.

Inzwischen ist es September geworden und die Freiluft-Saison neigt sich dem Ende, da wollen es auch Krach nochmal wissen. In letzter Zeit ist es ruhig um die dreizehnjährige Greifswalder Traditionsband geworden – sogar Gerüchte, die Kracher würden gänzlich verstummen, kursierten.

Museumshafen Greifswald

(Foto: Kermitfrosch)

Aber von Rückzug keine Spur, höchstens ins Private – man ist Eltern geworden oder ein Stück weggezogen. Die Band zieht zufrieden Bilanz der letzten Monate, in denen „vom Winterschlaf, der von der Frühjahrsmüdigkeit abgelöst wurde, in die Sommerlethargie“ gedöst wurde.

Sagt Adieu zum Sommer!

Für Sonntagnachmittag wird die große Sommerabschiedssause angekündigt. Der Traditionssegler Ernestine – Heimathafen Lassan und unter dem Kommando des Krach-Saxofonisten – wird dann nämlich an den Stufen des Museumshafens haltmachen, das Deck wird zur Bühne, die Ryckterassen zur eintrittsfreien Loge für das Publikum.

Krach Greifswald

Das Konzert wird nicht die letzte Veranstaltung dieses Jahres werden, die im Museumshafen stattfindet – Anfang Oktober feiert die Lovis ihr Zehnjähriges und das gleich eine Woche lang. Doch zwischen Strandsommer und Kulturherbst ist die Greifswalder Lage in Sachen Amüsierbetrieb mehr oder minder angespannt und erfahrungsgemäß wird jedes Zucken, jede Regung dankbar aufgenommen.

Fakten: 05.09. | 16 Uhr | Museumshafen | kein Eintritt