Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.
Ende Dezember des vergangenen Jahres erblickte das Video zu point éphémère das Licht der Netzöffentlichkeit. Das herbstige und wollwarme Stück erschien bereits knapp vier Jahre zuvor auf dem leider einzigen Album der Greifswalder Band Lumières Claires: Please Don’t Focus On My Mistakes. Please Don’t Focus On My Mistakes.
Ganz im Geiste des Albums wurde das Video mit einer Super 8-Kamera aufgenommen und nimmt uns mit in die verlassenen Hallen am südlichen Ryck-Ufer, die gleichsam der Band heute nicht mehr existieren. Die Protagonisten sind bereits vor Ort: der Lesende, die Liebenden, der Existenzialist, die Ballerina und das Kind. Auf halber Strecke des Wegs wird in den Reverse-Mode geschaltet und die verzweifelungstaumelige Zerstörungswut, die sich immer wieder Bahn bricht, verwandelt sich zurück in lämmerne Unschuld. Jedem Ende wohnt ein Zauber inne.
Nachdem Lumières Claires im Herbst 2012 noch eine wohlkompilierte Remix-Version von Please Don’t Focus On My Mistakes. Please Don’t Focus On My Mistakes. veröffentlichten, haben sie mit diesem Video nun endlich auch das letzte Kapitel ihres Projekts würdevoll zum Abschluss gebracht!
Mehr Lumières Claires:
Please Don’t Focus On My Mistakes. Please Don’t Focus On My Mistakes. Reworks (Rezension Fleischervorstadt-Blog, 15.09.12)
Mit dem Titel Sportskanone des Jahres werden besonders außergewöhnliche und hervorhebenswerte sportive Leistungen aus Greifswald gewürdigt. Wurde dabei 2010 mit dem Freestyle-Fußballer Ralf Dörn noch eine Einzelperson ausgezeichnet, so ging der Titel im Folgejahr an die Glockenschlägertypen der Burschenschaft Markomannia, die mit gazellenartiger Eleganz und stolzem Anmut keinen Zweifel daran aufkommen ließen, diese Auszeichnung wirklich verdient hätten.
POLIZEI ÜBERWINDEN
Auch in diesem Jahr wird die Anerkennung nicht einer Einzelkämpferin, sondern einer ganzen Mannschaft zuteil. Die Zeiten werden härter und für Aktivistinnen dabei nicht unbedingt angenehmer. Für sie gab es in Greifswald und Umgebung im vergangenen Jahr leider viel zu tun. So galt es zum Beispiel, die beiden Neonazi-Aufmärsche am Tag der Befreiung in Demmin und am Tag der Reichspogromnacht in Wolgast zu blockieren – ein couragiertes Vorhaben, das leider auch immer wieder die Polizei auf den Plan ruft, notfalls gewaltsam das Versammlungsrecht der Neonazis durchzusetzen.
Um diesem Wahnsinn etwas entgegensetzen zu können, braucht es nicht nur Willen und Entschlossenheit bei jedem Einzelnen, sondern vor allem eine gehörige Portion Vertrauen unter den Mitstreitern – heute nennt man so etwas Teamfähigkeit oder so. Dass geteilter Teamgeist und ein klares Ziel selbstbestimmter Individuen dem Co(r)psgeist gut ausgerüsteter Polizisten überlegen sein kann, wissen wir spätestens seit der erfolgreich angewandten 5-Finger-Taktik während des G8-Gipfels in Heiligendamm, als tausende Demonstranten an der Polizei und ihren Straßensperren vorbei- beziehungsweise durch sie hindurchflossen.
Am 8. Mai in Demmin waren natürlich weit weniger Beamte im Einsatz. Aber auch die versuchten zu verhindern, dass Gegendemonstranten sich den Neonazis in den Weg setzen um deren angemeldete Route zu blockieren. In einem Video des Youtube-Nutzers Georgenrone, das den Tag zusammenfasst, wurde ein hervorragendes Beispiel für den oben erwähnten Kooperationswillen festgehalten.
WIE AUF DEM PLANBRETT EINES FUSSBALLSTRATEGEN
NPD-Gegnerinnen eilen durch eine Straße und versuchen, einen Blockadepunkt zu erreichen, während die zahlenmäßig weit unterlegenen Polizeibeamten sich ihnen in den Weg stellen. Eine Demonstrantin schiebt im Laufschritt einen mit einem Soundsystem aufgerüsteten Kinderwagen vor sich her, bis ein Polizist die Lücke versperrt. Mit erhobenem Arm kann er die junge Frau zwar aufhalten, doch den Kinderwagen, der mit einem kurzen Ruck nach vorne gestoßen wird, kriegt er in der hektischen Situation nicht mehr zu fassen.
Wie auf dem Planbrett eines Fußballstrategen wird die vierrädrige Beschallungsanlage von einem dritten Beteiligten übernommen und entschlossen an seinen Bestimmungsort gekarrt. Diese perfekt umgesetzte Staffelübergabe ist in dem Video leider nur für Sekundenbruchteile zu erkennen, doch langsam und rückwärts abgespielt, entpuppt sich der schnöde Durchbruch als genialer Spielzug, der die Frage nach der außergewöhnlichsten sportlichen Leistung im Jahr 2012 mit einem wohlgelaunten Augenzwinkern zu beantworten weiß.
So, das war es dann auch fast schon wieder mit dem zurückliegenden Jahr 2012. Jetzt naht der unausweichliche Weihnachtstaumel, geprägt von wenig Bewegung, fettigem Essen und familiären Zusammenkünften.
Doch in Wirklichkeit – und wie wir alle wissen — gehören diese vermeintlichen Feiertage zur anstrengendsten Zeit des Jahres. In diesem Sinne wünsche ich fast allen Lesern und Leserinnen eine erholsame Zeit – mögen die Tage auf der faulen Haut nicht zu schnell verstreichen und die Akkus bis zum Anschlag aufgeladen werden!
Auf dem Fleischervorstadt-Blog wird dieser Tage noch die Greifswalder Sportskanone 2012 gekürt, ehe auch hier das Licht ausgehen wird — zumindest bis zum neuen Jahr.
Ein großes Dankeschön geht an euch Stammleser, Gastautoren und Sponsoren, denn ohne euer Interesse und eure Unterstützung würde es dieses Blog nicht geben.
Heute Nacht findet im IKUWO die vorletzte Sause des Jahres statt. Gemeinsam mit der lokalen Sektion der Hedonistischen Internationalen wird zur großen Untergangsparty eingeladen.
Eigentlich kann und will man nichts mehr davon hören. Ein Weltuntergangsratgeber jagt im Netz die nächste Handlungsanweisung für das Ende des Maya-Kalenders. SpiegelOnline betreibt sogar einen Live-Ticker und alle sind wie im Fieber.
Die HIHGW ist da etwas pragmatischer und stellt die Lust an der eigenen Lust in den Vordergrund: “Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht mein Weltuntergang”.
Für das musikalische Begleitprogramm ist neben den „apokalyptischen Plattenreiter:innen der HI-All-No-Stars, die mit höllischer Maschinenmusik für uns den Final Countdown einläuten“, auch der Live-Elektro-Act Jang zuständig.
Wer gerne zu Bummms und Bi durch die Nacht gleitet, sollte heute Abend auf jeden Fall dabei sein — die Alternativen sind rar und vielleicht wird es ja doch noch der letzte Tanz vor dem bitteren Ende.
Nach dem jüngsten Wirbel um die Anklamer Stadtvertreter der CDU, denen fehlende Distanz zur NPD vorgeworfen wurde, reagierte heute mit Marco Schulz ein weiterer Christdemokrat auf die Kritik und schrieb sich dabei um Kopf und Kragen.
AUSGRENZUNG DER NPD ERINNERT AN JUDENVERFOLGUNG IM DRITTEN REICH
Auf dem von CDU/JU-Mitgliedern vor kurzem gegründeten Pommern-Blog erschien ein von Schulz geschriebener Gastbeitrag. Das Mitglied der Anklamer Stadtvertretung und des Kreistags Vorpommern-Greifswalds konterte die vom Nordkurier publizierten Vorwürfe mit einem pietätlosen und unangebrachten historischen Vergleich, indem er die Judenverfolgung im Dritten Reich verharmloste und mit den gegen die NPD gerichteten Ausgrenzungsbemühungen auf eine Stufe stellte: „Ich erinnere gern an das dritte Reich. Dort wurden solche Bürger letztlich sogar markiert, damit jeder sehen konnte, dass dieser Mensch wegen seiner Anschauung bzw. Religion ein Staatsfeind ist.“
(Screenshot schulz-anklam.de)
Selbstkritische Worte über das regelmäßige Beisammensein von Mitgliedern der CDU und NPD sucht man in seinem Text vergeblich. Stattdessen wird Bürgermeister Galander angegriffen: „Nur sollte man sich generell mal die Frage stellen, warum denn die NPD solch Zulauf in unserer Region hat? Sind nicht vielleicht Menschen wie der Anklamer Bürgermeister mitschuldig?“
PARTEIPOLITISCHES PLEMMPLEMM
Eine Scheindebatte jagt die nächste — mal geht es um die Planung des Anklamer Hansefests, dann stellt Schulz die Frage nach dem Umgang mit früheren Stasi-Mitarbeitern, um im nächsten Augenblick von NPD-Wählern statt von den NPD-Kadern zu fabulieren, mit denen man sonst einträchtig zusammensaß.
In der inzwischen lebendiger gewordenen Diskussion unter dem Beitrag spricht Schulz dann nochmal Klartext und bezeichnet das gemeinsame Kaffeetrinken mit der NPD als offene Auseinandersetzung mit dem Thema Extremismus, gegen den die Junge Union allein in Vorpommern-Greifswald mehr unternehme als die Jusos in ganz M-V: „Ich erinnere gern an das jährliche Osterfamilienfest, unsere traditionelle Sportnacht gegen Gewalt, die verschiedenen Sportturniere mit Jugendklubs oder unsere Weihnachtsmarkstände [sic!], wo sämtliche Erlöse den Kindern und Jugendlichen der Region zukommen. Wer selbst nur redet statt zu handeln, sollte sich beim kritisieren zurückhalten!“
So stellt man sich einen Parteisoldaten vor, der nebelkerzengerade Gewehr bei Fuß steht; und wo einer dieser Soldaten anzutreffen ist, sind die anderen häufig auch nicht weit weg! Egbert Liskow (CDU) aus Greifswald ließ sich die Ehre des ersten Kommentares unter dem unseligen Gastbeitrag nicht nehmen: „Hallo Marco, vielen Dank für Deinen offenen und klarstellenden Bericht.“
CDU UND NPD – dazu noch Galander – oh weh!!! (Pommern-Blog, 19.12.12)
Kaffeeklatsch mit Michael: In Anklam haben CDU und NPD ihre Berührungsängste überwunden (Fleischervorstadt-Blog, 19.12.12)
Vergleich von NPD-Ausgrenzung mit Judenverfolgung (Nordkurier, 19.12.12)
Nazis als „moderne Juden“? Schulz (CDU) verteidigt Umgang mit der NPD (Endstation Rechts, 19.12.12)
„Gruppierungen, die sich hier niederlassen, um in unserer Stadt zu Hass und Gewalt aufzurufen, sind uns nicht willkommen“, hieß es in einer Erklärung, die letzten Donnerstag von der Stadtvertretersitzung verlesen wurde. Das Papier, an dessen Entstehung neben kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Vertretern auch die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien mitwirkten, ist die kommunalpolitische Antwort auf die zum Teil organisierten Übergriffe von Neonazis auf nichtrechte Jugendliche in der Peenestadt.
„ABER SOLLTEN WIR DA ALLE AUFSTEHEN?“
Wie wirkungsmächtig derlei Gesten im Bemühen gegen Rechtsextremismus tatsächlich sind, demonstrieren die Mitglieder der Anklamer CDU-Fraktion beim gemeinsamen Pausenkaffee mit den NPD-Vertretern Michael Andrejewski und Enrico Pflugradt. Dabei handelt es sich um ein Stelldichein mit Tradition, das schon 2009 für konsequenzlose Empörung sorgte, nachdem eine Gruppe von 25 Anklamer Bürgern dem frisch vereidigten Parlamentspräsidenten Karl-Dieter Lehrkamp (CDU) mangelnde Distanz zur NPD vorwarf.
Dieser wies die Kritik zurück, räumte aber ein, dass sich Andrejewski „mal nach einer Anklamer Stadtvertretung an den CDU-Biertisch gesetzt habe“, und gab sich hilflos: „Aber sollten wir da alle aufstehen?“. Lehrkamp bestritt damals gegenüber der Ostsee-Zeitung, dass es regelmäßige Runden mit Andrejewski gegeben habe. Der Anklamer Bürgermeister Michael Galander sieht die Sache anders und äußerte gegenüber dem Nordkurier, dass die Christdemokraten „bereits seit Jahren mit der NPD am Pausentisch“ säßen.
„WAS WOLLEN SIE MACHEN, WENN IN EINER ÖFFENTLICHEN GASTSTÄTTE DIESE FRAGE GESTELLT WIRD?“
Um zu dokumentieren, welche Stadtvertreter es mit dem sich offensiv auf die Fahnen geschriebenen Kampf gegen Rechts ernst meinen, fotografierte der Bürgermeister in der Sitzungspause die Kaffeerunde von CDU und NPD. Die Christdemokraten waren darüber sehr erbost und echauffierten sich über die „Stasi-Methoden“ Galanders, die kein gemeinsames Vertrauen aufkommen lassen würden.
Wenig vertrauensförderlich ist jedoch auch das Verhalten der CDU. Lehrkamp bestätigte gegenüber dem Nordkurier zwar, dass die Anklamer Christdemokraten ihre Sitzungspausen gemeinsam mit den NPD-Vertretern verbringen, erklärt die Duldung Michael Andrejewskis in der CDU-Runde, der irgendwann fragte, ob er sich dazusetzen dürfe, jedoch genauso scheinheilig und hilflos wie 2009 gegenüber der Ostsee-Zeitung: „Was wollen sie da machen, wenn in einer öffentlichen Gaststätte diese Frage gestellt wird?“.
„NEIN, HERR ANDREJEWSKI!“
Dabei wäre es gerade bei Andrejewski nicht besonders schwierig gewesen, eine entschlossene und deutlich positionierte Haltung an den Tag zu legen und ihm den erbetenen Platz beim christdemokratischen Kaffeekränzchen einfach zu verweigern. Der Neonazi verantwortete 1992 ein Flugblatt, das im Vorfeld der pogromhaften Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen massenhaft verteilt wurde und in dem er und seine Mitstreiter zum „Widerstand gegen die Ausländerflut“ aufriefen. Doch offenbar haben die acht Jahre, in denen Andrejewski in der Anklamer Stadtvertretung saß, ihre Wirkung gezeigt. Man hat sich aneinander gewöhnt, begründete Berührungsängste wurden offenbar fast gänzlich abgebaut.
Tragikomisch ist dagegen einmal mehr der Greifswalder Bürgerschaftspräsident Egbert Liskow (CDU), der gegenüber dem Nordkurier ulbrichtig beteuerte, „dass seine Parteifreunde in Anklam nicht die Absicht haben, regelmäßig mit den NPD-Leuten zu sprechen und schon gar nicht mit ihnen zusammenzuarbeiten“.
NPD und CDU in Anklam an einem Tisch (Nordkurier, 17.12.12)
Pausentee mit der NPD in Anklam. Oder: Ein Bürgermeister auf „Antifa-Mission“ (Endstation Rechts, 18.12.12)
Leserbrief: CDU ist mit sich selbst nicht ehrlich (Jusos Greifswald, 18.12.12)
Caffier will sich nicht den Mund verbrennen (Nordkurier, 18.12.12)