Intern: Schmeicheleien via Flattr

Ist das next big thing der neuen Medien ein seit Monaten auf immer mehr Webseiten integrierter, grün- und orangefarbener Button? Liegen in Diensten für das sogenannte social payment Potenziale für eine noch auszugestaltende Netzökonomie verborgen?

WELCHE REDAKTION PASST ZU MIR?

Eigentlich wollte ich mir nur ein Zeitungsabonnement kaufen und für die vielen Inhalte, die ich Tag für Tag kostenfrei online rezipiere, endlich bezahlen, um so meinen Anteil für eine mediale Vielfalt zu leisten, die auch noch in Zukunft Bestand haben soll. In einer Zeit der einbrechenden Anzeigenpreise und der schier grenzen- und vor allem kostenlosen Verfügbarkeit von Inhalten, wird die Luft der Branche allmählich dünner.

(Bild: turi2)

Doch ein so breites Angebot wie das der deutschen Medienlandschaft birgt auch Entscheidungsschwierigkeiten: Welches Produkt welcher Redaktion passt zu mir? Und gibt es – sofern diese Frage unbeantwortet bleibt – Alternativen zum klassischen Meienkauf oder Abonnement, um mediale Angebote unkompliziert mitzufinanzieren und zu unterstützen?

ANERKENNUNG AUF MIKRONIVEAU

Schon im Juli dieses Jahres war der schwedische social-payment-Dienst Flattr das Hauptthema des Greifswalder Medienstammtisches und der Diskussion unter den Lokalbloggern folgten kurz darauf die ersten Buttons auf den entsprechenden Seiten und Webangeboten. Seit etwa drei Wochen buhlt nun auch der Fleischervorstadt-Blog um Anerkennung auf Mikronivau. Doch was steckt hinter dem Dienst, der in zweinullscher Sperrigkeit dahergetitelt kommt?

(Bild: netzfeuilleton.de)

Die Idee hinter Flattr ist so einfach wie genial: Nach der Registrierung lädt man sein individuelles Konto auf und bestimmt das monatliche Budget, welches verteilt werden soll. Der Minimaleinsatz hierfür beträgt zwei Euro. Die Zahlungen erfolgen quasi auf Knopfdruck, denn das wichtigste Werkzeug des Dienstes sind die Flattr-Buttons, die Mitglieder in ihre medialen Angebote integrieren können.

Ein Klick genügt und schon ist die Anerkennung für das rezipierte Werk, ganz gleich, ob es sich dabei um den Text eines Blogbeitrags, um einen Podcast oder ein Musikstück handelt, zum Ausdruck gebracht worden – man hat etwas beziehungsweise jemanden geflattrt.

DANKBARKEITS-ÖKONOMIE

Am Monatsende wird das im Vorfeld festgelegte Budget durch die Anzahl der getätigten Klicks geteilt und so der monetäre Wert jeder einzelnen digitalen Anerkennung beziffert und auf die Flattr-Konten der auf diese Art gelobten Produzentinnen gebucht. Werden so beispielsweise monatlich zwei Euro verteilt und fünf verschiedene Angebote geflattrt, so hat jeder Klick einen Wert von 40 Cent.

Im offiziellen Video, das den Dienst erklärt, wird dieses Budget mit einem Geburtstagskuchen verglichen, der an eine zu bestimmende Anzahl von Freunden verteilt wird.

Die Flattr-Registrierung ist blitzschnell erledigt und wird durch das erste Aufladen des Kontos abgeschlossen. Diese Startvorbereitung lässt sich dank Moneybooker.com mit einfacher Überweisung, Kreditkarte oder bequem via Paypal erledigen. Danach kann es losgehen mit den klickvermittelten Respektzollungen.

VISIONEN IN ORANGE UND GRÜN

Einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Flattr ist die 32. Ausgabe des großartigen, von Jana Wuttke und dem Medienjournalisten Philip Banse produzierten Podcasts Medienradio.org sehr dienlich. Der bis dato übrigens 218 Mal geflattrte Audio-Beitrag nähert sich in stolzen 140 Minuten dem Thema social payment von verschiedenen Seiten.

Diese Sendung wird durch drei Gäste mit unterschiedlichem Bezug zu Flattr bereichert. Da spricht neben Philip Banse zum Beispiel der Podcaster Tim Pritlove, dem monatlich ungefähr 1000 Euro auf sein Konto flattern. Thomas Haseloff, der seine Diplomarbeit zum schwedischen Bezahldienst schreibt, präsentiert erste Ergebnisse und trifft Aussagen über das Wohlwollen der Nutzer.

Und dann ist da noch der in Greifswald aufgewachsene Leander Wattig, der sich nach einem verlagswirtschaftlichen Studium als Medienblogger profilierte, die Aktion Ich mach was mit Büchern aus der Taufe hob und inzwischen umtriebig medialen Trends und Entwicklungen auf der Spur ist, von crowdfunding bis social payment und zurück.

Im sehr inspirierenden Gespräch zwischen diesen Personen werden die Potenziale, die ein Dienst wie Flattr hervorbringen könnte, skizziert. Was passierte, wenn sich Größen wie facebook oder youtube gegenüber social payment öffnen würden? Wie könnte die Zukunft von Musikern und deren Vertriebsnetz mithilfe von Flattr revolutioniert werden und welche tragende Rolle spielt Microsoft dabei? Oder um Leander Wattig zu folgen: Wie schwimmt man im Fluß der eingangs beschriebenen und wachsenden Umsonst-Kultur mit, statt sich mit Bezahlschranken und unfunktionellen Rechteverwertungssystemen diesem Strom entgegenzustemmen?

(Der empfohlene Podcast kann auch hier direkt heruntergeladen werden)

MEIN PERSONALISIERTES ABONNEMENT

Ich habe mich entschieden und werde nicht wieder zum Abonnenten einer Zeitung oder Zeitschrift, sondern verteile dieses Geld fortan inhalts- statt redaktionsorientiert. Flattr, das ist für mich eine teilrealisierte Vision mit noch vielen unerschlossenen Potenzialen. Es macht glücklich, gute Inhalte mit einem monetären Klick zu belohnen und es ist beflügelnd, von anderen via Flattr gelobt zu werden.

Gerade in Greifswald sind die medialen Veränderungen spürbar: Die einzige Lokalzeitung schreibt sehr erfolgreich an ihren potentiellen Leserinnen vorbei, während die verbliebenen Abonnenten des Krawallblatts sukzessive und ohne Nachfolge aussterben. Für viele Greifswalder hat die Ostsee-Zeitung ihren Stellenwert als erste Informationsinstanz ohnehin eingebüßt; ihr gegenüber stehen fast 30 Blogs und eine Twitter-Gemeinde, die die Auflösung dieses Monopols bedeuten.

Flattr bringt Bewegung und im Einzelfall auch Geld in dieses Szenario und bedeutet für mich eine liebevolle Revolution in Grün-Orange, an der teilzuhaben etwas wirklich Visionäres ist.

Veranstaltungshinweis: King Automatic (FR) & Aftershow

Bonjours mes amies! Mit der einköpfigen Big Band King Automatic steht Besuch aus Frankreich ins Haus und mit ihm eine Breitwand aus rootigem Rocksteady, Schnodder-Garage sowie eine gehörige Portion Rock’n’Roll. Nur wie macht der das alleine?

Live-Sampling lautet die Antwort. Spur für Spur wächst so ein Klangteppich, der sich allerdings von den genrenahen Flächengitarren, rückwärts wiederholten Klopfgeräuschen und zartbesaiteten Einflüsterungen grundlegend durch seinen Schweiss, seine Energien unterscheidet.

King Automatic war dereinst Drummer der französischen Punkband Thundercrack, umarmte aber Anfang des Milleniums konsequent die digitalen Möglichkeiten und avancierte zu einer vielarmigen wie -beinigen Orchestervarianate, die das Erbe digital-dialektisch aufbereitet, ohne an physischem Druck und Durchschlagskraft zu verlieren.

Er spielt mit der Gitarre Schlagzeug, bedient seine Orgel im Rausch der geloopten Rock’n’Roll-Riffs und verwandelt sich in einen samplergewordenen Derwisch. Wie die Umsetzung dieses Konzeptes live aussieht, vermag das folgende Video zu vermitteln. Bon Voyage!

Den anschließenden Tanz danach wird Mr. Burns von den Plattentellern aus dirigieren, der elektronische Klangkost und so manche Absurdität verspricht. 

Fakten: 30.10. | 22 Uhr | IKUWO | 5 Euro

Wer hat das Großfeuer in der alten Chemie verursacht?

In den Morgenstunden des 26.10. wurde das seit Jahren leerstehende Institutsgebäude der Chemie durch einen Großbrand total beschädigt. Der hölzerne Dachstuhl ist abgebrannt, die dritte Etage eingestürzt. Aufgrund des vielen Löschwassers ist das Haus durchnässt.

(Foto: Torsten Heil / webMoritz)

Polizei: Erste Hinweise auf Brandstiftung

Die Polizei gibt inzwischen erste Erkenntnisse zur möglichen Brandursache bekannt:

„Er stellte fest, dass sich Unbekannte in der Vergangenheit über die hintere Front des  Gebäudes Zutritt verschafft und sich in einigen Räumlichkeiten über kurz oder lang aufgehalten haben müssen. Dafür sprechen auf den Fußböden vorgefundene zumeist abgebrannte Kerzen bzw. Teelichter, die letztendlich wegen der fehlenden Kontrolle zum Brand geführt haben könnten. Daher wird eine fahrlässige Brandstiftung nicht ausgeschlossen. Hinweise, die vermuten lassen, dass Personen im Gebäude genächtigt haben, wurden nicht gefunden. Die Ermittlungen dauern an.“ (Pressemitteilung der Polizei)

Demnach waren in der Vergangenheit — so unkonkret diese Zeitangabe auch sein mag — Menschen in dem Gebäude, dessen Fenster und Türen laut Uni-Pressesprecher Jan Meßerschmidt „in der unteren Etage mit massiven Holzplatten verschlossen“ waren. „Zusätzlich war das Gebäude durch einen Bauzaun gesichert“, heißt es in der Mitteilung der Uni-Pressestelle weiter. Außerdem seien „Medien wie Strom und Gas“ getrennt worden.

Institutstourismus zwischen Beschaffung und Nostalgie

Verschiedenen Medienberichten zufolge musste sich die Feuerwehr mit Motorsägen Zutritt zum Gebäude verschaffen. War das Objekt also zugänglich oder nicht?

In den vergangenen Jahren etablierte sich in der alten Chemie eine Art Institutstourismus und unbemerkt wurden eine ganze Menge Mobiliar und Dinge mit devotionalem Potential aus dem Gebäude entwendet. Nicht zu unterschätzen ist die Zahl derer, die in das Gebäude eindrangen, um dort zu fotografieren. Einer dieser Institutstouristen konnte sich noch sehr gut an „blinkende Elektrokästen“ erinnern. Wann genau das Gebäude von Strom und Gas abgetrennt worden sei, ist nicht bekannt, auf jeden Fall noch nicht seit Jahren.

(Foto: Kevin Neitzel)

OZ: Die Satanisten waren das!

Die Ostsee-Zeitung präsentiert in ihrer heutigen Ausgabe bereits das Ergebnis ihrer teuflisch investigativen Recherchen und lässt Erinnerungen an die gute alte Zeit der Hexenverbrennung aufkommen.

Auf der Titelseite des Greifswalder Lokalteils werden die potenziellen Tatwerkzeuge der Brandstiftung, drapiert auf einem verkohlten Holzrest, abgebildet: vier Teelichter und sechs abgebrannte Streichhölzer. Wer das Foto genau betrachtet, sollte feststellen, dass die Teelichter kaum fünf Minuten gebrannt haben dürften und neu sind.

Im Artikel wird ein Polizeibeamter zitiert, der davon spricht, dass bereits im Sommer „abgedunkelte Fenster und große schwarze Decken […], die auf dem Fußboden und den Tischen ausgebreitet waren“, in einem Nebengebäude entdeckt worden sein. Demnach sei es denkbar, „dass in der Nacht vor dem Brand eine Schwarze Messe in dem Gebäude abgehalten wurde“, so der Beamte weiter.

Hintergrundplagiate aus Wikipedia

Die Ostsee-Zeitung ihrerseits prahlt mit Informationen, dass „an der Universität eine Gruppe Studenten existieren [soll], die sich gern mysteriösen Rollenspielen hingibt und dem Okkultismus frönt“. Das Unbekannte war schon immer gefährlich und vermutlich spielen diese Studierenden auch noch Killerspiele. Die Redaktion stellt einmal mehr ihre Unkenntnis zur Schau und wirft wahllos und vor allem undifferenziert völlig unterschiedliche Themen zusammen. Aber wer hat die alte Chemie denn nun angezündet? Rollenspieler, Satanisten, Okkultisten oder alle zusammen in Personalunion?

Reich an gut recherchiertem Hintergrundwissen, implementiert die Redaktion auch einen Infokasten in den Artikel, der mal wieder aus dem ersten Absatz eines Wikipedia-Eintrags zusammenkopiert wurde. Dieser Redaktion und ihren geheimen Informationsquellen glaube ich doch alles! Ist es denn so problematisch, die Quellenangabe unter die Infobox zu setzen? Zur Veranschaulichung dessen, was an manchen Universitäten mit Exmatrikulation bestraft wird, sei hier eine Gegenüberstellung der Wikipedia-Quelle und des OZ-Infotextes aufgeführt:

Dass diese Art des Plagiats in der Redaktion nicht zum ersten Mal vorkommt, habe ich bereits an dieser Stelle, als es um das Thema Freefight ging, dokumentiert.

Wem nützt dieser Brand eigentlich?

Soll sich die Öffentlichkeit mit diesem Verdachtsmoment zufrieden geben, dass im abgesperrten Gebäude eine schwarze Messe stattgefunden hätte und die rollenspielenden Satanisten mit Teelichtern einen Brand ausgelöst hätten, den sie nicht mehr kontrollieren konnten? Entsteht so ein derart gewaltiges Feuer?

Wer profitiert eigentlich von der Totalbeschädigung eines versicherten Gebäudes, das vielleicht nicht unter Denkmalschutz stand, aber aufgrund der nicht unbeträchtlichen chemischen Verseuchung durch seine frühere Nutzung nur schwer verkäuflich ist? Was hätte eine umfassende Dekontaminierung der alten Chemie gekostet?

Ist dieses Objekt nicht durch seine abgelegene, dunkle und ruhige Lage für eine Brandstiftung prädestiniert? Entsteht so ein großer und sich derartig schnell ausbreitender Brand durch einen Unfall mit Teelichtern, oder bedarf es dafür weiterer Vorbereitungen? Werden Ermittlungen bezüglich einer organisierten Brandstiftung nicht durch das Vorhandensein chemischer Reststoffe erschwert?

Alles eine Frage der Spekulation

Diese Fragen lassen sich wohl kaum innerhalb von drei Tagen beantworten. Aber ist es nicht noch zu früh für den okkulten Tatverdacht und die präsentierten Teelichter? Entschlossene Ermittlungen und vor allem eine investigative Lokalredaktion sehen irgendwie anders aus. Es bleibt also abzuwarten, was mit dem zerstörten Objekt passieren wird, wer dieses Gebäude kauft und in Zukunft nutzen wird. Dann darf weiter spekuliert werden, aber bis dahin warten wir doch noch besser mit der Jagd auf Rollenspieler und blasse Messdiener!

Großfeuer in der alten Chemie *Update*

Hat Greifswald ein weiteres historisches Gebäude verloren? In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages ist im alten Institut der Chemie ein Großbrand ausgebrochen, der den hölzernen Dachstuhl des Gebäude zerstörte und einen Totalschaden verursachte.

Die Pressestelle der Universität reagierte umgehend und informiert auf ihrer Homepage über den Brand: „Nach Informationen der Berufsfeuerwehr Greifswald meldete gegen 6.30 Uhr der Wachschutz der Universität starke Rauchentwicklung auf dem Dach eines Gebäudes in der Soldmannstraße unweit des Bahnhofes. Als die Feuerwehr wenige Minuten später eintraf, seien aus dem Dachstuhl der ehemaligen Chemie bereits meterhohe Flammen geschlagen. Die Berufsfeuerwehr wurde durch die Freiwilligen Feuerwehren Greifswald und Dersekow unterstützt.

Am Vormittag konnte das Feuer unter Kontrolle gebracht werden. Kurze Zeit später konnten mit dem Löschen von Glutnestern begonnen werden. Die Feuerwehr wird eine Brandwache einsetzen. Die Brandursache ist noch unklar. Die Polizei ermittelt. Die Schadenssumme muss noch ermittelt werden. Die Universität geht derzeit von einem Totalschaden aus.“

Alte Chemie

(Foto: heynaaah via Twitter)

Ladenhüter mit Totalschaden

Zuvor berichtete allerdings der webMoritz in atemberaubender Geschwindigkeit über das Feuer und terminierte den Ausbruch des Brandes auf „kurz nach 5 Uhr“. Die dort veröffentlichten Fotos sind noch eindrucksvoller als die der Pressestelle, denn das Flammenmeer züngelte zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme vor der düsteren Kulisse des grauenden Morgens.

Das Gebäude stand seit vier Jahren leer, die Chemikerinnen sind damals an den Beitz-Platz gezogen. Die Veräußerung der Immobilie gestaltet sich aufgrund ihrer chemischen Belastung schwierig. Insofern dürfte das Feuer für die Universität nicht unbedingt ungelegen kommen, wenngleich sich auch hier das schadstoffroutinierte und ewig obdachlose Studententheater hätte unterbringen lassen können.

Bleibt zu hoffen, dass jetzt nach dem wahrscheinlichen Abriss keine buntbalkonigen Wohnheime in der Soldmannstraße entstehen.

*Update*

Inzwischen hat der NDR einen kurzen Radiobeitrag veröffentlicht, der auf der Seite des Senders oder hier gehört werden kann.

Liberale Hochschulgruppe demonstriert pünktlich zum Winnenden-Prozess mit Paintball-Turnier

Auch wenn es ist inzwischen schon etwas ermüdend ist, im Wochentakt auf der Liberalen Hochschulgruppe aus Greifswald herumzuhacken, die jüngste Verlautbarung der LHG ist einfach zu absurd, um sie schweigend im Nachrichtenstrom versiegen zu lassen.

Auf der Flucht vor der eigenen Saftlosigkeit

Zugegeben, Hochschulpolitik mag ein wichtiges Anliegen sein, ein Tempel der Befriedigung politischen Gestaltungswillens ist sie sicher nicht. Und so vermag es kaum zu verwundern, dass einzelne Vertreterinnen oder ganze Hochschulgruppen hier und da der Saftlosigkeit ihres universitären Aktionsraumes  entfliehen wollen, um entweder ein Stück Lebenswirklichkeit mitzubekommen oder sich Themen größerer Relevanz zuzuwenden.

stupa Greifswald

(Foto: webMoritz)

Kämpfte die Liberale Hochschulgruppe noch vor knapp drei Wochen beim Demokratiefest im benachbarten Anklam mit Populismen gegen Populismus, so wendet sie sich jetzt einer bundespolitischen Debatte zu und stellt fest: „Täglich greift der Staat durch Gebote und Verbote in unsere Freiheitsrechte ein, kontrolliert und verfolgt uns auf Schritt und Tritt bis in die intimsten Bereiche individueller Selbstbestimmung. Fatale Szenarien wie der Amoklauf von Winnenden werden mit Vorliebe medial dazu missbraucht, die Bürger in Angst und Misstrauen zu versetzen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, sie befänden sich in stetiger Gefahr, um so eine weitere Reglementierungen [sic!] zu rechtfertigen.“

Klingt doch eigentlich vernünftig, zumindest bis hierhin. Doch kurz darauf wird erläutert, welches Freiheitsrecht gemeint ist, das vor den Reglementierungen zu schützen sei, denn es „forderten Unionspolitiker nach dem Amoklauf von Winnenden eine weitere Verschärfung der Waffengesetze! Die LHG Greifswald ist entschieden gegen diese Überreglementierung.“

Fällt den jungen Liberalen zum Themenkomplex um gläserne Bürger, schrumpfende Freiheitsrechte, Bankgeheimnis, Kontrolle und Repression nichts Dringlicheres ein, als sich zuerst um privaten Waffenbesitz zu sorgen?

Mangelnde Pietät gegenüber den Opfern

Das Timing stimmt, denn heute soll vor dem Landgericht Stuttgart der Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden fortgesetzt werden. Dieser muss sich dafür verantworten, dass er seinem Sohn Zugriff auf eine erlaubnispflichtige Schusswaffe sowie entsprechende Munition ermöglicht hatte.

liberal nra

Der damals siebzehnjährige Amokläufer tötete in Winnenden und Wendlingen insgesamt 15 Menschen und sich selbst. Tritt die LHG jetzt in die Fußstapfen der Lobby-Organisation NRA (National Rifle Association), die so sehr auf die Wehrhaftig- und Schießwütigkeit der US-amerikanischen Bevölkerung erpicht ist?

Ist die Ausrichtung eines Paintball-Turniers ein origineller Beitrag zur Debatte oder nicht vielmehr der Versuch, sich unter Auslassung einer inhaltlichen Vertiefung zu positionieren? Angesichts des Stuttgarter Prozesses doch eigentlich eine Pietätlosgikeit für die Opfer und deren Angehörigen. Und bedeuten die bunten Paintball-Geschosse nicht eine logische Fortsetzung der Blechdosen, die den Anklamern zum Abwurf vor die Nase gesetzt wurden?

liberale hochschulgruppe greifswald

„Verbote verbieten!“

Das anvisierte Turnier wird an einem Sonnabend im November stattfinden, soviel ist sicher. Wie offen das Angebot auch für Nichtangehörige der LHG ist, bleibt abzuwarten – die Einladung richtet sich an Freunde und Mitglieder, aber die entsprechende Doodle-Liste kann auch per E-Mail angefragt werden.

Mitunter böte diese Möglichkeit der gespielt kriegerischen Auseinandersetzung ja auch eine unterhaltsame und vor allem (noch) legale Option für Gegnerinnen der Gruppe, ihren Antipathien Raum zu geben: den politischen Gegner erschießt man schließlich nicht mehr und Farbbeutel sind ebenfalls aus der Mode gekommen.

Bei den politischen Inszenierungen, die wir inzwischen von der LHG gewohnt sind, beruhigt allein die Bodenhaftung, die sich die Autorin der Paintball-Einladung, Juliane Hille, bewahrt hat und die man von ihren Kollegen oft so schmerzlich vermisst. Sie weiß offensichtlich um das politische Gewicht der LHG und mahnt abschließend:

ACHTUNG: Damit das Turnier stattfinden kann, sind mindestens 6 Teilnehmer erforderlich.

Wer mit Paintball nichts anfangen kann, darf sich bei der Betrachtung des folgenden Videos aus dem Greifswalder Paintballbunker vorstellen, wie sich die liberalen Überreglementierungsgegnerinnen dort über die Wiese jagen werden.

Die komplette Meldung der LHG ist hier zu finden.

2. Internationale Tortenakademie

Ein Jahr ist seit der Ersten Internationalen Tortenakademie vergangen und es darf frohmütig verkündet werden, dass das konditoriale Spektakel in diesem Herbst wiederaufgelegt werden wird.

Im Oktober 2009 rief das Betreiberkollektiv des Greifswalder Kunstraumes Alte Bäckerei zum ersten Mal den lukullischen Wettstreit aus und verzeichnete  ganze 14 eingereichte Torten und viele neue Besucherinnen.

Tortenakademie Greifswald

(Foto: Stefanie Riech)

Tortenakademie: Allein backen, zusammen essen

internationale tortenakademieDie Idee der Internationalen Tortenakademie ist schnell beschrieben: die fertigen Kreationen werden am Sonnabend, dem 30.12. zwischen 12 und 18 Uhr in der Alten Bäckerei abgegeben. Dann findet am Folgetag um 14 Uhr die Siegerehrung statt, auf der die Gewinnertorten gekürt werden. Begleitet von heißem Kaffee, werden die Exponate anschließend gemeinsam verschlungen.

Dieses Mal gibt es sogar etwas zu gewinnen, denn die besten Torten werden mit je zwei Eintrittskarten für das Theater oder die laufende Ausstellung Die Geburt der Romantik im Pommerschen Landesmuseum prämiert. Außerdem soll es noch einen Überraschungsgutschein geben.

Wer sich für die Hintergründe der Alten Bäckerei und deren Betreibertrio interessiert, findet womöglich in diesem längeren Interview Aufschluss und Antworten. Vom letzten Jahr gibt es auch einige schicke Tortenfotos.

Torten ins Hernandez-Lesecafé tragen

Während am Sonnabend also die fertigen Torten abgegeben werden können, wird der Ausstellungsraum auch zum Literaturcafé. Anlässlich des 100. Geburtstags des spanischen Poeten Miguel Hernández, der unter dem Franco-Regime inhaftiert wurde und schließlich als politischer Gefangener im Gefängnis verstarb, wird in der Alten Bäckerei auch eine Veranstaltungsreihe enden, die an den Spanier erinnern will.

Das komplette Programm der Hernandez-Tage, die am Mittwochabend im Falladahaus und später im Café Pariser eröffnet werden, ist hier zu finden. Weitere Veranstaltungen finden in den Kunstwerkstätten, im IKUWO und im Antiquariat Rose statt.

Fakten:
30.10. | 12 – 18 Uhr | Alte Bäckerei (Feld-/Mehringstr.) (Tortenabgabe)
30.10. | ab 14 Uhr | Alte Bäckerei (Lesecafé)
31.10. | 14 Uhr | Alte Bäckerei (Siegerehrung)