Seit ein paar Monaten finden in Greifswald Montagsdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen statt. Diese verzeichnen nicht nur zunehmend Zulauf, ebenso wird der Ton aggressiver und Journalist*innen und Andersdenkende werden angegriffen. Zuletzt flogen Böller auf Menschen einer Gegendemonstration. Doch wer sind die Leute hinter der Montagsdemonstration?
Ein Gastbeitrag von Sandra Grubert
Der Organisator: Andreas Pieper
Von Anfang an prominent dabei ist der Greifswalder Andreas Pieper. Pieper studierte in Greifswald Physik und ist kein Neuling in Sachen Verschwörungserzählungen.
Nach eigenen Aussagen stieß Pieper 2014/15 auf die „Problematik um 9/11“. 2018 befasste er sich schlussendlich mit der Annahme des Verschwörungserzählers Heinz Pommer, welche später als „Ground-Zero-Modell“ bezeichnet wurde. Hierbei handelt es sich um eine gängige Verschwörungserzählung der sogenannten Truther-Bewegung. Sie geht davon aus, dass Medien und Regierungen die Bevölkerung bewusst fehlinformieren. Die Anschläge von 9/11 sind in ihren Augen eine False-Flag-Operation der US-Regierung.
Seine Annahmen zu 9/11 erzählt Pieper auch in einigen Videos auf YouTube-Kanälen, die für die Verbreitung von Verschwörungserzählungen bekannt sind. Zu eben derselben Thematik war er 2019 auf dem esoterischen Friedensfestival Pax Terra Musica als Redner eingeladen.
Das Festival wirbt auf seiner Website damit Menschen, „die vorgefertigte Denkmuster etablierter Informationsportale durchstoßen haben, Geopolitik zu analysieren und den Geist des Friedens in sich tragen“ zu vereinen.
Auf seinem Couchsurfing-Profil schreibt Pieper von sich selbst: „Like controversial discussions and I don’t care about political correctness or play with this.” Das er davon wirklich nicht viel hält, merkt man an einem Kommentar unter einem Artikel zur Identitären Bewegung im webmoritz aus dem Jahr 2018 in dem er von „verblödeten Antifanten“ schreibt. Ein Terminus, welcher im rechtsextremen Milieu geläufig ist und in den letzten Jahren des gesellschaftlichen Rechtsrucks auch in der bürgerlichen „Mitte“ der Gesellschaft Einzug erhalten hat.
In der Truther-Bewegung ist die Nähe zu radikalen religiösen Gruppen und Rechtsextremismus keine Seltenheit.
Der Berufsmusiker Martin Wendel auf populistischen Abwegen
Martin Wendel ist ein auf Usedom ansässiger Berufsmusiker, der über 20 Jahre im Geschäft ist.
Wendel, der sich selbst als „weder rechts, noch links“ beschreibt, begrüßte dabei nicht nur die Anwesenheit einer AfD-Bundestagsabgeordneten bei einer Demonstration in Wolgast, er selbst trat auch als Redner bei der AfD-Demonstration am 06. Dezember in Greifswald auf.
Er spricht nicht nur regelmäßig auf Demonstrationen in Greifswald, sondern u.a. auch in Stralsund, Neubrandenburg und Wolgast. Auf YouTube sind die Videos seiner Reden tausendfach geklickt. Anhand dieser Videos lässt sich nachvollziehen, welche sprachliche Radikalisierung Wendel in den letzten Wochen vollzogen hat.
Anfänglich entlud sich sein Frust auf seine berufliche Situation, die ihn seinerzeit in die Lage gebracht hat, aus der Künstlersozialkasse auszuscheiden.
Mittlerweile zeigt sich in seinen populistischen Reden eine demokratiefeindliche Haltung, die mit „rechts-antikapitalistischen“ Momenten spielt, die an die Argumentationslinie der rechtsextremen Kleinstpartei 3. Weg erinnern.
Harmlose Bürger*innen im Greifswalder Montagsdemo-Telegram-Chat?
Ein Blick in die Telegram-Gruppe lässt auf einen Zusammenhang schließen, dass Personen dieser rechtsextremen Partei an der Organisation der Montagsdemonstrationen beteiligt sind.
Derzeit zeigt sich auch bei anderen Demonstrationen im Land, das von Identitären, über Personen der Kameradschaftsszene bis hin zur rechtsextremen AfD zu den Demonstrationen mobilisiert wird. Sellenweise übernehmen Rechtsextreme Schlüsselfunktionen in den Orga-Gruppen.
Die Demonstrationen sind also nicht, wie anfänglich vielfach angenommen, Interessensbekundungen Bürgerlicher. Vielmehr sind sie Mobilisierungspunkte antidemokratischer Personen aus dem rechten Spektrum bis hin zur bürgerlichen „Mitte“ zur Erprobung metapolitischer Strategien der Neuen Rechten.
Ist Populismus angesagt, steht auch schon die AfD parat
Schon bevor in Greifswald die Montagsdemonstrationen begangen, vereinnahmte die AfD das Thema für sich. Eine Studie der Universität Leipzig zeigt, dass vor allem AfD-Wähler*innen an Verschwörungserzählungen glauben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Regionen und Städten mit einem hohen Anteil an AfD-Wähler*innen das Mobilisierungspotenzial zu Anti-Corona-Demonstrationen höher ist als in Regionen, in denen überwiegend demokratische Parteien gewählt werden.
Ein Blick in die Zahlen bestätigt diese Annahme. 2019 wählten 19,2% der Wähler*innen in Wolgast die AfD. Damit wurde die Partei zweitstärkste Kraft. In Neubrandenburg erlangte die AfD bei den Kommunalwahlen 2019 16,0% der Stimmen.
Bei der AfD-Demonstration im Dezember vergangenen Jahres zeigt sich in Greifswald, wie Mitglieder lokaler rechtsextremer Burschenschaften und der Identitären Bewegung an der Demonstration teilnahmen, so wie es ebenfalls derzeit in Rostock zu beobachten ist.
Nicht nur ein harmloser Schatzmeister: Klaus-Peter Last
Ebenso wie Andreas Pieper ist auch Klaus-Peter Last aus dem rechtsextremen Flügel der AfD Mitglied in der Telegram-Gruppe für die Greifwalder Corona-Demonstrationen. Last war 2013 Landesschatzmeister der AfD Mecklenburg-Vorpommern und fällt schon seitdem mit seiner rechtsextremen Einstellung auf. Er nahm auch an mehreren Demonstrationen der FFDG teil.
Bis heute zeigt er offen auf Instagram, Facebook und VK seine rechtsextremen Ansichten.
Fotos zeigen, dass Last Kontakt zu den drei in Greifswald ansässigen rechtsextremen Burschenschaften hat. Diese fungieren seit Jahren als eine Art Kaderschmieden für rechtsextreme Parteien wie der AfD und NPD.
Last sammelt Bücher des rechtsextremen Antaios Verlags des Publizisten Kubitschek und war ebenfalls in Schnellroda zu Gast. Schnellroda befindet sich in Sachsen-Anhalt und ist der Wohnort des neurechten Publizisten-Ehepaars Götz Kubitschek und Ellen Kositza. Auf ihrem Rittergut befindet sich seit 2002 nicht nur der besagte Verlag, sondern auch das „Institut für Staatspolitik“, welches als Veranstaltungsort der Neuen Rechten fungiert.
Des Weiteren lässt sich Last zu dem Unterstützer*innenkreis des früheren Landtagsmitglieds und derzeitigen Greifswalder Jura-Professors Dr. Ralph Weber zählen. Dieses wird nicht zuletzt an seinen Äußerungen in den Sozialen Medien deutlich.
Was bedeutet das für die Greifswalder Zivilgesellschaft?
Ängste, Kritik an politischen Maßnahmen und persönliche existenzielle Krisen sind kein Grund sich mit Rechtsextremen, Populist*innen und Verschwörungsgläubigen auf die Straße zu begeben und gemeinsam zu demonstrieren. Rechtsextreme nutzen die Sorgen und Ängste von Menschen aus, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die wirklichen Probleme von Menschen interessieren sie nicht.
Die Mehrheit der Greifswalder Bürger*innen ist geimpft und zeigt sich solidarisch. Angriffe jeglicher Art sei es auf Journalist*innen oder Gegendemonstrant*innen ist in keiner Weise zu tolerieren. Einen Rückfall in Zeiten, welche an die #Baseballschlägerjahre erinnern, ist nur durch eine demokratische Stadtkultur entgegenzuwirken.
Der einzige Weg aus der Pandemie ist, wie bereits unser OB Fassbinder festgestellt hat: „Impfen, impfen, impfen.“
Sandra Grubert ist Journalistin und beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus. Ihre Recherche liegt seit 2018 auf dem Fokus Mecklenburg-Vorpommern.