Unter dem Motto „Wir sagen Moin und Merhaba“ findet am 1. Mai ein großes Kulturfest auf dem Greifswalder Marktplatz statt.
Am Sonntagnachmittag lädt das Bündnis Greifswald für alle zum Kulturfest auf dem Marktplatz ein. Die Veranstaltung, die unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Die Grünen) stattfindet, trägt den Titel „Wir sagen Moin und Merhaba“ und bietet ein abwechslungsreiches Programm.
Am Montagabend findet im Greifswalder Ostseeviertel wieder eine FFDG-Demonstration statt. Gegen den rechten Aufzug protestieren Gegendemonstranten mit einer Mahnwache
Die Folklore, mit der die rechte FFDG (Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit) seit September versucht, besorgte Bürger, Rassisten und Neonazis auf Greifswalds Straßen zu ziehen, ist inzwischen so stark ritualisiert, dass sich nicht mal mehr jemand die Mühe macht, neue Losungen für die Versammlungen der Hassbürger zu entwerfen. So werden am Montagabend erwartungsgemäß wieder etwa einhundert Personen unter dem bedeutungsschwangeren Thema „Gegen die aktuelle Politik und für die Zukunft unserer Kinder“ durch das Ostseeviertel ziehen und Deutschlandflagge zeigen.
Norbert Kühl (r.) bei seiner vorgezogenen Büttenrede vor dem Rathaus (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 2016)
Im vergangenen Jahr wurde in Greifswald gespalten und verbunden, bis sich die Balken bogen. Einerseits gab es Anlässe genug für eine ungesunde Portion Pessimismus, andererseits stimmen bestimmte Entwicklungen hoffnungsfroh. Ein Jahresrückblick mit Schlaglichtern aus Kommunalpolitik und Subkultur in der Hansestadt.
Kommunalpolitik: Historische Wende bei der Oberbürgermeister-Wahl
Selten erfuhr Greifswalder Kommunalpolitik so viel Aufmerksamkeit wie die Oberbürgermeisterwahl im Frühsommer. Das schlug sich zwar kaum in der Wahlbeteiligung nieder, sorgte dafür aber für bundesweite Öffentlichkeit. Der Gemeinschaftskandidat von Grünen, Linken, SPD und der Piratenpartei, Stefan Fassbinder, konnte sich in einer Stichwahl gegen seinen Konkurrenten Jörg Hochheim (CDU) mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur 15 Stimmen durchsetzen. Doch wer dachte, dass sich der historische Wechsel im Rathaus so reibungslos vollziehen ließe, wurde alsbald durch die drei Einsprüche von CDU-Mitgliedern beziehungsweise parteinahen Einzelpersonen eines Besseren belehrt.
Jubel auf der Wahlparty von Stefan Fassbinder (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 06/2015)
Eine verrutschte Fußmatte, die zwischenzeitlich nicht mehr als Türöffner dienen konnte und so den Wählenden einen der drei Eingänge ins Wahllokal temporär versperrte, wurde kurz darauf zur bundesweit belächelten Ikone der christdemokratischen Intervention. Aufgrund dieser Panne will der unterlegene Kandidat Hochheim nun vor Gericht. Die Verhandlung ist für den 19. Januar angesetzt. Kurz vor Weihnachten soll die CDU indes den anderen vier Parteien ein Angebot unterbreitet haben, um die Klage abzuwenden. Doch das Parteienbündnis erklärte in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass man zu keinem Handel bereit sei, „um dadurch die Rücknahme der Klage gegen das Ergebnis der OB-Stichwahl zu erreichen. Das verstößt gegen jegliche demokratischen Regeln. Wir kaufen keine Wahlergebnisse.“ Stefan Fassbinder hat am 1. November 2015 die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Arthur König (CDU) übernommen. „Jahresrückblick: Das war 2015“ weiterlesen →
Am Montagabend fanden in Greifswald mehrere Demonstrationen und Mahnwachen statt, die weitestgehend störungsfrei verliefen. Die rechten Asylgegner sammelten mit ihrem unfreiwilligen Spendenlauf insgesamt 450 Euro für die Greifswalder Flüchtlingshilfe.
Die beiden rechten Gruppierungen FFDG und „Greifswald wehrt sich“ veranstalteten am Montagabend eine Demonstration unter dem Motto „Deutschland unser Vaterland“. Bereits ab 18 Uhr versammelten sich etwa 180 Gegendemonstrierende an insgesamt vier Mahnwachen in unmittelbarer Nähe zum FFDG-Treffpunkt, um gegen die Fremdenfeindlichkeit und den Rassismus von der gegenüberliegenden Straßenseite zu protestieren. Auf der größten Mahnwache vor dem DLZ positionierte sich Rektorin Prof. Dr. Weber in einer kurzen, aber eindringlichen Rede gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus — Einstellungen, die mit einem universitären Wissenschaftsstandort unvereinbar seien. Im Laufe des Abends wurden weitere Redebeiträge gehalten, unter anderem von Jörg Kasbohm (Die Linke) und Anne Wolf (Alternative Liste). Dazwischen sorgte Greifsmusic dankbarerweise wieder für ein abwechslungsreiches Live-Programm.
Rektorin Prof. Dr. Weber erklärt Universität und Fremdenfeindlichkeit für unvereinbar (Foto: Fleischervorstadt-Blog)
Am Montagabend steht die nächste rechte Demo ins Haus, doch werden die Anhänger von FFDG und „Greifswald wehrt sich“ diesmal mit ihrer Veranstaltung auch etwas Gutes tun, denn das Bündnis „Greifswald für alle“ macht die Rechten zu besonderen Akteuren eines Spendenlaufs.
Seit September gehen in Greifswald „besorgte Bürger“, Rassisten und Neonazis auf die Straße und vergiften mit ihren Umzügen das bemüht weltoffene Klima der Stadt. Am Montag steht die nächste Runde an. Die beiden rechten Gruppen FFDG und „Greifswald wehrt sich“ rufen unter dem Motto „Deutschland unser Vaterland“ ihre Anhänger auf dem Pomeroder Platz (Beimler Str./Anklamer Str.) zusammen. In einem Mobilisierungsvideo wird das Motto des Umzugs mit einigen knackigen Forderungen wie „Für die Zukunft unserer Kinder“, „gegen Kriegstreiberei“, „Bildung statt Gender“, Gegen die Islamisierung Deutschlands“, „Für unsere Kultur“, „Für unsere Werte“ etc. konkretisiert. „„Greifswald für alle“ initiiert FFDG-Spendenlauf für Flüchtlingshilfe“ weiterlesen →
Am kommenden Montag lädt das Bündnis „Greifswald für alle“ zu einem Gedenkgang entlang der Stolpersteine durch die Innenstadt ein.
Seit September versammeln sich in Greifswald regelmäßig Neonazis, Rassisten und „besorgte Bürger“, um gemeinsam in Dresdener Manier in der Hansestadt aufzutreten. Diese von den Gruppen FFDG und „Greifswald wehrt sich“ organisierten Aufzüge riefen von Beginn an die lokale Zivilgesellschaft auf den Plan. Inzwischen wurde das Bündnis „Greifswald für alle“ gegründet, um den kontinuierlichen Protest gegen die rechten Versammlungen zu organisieren.
Am kommenden Montag organisiert das Bündnis einen Gedenkgang durch Greifswald. Das Datum ist historisch aufgeladen. Mit dem Gedenkgang soll einerseits an die naheliegenden dunklen Zeiten in Deutschland erinnert werden, andererseits wird der Anschluss an die lichten Momente des 9. Novembers 1989 gesucht. Bei diesem Gedenken dürfen Fremdenfeindlichkeit und die Ausgrenzung von Asylsuchenden keinen Platz in Deutschland und in Greifswald haben. In dem Aufruf heißt es weiter: „Wenn sich der Ungeist wieder meldet, wollen und dürfen wir nicht wegschauen.“
Der Gedenkgang wird entlang der seit 2008 vom Künstler Gunter Demnig in der Innenstadt verlegten Stolpersteine führen. Diese haben ihrerseits auch schon dunkle und lichte Zeiten hinter sich: Nachdem mutmaßliche Neonazis diese Gedenksymbole in der Nacht zum 9. November 2012 entfernt hatten, wurden sie und weitere Stolpersteine im Mai 2013 — nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Aktion — am Tag des Grundgesetzes neuverlegt. Inzwischen zählt man in Greifswald insgesamt 27 Stolpersteine an 17 unterschiedlichen Orten.
Mehr zum 9. November ist im Artikel München, Rostock, Wolgast? Das Problem heißt auch Kontinuität! (Fleischervorstadt-Blog, 07.11.2012) zu lesen. Kerzen und Lampions sind bei dem Rundgang als Zeichen für Erinnerung und Menschlichkeit erwünscht.