In diesem Augenblick begleiten etwa 100 Greifswalder Bürgerinnen die Neuverlegung der Stolpersteine, die in der Nacht zum 9. November 2012 von Neonazis entfernt wurden und nun, am Tag des Grundgesetzes, ersetzt werden.
In der Robert-Blum-Straße erinnerte ein Schüler der Martin-Schule mit einer kurzen Rede an das Schicksal von Alice Margarethe Weissmann und Paula Gabriele Sichel, die beide am 6. Oktober 1943 nach Theresienstadt deportiert wurden und dort ums Leben kamen. Unter den Gästen waren unter anderem Oberbürgermeister Arthur König (CDU) der neue Prorektor der Universität, Eckhard Schumacher, sowie Christine Dembski, Koordinatorin des Präventionsrates.
Die Neuverlegung der Stolpersteine wird bis 14 Uhr andauern. Wer noch an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen möchte, findet hier Zeiten und Orte.
Über 100 interessierte Zuhörerinnen besuchten am vergangenen Sonntag im Pommerschen Landesmuseum die Finissage zu Robert Conrads Ausstellung Heimatkunde, die seit ihrer Eröffnung am 1. Oktober 2012 mehr als 18.000 Besucher zählte. Damit konnte die im Januar um einen weiteren Monat verlängerte Ausstellung die zweitstärksten Publikumszahlen seit der Geburt der Romantik für sich verbuchen.
„Kulturfrevel“ im Geiste seiner Zeit
Nach kurzer Einführung durch Mario Scarabis bedankte sich Robert Conrad artig für den überwältigenden Publikumszuspruch und vermachte anschließend der Stadt eine seiner Fotografien, die an Ort und Stelle dem anwesenden Oberbürgermeister Arthur König (CDU) überreicht wurde. Nachdem Höflichkeiten und Ehrerbietungen ausgetauscht waren, las der Architekturfotograf Auszüge aus dem Buch Zerfall und Abriss sowie der Zeitschrift Horch und Guck.
Conrad verharrte nicht in den mitgebrachten Texten, sondern vermengte sie mit Erinnerungen und persönlichen Reflektionen, wodurch er immer wieder eine begehbare Brücke von den Achtziger Jahren bis in die Gegenwart schlug. Aus seiner Haltung zu den Flächenabrissen in der Greifswalder Altstadt machte er zu keinem Zeitpunkt einen Hehl: Die massenhafte Zerstörung historischer Bausubstanz bewertet er als „Kulturfrevel“, lenkte jedoch mit Verweis auf die alte Bundesrepublik, Schweden oder Großbritannien ein, dass diese „Geschichtsvergessenheit dem Zeitgeist entsprach.“
Die kleinteiligen Greifswalder Plattenbauten, die zu einem eigenen Typus wurden, waren „planungsgeschichtliche Sonderfälle“ und die grundlegenden Baumaßnahmen in der Hansestadt sollten als „Blaupause für den Umbau kleinerer Städte wie Bernau oder Gotha“ dienen.
Bauliche Brennpunkte heute
Mit Blick auf die gegenwärtig geplanten Abrisse in der Greifswalder Altstadt, zählte Robert Conrad mehrere bauliche Brennpunkte auf, an denen historische Bausubstanz durch Umgestaltungsabsichten bedroht ist. Angefangen beim Alten Speicher am Hafen, dessen Abriss bereits genehmigt wurde, über den klassizistischen Eckbau Knopfstraße/Loefflerstraße bis zum Gesellschaftshaus Stralsunder Straße 10, für dessen Rettung nach fünfjährigem Leerstand seit kurzem wieder ein Funken Hoffnung besteht.
Ein ebenfalls bedrohtes Ensemble — einer der ältesten Vorstadtbauten Greifswalds — befindet sich in der Brinkstraße 16-17. Nach dem der etwa 150 Jahre alte Gebäudekomplex verkauft wurde, erhielten alle Mieter und der dort residierende Bioladen die Kündigung ihrer Mietverträge zum 31. März. Der Abriss sollte 2014 erfolgen, doch inzwischen hat ein weiterer Eigentümerwechsel stattgefunden und die Zukunft der Brinkstraße 16–17 ist wieder offen.
Robert Conrad machte nach seiner Lesung Platz auf dem Podium für den Vertreter einer Arbeitsgruppe, die sich binnen kürzester Zeit mit dem Ziel gründete, dieses Objekt vor dem Abriss zu retten und die interessanten wie kostengünstigen Räume für Menschen und Projekte zu erschließen. Die Gruppe veranstaltet am Donnerstag (7.3.) im Koeppenhaus einen Informationsabend, auf dem sie ab 19.30 Uhr sich und das zu rettende Gebäude in der Brinkstraße vorstellen wird. Mehr Informationen dazu sind auf einem Flyer der Initiative (pdf, 121kb) gebündelt.
Zukünftige Möglichkeiten
In der anschließenden Publikumsdiskussion erntete Robert Conrad nicht nur Applaus, sondern auch Kritik. Peter Multhauf (Die Linke) — ein Befürworter des Flächenabrisses — störte sich an dem subjektiven Blick, den Heimatkunde auf Greifswald wirft. Der Kommunalpolitiker vermisste darin vor allem Fotografien, die den desolaten Zustand der Altstadt abbilden und merkte an, niemanden zu kennen, „der in den neugebauten Plattenbauten nicht gerne gewohnt hätte“.
Den Abriss der Kollwitz-Schule befürwortete der Vielredner („nicht erhaltenswert“) genauso wie Oberbürgermeister Arthur König, den wiederum Zweifel an einer rentablen Restaurierung des Alten Speichers plagten. Robert Conrad begegnete dieser Kritik mit einem Hinweis auf einen Speicher in Barth. Dabei argumentierte er für intelligente Nutzungskonzepte und eine kreative Sanierungen, die nötig seien, um den Verlust weiterer historischer Bauten in Greifswald zu verhindern.
Ungeachtet dieser Kritik an der subjektiven Dokumentation der verheerenden Umgestaltungen der Greifswalder Altstadt in den Achtziger Jahren bleibt zu resümieren, dass Heimatkunde nicht nur bezüglich der Besucherzahlen eine der erfolgreichsten Ausstellung war, die ihr Publikum wie kaum ein anderes Projekt dieser Zeit für die historische Bausubstanz der Stadt sensibilisierte und gleichsam als Impulsgeber für kommende baupolitische Diskussionen taugt.
Es ist einfach nur beschämend. In der Nacht zum 9. November entfernten Unbekannte in der Greifswalder Innenstadt die Stolpersteine, die dort im Sommer 2008 vom Künstler Gunter Demnig verlegt wurden, um an das Schicksal der deportierten und ermordeten Juden im Dritten Reich zu erinnern. „Mutmaßliche Neonazis entfernten „Stolpersteine““ weiterlesen →
Die Greifswalder Bürgerschaft hat heute auf ihrer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen, die Zusammenarbeit mit dem Sanierungsträger BauBeCon nach zwanzigjähriger Kooperation zu beenden.
GEMAUSCHELT, GEEINIGT, GEKÜNDIGT
Der Abstimmung ist eine Vertrauenskrise zwischen Stadtverwaltung, BauBeCon und Bevölkerung vorausgegangen, die sich im Zuge der Veröffentlichung immer weiterer Details um den Bau des Technischen Rathauses verstetigte und 2010 zu einem kommunalen Untersuchungsausschuss führte. Die BauBeCon begleitet als Unternehmen die letzten beiden Jahrzehnte die Sanierung der Stadt Greifswald und wachte dabei treuhänderisch über Gelder in Höhe von bislang 140 Millionen Euro. Bei der Verwendung der Gelder und bei der Vergabe von Architektenleistungen traten Unregelmäßigkeiten zutage, die in der Fälschung der Unterschrift des Oberbürgermeisters Arthur König (CDU) gipfelten und auch zu staatsanwaltlichen Ermittlungen führten.
Obwohl der Untersuchungsausschuss der BauBeCon ein schlechtes Zeugnis ausstellte und Zweifel ob einer zukünftigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Stadt und Sanierungsträger nährte, passierte erstmal wenig. Der Vertrag mit der BauBeCon wurde zwar im September 2011 nach einem Beschluss der Bürgerschaft gekündigt, doch der Kündigung folgten Vergleichsverhandlungen, die zum vorläufigen Fortbestehen der Kooperation führten.
Kurz vor Abschluss dieses Vergleichs im Dezember 2011 sollen nach Auskunft der Stadtverwaltung weitere Unregelmäßigkeiten bei bestimmten Rechnungsvorgängen zutage getreten sein. Stadt und BauBeCon schlossen daraufhin kurz vor Ende der Kündigungsfrist ein Stillhalteabkommen, um vor der endgültigen Entscheidung über die weitere Zusammenarbeit „umfängliche Rechnungsprüfungen“ durchzuführen, unter anderem „durch einen Wirtschaftsprüfer, den BauBeCon von sich aus beauftragte.“
RUND 850.000 EURO SANIERUNGSGELDER VERUNTREUT?
Parallel dazu soll auch die Verwaltung mit der Prüfung ungeklärter Rechnungsvorgänge beauftragt worden sein, bei denen „im Frühjahr 2012 mehr und mehr ungeklärte Rechnungsvorgänge zum Vorschein“ kamen, die „größtenteils bis dato nicht erklärbar sind.“ Es soll dabei um Gelder in Höhe von rund 850.000 Euro gehen, die „ohne nachvollziehbare Aufträge an verschiedene Ingenieurbüros und Baufirmen“ gezahlt worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Nach eigener Darstellung führte die Stadt seither „zähe Verhandlungen“ mit der BauBeCon über eine „zumindest anteilige Schadensübernahme“, die schlussendlich nicht zum Abschluss gebracht wurden.
Die Stadtverwaltung kündigt an, während der Übergangszeit — also bis zur Einrichtung eines neuen Sanierungsregimes — die Sanierungsträgerarbeiten in Eigenregie erbringen zu wollen und jetzt dafür die notwendigen Voraussetzungen, unter anderem die Schaffung von zwei bis drei neuen Stellen, umzusetzen. Diesem Plan muss das Innenministerium noch zustimmen.
Time to say goodbye – Untersuchungsausschuss läutet politisches Ende des Bürgerschaftspräsidenten Liskow (CDU) ein (Fleischervorstadt-Blog, 26.05.2011)
Frank und frei: Disziplinierungsmaßnahme innerhalb der Greifswalder CDU-Fraktion (Fleischervorstadt-Blog, 15.04.2011)
Neuigkeiten von der Straze. Für das im Januar 2008 von der Universität an das Petruswerk verkaufte Haus stehen die Zeichen der Zeit zwar längst auf Verfall, doch vor kurzem wendete sich das Blatt. Die Greifswalder Stadtverwaltung lehnte nämlich den vom Petruswerk beantragten — und vermutlich auch von Anfang an intendierten — Abriss ab.
KULTURRAUM VS. PROFITTRAUM
Das denkmalgeschützte und in Vorpommern einmalige Haus, für dessen Finanzierung und Nutzung das Konzept eines Greifswalder Vereins vorlag, ist bislang allerdings noch nicht gerettet.
Dem Petruswerk steht es jetzt frei, sich mit dem Fall an die oberste Bauaufsichtsbehörde in Schwerin zu wenden, um der Stadt vielleicht doch noch ein paar hochrentable Studierendenappartments zu verpassen, oder die Stralsunder Str. 10/11 endlich zu verkaufen, damit der Verfall des Hauses aufgehalten werden kann.
Das beabsichtigen die Urheberinnen einer Petition, von der auf dem grünen Wildwuchs-Blog berichtet wird. Diese ist unter anderem an Ministerpräsident Sellering, die Landesregierung MV, das Landesamt für Denkmalpflege, die Universitäts- und Hansestadt Greifswald und deren Oberbürgermeister König addressiert. Sie soll den Verantwortlichen nachdrücklich zeigen, dass „Greifswald das einzigartige Gebäude weiterhin braucht und es nicht einem unseriösen Immobilienhai überlassen möchte“.
ZEICHNET MIT UND UNTERSTÜTZT DIE ERHALTUNG DER STRAZE!
Es wird dazu aufgerufen, diese Petition zu unterschreiben, um so den Erhalt der Straze zu unterstützen. Die Petition findet ihr hier bei openpetition.de. Das Unterzeichnen dauert nur wenige Sekunden und ist wahlweise auch anonym möglich. Der Vorgang wird mit einer Bestätigung abgeschlossen, die euch — nachdem ihr mitgezeichnet habt — per E-Mail zugesandt wird.
Es ist nicht verkehrt, Freundinnen und Bekannte auf diese Petition aufmerksam zu machen und sie zur Unterstützung zu ermuntern, damit aus den bislang 22 Unterstützerinnen bedeutend mehr werden. Straze bleibt!
Das ist ja gerade nochmal gut gegangen: die Pläne zum innovativen Verkehrsprojekt Diagonalquerung sind bis auf weiteres abgeschmettert! Gut, damit kommt zwar erstmal auch keine neue Lichtsignalanlage an die Europakreuzung (ca. 25.000 EUR), aber dafür haben wir unterstrichen, wer hier der Kuchen und wer die Krümel sind.
SCHLUSS MIT DEM GEZAUDER, JETZT ÜBERNEHMEN WIR!
Ein wenig ins Straucheln kamen wir schon, als das Meinungsbild der OZ-Umfrage nicht mehr so klar gegen das Projekt ausfiel wie noch im Juni 2010, sondern stattdessen die Mehrheit für die Diagonalquerung votierte. Doch wir konnten alle Zauderer, die schon in Gedanken versunken mit der Idee der Fahrradhauptstadt flirteten, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.
Dafür mussten wir nicht mehr tun, als bei jeder Möglichkeit auf die exorbitant hohen Kosten des Projekts hinzuweisen, ohne dabei die Zuhörer mit Details zu übersättigen, wofür dieses Geld ausgegeben wird und welche Verkehrsteilnehmerinnen davon profitieren werden.
Am erfolgreichsten waren wir aber mit der Strategie, die verschiedenen Interessen gegeneinander in Stellung zu bringen: Autofahrer gegen Radfahrer, Fußgänger gegen Radfahrer, Kindergarten- und Schulkinder gegen Radfahrer und schließlich sogar Radfahrer selbst gegen Radfahrer, echt clever, oder? Und bei einem Haushaltsdefizit von sechs Millionen Euro muss sich auch niemand rechtfertigen, wenn kleinere Investitionen zurückgestellt werden.
HIER WERDEN SIE VERHOHNEPIPELT
Zugegeben, wir sind mächtig stolz auf unseren Coup — und den muss uns erstmal jemand nachmachen! Erst reden wir der Öffentlichkeit ein, dass die Diagonalquerung mit kalkulierten Kosten von 185.000 Euro zu teuer sei, und wenige Wochen später schlagen wir vor, in der Rathenaustraße einen Radfahrerübergang zu bauen, für den 100.000 Euro bereitgestellt werden — freilich erst, nachdem ein seit Monaten vorliegendes Konzept jetzt nochmal geplant wird und die Bürgerschaft zu überzeugen weiß. Kostenpunkt für diese Planung: 12.000 Euro.
Wenn die Planung des bereits geplanten Verkehrsprojekts abgeschlossen ist und dieser Fahrradübergang zur Abstimmung kommt, haben wir sicher wieder einen guten Einfall, diesen Mumpitz zu verhindern. Verlassen sie sich da mal auf uns!
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Greifswald wirft 12.000 Euro im Radverkehr zum Fenster raus (daburna, 22.02.12)
Haushaltsrede Oberbürgermeister Arthur König (pdf-Dokument (39KB), 20.02.12)
Haushaltssatzung Greifswalds für 2012 beschlossen (webMoritz, 21.02.12)