Eine Ode an den Orient im Café Pariser

Die guten Zeiten im Café Pariser leben eigentlich nur noch in stetig verblassender Erinnerung. Das Hausprojekt muss inzwischen ohne Förderung, dafür aber mit umso mehr linker Kritik und ruhebewahrender staatlicher Ordnungsmaßnahmen umgehen, ein Mehrfrontenkrieg ohne Aussicht auf Erfolg.

tomas raabeIn Anbetracht dieses Zustandes überrascht die Ankündigung einer Lesung, die am Mittwoch stattfinden wird. Unter dem Titel Der fliegende Teppich wird der Greifswalder Reiseliterat Tomas Raabe seine Impressionen des syrischen Orients teilen.

Vorgestellt werden unter anderem der sprichwörtliche „kleine Mann“ wie er lebt und was er hat, ein Wochentag auf einem Zwiebelmarkt, christliche Kurden und muslimische Araber, eine Hochzeit und Ruinen in der Wüste.

Leseproben aus einem Buch Tomas Raabes stehen auf seiner Homepage zur Verfügung. Aus aktuellem Anlass wird der Autor auch eine Passage aus der Philosophischen Geographie einer Reise (erschienen 2006) lesen, in der er seine Erlebnisse am afghanischen Salang-Pass im Februar 2004 schildert.

Fakten: 17. 02. | 21 Uhr | Café Pariser (Kapaunenstr. 20) | Eintritt frei
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Pop am Wochenende: Jan Degenhardt „Le Déserteur“

Die Reihe „Pop am Wochenende“ versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.
degenhardtIn den vergangenen Jahren ist es um den Liedermacher Jan Degenhardt ruhig geworden. Der Sohn des berühmten 68-Singer-Songwriters Franz-Josef Degenhardt erreichte im Jahr 2000 den zweiten Platz im Wettbewerb Deutscher Folkförderpreis, der  inzwischen zum Deutschen Weltmusikpreis verwandelt wurde und jährlich beim Rudolstädter Tanz- und Folkfest vergeben wird.

Der Fachanwalt für Familienrecht war von 1990 bis 1993 als Dozent an der Universität Greifswald tätig und hat sich 1992 mit einer Kanzlei in der Hansestadt niedergelassen.

Sowohl sein Vater als auch sein Bruder Kai sind noch immer als Musiker aktiv und veröffentlichen stetig. Kai Degenhardt, seines Zeichens ebenfalls Liedermacher, ist heute Abend im St. Spiritus zu Gast.

degenhardt-kaiPolitische Lieder, Montagetechnik und „eigener Sound“ Kai Degenhardt zählt seine Musik zu dem Genre, das die Anglo-Amerikaner „Singer-Songwriter“ nennen und das bei uns unter „Liedermacherei“ läuft. Natürlich macht er politische Lieder – was auch sonst. Er schreibt und singt von sich und Gott und Welt und wie das alles zusammenhängt. Im landläufigen -sabinechristiansigen- aber ist seine Musikabsolut unpolitisch. Weder die Pendlerpauschale noch die Föderalismusreform werden von ihm auch nur im Ansatz textlich oder musikalisch behandelt.

Er bedient sich aus dem musikalischen Material der zeitgenössischen U-Musik, von Folk bis „Clicks’n Cuts“. Die verschiedenen Stilrichtungen benutzt er dabei für seine Zwecke. Das verdeutlicht er, indem er Ihnen Ihre musikalischen Sättigungsbeilagen entzieht. Der dabei mitunter entstehende musikalische Verfremdungseffekt gefällt ihm.

Fakten: 13.02. | 19.30 Uhr | St. Spiritus | 10 EUR / 8 EUR (erm.)

JAN DEGENHARDT „LE DÉSERTEUR“

Anbei ein Coverversion Jan Degenhardts von Boris Vians skandalösen Le déserteur, einem französischen Chanson, das seine militärkritische Stimme zur Zeit des französischen Algerien-Engagements erhebt. Es wurde 1955 von den Pariser Behörden zensiert.

Gedenken in Greifswald, Blockieren in Dresden!

Der Arbeitskreis Kirche & Judentum lädt morgen zu einer Gedenkwanderung durch die Greifswalder Innenstadt ein. Anlass der Versammlung ist der siebzigste Jahrestag der Deportation jüdischer Bürgerinnen und Bürger.

Am 10.07.2008 verlegte der Künstler Gunter Demnig nach unzähligen anderen Städten endlich auch in Greifswald seine inzwischen berühmten Stolpersteine, die der Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Ein Teil dieser Steine markiert die Wohnorte verfolgter und deportierter Juden und wird die Route der Wanderung maßgeblich bestimmen.

Zur Judendeportation

Am 13. Februar 1940 fand die reichsweit erste Deportation von Juden statt. Vollzogen wurde sie an Menschen aus dem Regierungsbezirk Stettin. Unter den Betroffenen befanden sich vier namentlich bekannte Personen aus Greifswald: Else Burchard, Georg und Friederike Feldmann und Elise Rosenberg.

gedenkveranstaltung stolpersteine Insgesamt wurden nachweislich 1.120 Menschen aus dem Stettiner Regierungsbezirk deportiert, darunter vier Schwangere, die ihre Kinder am Deportationsort zur Welt brachten. Die meisten Betroffenen gehörten zur älteren und alten Generation. Nach bisheriger Kenntnis überlebten nur 19 Personen dieser Deportierten den Zweiten Weltkrieg. Über 70 der Verschleppten starben schon während oder infolge des viertägigen Transportes in die Region um Lublin. Viele andere starben unter unmenschlichen Bedingungen in den polnischen Deportationsorten Piaski, Głusk und Bełzice.

Mehr als die Hälfte wurden schließlich 1942/43 in den Vernichtungsstätten Bełzec, Sobibór und Majdanek umgebracht. Das 1940 völlig neuartige Geschehen wurde international beobachtet. Es blieb auch den deutschen Nachbarn nicht verborgen. Trotzdem ist dieses schockierende Geschehen in der Region heute nahezu vergessen.

Dresden: No Pasarán!

In Dresden versuchen Neonazis indes, den größten Naziaufmarsch Europas zu organisieren. Das Vorspiel der vergangenen Wochen, die konsequente Kriminalisierung jeglichen – auch bürgerlichen – Widerstands und zuletzt die Ankündigung des Innenministers, die anwesenden Polizisten mit Pepperballs, also mit Reizpfefferextrakt gefüllten Bällen, die beim Aufprall Pfeffergas freisetzen und in den USA schon ein Menschenleben gekostet haben, auszurüsten, verdeutlichen eindrucksvoll, mit welcher repressiven Qualität das sächsische Innenministerium agiert.

Die bündnisübergreifende Kampagne No Pasaran mobilisiert bundesweit für die absolute Blockade der Nazidemonstration, die jüngsten Meldungen zufolge durch das alternativ geprägte Viertel Neustadt geleitet wird. Ein Bus von [’solid] soll angeblich noch wenige freie Plätze haben (Bei Interesse unter bus[ät]solid-mv.de melden). Ein Mobilisierungsvideo, bei dem Bodo Strahlemann vor Freude eine Extrarunde gedreht hätte, gibt es auch.

Fakten: Gedenkveranstaltung | 13.02. | 10.30 Uhr | Universitätshof (Hist. Institut)

Veranstaltungshinweis: Trottel Stereodream Experience (HU)

Wieso nicht den heutigen Donnerstag psychedelisch ausklingen lassen? Im IKUWO lockt man mit Besuchern aus Budapest, die sich als Reiseleiter einer experimentell-spirituellen Wallfahrt zwischen ungarischer Folklore und unungarischer Electronica andienen.

trottel greifswaldTrottel, deren Mitglieder teils zu den Ur-Punks von Budapest zählten, fingen in den 80ern als fricklige Hardcore-Band mit Tendenz zu stetig komplexer werdenden Strukturen und ultra-langen Kompositionen an. Im Laufe der Entwicklung wurde daraus allmählich eine Art freifließender Psychedelia-Folk-Groove mit Electronica-Elementen, der in elektro-akustischer Klangalchemie durch die Wahrnehmungslandschaft mäandert und vom Punk den DIY-Spirit und die Energie übrig ließ.

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Die Band, die auf ihren endlosen Touren übrigens vor über 10 Jahren bereits im Greifswalder Cafe Quarks gastierte, kommt mit neuem Album namens ‚Embryo‘ im Gepäck und lädt zu intensiven Extended-Exkursionen durch irrlichternde Puszta-Krautrock-Ambient-World-Dub-Dance-Arrangements, in denen es sich nicht nur vortrefflich in Stereo träumen lässt, sondern sicher auch Anreiz zum Tanz steckt

Fakten: 21 Uhr | 11.02. | IKUWO | 4 EUR

Hakenkreuze am IKUWO

Es muss ein unangenehmes Erlebnis für die Bewohner und Bewohnerinnen des Internationalen Kultur- und Wohnprojektes gewesen sein, als sie am heutigen Morgen die Fassade des IKUWO in Augenschein nahmen. In der vergangenen Nacht sind ganz offensichtlich mit Sprühdosen ausgerüstete Neonazis unterwegs gewesen.

Drei Hakenkreuze findet man jetzt an der Hauswand. Aber die sprühenden Neonazis waren nicht nur in der Goethestraße zu Werke, über den Informationsdienst Twitter wurde die Nachricht von weiteren verbotenen rechten Schmierereien vermeldet.

Das Geschehene reiht sich in eine unrühmliche und junge Traditionslinie rechter Aktionen gegen das IKUWO. Erst vor knapp sechs Wochen wurde in der Nacht vor Silvester vor der Haustür des Freiraumes eine tote Katze mit einem in den Kopf genagelten Antifa-Aufkleber deponiert. Ich deute die Straftat als Greifswalder Statement zur größten Nazi-Demonstration Europas am 13. Februar.

Projekt „klein stadt GROSS“ geht in die nächste Runde

Im Oktober 2009 wurde der Sampler klein stadt GROSS, der neben verschiedenen Greifswalder Musikern auch neun bildende Künstler und Künstlerinnen präsentierte und später auch miteinander vernetzte, veröffentlicht. Die CDs sind inzwischen beinahe ausverkauft.

schlagzeugDerweil kündigt die Projektgruppe eine neue Veröffentlichung an und bittet dafür um Mithilfe, um abermals sowohl als künstlerische Plattform als auch als lokalkulturelles Sammelbecken dienen zu können.

Dieses Mal soll Filmkünstlern die Gelegenheit gegeben werden, ihre Arbeiten zu präsentieren. Im April wird daher statt einer CD eine DVD erscheinen, auf der Kurzfilme, Animationen und sonstige denkbare Varianten von bewegten Bildern zu sehen sein werden. Dazu sind alle Interessierten der Stadt aufgerufen, ihr Filmmaterial einzureichen. Inhaltlich sind dem künstlerischen Geist keine Grenzen gesetzt, denn auch diese Kompilation soll von Diversität und Individualität geprägt sein. Die besten Einsendungen werden dann in das DVD-Programm integriert.

Filmische Beiträge, ganz gleich, ob es sich dabei um Kurzfilme, Animationen oder etwas anderes handelt, sind bis zum – kein Witz – ersten April einzureichen. Die postalischen und elektronischen Kontaktmöglichkeiten findet man auf der KSG-Internetpräsenz.

Was wird außerdem auf der DVD sein? „Projekt „klein stadt GROSS“ geht in die nächste Runde“ weiterlesen