Moritz von Uslar breitet im Koeppen seinen „Deutschboden“ aus

Das Koeppenhaus wartet morgen mit einem besonderen Gast auf, denn der Autor und Journalist Moritz von Uslar macht sich von Berlin aus auf den Weg nach Greifswald.

Freitagnacht in der fertigsten Stadt Deutschlands

Die Strecke müsste er noch gut in Erinnerung haben, denn von Uslar kolumniert für DIE ZEIT und entwickelte dort unter anderem eine Reihe, die erst auf den Arbeitstitel Nachtleben an ausgewählten Orten hörte, jetzt aber bei Freitagnacht in… stehengeblieben ist.

Der Wahlberliner hat im Rahmen dieser Textserie auch einen sehr lesenswerten Beitrag über die „kaputteste, fertigste, unseligste Stadt Deutschlands“ veröffentlicht, der bei einigen ihrer Bewohnerinnen heftige Kritik auslöste. Das war im Mai und von Uslar stattete damals der Peenestadt Anklam einen Besuch ab.

Morgen Abend wird es aber nicht um Anklam, sondern um den jüngsten Roman des Schriftstellers gehen: Deutschboden. Der Untertitel des Buches, eine teilnehmende Beobachtung, deutet schon an, was auf die Leser zukommt, denn von Uslar ist für drei Monate in die brandenburgische Provinz gezogen, um zu verstehen, wie das Leben zwischen HartzIV, Ostalgie und Rechtsextremismus funktioniert und ob das schon alles gewesen sein soll.

„Ich sagte: Ich haue ab von hier, dort hin, wo kaum ein Mensch je vor uns war – nach Hardrockhausen, Osten, nordöstliche Richtung, nicht zu weit weg, vielleicht eine Stunde von Berlin entfernt.

Dort suche ich mir einen Boxclub, trainiere mit, hänge rum und tue nichts, außer die ganze Zeit nur zuzuhören und zuzugucken, was passiert, und abends stelle ich mich da hin, wo der totale Blödsinn erzählt wird, auf Parkplätze, an Tankstellen, in Pilslokale, und nebenbei erfahre ich alles über des Prolls reine Seele, über Hartz IV, Nazirock, Deutschlands beste Biersorten und die Wurzel der Gegenwart.“

Provinzpossen und Bestandsaufnahmen im literarischen Gewand

Moritz von Uslar siedelte den aus seinen Beobachtungen entstandenen Roman im fiktiven Ort Oberhavel an, aber es ist natürlich interessant zu wissen, dass er diese Zeit im brandenburgischen Zehdenick verbrachte. Der Abend ist ein Pflichttermin für alle, die an junger deutscher Literatur interessiert sind beziehungsweise einen Faible für ostdeutsche Provinzpossen und Bestandsaufnahmen mitbringen.

Die Lesung und das sich anschließende Autorengespräch wird von Prof. Dr. Eckhard Schumacher (Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie, Greifswald) moderiert werden.

Fakten: 09.12. | 20:30 Uhr | Koeppen | 3-5 EUR

Judith Zander liest in Greifswald

Die verlorene Tochter kehrt zurück. Judith Zander erntete in den vergangenen Monaten viel Beifall für ihr Romandebut Dinge, die wir heute sagten und wurde dafür  schließlich mit dem Preis der Sinecure Landsdorf 2010 ausgezeichnet. Demnächst wird die von 3sat und der FAZ bejubelte Autorin auch in Greifswald lesen.

In der Begründung der Preisverleihung wurde beinahe euphorisch davon geschwärmt, dass Zander „mit ihrem ersten Roman an diese große erzählerische Kraft des Nordens an, die durch Namen wie Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen oder auch Brigitte Reimann repräsentiert wird“, anknüpft.

Judith Zander

Die junge Autorin wurde 1980 in Anklam geboren und studierte in Greifswald Germanistik, Anglistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte. Danach zog es sie an das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig. Inzwischen lebt die Autorin in Berlin. In Dinge, die wir heute sagten erzählt sie:

„von Bresekow, einem verschwiegenen Dorf in Vorpommern, von Heimat und Hölle: Die alte Frau Hanske ist gestorben, und zur Beerdigung treibt es ihre Tochter Ingrid aus dem fernen Irland nach Bresekow zurück.

Aus ›Mangel an Welt‹ hatte Ingrid ihre Heimat vor Jahren fluchtartig verlassen. Nun ändert ihr Besuch vieles im Dorf, bringt die Bewohner zum Sprechen und wirft, gerade für die Familien Ploetz und Wachlowski, alte und neue Fragen auf – Fragen über ihr derzeitiges Leben und die Verstrickungen von einst.

Bresekow, schon immer eine kleine Welt, eng, abgelegen, von Verfall bedroht, wird hier zum Brennspiegel der Gegenwart. Drei Generationen erzählen mit großer Sprachkraft von Provinz und Alltag, von Freundschaft und Verrat, vom Leben selbst.“

Ein kurzes Videoportrait stellt Judith Zander und ihren Roman vor.

Bei der Lesung handelt es sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung des Literaturzentrums Vorpommern und der Buchhandlung Weiland. Aufgrund des zu erwartenden Ansturms empfehle ich dringend, sich vorab eine Karte zu sichern. Der Kartenvorverkauf findet im Café Koeppen, in besagtem Buchladen und in der Greifswalder Stadtinformation statt.

Fakten: 01.10. | 20 Uhr | Koeppen | 5 EUR (3 EUR ermäßigt)

Greifswalder Ukrainicum füllt kulturelles Sommerloch

Wir stecken bis zum Hals im kulturellen Sommerloch, aber diese Woche ist noch nicht verloren, denn überraschenderweise sorgt die bereits zum fünfzehnten Mal stattfindende Greifswald Ukrainian Summer School für Abwechslung.

Anarchy in the UKR?

alexander wöll

Hinter diesem Titel verbirgt sich sich eine Sommerakademie mit unmittelbaren Berührungspunkten zum Greifswalder Ukrainicum, einer zweisemestrigen Zusatzausbildung in ukrainischer Sprache und Kultur, die als Ergänzung zu den bestehenden Studiengängen am Institut für Slawistik verstanden werden kann und vom Dekan der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Alexander Wöll – seines Zeichens inzwischen Vorsitzender des Polenmarkt e.V. – wissenschaftlich geleitet wird.

Die Summer School hat bereits am 11. August begonnen und auf ihrem Lehrplan stehen Intensivsprachkurse und Seminare, wie zum Beispiel Feminismus und Frauenliteratur in der Ukraine oder Ukraine-Russia: A historical perspective on contemporary relations. Das Angebot der Lehrveranstaltungen wird durch ein Kulturprogramm ergänzt, das auch für diejenigen offen steht, die nicht zu den angemeldeten Teilnehmerinnen der Tagung zählen.

Jazzy-punky Reggae mit den Hunden im Weltall „Greifswalder Ukrainicum füllt kulturelles Sommerloch“ weiterlesen

Pommersche Literaturgesellschaft lädt zum Falladafest ein

Der Verein Pommersche Literaturgesellschaft, im lokalen Sprachgebrauch unter dem Kürzel pom-lit mehr oder minder geläufig, veranstaltet am kommenden Wochenende das Fallada-Fest.

VORNEHME ZURÜCKHALTUNG AUS DER STEINSTRASSE

In den vergangenen Monaten übte sich die Nachfolgeorganisation des Falladavereins in vornehmer Zurückhaltung und im Vereinssitz in der Steinstraße 59 – dem Geburtshaus des Schriftstellers – fanden in der letzten Zeit relativ wenige Veranstaltungen statt, zumeist handelte es sich dann um kleinere Ausstellungen Greifswalder Künstlerinnen. Auch das immerhin zehnjährige Jubiläum vor etwa drei Monaten ging irgendwie unter.

Die Pommersche Literaturgesellschaft wurde im April 2000 von Studierenden und Dozenten gegründet, unter ihnen zum Beispiel die beiden Germanisten Dr. Karl-Heinz Borchardt und Dr. Michael Gratz. Letzterer betreibt seit 2001 die online erscheinende Lyrikzeitung und “versammelte schließlich alles, was man über die Rezeption aktueller Lyrik wissen muss” (Freitag). Wieviel Arbeit tatsächlich in der Pflege und Autorenschaft dieser  Seite steckt, läßt ein kurzer Blick auf die elf Veröffentlichungszeitpunkte der vergangenen beiden Tagen erahnen. Gratz malocht mit Lyrik – pausenlos und nachtaktiv.

pommersche literaturgesellschaft

Als würde das nicht reichen, betreut er jetzt auch einen eigenen Blog für pom-lit. Hier geht es allerdings nicht nur um die Pommersche Literaturgesellschaft, sondern auch um Greifswalder Kultur und Hochschulpolitik. Und natürlich um den Schriftsteller Hans Fallada. Der Verein ist jedenfalls wieder da und lädt am Wochenende zu einer zwar kleinen, aber liebevoll erdachten Feierlichkeit.

KINDERTHEATER UND KÜHLSCHRANKPOESIE

Das Programm des diesjährigen Falladafestes wird vom biographischen Dokumentarfilm Ein Fall ad a. Sven Stäglichs eingeleitet.

falladafest-flyerIn seinem Diplomfilm hat der Filmemacher Sven Stäglich jenseits herkömmlichen dokumentarischen Erzählens eine subjektive Annäherung an Fallada versucht. Anhand biographischer Schauplätze wie Greifswald, Usedom, Rügen und Carwitz erzählt Stäglich, durch vier Zeitgeistjungen vermittelt, biographische Episoden in zum Teil surrealer Färbung. Die Darstellung des Lebens Falladas gerät damit selbst zum Kunstwerk.

Richtigen Festcharakter hat allerdings erst die Veranstaltung am Sonnabend inne. Ab 16 Uhr inszeniert dann nämlich das Greifswalder Studententheater (Stuthe) kindgerecht Falladas Geschichten aus der Murkelei. Drei Stunden später wird sich daran eine Lesung der Kinderheitserinnerungen Damals bei uns daheim mit Hedwig Golpon und Dr. Roland Ulrich anschließen.  Schließlich wird ein  Lyrikprojekt auftreten, das mit „abstrakt bis pointierten Gedichten, zahlreichen Liedern und schrägen Flash-Fictions“ um Aufmerksamkeit wirbt.

kuhlschrankpoesieAm großen Büchertisch werden indes Schnäppchen feilgeboten, während die Besucher angehalten sind, sich kühlschrankpoetisch in die Veranstaltung einzubringen und mit ihren Werken eine Jury zu überzeugen. Nebenstehend die Arbeit der letztjährigen Preisträgerin. Eine Übersicht aller Wettbewerbseingaben von 2009 bietet dieses pdf-Dokument.

Das Wetter soll großartig bleiben und da für das leibliche Wohl gesorgt wird, muss wohl auch niemand aus dem Blechnapf fressen.

Fakten:

09.07. | 20 Uhr | Falladahaus (Steinstr. 59)
10.07. | ab 16 Uhr | Falladahaus (Steinstr. 59)
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Alte Bäckerei: Landt in Sicht

Es ist Mittwoch und damit wieder Zeit für eine neue Ausstellung in der Alten Bäckerei. Diese Woche wird sich ein altes Urgestein im Ausstellungsraum in der Mehringstraße präsentieren. Unter dem Titel KUNSTTRETEN läßt Jürgen Landt gewissermaßen Kunst treten:

Ende Oktober fallen nicht nur die Blätter von den Bäumen, sondern […] auch hunderte Schreibmaschinenblätter, Kurzprosa, Lyrik, Romankapitel, Type-Arts und Zeitschriften auf den rauen Boden der Galerie Alte Bäckerei.

Kunst muß begehbar sein, nicht nur Spuren hinterlassen, sondern auch neue Fährten einfangen!

Aber natürlich können sich die Besucher auch vor der Kunst krümmen und bücken, sie aufheben, betrachten, lesen, mitnehmen, woanders erneut beschmutzen, vernichten, recyceln oder einfach nur verrotten lassen, sie aufrecht als Mensch unter sich vorüberliegend oder nachwehend spüren.

Der Autor Landt betritt mit seiner Aktion also künstlerisches Neuland, zumindest für sich selbst. Seinen eigenen Schaffenswurzeln anhängig, wird er im Laufe des Abends mit zwei oder drei kurzen Lesungen auftreten.

Auch der webMoritz hat die Veranstaltung angekündigt. Ein Beinahe-Novum, denn sonst fanden die Veranstaltungen in der Alten Bäckerei dort selten Beachtung. Witzigerweise wurde ein screenshot des hier veröffentlichen Videos von der Bewegungsperformance Sonja Grädlers als Bild vom Haus gewählt. Eine gründlichere Suche hätte hier etliche richtige Fotos zutage gefördert und vielleicht wäre dann auch mein nickname korrekt wiedergegeben worden.

Fakten: 28.10. | Alte Bäckerei | 20 Uhr | Eintritt frei