Die Inszenierung „Water Games“ überführt Ibsens Klassiker „Ein Volksfeind“ von Norwegen nach Afrika. Das Lehrstück erzählt von Wasser und (Ohn)macht.
„Water Games. Water ist thicker than blood“ heißt das deutsch-simbabwische Theaterprojekt, das vor einem Jahr beim Harare International Festival of the Arts uraufgeführt wurde und jetzt auf Deutschlandtour geht. Am Freitag und Sonntag ist die Adaption von Henrik Ibsens Klassiker „Der Volksfeind“ im Theater Vorpommern zu erleben.
Im Theater Vorpommern feiert heute das von Flüchtlingen und Förderschülern aufgeführte Musical Grenzenlos! Greifswald-Premiere.
Das mutlimediale Musical wurde von der Autorin Antonia Michaelis geschrieben und gemeinsam mit Geflüchteten und Schülern der 5. bis 9. Klasse der Janusz-Korczak-Förderschule erarbeitet. Grenzenlos!erzählt die Geschichte von vier jungen Menschen, deren Wege sich auf den Gängen deutscher Amtsstuben kreuzen und die jeder für sich mit komplizierten Anträgen und unvollständigen Dokumenten zu kämpfen haben.
(Foto: Eva Held)
Ein Arbeitsloser bemüht sich um die Finanzierung einer Waschmaschine, eine junge Erwachsene ist ohne Abschluss und auf der Suche nach einer Lehrstelle, ein Flüchtlingsmädchen bemüht sich um einen Sprachkurs und ein junger männlicher Geflüchteter versucht, seine Schwester nach Deutschland nachholen zu können. Sie alle scheitern an Grenzen: in den Köpfen, um Europa und zwischen Bildungsschichten. Ein mit 10.000 Euro dotierter Talentwettbewerb verspricht den vier Protagonistinnen die Lösung ihrer Probleme und motiviert sie dazu, einen Song mit ihrer Geschichte zu schreiben und einzustudieren. Der Wettstreit zwischen den Einzelkämpfern wird zu einer Lektion in Sachen Teamwork.
Stückautorin Antonia Michaelis studierte in Greifswald Medizin, lebt heute in Ostvorpommern und arbeitet unter anderem dramaturgisch für die Greifswalder Montessorischule. Für Grenzenlos! gab sie — unterstützt von Lehrkräften der Wolgaster Janusz-Korczak-Förderschule — Geflüchteten und Förderschülern Schauspielunterricht und führte Regie.
Der in den Niederlanden geborene und an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin diplomierte Regisseur Marc Wortel hat in einer spartenübergreifenden Inszenierung Herman Melvilles Bartleby, der Schreiber auf die Bühne gebracht. Der berühmte Stoff um einen Hilfsarbeiter in einer Anwaltskanzlei hatte am 30. Mai Premiere auf der Greifswalder Bühne des Theater Vorpommerns.
Eine Theaterkritik von Martin Hiller
„Ich möchte lieber nicht“ (Bartleby, 1853)
Der Plot dieses Stücks mit dem Untertitel „Eine Geschichte von der Wall Street“ ist leicht erzählt: es geht um einen jungen Mann namens Bartleby, der ein Anstellungsverhältnis als Kopist in der Kanzlei eines angesehenen New Yorker Anwalts antritt. Anfangs leistet er gute Dienste, nach und nach lässt er seine Tätigkeiten und schlussendlich auch sich selbst jedoch liegen und macht mit seiner passiven Verweigerung alle anderen wahnsinnig oder zwingt sie zumindest zur Auseinandersetzung mit sich und ihrem Gegenüber.
Bartlebys ganz und gar betonungslos vorgetragenes „Ich möchte lieber nicht“ erscheint simpel und schlüssig, macht ihn und sein Wesen dabei aber doch ungreifbar und ihn selbst schier unangreifbar. Dieser harmlos wirkende Mann mit den hängenden Schultern und dem leeren Blick — mit minimalen Mitteln herrlich weltentrückt gespielt von Stefano Fossat — ist keine Blaupause des gleichgültigen Hängertypen, der dumpf durchs Leben eiert; ebenso wenig das Paradebeispiel eines Paroli bietenden Trotzkopfs.
Bartleby begehrt nicht auf. Bartleby jammert, zetert und entrüstet sich nicht. Bartleby reckt die Faust nicht zur Revolte. Bartleby läuft nicht Sturm, er steht meistenteils einfach nur stumm und unbeteiligt herum — den Kopf in Träumereien hinterm Dienststubenfenster versunken. Wenn Bartleby etwas sagt, dann: „Ich möchte lieber nicht“. Dieser Formulierung — so forderungslos sie auch ist — lässt sich wenig entgegnen. Ein höfliches Bitten, ein harscher Befehlston, ein verzweifeltes Flehen — alles perlt ab an dem Kokon, den Bartleby mit dieser Aussage um sich spannt. Bartlebys passiver Widerstand ist so einfach wie eindeutig: er möchte lieber nicht und entkoppelt sich damit vom Gefüge und den Gepflogenheiten der (Arbeits)Welt. Man kann schließlich Niemanden zum Möchten zwingen.
„Don’t cry – work“ (Rainald Goetz, 1983)
Da ist einer, der in stoischem Gleichmut sagt: „Ich möchte lieber nicht“. Einer, der sich mehr und mehr verflüchtigt. Da ist einer, der zurücktritt — in eine Art vorwillentliches Milieu, in dem nichts drängt, in dem die Welt auch ohne eigenes Zutun existiert. Tendenziell philosophische Fragen schwingen hier mit: Was möchte man eigentlich? Wieso sollte man etwas möchten? Und warum möchten manche, dass man so und so und nicht so und andersrum etwas möchten soll? Möchte man denn immerzu etwas möchten müssen? Ich möchte, also bin ich? Bartleby scheint sich derlei Fragen nicht zu stellen, er trägt keinen Konflikt innerer Zerrissenheit aus. Bei ihm ist alles ganz einfach: er möchte lieber nicht.
Am Freitag beginnt das Ehrenamtsfestival Stadtimpuls. Ehrenamtsfestival? Was zunächst nach einem ziemlich drögen Keks klingt, verheißt einen wunderbaren Sommerbeginn in Greifswald, wie ein Blick in das Programmheft und hinter die Kulissen des Spektakels zeigt, das die nächsten vier Wochen auf dem Straze-Grundstück stattfinden wird.
Ein Zirkuszelt im Hinterland der Straze, das einen Monat lang von einem breiten Zusammenschluss aus der Greifswalder Vereins- und Initiativenlandschaft mit Konzerten, Lesungen, Filmen, Workshops, Familienprogrammen und sehr viel Theater bespielt wird. Stadtimpuls, dieser mehrdeutige Titel weckt bei manchen vielleicht noch leise Erinnerungen an ein gleichnamiges Festival, das 2005 in ähnlicher Mission von Greifswalder Vereinen am Museumshafen auf die Beine gestellt wurde, um auf ihr gesellschaftliches Engagement und auch auf die damit verbundenen Probleme aufmerksam zu machen.
Jan Holten (StuThe), seit jeher ein Wunderwutzi des Greifswalder Kulturbetriebs, gehörte schon damals vor zehn Jahren zu den Auslösern des ersten Stadtimpuls. Dessen diesjährige Neuauflage initiierte der Theaterenthusiast nun maßgeblich. Heute stellt Holten fest, dass zwar ein Generationswechsel in der Stadt stattgefunden habe, die Probleme aber die gleichen geblieben seien: „Stellen und Fördergelder werden bei fortschreitendem Sparkurs gestrichen und nicht selten sind gerade geschaffenen sozialen Räume — insbesondere für Jugendliche — von eklatant hohen Mietkosten oder sogar Kündigungen bedroht“. „Stadtimpuls zelebriert vier Wochen lang die Energie des Ehrenamts“ weiterlesen →
Eine Rubrik aus dem Tiefschlaf reißen, abbilden, was noch so läuft. Kleinstadtsuffis den Weg zur nächsten Schänke weisen, sich über Gentechnik mokieren. Unter repressiven Verstimmungen leiden. In die Oper mit Einführung gehen und was Greifswald an diesem Wochenende noch so hergibt.
Das Wochenende lässt sich gut an und hält eine mannigfaltige Mischung kultureller Angebote bereit. Wer sein erstes DIY-Festival in diesem Jahr erleben will, fährt bis Sonntag zum Wagenplatz Alt Ungnade. Allen anderen seien die Workshops, Lesungen, Theatervorstellungen, Ausstellungen, Konzerte und Partys empfohlen, die an diesem Wochenende in Greifswald stattfinden werden. Eine Übersicht.