Greifswalder erinnern an den ermordeten Obdachlosen Eckard Rütz

Heute Nachmittag fand vor der Mensa eine Gedenkveranstaltung des Bündnisses Schon vergessen? statt, bei der etwa 70 Personen an das Schicksal des vor dreizehn Jahren von Neonazis ermordeten Obdachlosen Eckard Rütz erinnerten. Zu ihnen sprachen Dompfarrer Matthias Gürtler und ein Vertreter der Gruppe Defiant.

Gürtler verdeutlichte in seiner Rede die Parallelen zwischen den Euthanasiemorden während der NS-Zeit und dem Mord an Rütz. Im Redebeitrag der Gruppe Defiant wurde versucht, darzustellen, wie die kapitalistische Leistungsgesellschaft und ihre Verwertungslogik Bedingungen für Ausschlüsse und Stigmatisierungen schaffen. Auf das Missverhältnis zwischen Todesopfern rechter Gewalt und ihrer Erfassung in offiziellen Polizeistatistiken wies schließlich eine Vertreterin des Bündnisses Schon vergessen? hin, die die Veranstaltung moderierte.

Eckhard Rütz Greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Nachdem um 17.45 Uhr die Glocken des Doms und der Marienkirche geläutet hatten — die anderen Kirchengemeinden haben sich nicht überzeugen lassen, ihre Glocken einzusetzen — legten Teilnehmerinnen der würdigen Gedenkveranstaltung Kränze und Blumen am Gedenkstein für Eckard Rütz nieder.

„Wir wollten ihm nur eine Lektion erteilen, dabei haben wir ihn leider totgehauen“

Eckard Rütz wurde in der Nacht vom 24. zum 25. November 2000 am Mensavorplatz von drei Neonazis angegriffen, die ihm mit armdicken Holzpfählen mehrmals auf den Kopf schlugen, bis er sich nicht mehr bewegte. Aus Angst vor einer Anzeige kehrten die zwischenzeitlich geflohenen Täter zurück und traten erneut auf den Obdachlosen ein, der kurz darauf an seinen Kopfverletzungen verstarb, die so verheerend gewesen sein sollen, dass der Schädel bei der Obduktion auseinanderfiel.

Schon vergessen?

Vor Gericht erklärten die Täter später, dass Rütz dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche gelegen hätte und dass man ihm eine Lektion erteilen wollte. Die Urteile fielen mit sieben-, siebeneinhalb- und zehnjährigen Freiheitsstrafen verhältnismäßig milde aus.

Rütz war nicht der erste Greifswalder Obdachlose, dessen Leben im Jahr 2000 gewaltsam genommen wurde — wenige Monate zuvor wurde Klaus-Dieter Gerecke in der Gützkower Straße von drei jungen Erwachsenen getötet. Das Bündnis Schon vergessen? hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an Eckard Rütz und Klaus-Dieter Gerecke wach zu halten, einen dauerhaften Ort des Gedenkes zu etablieren und sich für eine nachhaltige Gedenkkultur einzusetzen.


Zum Tag der Befreiung in Greifswald

Der Tag der Befreiung wurde heute auch in Greifswald zum Thema gemacht. Gegen Mittag setzte sich ein etwa 30 Personen zählender Demonstrationszug am Rubenow-Platz in Bewegung und lief durch die Innenstadt bis zur Mensa, um Passanten und Mensagäste auf das historische Datum der Befreiung vom deutschen Faschismus hinzuweisen und diesen Jahrestag gemeinsam zu feiern.

Sekt und Soundsystem sorgten für ausgelassenes Ambiente, außerdem wurde Werbung für einen Vortrag über die Befreiung der Hansestadt Greifswald gemacht, der am Donnerstag im IKUWO stattfinden wird. Darin sollen jene Aspekte vordergründig herausgearbeitet werden, die für Greifswald während der nationalsozialistischen Herrschaft prägend waren, zum Beispiel die Verfolgung von Juden und Antifaschisten, Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft sowie die Verwandlung von der Universitäts- zur Garnisonsstadt.

Fakten: 09.05. | 20 Uhr | IKUWO | Eintritt frei

Mittelmeer, Menschenrechte, Migration — die Fotoausstellung „AUGEN zeugen“

Morgen Abend wird im Foyer der Mensa die Foto-Ausstellung AUGEN zeugen eröffnet, die den Blick auf die südlichen Grenzen Europas richtet und die Situation schiffbrüchiger Flüchtlinge thematisiert.

STUMME ZEUGEN AUF EINEM SCHIFFSFRIEDHOF 

Im Mittelpunkt steht dabei die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa, die nur 130 km vor Tunesien liegt. Dorthin gelangten allein im vergangenen Jahr mehr als 50.000 Flüchtlinge, die zum größten Teil aus Libyen oder Tunesien stammen.

Auf Lampedusa mussten sie über Monate unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, weil die italienische Regierung Abschreckungspolitik und humanitäre Verantwortung gegeneinander abwog, ehe sie die Flüchtlinge in einer Eilaktion von der Insel brachte und vor allem viele Tunesier kurz darauf abschob und zurück in das Land, aus dem sie gerade geflohen waren, zurückflog.

lampeduza boat  (Foto: piervincenzocanale via Flickr)

Gezeigt werden in der Ausstellung unter anderem Aufnahmen von Wracks der Boote, mit denen die Flüchtlinge nach Lampedusa kamen und die dort auf einem Schiffsfriedhof versammelt sind.

Hier stapeln sich jene Boote, mit denen Menschen über das Meer nach Europa zu fliehen versuchten. Vielfach tragen sie Augen am Bug – ein Schutzsymbol, das seit der Antike auf dem Mittelmeer verwendet wird. Die Schiffswracks sind stumme Zeugen der Schicksale von Menschen, welche die gefährliche Reise nach Europa auf sich nehmen.

BOAT4PEOPLE UND DIE AUGEN DER LOVIS

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Die Ausstellung entstand im Rahmen einer Kampagne des Bildungsloggers Lovis und wird in Zusammenarbeit mit GrIStuF und der Greifswalder Antira-Gruppe organisiert.

Zur Eröffnung stellen Aktivistinnen der Initiative Boats4people sich und ihre Kampagne vor und geben eine Einführung in die gegenwärtige Situation an der Südgrenze Europas. Danach findet um 21 Uhr ein Spaziergang von der Mensa zur Lovis statt, wo dann schließlich noch die Augen eingeweiht werden, die zukünftig den Bug des Schiffes zieren und an die Flüchtlinge erinnern werden.

Hier noch ein etwas älterer, aber trotzdem sehenswerter Beitrag von 3Sat Kulturzeit über die Flüchtlinge auf Lampedusa.

Video (08:15)
[youtube HcQAlqTB_jE]

Die Ausstellung verbleibt bis zum 23. März im Foyer der Mensa am Schießwall.

Fakten:  16.03. | 19 Uhr | Foyer der Mensa

Schon vergessen? Gedenkveranstaltung für getöteten Obdachlosen

Gegenwärtig ist rechter Terror das beherrschende Thema schlechthin. Der Tagesspiegel recherchierte in Deutschland 138 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990, die in Berlin sitzende Amadeu-Antonio-Stiftung zählte sogar 182 und damit fast das Vierfache dessen, was die Bundesregierung offiziell beziffert, die im Zeitraum 1990 bis 2009 lediglich 47 Tote zählte. „Schon vergessen? Gedenkveranstaltung für getöteten Obdachlosen“ weiterlesen

„Die Tiere sind unruhig“ – Von Greenhorns und Flamingos: Erstsemesterschwemme im Herbstregen

Eine Kolumne von Ferdinand Fantastilius

kolumne 17vierJedes Semester der gleiche Spaß: die Neuen kommen! Rund 2250 Alma-Mater-Newbies hat es zum Herbstbeginn in die Stadt und in ihr neues Leben als Studierende verschlagen. Wie aufgepäppelte Kitze staksen sie, etwas orientierungslos, durch die anfänglichen Wirren des Unialltags. Wo ist Hörsaal haumichtot, wann hat Prof. Dunnebier Sprechstunde, was ist ein HIS und ein WULV, was hat es mit diesem Moodle-Salat auf sich und wann kann ich endlich wieder auf Wochenendurlaub nach Hause?

Manchen Neuankömmling erschlägt die Überschaubarkeit der Stadt anfangs nämlich geradezu; ein Hangeln von Wochenende zu Wochenende ist die Folge. In den Regionalbahnen versammelt sich so allwochenendlich eine muntere Schar aus jungen Bildungspendlern, geselligen Landprolls und Bundis im Delirium.

PARTYS, POINTS UND PROPELLERMÜTZE

Der klassische Ersti stolpert mit entzückender Schleckeis-Niedlichkeit durch die ersten Wochen von Hörsaal zu Hörsaal in freier Wildbahn. Endlich flügge, endlich eine eigene Wohnung, ist das auuufregend alles, und ach, es gibt so viel zu erleben! „„Die Tiere sind unruhig“ – Von Greenhorns und Flamingos: Erstsemesterschwemme im Herbstregen“ weiterlesen