Die Brasserie Hermann und der sanfte Hauch von Kiezgefühlen

Viel zu häufig wurde der einstigen Flaniermeile des alternativen Nachtbetriebs zwischen Café Pariser, Klex und dem Café Quarks nachgeweint. Drei mehr oder minder selbstverwaltete Jugendzentren auf etwa 250 Metern, das war schon sehr aufregend. Mit der Räumung des besetzten Hauses am Karl-Marx-Platz und den Veränderungen in den beiden anderen Vergnügungsstätten ging dieses Flair leider sehr schnell verlustig.

Vor wenigen Wochen wurde an der Ecke Gützkower-/Bahnhofstraße die Brasserie Hermann eröffnet und damit ein zusätzliches gastronomisches Angebot in der Fleischervorstadt geschaffen. Das Erbe, dass mit dem Lokal angetreten wird, ist kein leichtes. Seit der Schließung der Eiche – so hieß der Laden früher – blieben alle Versuche, wieder eine Kneipe zu etablieren, erfolglos.

Brasserie Hermann Greifswald

Haus mit trauriger Berühmtheit

Das Haus erlangte traurigen Ruhm, als sich am 21.09.2000 dort ein schrecklicher Unfall mit Todesfolge ereignete. Die Ostsee-Zeitung berichtete damals über das Unglück:

Der 50-jährige Kamerad der Freiwilligen Feuerwehr, der am 21. September bei einem Unfall auf der Kreuzung Thälmannring (sic!)/Gützkower Straße schwer verletzt wurde, ist tot.

Fest steht, dass der 40-jährige Fahrer dieses Tanklöschfahrzeuges mit eingeschaltetem Sondersignal auf dem Weg zu einem Brand im Hochhaus Lomonossowallee war. Dabei hatte er bei „Rot“ die Kreuzung befahren und war mit dem Skoda seines 50-jährigen Kameraden zusammen gestoßen, der bei „Grün“ gefahren war. Der Skoda schleuderte gegen einen Toyota, der sich ebenfalls im Kreuzungsbereich befand. Die Feuerwehr raste gegen die Hauswand der ehemaligen Gaststätte „Eiche“. (OZ-Archiv)

Frischer Wind in der Fleischervorstadt

Das einer gescheiterten Vermietung folgende Pubarazzi konnte sich mit seinem Sportbar-Konzept nicht lange halten. Nun weht in der Bahnhofstraße frischer Wind und wie es aussieht, wird das auch noch eine Weile so bleiben. Die Lücke zwischen dem Café Koeppen und dem IKUWO wurde geschlossen, die Straße um eine weitere und angenehme Ausgehstätte erweitert.

Seiner Größe zum Trotz ist das Interieur des Hermann ansehnlich und gemütlich. Die Etablierung eines Mittagstisches wird sich wohl als geschickter Schachzug erweisen.

Greifswald Brasserie Herrmann

Auf die Mittagskarte, die sich bisher weniger raffinierter Küche als vielmehr amtlicher Hausmannskost verschrieb, hat man für bezahlbare 4,80 Euro Zugriff. Ein vegetarisches Gericht wird ebenfalls angeboten. Das Preisniveau der Getränkekarte bewegt sich im Rahmen Greifswalder Kneipen.

Konkurrenz oder Synergien?

Der Frühling wird zeigen, ob die verstärkte Dichte des Angebots nun abends spürbar mehr Leute  in die Fleischervorstadt locken wird als früher.

Brasserie Hermann

Eine wirkliche Konkurrenz-Situation mit dem Café Koeppen und dem IKUWO ist wohl aufgrund des unterschiedlichen Publikums eher unwahrscheinlich. Ich sehe das Verhältnis zwischen den drei Lokalen vielmehr synergetisch und wünsche dem Hermann viel Erfolg.

Wenn in der Medienwerkstatt Jazz-Konzert ist und sich zeitgleich auch mal wieder ein Markus Kavka in den TV Club verirrt, dann geht hier in der Bahnhof-, bzw. Goethestraße einiges. Ein sanfter Hauch von Kiezgefühl umweht die Fleischervorstadt.

Leerstand in der Fleischerstraße als Chance begreifen

Zweimal wurde der ausgeschriebene Räumungsverkauf im Geschäft Playaaz nun schon verlängert. Der Laden von Mandy C. Schöndorf offerierte bis vor kurzem HipHop-Mode und entsprechende Accessoires.

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Youniq bringt uns in die Süddeutsche Zeitung

In der Vergangenheit wurde hier mehrfach auf die Veränderungen des Greifswalder Wohnungsmarktes hingewiesen und mit dem privaten Anbieter Youniq ein potentieller Sündenbock identifiziert. Nun hat das Wintersemester begonnen und die sich jährlich wiederholenden Wohnraumkrise wurde hoffentlich von allen Zugezogenen überstanden.

Zu genau diesem Thema veröffentlicht jetzt.de, die junge Website der Süddeutschen Zeitung, ihren heutigen Aufmacher. In dem Artikel mit dem Titel Full House in Greifswald wird auf die hiesige Situation Bezug genommen und Youniq sogar direkt erwähnt:

„Der Abriss des städtischen Plattenbaubestandes verschärft die Wohnungsknappheit. Gleichzeitig verkauft die Stadt Grundstücke an private Anbieter, die dem AStA ein Dorn im Auge sind. Die Investorengruppe „Youniq“ hat im Frühjahr 2009 zwei Wohnheime fertiggestellt. Die Anbieter werben mit Lifestyle-Einrichtung, Studienberatung und Vergünstigungen bei diversen ansässigen Unternehmen. Für eine 29 Quadratmeter-Wohnung inklusive Küche und Bad zahlt man dort zwischen 365 und 405 Euro Warmmiete. Wer nichts günstigeres findet, mietet sich dort ein. „Wir versuchen, dagegen vorzugehen, indem wir auf unserer Homepage keine Angebote veröffentlichen, bei denen die Mieten mehr als 10 Euro pro Quadratmeter betragen“, erklärt Pedro Sithom.“

Sithom heißt eigentlich Sithoe und ist AStA-Referent für Wohnen. Im Artikel wird außerdem die Abteilungsleiterin studentisches Wohnen des Studentenwerks, Claudia Klasen, zitiert. Studenten können sich, so Klasen, die Mieten oft nicht leisten, darüberhinaus müssten sie sich auf einen fraglichen Mietvertrag einlassen: „Bei „Youniq“ gibt es angeblich ausschließlich Jahresverträge, sodass die Studenten erst dann kündigen können, wenn das nächste Wintersemester und damit erneuter Wohnungsmangel ansteht.“

Eine Studentin erzählt von den Erfahrungen ihrer Mitbewohnerin mit Youniq: „In den neuen youniq-Wohnheimen hat sich meine Mitbewohnerin ein Zimmer angeschaut und war erbost, wie unpraktisch und schlecht das Mobiliar ist. Es ist offensichtlich, dass die einen abziehen.“ Nun wächst in mir eine Neugierde, was die Mietverträge anbelangt. Falls also jemand hier mitliest, der bei Youniq wohnt und seinen selbstverständlich anonymisierten Mietvertrag zur Verfügung stellen würde, wäre ich dafür sehr dankbar.

Fotowettbewerb Fleischervorstadt

Diemo Schramm geht wieder um. Der Wahlhanseat produzierte 2005 mit Unterstützung des Quartiersbüros einen Film über die Fleischervorstadt. Dem gleichen Wohnquartier hat er sich noch immer verschrieben und ruft jetzt — abermals in Kooperation mit dem Quartiersbüro Fleischervorstadt — einen Fotowettbewerb aus. 

fotowettbewerb fleischervorstadt

Ziel des Projektes ist die Erstellung eines Stadtteil-Kalenders für das bevorstehende Jahr 2010. Gesucht werden analoge und digitale Bilder, …die sich mit dem Stadtteil auseinandersetzen, die in ihm entstanden oder von Menschen gemacht wurden, die Zeit in ihm verbrachten oder in besonderer Beziehung zur Fleischervorstadt stehen.

Es geht um Perspektiven, wie das Leben miteinander auf kleiner und überschaubarer Fläche funktioniert oder funktionieren könnte oder sollte. Wo sehen diejenigen, deren Leben sich, zumindest temporär, hier in diesem Greifswalder Stadtteil abspielt, Defizite, Erfolge in der Gestaltung und der Kommunikation, welche Lücken gibt es und wie können Sie geschlossen werden?

Fleischervorstadt-Greifswald

Die Verantwortlichen begrenzen die Anzahl der eingereichten Bilder pro Teilnehmer auf drei und bitten um persönliche, postalische oder technisch-vermittelte Einsendung des Bildmaterials. Eine Jury aus dem Stadtteil wird dann die besten Bilder auswählen. Über einige angefügte Sätze über Motiv und Person wäre man ebenfalls hocherfreut, um „…Transparenz und eventuell Schnittfläche für Begegnungen darüber hinaus“ zu ermöglichen.

Adressen, Rufnummern und mehr finden sich auf der Seite des Quartiersbüro Fleischervorstadt.

Vielleicht wird ja auch das Flickr-Mitglied Sommerferientag im Kalender vertreten sein. Der junge Fotograf profiliert sich allmählich zu einem Bilddokumentar des Viertels und hat erst kürzlich eine gelungene Aufnahme aus der Gützkower Straße veröffentlicht.

Die Teilnahme am Wettbewerb bietet die Chance, eigene Perspektiven auf unser Viertel zu lancieren und eigene Schwerpunkte zu setzen. Einsendeschluss ist der 31. Oktober, also wird es allmählich Zeit, sich zu sputen!

Gewitter und Gezwitscher

Es ist nicht zwingend notwendig, rückblickend über das gestrige Unwetter zu schreiben, dadurch entstandene Schäden zu konstatieren oder die genaue Niederschlagsmenge zu notieren und festzuhalten. Aber das gestrige Gewitter beschäftigte die Greifswalder (Micro)-Blog-Szene.

Mit dem praktischen Programm Twitter Local lässt sich nämlich eine Anzeige der veröffentlichten tweeds im frei definierbaren Umkreis einer bestimmten Region generieren. So ließ sich gestern Abend schnell ersehen, was die hiesigen Netzaktiven antreibt: das Unwetter.

Es wurden aktuelle Niederschlagsbilder besprochen und vor allem viele viele Bilder veröffentlicht. Hier ist nur eine  Abbildungsauswahl der Twitter-Nutzer daburna, Lobster_Johnson und klagefall. Neben den Bildern wurden auch regelmäßig kurze Informationshäppchen im obligatorisch kurzgefassten Twitter-Stil veröffentlicht. Für sich gelesen sind das schon recht skurrile Botschaften:

Aus Süd-West naht die nächste Gewitterdront

..äh Front!

regenradar sagt westen 😉 und das wird sehr lange schütten. man man…

a, so leicht süd ist aber drin. Wird ein angenehmer Abend. Sammel jetzt Wolkenfotos 😉

stimmt! es schleicht sich langsam an. als ob wir nicht schon genug wetterchaos hätten. ich bin auf den ersten wirbelsturm gespannt

permanentblitze zucken über den himmel von greifswald. es lebe die globale erderwärmung!

Viel Spaß Innenstadt von Greifswald und weiter nördlich! Monströse Gewitterwolken

weltuntergang in greifswald und in meiner wohnung steht das wasser. ich hasse es…

Was bitte geht hier gerade ab?! Weltuntergang!!!

ich komme mit dem auswringen nicht mehr hinterher 😉 zum glück sind dieses mal die fenster dicht 🙂

Regenradar sieht nicht gut aus. Dabei muss ich in 20Min zur Arbeit. Shit!

gummistiefel und schwimmflügel nicht vergessen 😉

der wind hat den regen unterm fenster durchgedrückt … morgen die vermieterin zu erreichen wird aufgabe des tages … für mitbewohnerin 😉

Die Baustelle in der Koitenhäger Landstrasse sieht aus, wie ein gut gefüllter Kanal.

Unwetter. Un-Wetter!

Der Preis für das schönste Bild des gestrigen Gewitters gebührt allerdings Flickr-Mitglied Sommerferientag, der mit einer ganzen Reihe eindrucksvoller Fotos zu begeistern weiß. Exemplarisch hier ein Bild aus der Fleischervorstadt, ganz konkret aus der Lange Reihe.

Inside Youniq

Nach einer längeren lohnarbeitsbedingtern Blogpause sollte hier endlich wieder etwas passieren. Vor wenigen Tagen wurde auf dem webMoritz eine Reportage von Drachenbootsaktivist Florian Bonn veröffentlicht, in der eine Wohnungsbesichtigung bei Youniq geschildert wird. Da ich mich bereits mehrmals mit dem Treiben um den Gebäudekomplex beschäftigt habe, möchte ich an dieser Stelle auf den Text hinweisen.

Bonn verabredete sich ganz wallraffesk mit dem Youniq-Campus-Scout und gewann einige sehr interessante Innenansichten. Verkleidet als prototypischer Jurist konnte er dabei angebotenen Wohnmöglichkeiten in Augenschein nehmen und sein Urteil fiel vernichtend aus. Nicht nur die hochgepriesene learning lounge entpuppte sich als große Luftnummer:

„In der Wohnung nervte mich permanent das automatisch angehende Licht. Insbesondere im Foyer ging beim Betreten dieses schräg über den Köpfen eine sehr helle Lampe an, die einen durch fröhliches Blenden förmlich dazu aufforderte, sie einzuschlagen. Eine solche Lampenschaltung macht eigentlich nur im Fensterlosen, dunkeln Durchgangsraum zwischen Waschmaschinenraum und Flur Sinn. Dort gab es sie nicht, dafür zwei Toilettenkabinen. Auf einer der Toiletten stand aus unerfindlichen Gründen ein Papierkorb.“