Der Tag des offenen Denkmals wird in Deutschland seit 1993 bundesweit begangen. Die ursprünglich aus Frankreich stammende Idee besteht darin, einmal im Jahr den Zugang zu Denkmälern zu ermöglichen, die der Öffentlichkeit sonst vielfach nicht zugänglich sind.
MEHR ALS 25 FÜHRUNGEN UND VORTRÄGE
Unter dem Motto „Holz“ wird am Sonntag in Greifswald zur wichtigsten Jahresveranstaltung für den Denkmalschutz mit mehr als 25 öffentlichen Führungen und Vorträgen ein vielfältiges Programm angeboten.
Mit von der Partie sind natürlich auch in diesem Jahr die beiden Greifswalder Bauhistoriker André Lutze und Felix Schönrock, die auf insgesamt sechs Veranstaltungen ihr Wissen über das historische Greifswald teilen. Sie werden unter anderem über das „hölzerne Greifswald im Mittelalter“, über „Fachwerkbauten und Gebäude mit Holzteilen des 13. bis 18.Jahrhunderts“ und die Sanierung der Klosterscheune in Eldena informieren.
In der Aula der Universität wird gezeigt, dass der vermeintlich kostbare Marmor eigentlich aus Holz besteht, während im Museumshafen die Führung „Weg des Holzes, vom Baum zur Planke“ angeboten wird. Außerdem können dort verschiedene Traditionsschiffe besichtigt werden – das ist das sogenannte open ships. Aber es wird am kommenden Sonntag nicht ausschließlich um totes und verbautes Holz gehen, sondern auch um lebendiges, zum Beispiel im Arboretum.
Eine Selbsthilfewerkstatt für alte Schiffe, ein maritimes Baudenkmal, ein Technisches Museum im Dauerbetriebszustand — die Museumswerft am nördlichen Ryck-Ufer hält den traditionellen Bootsbau im gegenwärtigen und erlebbaren Jetzt und ist dadurch zum unverzichtbaren Bestandteil des Greifswalder Museumshafens geworden.
Hier lässt sich erleben, dass die Hansestadt nicht nur am Wasser liegt, sondern auch eine eigene Schiffbaugeschichte hinter sich hat.
Offenkundiger Sanierungsbedarf: „Es ist Eile geboten“
Der Förderverein Greifswalder Museumswerft e.V. kümmert sich seit 11 Jahren um das Wohl des denkmalgeschützten Areals, das 2005 fast vollständig erworben werden konnte. Dem Verein gelang es schließlich vor zwei Jahren, das gesamte Ensemble in seinen Besitz zu bringen und der Stadt den bis dahin gepachteten Heineschuppen abzukaufen. Das Gebäude steht auf dem ursprünglichen Teil der früheren Buchholz-Werft und bedarf dringend einer Generalüberholung.
„Es ist Eile geboten“, bestätigt Sophia Maria Garitz, die in dem Verein aktiv ist und sich die Wiederbelebung des verfallenden Gebäudes auf ihre Fahne geschrieben hat. Gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen wurde der schon lange gehegte Plan, den Heineschuppen zum tatsächlich öffentlichen Bereich der Museumswerft zu entwickeln, in ein Konzept übersetzt, das so schlüssig gewesen sein muss, dass inzwischen ungefähr 90% der für die Sanierung notwendigen Fördermittel in „halbtrockenen Tüchern“ seien.
„So stehen wir vor den Himmelstoren / doch alles schweigt und unser Pochen bleibt ergebnislos / Wir wollten gerade wieder gehen / doch dann kam Lärm aus diesem zwielichtigen Kellerloch / Wir sehen das glühend rote Licht / das unterirdisch flackernd ist / die größte Party der Geschichte / ist scheinbar ohne uns in Gang“
Dieses Wochenende wird von der stadtweiten Kulturnacht dominiert, die nun zum neunten Mal stattfindet und eine Vielzahl von Veranstaltungen offeriert. Besondere Aufmerksamkeit sollte man dabei zwei Veranstaltungen zuteil werden lassen, die auf diametrale Arten mit dem Internet verwoben sind: Franziska Harnisch eröffnet eine Ausstellung, in der sie ihre prokrastinative Facebook-Welt auf die Leinwand hievt, während Huey Walker auf der anderen Gegenfahrbahn einen Ambient-Stream anzettelt und diesen ins Netz jagt.
„R.L. SOLL MAN K.“: VERNISSAGE IN DER NEUEN WIRKSTATT
R. L. soll man k. lautet der Titel, unter dem sich die Greifswalder Kunststudentin Franziska Harnisch mit Fragen von Repräsentation,Privatsphäre und Geschlecht auseinandersetzte. Ihre Arbeitsthese: „Frauen, die Lippenstift tragen, wollen damit nur auf ihre Vagina hinweisen“. Diese Ausstellung soll bereits in den vergangenen Monaten für Zündstoff gesorgt haben.
Die Vernissage wird von einer Lesung des hiesigen Autorens Jürgen Landt begleitet. Mit der Ausstellung wird in den Räumlichkeiten des früheren Malorts die sogenannte Wirkstatt eröffnet.
Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags ging es um eine andere Ausstellung Harnischs, die sich tatsächlich mit den Facebook-Profilbildern auseinandersetzte. Bild und Text wurden verändert.
IMMER IN BEWEGUNG: HUEY WALKER
Genau entgegengesetzt agiert Wunderwuzzi Huey Walker aka Lofi Deluxe aka Fantaghiro Konto, der sich schon am Nachmittag im entschleunigten Ruheraum der Alten Bäckerei einnistet und die aus der behaglichen Abgeschiedenheit herauswachsende Soundkulisse in einen Live-Online-Stream verwandelt.
„Über mehrere Stunden werden Huey und seine Instrumente sich in kontemplativer Einheit üben und in spontanen Rückkopplungen zwischen Mensch und Maschinen ein mehrstündiges Konzert zwischen Ambientmusik, Klangcollage und Geräuschgerumpel spielen.
Mit Loopmachine und Effektschleifen erzeugt Huey Walker ein ausgedehntes Klangland, in dem die Töne mal wild und Haken schlagend in der Gegend herumtollen, mal beharrlich in sich selbst verweilen und als cosmic drone in den Eigendynamiken der schwingenden Frequenzen mäandern.“
Walker wird aus diesen Aufnahmen die Mini-CD Abeamsentpets herausschälen, die kurz darauf veröffentlicht werden soll. Die Performance, die er selbst in der Bewegungsreihe der Alten Bäckerei verortet, findet im Schaufenster des Kunstraums statt. Für diesen Aufruhr gibt es sogar einen Videotrailer.
Der Live-Stream des Konzert wird ab 17 Uhr auf der Website des Künstlers realisiert und kann dort später auch heruntergeladen werden.
Fakten: 16.09. | 17 Uhr | Alte Bäckerei
FRÜH INS BETT: KULTURNACHT
Zur neunten Kulturnacht öffnen nicht weniger als 37 Veranstaltungsorte ihre Türen und bieten die unterschiedlichsten Bildungs- und Zerstreuungsofferten an. Die reichen vom noch immer musizierenden Puhdys-Nachwuchs Bell, Book and Candle („Rescue me“) über die klassische Kneipen-Blues-Band bis zum Kammerchorkonzert im Dom.
Außerdem werden Vorträge, Führungen, Ausstellungen und Lesungen angeboten, zum Beispiel im Erotikfachgeschäft Sarabande, das wie schon im letzten Jahr mit von der Partie ist und wo heute Abend die Kurzgeschichtensammlung Sexlibris vorgestellt wird. Die Geschichten der 30 Autorinnen malen um ein vielfältiges Bild von Erotik und Sexualität, es geht um „verbotene Begierden, Voyeurismus, Transvestiten, Telefonsex, lesbische Beziehungen, Bondage und käufliche Liebe“.
In den Insomnale-Hallen am Bahnhof entgrenzen ab 18 Uhr die Kunstfreundinnen von Polly Faber den beschränkten Kosmos beliebter Gesellschaftsspiele. Tangoliebhaber kommen im Koeppen auf ihre Kosten, wo sich die Freunde des vollen Mondes ihrer Leidenschaft für sowohl klassisch-argentinische als auch melancholische Spielarten finnischer Schule hingeben werden.
Im Ravic geben sich traditionsgemäß die Hanselunken die Ehre und in der Museumswerft spielen ab 20.30 Uhr Pergünth. Für den Tanz danach sorgen dort die beiden DJs Horst e. und Mr. Burns. Um Mitternacht wird das Spektakel an den meisten Orten vorüber sein, allerdings nicht in der Kulturbar, wo Silvio Marquardt noch in die Platten greifen wird.
Es ist viel los und irgendwie ist gleichzeitig alles verschlafen — wer gerne etwas später ins Bett geht und nicht auf Hardcore steht, wird sich an diesem Wochenende womöglich langweilen, bis die Beine bluten.
Am 11. September findet auch in Greifswald wieder der bundesweit veranstaltete Tag des offenen Denkmals statt. Eines der siebzehn hiesigen Denkmäler, die es zu besichtigen gilt, ist die Museumswerft im historischen Hafen der Hansestadt. Dort werden dann nicht nur Führungen in die Werft und auf einige Schiffe angeboten, sondern auch Kulinaria und ein Boots-Shuttle-Service mit der Technik Sawod.
Das Motto des diesjährigen Denkmaltags heißt Romantik, Realismus, Revolution und hat auf den ersten Blick herzlich wenig mit Bootsbau zu tun. Die Greifswalder Museumswerft will dem Thema aber trotzdem in Form eines Flohmarktes gerecht werden und bietet die Möglichkeit an, sich daran mit Ständen zu beteiligen, an denen zwischen 11 und 19 Uhr „Gegenstände der Seefahrtsromantik, des maritimen Realismus oder bootsbauerischer Revolutionen feilgeboten werden“.
Wer Interesse daran hat, dort am 11. September einen eigenen Stand aufzubauen, kann sich hierfür telefonisch bei Andreas Zimmermann (0176-223 984 77) anmelden. Die Kosten belaufen sich auf 1,50 Euro pro Frontmeter Verkaufsstand — ein vier Meter breiter Tapeziertisch schlüge also mit 6 Euro zu Buche.
In den vergangenen Tagen wurde das zehnjährige Jubiläum des Bildungsloggers Lovis mit einer Vielzahl kleinerer Veranstaltungen gefeiert, heute Abend wird nun im Museumshafen das Finale dieser vergnüglichen Woche eingeläutet werden.
Um 17 Uhr beginnt das Werftfest mit einem Sektempfang und einem Rückblick auf die vergangenen Jahre. Zwei Stunden später ist eine Bootsfrauenperformance angekündigt, nach deren Ende das vielköpfige Kleinkunstpunk-Projekt Revolte Springen auftreten wird. Die Gruppierung aus Berlin ist nicht zuletzt durch ihr prominentes Mitglied Yörg (Quetschenpaua, Tod- und Mordschlag) bekannt, dessen Songs es vermutlich auf etliche Mixtapes junger Linker geschafft haben. Nach den AgitProp-Performern geht es schließlich mit einer der beiden Turntabletanten weiter, dem Morgen entgegen.
Die Feierlichkeiten, also das komplette Programm seit dem Nachmittag, schlagen nicht mit einem Eintritt zu Buche, um lukullische Büffetbeiträge wird aber gebeten. Getränke sollen auf Spendenbasis ausgeschenkt werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Organisatoren und Veranstalterinnen genau wissen, was heute Abend auf sie zu kommt, denn bekanntlich sind die Dockparties sehr gut besucht und es wäre wirklich schade, wenn die Biervorräte aufgrund des zu erwartenden Andrangs vorschnell erschöpft wären.
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Wer noch niemals auf einer der Werftparties zugegen war, sollte die Gelegenheit nutzen, denn so maritim wie dort geht es hier eher selten zur Sache.
Staunen, feiern, jubilieren – der Bildungslogger Lovis darf in der kommenden Woche auf sein zehnjähriges Bestehen zurückblicken und lädt aus diesem Anlass zu einer vielseitigen Kulturoffensive ein.
SEGELTÖRN BIS NACH SPITZBERGEN
Die Lovis hat eine bewegte und bewegende Geschichte hinter sich. Sie wurde 1897 als Dampfschiff gebaut und etwa einhundert Jahre später von dem eigens dafür gegründeten Verein BÖE mit dem Ziel gekauft, ein Schiff zu unterhalten, das nicht allein der Fortbewegung auf See dient.
Nach langer Reise wurde die Lovis schließlich bis Greifswald geschleppt und zwei Jahre Bauzeit später konnte sie im März 2000 als zweimastiges Segelschiff den Betrieb aufnehmen. Fast die gesamte Ostseeküste konnte seitdem erkundet werden. Die Fahrten führten aber auch zu den britischen Inseln und bis Spitzbergen.
(Foto: Lovis)
EINE MISCHUNG AUS REISEN UND AKTIONSFORMEN
Einem utopistischen Ideenmix aus Selbstbestimmung, Ökologie und Aktionismus anhängig, bot der Verein mit der Lovis nun Raum für Gruppen und Initiativen und es entstand eine „Mischung aus sehr verschiedenen Reisen und Aktionsformen“, wie es in der Selbstdarstellung des Projekts heißt, die die Lovis auch als „sozialen Experimentierraum“ beschreibt.
Wie sich Schiffe für umweltpolitische Aktionen nutzbar machen lassen, wurde beim Klimagipfel in Kopenhagen sichtbar, als die Klimapiraten mit mehreren Booten in die dänische Hauptstadt segelten.
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FILME, WERFTFEST & PODIUMSDISKUSSION
Die Lovis liegt jetzt im Greifswalder Museumshafen und lädt diese Woche täglich zu Veranstaltungen ein. So wird zum Beispiel heute Abend Jacques Cousteaus Schweigende Welt (1956) gezeigt – der erste Dokumentarfilm, der in Cannes die Goldene Palme gewann. Auch für Dienstag wird ein umweltpolitischer Film in Anwesenheit der Regisseurin angekündigt.
Am Mittwoch gastiert Kapitän Stefan Schmidt im Koeppenhaus. Sein Name ist untrennbar mit dem Schiff Cap Anamur und den 2004 in Seenot geratenen afrikanischen Flüchtlingen verknüpft. Einen Tag später wird im Pommerschen Landesmuseum eine Podiumsdiskussion über bürgerschaftliches Engagement in Greifswald stattfinden, bis die Jubiläumswoche schließlich mit einem rauschenden Werftfest am Sonnabend endet.
BILDUNGSOFFENSIVE MIT DEM LOVIGURATOR
Abschließend sei eine besondere Anwendung auf der Lovis-Homepage hervorgehoben. Wer kann schon spontan Fliegerstag und Großdirk auf dem Schiff verorten? Dem allgemein verbreiteten Unwissen über Segelschiffe wird hier ganz hervorragend entgegengearbeitet. Mithilfe des Lovigurator genannten Werkzeugs lassen sich die einzelnen Teile des Schiffes spielerisch und per Klick erschließen. Das so erworbene Wissen darf dann beim Open Ship am Mittwoch mit eigenen Eindrücken des Schiffes ergänzt werden.
Damit sind die wichtigsten Programmpunkte des zehnjährigen Jubiläum aufgezeigt und man darf auf interessante Veranstaltungen gespannt sein. Staunen, feiern, jubilieren – zehn Jahre Lovis und alle klatschen mit.