Aufruhr im Buddelkasten: StuPa-Wahlverlierer zanken um Bildungsfahrt

Es hätte alles so perfekt werden können: Nachdem die Greifswalder Studierenden im Januar ihre Vertretung wählten, werden die Gewinner des Votums am zweiten Aprilwochenende auf eine kleine Bildungsreise nach Heringsdorf geschickt.

Hier werden die neuen StuPistinnen in den von Satzungen, Haushalts- und Geschäftsordnungen geprägten Abenteuerspielplatz des Studierendenparlaments eingeführt. Man könnte sich dort persönlich kennenlernen und Gräben durch gezielte Brückenbaumaßnahmen überwinden.

EIN ENDE DES KINDERGARTENS

Wahlsiegerin Paula Oppermann begänne womöglich sogar, ihr Wahlversprechen umzusetzen: Dem Kindergarten im Stupa ein Ende zu bereiten. Alte Stupa-Veteraninnen teilten ihr Wissen mit den neuen Leuten, man fühlte sich miteinander verschweisst und nicht gegeneinander verschlissen und am Ende kehrten alle Stupisten motiviert nach Greifswald zurück – ein gemeinsames Ziel vor Augen.

Doch die Januarwahl hat bei einigen ihrer Verlierer „tiefe Wunde hinterlassen“, wie Alexander Müller in einem gelungenen Kommentar für die Ostsee-Zeitung am 21. Februar feststellte. Darin fütterte er die neue Lieblingsrubrik Auf dem Campus mit dem Gezänk und der Stimmungsmache, die vor zwei Wochen aus den Reihen der Liberalen Hochschulgruppe Greifswald (LHG) und dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) erklangen.

franz kuentzel asta greifswald
(Foto: AStA Greifswald)

Dort vermutete man eine Verschwörung des neuen, tendenziell jetzt eher linken, Stupas und unterstellte den Versuch, bewusst Konservative und Liberale auszuschließen, abzudrängen und nicht mitspielen zu lassen. Die außerplanmäßige Zusammenkunft der neuen Stupistinnen, die nach der Wahl Mitte Januar stattfand, initiierte der derzeitige Referent für Hochschulpolitik, Franz Küntzel.

Küntzel war früher selbst beim RCDS aktiv, kehrte der Organisation aber im Frühsommer 2010 mit anderen Gleichgesinnten den Rücken, um eine neue konservative Hochschulgruppe zu gründen.

Ihm wird vorgeworfen, nur die Wahlgewinner und drei der insgesamt neun Nachrückerinnen mitnehmen zu wollen, um persönlichen Differenzen Ausdruck zu verleihen und politische Gegner auszuicksen.

Ein gewisses Geschmäckle lässt sich daher hier nicht verbergen, ist Küntzel doch selbst ehemaliges RCDS-Mitglied und hat diesen Verband im Streit verlassen. Auch zu den Liberalen besteht kein besonders gutes Verhältnis, mussten diese sich doch von ihm schon unter anderem der Steuerhinterziehung bezichtigen lassen. […] Sollte hier ein Versuch bestehen, politisch Unliebsame von der Beteiligung auszuschließen? (Pressemitteilung LHG)

RCDS BEFÜRCHTETE VOLLENDETE TATSACHEN

(Foto: RCDS Greifswald)

Auch der RCDS veröffentlichte umgehend eine Pressemitteilung, in der die „hochschulpolitisch aktiven Studenten“ zu gegenseitiger Unterstützung und zum Verzicht auf Feindseligkeiten aufgefordert werden. Das Verhalten des AStA sei „nicht akzeptabel“ und es wird festgestellt, „dass die unerwünschten Nachrücker fast ausschließlich vom RCDS oder der LHG (Liberale Hochschulgruppe) stammen“.

Der Autor dieser Pressemitteilung vermutet, dass an diesem Wochenende der Versuch unternommen würde, in Abwesenheit der insgesamt vier Nachrücker von LHG und RCDS – die anderen beiden gehören den Hochschulpiraten an – eine Einigung über die neu zu vergebenden Posten der studentischen Selbstverwaltung zu erreichen, „um RCDS und LHG vor vollendete Tatsachen stellen zu können“.

UNDEMOKRATISCHE REISEAKTIVITÄTEN AUF STUDIERENDENKOSTEN

Der LHG-Vorsitzende Patrick Kaatz meldete sich in seiner Pressemitteilung gewohnt lautstark zu Wort; die Nichtanerkennung der neustupistischen Abstimmung schon durch die Anführungszeichen, in die er das Wort „Beschluss“ fasst, deutlich machend.

Kaatz zufolge fährt „ein scheinbar willkürlich ausgewählter Teil der Stupisten auf Studentenschaftskosten weg“, Nachrücker würden ausgeschlossen. Er „sieht einen Verstoß gegen das Bestreben, allen Studenten der Universität Greifswald eine Mitwirkung in den studentischen Gremien zu ermöglichen“, und glaubt schließlich sogar, einer Verletzung des demokratischen Grundverständnisses auf der Spur zu sein.

patrick kaatz lhg
(Foto: LHG Greifswald)

Zwei Tage später setzte Kaatz nach. In einem OZ-Leserbrief warf er Küntzel „Unwissenheit“ vor und ergänzte, dass aus der Einladung zu diesem Treffen nicht hervorginge, dass dort Beschlüsse – hier ohne Anführungszeichen – gefällt würden, „weshalb viele schon nicht erschienen“. Da das neue Stupa erst im April zusammenträte, war die „besagte Gruppe also mitnichten beschlussfähig“ (OZ, 10.02.). Zu diesem Treffen erschien kein Mitglied der LHG.

Kaatz ist der einzige Nachrücker der LHG, der auf einem der sechs letzten Plätze rangierte und deswegen nicht mitfahren darf. Er hat in den vergangenen Jahren bei der LHG und den Jungen Liberalen vermutlich mehr (hochschul)politische Erfahrung gesammelt als die meisten neuen Gesichter vorweisen können, insofern dürfte das verpasste Einführungswochenende für ihn nicht unbedingt eine Hürde bei seinem zu befürchtenden, zukünftigen Engagement in der Hochschulpolitik darstellen.

VERLIERER OHNE WÜRDE?

Alexander Müller betrachtete in seinem Kommentar den Wählerwillen von einer anderen Seite: „Kaatz und Krüger scheinen etwas falsch verstanden zu haben, schließlich haben sich die Wähler klar gegen den Großteil ihrer Kandidaten entschieden. Besonders gegen Kaatz selbst, der das zweitschlechteste Ergebnis erzielte“.

cool drauf sein? rcds greifswald

Er empfiehlt „Kaatz, Krüger und ihren Getreuen, […] ihre Niederlage mit Würde zu tragen“ (OZ, 21.2.).

Dass die liberal-konservativen Revolverhelden mit ihren dröhnenden Pressemitteilungen im Halfter diesem Rat folgen werden, ist jedoch in höchstem Maße unwahrscheinlich. Dabei könnte man einen Teil von Kaatz‘ Botschaft – wohlwollend betrachtet – auch als Beginn einer kritischen Selbstreflektion sehen.

Demnach rechtfertigt der kritisierte Referent Franz Küntzel die Nachrücker-Entscheidung

mit der Mehrheit einer nicht beschlussfähigen Gruppe und einem „ergebnisorientierten Arbeitsklima“. Zieht man daraus den Umkehrschluss, müssten die 6 Daheimgebliebenen eine Belastung für das Arbeitsklima bedeuten“ (Pressemitteilung LHG).

Manchmal ist man eben sich selbst sein treuester Einflüsterer.

ERNEUTE ABSTIMMUNG – POTENZIELLE MEHRKOSTEN VON 585 EURO

In der zweiten Februarwoche beugte man sich und wiederholte die Abstimmung, diesmal wurde mittels eines von Küntzel eingerichteten Doodles votiert. Ein Beteiligter empfand schon die Wiederholung der Wahl als „unglaublich“: man könne

nicht so lang und so oft abstimmen wie es Kaatz und den anderen Altvorderen in den Kram passt. Es geht hier um eine hohe Summe und jeder Nachrücker, also jeder Nicht-Gewählte, kostet der Studierendenschaft viel Geld wenn er mitkommen sollte. Die Abstimmung erfolgte geheim und ergab, dass die Nachrücker doch mitfahren dürfen.“

Das Bildungswochenende wird pro Person – inklusive eines Eigenanteils von fünf Euro – siebzig Euro kosten. Im Fall, dass alle neun Betroffenen das Angebot in Anspruch nähmen, bedeutet das eine Mehrbelastung der Studierendenschaft von 390 Euro.

Doch damit nicht genug – Kaatz soll anschließend unter anderem vom webMoritz gefordert haben, die „Abstimmungsergebnisse zu veröffentlichen und die Klarnamen zu nennen“. Bedeutet die nachträgliche Demaskierung einer Geheimwahl nicht eine Verletzung jedes demokratischen Grundverständnisses?

Auch bei Twitter wurde das Thema behandelt und Thomas Schattschneider bemerkte, dass zwar prinzipiell alle eingeladen waren, „meist aber nur ein Teil der Gewählten und einige Nachrücker teilgenommen“ hätten. Der Markomanne Christoph Böhm, der zweimal ins Stupa nachrückte, ergänzte ebenfalls per Tweet, dass er beide Male nicht eingeladen wurde. So neu ist diese Verfahrensweise womöglich also nicht.

Patrick Kaatz überschrieb seinen OZ-Leserbrief mit Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür. Für den aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekehrten Protagonisten Beckmann endet das Drama wenig hoffnungsvoll: Ihm misslingt die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und er verbleibt schlussendlich allein, ungehört und befremdet.

Analyse zur StuPa-Wahl 2011

Die Greifswalder Studierenden gaben in der zurückliegenden Woche ihre Stimmen für die Fakultätsräte, das Studierendenparlament (StuPa) und die studentischen Vertreter des akademischen Senats ab. Jetzt sind die Wahlergebnisse ausgezählt und liegen vor.

Unabhängige Kandidatin Paula Oppermann siegt

Schon vor der Wahl zeichnete sich aufgrund des Missverhältnisses zwischen Kadidaturen und den 27 zu vergebenden Sitzen im StuPa ab, dass die Bewerber, die angetreten sind, mit einigermaßen großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werden. Jubeln dürfen die Jusos, der SDS und die Grüne Hochschulgruppe (GHG), denen es gelang, alle angetretenen Kandidatinnen auch ins Parlament zu kriegen.

paula oppermann greifswaldDie Siegerin der Wahl hat allerdings keine Bindung an eine Hochschulgruppe und heißt Paula Oppermann. Sie forderte auf ihren Wahlflyern Mehr Frauen in die Parlamente! und konnte 238 Stimmen auf sich vereinigen. Die Frauenquote beträgt jetzt 29,6%. Oppermann ließ auch den zweitplatzierten, amtierenden StuPa-Präsidenten Erik von Malottki hinter sich.

Erst auf Position 13 rangiert mit Maximilian Wolf der erste Kandidat der Jungen Union. Die in JU-Hochschulgruppe und RCDS gespaltenen Konservativen kommen derzeit zusammen auf sechs Sitze, auf SDS und Liberale Hochschulgruppe (LHG) entfallen jeweils zwei. Für die Hochschulpiraten wurde Hauke Schröder ins StuPa gewählt.

Nur 30 Stimmen erhielt Patrick Kaatz (LHG), der trotz seines unermüdlichen Engagements für die Sache der Liberalen mit dem zweitschlechtesten Wahlergebnis abschnitt.

Die Kandidatinnen ohne Hochschulgruppenbindung erhielten insgesamt knapp 21% der abgegebenen Stimmen. Sie besetzen fünf Parlamentsplätze und stellen damit zumindest numerisch die zweitstärkste Kraft dar. Jusos, SDS und die Grüne Hochschulgruppe kommen gemeinsam auf 13 Sitze, denen 8 Sitze von JU, RCDS und der Liberalen Hoschulgruppe gegenüberstehen. Auf den nächsten fünf Nachrückerplätzen sind ausschließlich konservative und liberale Studierende vertreten.

Neben Paula Oppermann, Erik von Malottki und Maximilian Wolf wurden Paula Zill, Michael Seifert, Martin Hackbarth, Sophie Augustin, Eric Makswitat, Julien Radloff (alle Jusos), Sergej Prokopkin, Ronja Tabea Thiede, Stephanie Pfeiffer, Peter Madjarov (alle GHG), Alexander W. Schmidt, Juliane Hille (beide LHG), Franz Küntzel, Christoph Böhm, Hendrik Hauschild (JU), Johannes Radtke, Cindy Schneider (RCDS), Marvin Hopf, Marian Wurm (SDS) sowie die freien Kandidaten Daniela Gleich, Erik Sintara, Christopher Bilz und Sebastian Blatzheim ins StuPa gewählt.

Konservative und Liberale ohne Glück bei den Senatswahlen

Bei den Senatswahlen schnitten die liberalen und konservativen Kandidierenden schlecht ab, nur zwei der insgesamt zwölf Sitze im erweiterten Senat konnten sie für sich erobern. Ein direkter Vergleich mit den Listen der Wahl im Vorjahr ist schwierig, weil es abgesehen von Alexander Schmidts Sololiste insgesamt nur zwei gab, auf denen Studierender unterschiedlicher parteipolitischer Orientierung zusammen kandidierten: die Offene Liste Volluniversität und Pro Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Lehramt.

Für die von Mitgliedern der Liberalen Hochschulgruppe dominierte Liste Bund freier Studenten wird David Merschin in den Senat einziehen, während von der Hochschulgruppe Junge Union der Medizinstudent Sebastian Keil mit Abstand die meisten Stimmen seiner Liste gewinnen konnte.

Ergebnis Senatswahl Greifswald

Die Offene Liste Volluniversität kann vier Sitze für sich beanspruchen, die von Caroline Göricke, Friederike Jahn, Alexander Rabe und Robby Langbecker besetzt werden. Eindeutiger Wahlgewinner bei den Senatswahlen ist die Liste Solidarische Universität, die fast 45% aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte und damit sechs Sitze erkämpfte. Einziehen werden StuPa-Präsident Erik von Malottki, Frederik Hornkohl, Dennis Kwiatkowski, Peter Madjarov, Sandor Teuber und Paula Zill.

Stimmrecht im engeren Senat haben Erik von Malottki, Frederik Hornkohl (Liste Solidarische Universität), Friederike Jahn und Caroline Göricke (Offene Liste Volluniversität). Vier der gewählten Zwölf saßen bereits letztes Jahr in diesem Gremium.

Eine Frage der Wahlbeteiligung?

Ein Grund für das schlechte Abschneiden könnte auch in der geringen Wahlbeteiligung der Studierenden zu suchen sein, die sich im Vergleich zwischen den einzelnen Fakultät zum Teil deutlich unterscheidet. Viele konservative und liberale Kandidaten studieren an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, wo die Wahlbeteiligung mit nur 4,98% besonders schwach ausfiel. Die Wahlbeteiligung der StuPa-Wahl lag bei knapp 10%.

Vergleicht man dieser Ergebnisse mit der am Montag erschienenen Nichtwahlempfehlung, dann darf konstatiert werden, dass zwar glücklicherweise keiner der dort aufgeführten Kandidaten einen Platz im Senat oder in einem der Fakultätsräte erreichen konnte, aber dennoch fünf Bewerbern der Einzug ins StuPa gelang.

Die Diagramme wurden auf Grundlage der vom webMoritz veröffentlichten Stimmzahlen angefertigt. Über fünf „zweifelhafte“ Wahlzettel wird der Wahlausschuss in den nächsten Tagen entscheiden. Die namentliche Aufführung aller Kandidierenden und ihre Ergebnisse sind auf dem Ticker des webMoritz einsehbar.

Die aufgeschlüsselten Ergebnisse der Wahlen zum Senat und zu den Fakultätsräten sind hier zu finden.

Greifswalder Studierende votieren – Nichtwahlempfehlungen 2011

In dieser Woche werden an der Universität Greifswald die Sitze im Senat, in den Fakultätsräten und im StuPa neu verteilt.  Auf Twitter laufen die Drähte heiß und der Wahlkampf ist endlich entbrannt. Diesem Fieber gebe ich mich dankbar hin, beschränke mich allerdings dabei auf Empfehlungen, wer in meinen Augen besser nicht gewählt werden sollte.

Insgesamt 35 Studierende bewerben sich für die kommende Legislaturperiode um einen Platz im Parlament, nur 27 Sitze sind zu besetzen. Dieses Missverhältnis zwischen Kandidaturen und Mandaten bedeutet eine demokratische Schwächung des StuPa, denn schon die Aufstellung als Kandidatin macht einen Wahlerfolg sehr wahrscheinlich — webMoritz-Chefredakteur Marco Wagner errechnete eine satte Wahlerfolgschance von 75%. Acht Bewerberinnen werden also vorerst, so niemand sein Mandat vorzeitig an den Nagel hängt, nicht ins Studierendenparlament einziehen.

Die vom Wahlleiter Stefan Damm herausgegebene Broschüre bietet den Bewerbern Raum, sich selbst und die jeweiligen Wahlversprechen in Kurzform vorzustellen. Verbessern, Erhalten, Verstärken und Fördern sind hier die Zauberworte, mit denen um die Gunst der über 12.000 Studierenden geworben wird. Trotz der relativ überschaubaren Zahl der Kandidierenden geht die Übersicht leider schnell verloren, weswegen hier mit einer Nichtwahlempfehlung Hilfestellung angeboten werden soll.

Nimmermüder ex-Republikaner Alex Guillaume S.

Alexander S., vor etwa einem Jahr noch der Grund, mit diesen Nichtwahlempfehlungen zu beginnen, glänzte in der vergangenen Legislaturperiode mit reger Beteiligung und regelmäßiger Anwesenheit. Heute wie damals verschweigt er seine Vergangenheit als Schriftführer und Landesjugendbeauftragter der sächsischen Republikaner. Stattdessen werden in seiner kurzen Kandidatenvorstellung wieder andere biographische Etappen, wie sein Engagement als Schülersprecher, überbeleuchtet. Inzwischen hat er bei der Liberalen Hochschulgruppe ein neues politisches Zuhause gefunden und verspricht, „gegen Links- und Rechtsextremismus (NPD, Rote Hilfe)“ einzutreten. Diese kritik- und kommentarlose Gleichsetzung von rechter Partei und linker Rechtshilfeorganisation ist man inzwischen von ihm gewohnt, spätestens seitdem er maßgeblich einen Antrag zum Verbot von Textilien der rechten Modemarke Thor Steinar verhinderte.

S. wollte mit seinen letzten beiden Anträgen einerseits dem AStA untersagen, über Burschenschaften und Studentenverbindungen aufzuklären, die verbliebenen Infoflyer zu vernichten und keine ideologische Bewertung mehr zuzulassen (Antrag) und andererseits das AStA-Referat für Gleichstellung auflösen (Antrag). Beide Anträge wurden auf der letzten StuPa-Sitzung verschoben. Seine Forderung, bei der nächsten Erstibegrüßung kein alkoholfreies Bier mehr auszuschenken, kann entweder als versuchte Komik bewertet werden oder als Tribut an die Studentenverbindungen und Burschenschaften, bei denen S. vielleicht trotz seines Rückzugs aus dem Milieu punkten will.

Neben dem Ex-Cimbrianer S. tritt mit dem Markomannen Christoph Böhm ein weiterer Kandidat aus dem Verbindungsunwesen an. Unterschlug er vor seiner ersten Kandidatur vor zwei Jahren noch seinen diesbezüglichen Hintergrund, geht Böhm seit dem letzten Votum offen und transparent damit um — wählbarer macht ihn das aber auch nicht.

„Wäre mein Humor noch schwärzer, er würde Baumwolle pflücken“

Die kandidierenden Mitglieder der Jungen Union und des RCDS fallen mit ihren Forderungen unter den anderen Studierenden kaum weiter auf. Wahlversprechen wie die „Förderung kultureller Veranstaltungen“ oder die „Verbesserung der Studienbedingungen für Bachelor und Master“ (Oliver Gladrow) wohnt eben wenig distinktives Potenzial inne. Betrachtet man allerdings ihre öffentlich einsehbaren Profile in verschiedenen sozialen Netzwerken, die mitunter auch wahlkämpferisch genutzt werden, so verwandelt sich die schwarze Liste in ein konservatives Gruselkabinett.

Da fordern die einen „Kein Facebook für Kommunisten – DIE LINKE Seite löschen!“, während sich ein nicht zu unterschätzender Teil zum Thilo-Sarrazin-Fanclub bekennt. Richtig zur Sache geht ein Kandidat des RCDS, der nicht nur „gegen linke und rechte Faschisten“ ist und als griffigen Slogan „Fuck Off Antifa und NPD!“ gut findet, sondern auch ein Verbot der schon vor drei Jahren wegfusionierten PDS fordert, wenn denn die NPD schon illegalisiert werden solle. Von einem Politikwissenschaftler im 5. Semester, dem „Gendermainstreaming auf die NervInnen geht“, sollte man mehr erwarten dürfen. Sein Fach übrigens arbeitet nicht mit dem Begriff ‚Linksfaschismus‘.

Stupa-Wahl 2011

Die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet ein anderer JUler, der sich selbst durch eine Gruppenzugehörigkeit wie folgt beschreibt: Wäre mein Humor schwärzer, er würde Baumwolle pflücken“.

Das Schlimmste verhindern

Wer kann ernsthaft wollen, dass solche jungen Männer über die Finanzanträge von Vereinen wie GrIStuF oder Stuthe entscheiden? Wer möchte, dass sich die Vertretung der Greifswalder Studierendenschaft aus ewiggestrigen Sarrazin-Fanatikern rekrutiert?

Es stellen sich 35 Kandidatinnen der Wählergunst, acht von ihnen werden den Einzug ins Parlament verpassen. Liebe wahlberechtigte Leserinnen und Leser, die Teilnahme an dieser Wahl kostet viel weniger Kraft, als Monat für Monat ein Mandat als Stupistin zu verwirklichen! Es ist eine Frage der Mitbestimmung, sich an diesem Votum zu beteiligen, und es ist gleichzeitig auch eine Herzensangelegenheit, das Schlimmste zu verhindern, geht also bitte wählen!

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Die StuPa-Wahlen finden Montag bis Freitag statt, während die Voten für Fakultätsrat und Senat nur Dienstag bis Donnerstag abgegeben werden können (die jeweiligen Orte und Zeiten sind auf der AStA-Seite zu finden). Eine ausführliche Zusammenstellung der Kandidatinnen liefert wie gewohnt der WahlMoritz.

Auf dem Fleischervorstadt-Blog ist bereits gestern ein geschlechtersensibler Blick auf diese Wahl veröffentlicht worden.

Die Angst vor der Entmannung

Der folgende Beitrag ist als eine Art Doppel-Replik zu verstehen, die sich sowohl auf die am Montag erschienene und fehlerhafte Betrachtung zu geschlechtergerechter Sprache in der Schweiz als auch auf den jüngsten Antrag der Liberalen Hochschulgruppe Greifswald, das Landeshochschulgesetz zu entgendern, bezieht.

Sprachleitfäden, politische Korrektheit & der Kampf um den Zipfel

In Greifswald geht wieder die Angst vor der Entmannung um. Diesen Eindruck vermittelten zumindest die letzten schriftlichen Verlautbarungen von Patrick Kaatz, Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe (LHG), und Torsten H. (JU), seines Zeichens freier Lokalreporter bei der Ostsee-Zeitung.

guillotineDer Heiland griff vor wenigen Tagen wieder zur Feder und beschwor ein düsteres Szenario schweizerischen Ursprungs herauf: Die Kastration der Sprache.

In der sich anschließenden Betrachtung schwadronierte er darüber, dass „wir Männer“ den „ersten Trend der Erneuerung […] ganz gut überstanden“ hätten – gemeint sind das in der Schriftsprache verwendete Binnen-I und das Gender-Splitting, wie es zum Beispiel in der Form ‚Schülerinnen und Schüler‚ praktiziert wird.

Mittlerweile bekomme der politisch korrekte Sprachgebrauch allerdings eine neue Qualität:

Denn seit 2009 gibt es in der Schweiz einen „Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren“. Der Höhepunkt in diesem Jahr: Die Schweizer Stadt Bern gibt einen „Sprachleitfaden für die Stadtverwaltung“ heraus. Mitarbeitergespräch, Fußgängerstreifen oder Führerschein – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Bern dürfen diese Wörter nicht mehr verwenden. Stattdessen heißt es jetzt: Fahrausweis, Zebrastreifen oder Beurteilungsgespräch. All das wäre noch zu ertragen, doch die Schweizer Entmannung unserer Sprache geht weiter: Worte wie „Vater“, seien zu geschlechtsspezifisch. Besser ist, man schreibe „Elternteil“ oder „Elter“.

Torsten H. hat soviel Angst vor der politisch überkorrekten Gender-Diktatur, dass er es nicht einmal gewagt hat, einen Blick in die beiden Leitfäden zu werfen, die er zitiert. Anders lassen sich die im Artikel zusammengeschriebenen Falschinformationen nicht interpretieren. Dabei hätte es nur einer kurzen Online-Recherche bedurft, diesen Beitrag inhaltlich korrekt zu gestalten.

Gendern hat inzwischen Geschichte

Bereits 1994 hat der Gemeinderat der Stadt Bern beschlossen, alle Direktionen anzuweisen, „die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter in sämtlichen Schriftstücken der Stadtverwaltung konsequent zu verwirklichen„. Das ist modern angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz das Frauenwahlrecht erst 1971 eingeführt und im Ausnahmefall des Kantons Appenzell Innerrhoden sogar erst 1991 wirksam wurde.

Eine Vorreiterrolle hat die Schweiz damit allerdings nicht, denn schon seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, Frankreich, den USA und in Deutschland Kommissionen für die Formulierung frauengerechter Berufs-, Dienstgrad- und Titelbezeichnungen eingesetzt. Die UNESCO veröffentlichte ihre Guidelines on Gender-Neutral Language und das Ministerkomitee des Europarates verabschiedete 1990 die Empfehlung On the Elimination of Sexism from Language.

Die Zielgruppen dieser Leitfäden und Richtlinien sind alle Personen, die professionell und offiziell geschriebene und gesprochene Sprache produzieren, die – ob im Kindergarten, an der Schule oder an der Universität – Sprache lehren und die in den Medien, in der Verlagsarbeit und anderswo Sprache verbreiten.

Gisela Klann-Delius benennt in Sprache und Geschlecht (2005) vier Bereiche sexistischen Sprachgebrauchs: erstens die explizite Nichtbenennung von Frauen, zweitens die Darstellung von Frauen in Abhängigkeit vom Mann, drittens die Darstellung von Frauen in ihren traditionellen Rollen mit sogenannten „typisch weiblichen Eigenschaften“ und Verhaltensweisen und schließlich viertens die herablassende Behandlung und Degradierung durch abwertende Sprache.

Doing Gender Fair — ein Leitfaden

Zurück nach Bern. Dort wurde 1996 erstmals ein Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen herausgegeben, der 2009 zum zweiten Mal aufgelegt wurde. Die Veröffentlichung ist also bereits 13 Jahre älter als uns Heil glauben machen will. Auf den 192 Seiten werden viele sehr dienliche Hinweise und Hilfestellungen gegeben, mit denen sich ein als gender fair charakterisierbarer Sprachgebrauch realisieren lässt. Hier werden auch geschlechtsabstrakte Personenbezeichnungen aufgeführt:

Üblicherweise haben Personenbezeichnungen im Deutschen eine geschlechtsspezifische Wortbedeutung: Ihr grammatisches Geschlecht (Genus) und ihr natürliches Geschlecht (Sexus) stimmen überein (‚Der Vater‘ und ‚der Lehrer‘ bezeichnen Männer, ‚die Mutter‘ und ‚die Lehrerin‘ bezeichnen Frauen). Daneben gibt es einige Personenbezeichnungen, die zwar ein grammatisches Geschlecht, aber keine geschlechtsspezifische Wortbedeutung haben. Ihr grammatisches Geschlecht ist willkürlich, hat also keinen Bezug zum natürlichen Geschlecht. Deshalb können sich diese Personenbezeichnungen unabhängig von ihrem grammatischen Geschlecht sowohl auf Männer als auch auf Frauen beziehen. Sie sind geschlechtsabstrakt.

Dieser theoretischen Einführung folgen einige konkrete Beispiele wie ‚die Person‘, ‚der Mensch‘, ‚der Gast‘, ‚das Opfer‘, ‚die Geisel‘, ‚die …-hilfe‘ (Haushaltshilfe, Aushilfe), ‚die …-kraft‘ (Führungskraft, Lehrkraft, Hilfskraft, Putzkraft), ‚die …-person‘ (Führungsperson, Vertrauensperson, Magistratsperson, Fachperson …), ‚der Elternteil‘ und schließlich das von Torsten Heil aus der falschen Publikation (nämlich gerade nicht dem Sprachleitfaden für die Stadtverwaltung) zitierte ‚elter‚, dessen eingeklammerter Hinweis ’sehr selten‘ natürlich unterschlagen wurde.

Außerdem werden in diesem Leitfaden die Vor- und Nachteile geschlechtsabstrakter und geschlechtsneutraler Bezeichnungen diskutiert und entsprechende Verwendungsvorschläge unterbreitet.

Aktionsplan Bern

Der 2010 erschienene Sprachleitfaden für die Stadtverwaltung ist übrigens aus dem Aktionsplan zur Gleichstellung von Frauen und Männer in der Stadt Bern entstanden. Er soll die Stadtverwaltung bei der Umsetzung des Grundsatzes der diskriminierungsfreien und geschlechtergerechten Kommunikation unterstützen und ist Teil des Berner Kommunikationskonzepts, an dessen Grundsätze sich der Gemeinderat und die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung bei der Kommunikation halten sollen und die über diskriminierungsfreie Kommunikation weit hinaus gehen, da sie noch viel mehr Aspekte als nur Geschlechtergerechtigkeit beinhalten.

Spottschrift in gewohnt herablassender Tonalität

feminism

Torsten H. beendet seine Spottschrift, in der von den Veröffentlichungszeiträumen über die zitierten Quellen, den Dekontextualisierungen und dem offensichtlichen Fehlen des entsprechenden Hintergrundwissens eigentlich alles schiefgegangen ist, was von einem Journalisten erwartet wird, mit der gewohnt herablassenden Tonalität der Greifswalder Lokalredaktion – „Kleiner Hinweis: Gleichberechtigung ist nicht identisch mit Geschlechtslosigkeit„.

Ohne das sprachschöpferische Engagement der feministischen Linguistik würden Frauen heutzutage wohl noch immer zum Kaufmann – vielleicht auch zum weiblichen Kaufmann – ausgebildet; nicht zur Kauffrau.

Es geht nicht darum, Geschlecht abzuschaffen, sondern dessen Unsichtbarmachung zu beenden. Denn Sprache wird nicht nur von unmittelbarer Realität geformt, sondern umgekehrt bestimmt und verändert sie unsere Wirklichkeit. Die Frage ist also, wem eigentlich unser vor Patriarchalismen strotzendes Sprachsystem gehört.

Liberale Hochschulgruppe beantragt „Entgenderung“

Unlängst äußerte sich auch die Liberale Hochschulgruppe aus Greifswald zum Thema geschlechtergerechte Sprache und schlug eine Art Entgenderung des Landeshochschulgesetztes Mecklenburg-Vorpommern vor, in dessen aktueller Fassung die beide Geschlechter ansprechenden, doppelten Formulierungen verwendet werden. Sie sollen gestrichen und durch die Nennung eines Geschlechts ersetzt werden.

Patrick Kaatz, Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe, zitiert sich in der von ihm geschriebenen Pressemitteilung zum Thema selbst und argumentiert gegen die geschlechtergerechte Überfrachtung von Gesetztestexten:

„Ein Gesetz ist das Werkzeug eines Juristen. Überflüssige Wendungen erschweren, insbesondere für Laien, den Umgang mit dem Gesetzestext. Wir verzieren doch auch nicht die Werkzeuge eines Zimmermannes.“

Um den Gleichberechtigungsgedanken nicht völlig aus dem Gesetz zu verbannen, solle zu Beginn mitgeteilt werden, dass die gewählte Form alle Geschlechter umfasse. Diese Lösung wird generisches Maskulinum genannt. Hierbei wird also jedes Mal die maskuline Form verwendet, die aber ausdrücklich alle Geschlechter miteinbeziehen soll.

Das mag theoretisch funktionieren, in der Praxis wird es hingegen komplizierter und Studien zeigten, dass das generische Maskulinum bei den Rezipienten Erwartungen in Richtung geschlechtlicher Männlichkeit auslösten – eine neutrale Bezeichnung wirkt anders.

(Foto: arfism)

Schon 1990 wurde übrigens der Bericht Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache von der interministeriellen Arbeitsgruppe Rechtssprache vorgelegt, dessen Empfehlung 1993 vom deutschen Bundestag beschlossen wurde. Darin wird unter anderem ans Herz gelegt, „auf die Verwendung des generischen Maskulinums in der Amtssprache ganz, in der Vorschriftensprache so weit wie möglich zu verzichten, wenn Gründe  der Lesbarkeit und der Verständlichkeit dem nicht entgegenstehen (Deutscher Bundestag, Drucksache 12/2775).

Wäre nicht das generische Femininum eine Lösung?

Im konkreten Antrag der LHG findet sich noch ein Satz, mit dem die Liberalen progressiv und trotzdem pragmatisch an die Gesetzesänderung treten könnten: „Auf welche [sic!] Geschlecht hierbei abgestellt wird, bleibt dem Gesetzgeber überlassen„. Ein generisches Femininum, also die grundsätzliche Verwendung der – alle Geschlechter einbeziehenden –  femininen Formulierung im Landeshochschulgesetz, wäre zwar ein starkes Signal, ist aber letztlich ähnlich problematisch wie sein maskulines Pendant.

Da Ästhetik für Gesetzestexte ohnehin zweitrangig ist, schlage ich die schrecklich aussehende Unterstrich-Lösung (z.B. Studienbewerber_Innen) vor, die sich von den beiden generischen Varianten dadurch unterscheidet, dass sie nicht auf einer angenommenen Zweigeschlechtlichkeit fußt, sondern explizit auch alle (Zwischen)Geschlechter miteinbezieht.

Statt eine Entgenderung offizieller Texte zu fordern, wäre es darüberhinaus für die Sache der Geschlechtergerechtigkeit viel dienlicher, wenn sich die LGH zum Beispiel darum kümmerte, dass endlich auch die letzten Formulare der Universität geschlechtergerecht formuliert würden, wie zum Beispiel die Datenschutzbelehrung der Uni-Angestellten.

Personalbogen Uni Greifswald

Ist bei den Liberalen schon Wahlkampf?

Patrick Kaatz wäre natürlich nicht Patrick Kaatz, beendete er sein Statement nicht mit einer entsprechenden Polterei:

„Grundsätzlich steht die LHG einem vorgeschriebenen „Gendern“ (Verwendung von jeweils beiden Geschlechtern beim Schreiben oder Sprechen) ablehnend gegenüber. Ein solch massiver Eingriff in die menschliche Individualität erinnert an das „Neusprech“ in George Orwells „1984“. Auch dort wurde mittels Sprache versucht, Ideologie in den Menschen zu verankern.

Hier sei nochmals an die wortschöpferische Kraft der geschlechtergerechtigkeitsinteressierten Linguistik verwiesen, die sich schon durch diese Produktivität grundlegend von der reduktionistischen Intention des Orwellschen Neusprech unterscheidet. Ob der verordnete Abbau struktureller Diskriminierungen als ideologisch motivierter und „massiver Eingriff in die menschliche Individualität“ oder der LHG-Antrag eher als vorwahlkämpferisches Gebell liberaler Freigeister, die einmal tüchtig auf den Putz hauen wollen, zu verstehen ist, sei jeder selbst überlassen.

Gespannt sein dürfen wir jedenfalls auf die Reaktion der Liberalen Hochschulgruppe, wenn der Antrag vom StuPa nicht angenommen wird, denn eine Null-Toleranz-Position gegenüber Gender-Formulierungen im Landeshochschulgesetz wird bereits angekündigt: „Eine solche Beeinflussung wird durch Liberale nicht toleriert werden“.

*Update* 02.12.2010

Wie sich dann sehr schnell herausstellte, hat Torsten H. seinen Text gar nicht selbst geschrieben oder recherchiert, sondern stattdessen fast wortgleich aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung übernommen, mehr dazu hier.

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Über den Antrag der LHG ärgerten sich auch die jungen Grünen und veröffentlichen ebenfalls einen eigenen Artikel dazu.

Da ich auf dem Fleischervorstadt-Blog das Binnen-I und den Unterstrich aus sprachästhetischen Gründen nicht verwende, sondern inzwischen relativ willkürlich zwischen generischem Maskulinum und Femininum wechsle, sei darauf hingewiesen, dass diese Formulierungen alle Menschen einschließen sollen.

Liberale Hochschulgruppe demonstriert pünktlich zum Winnenden-Prozess mit Paintball-Turnier

Auch wenn es ist inzwischen schon etwas ermüdend ist, im Wochentakt auf der Liberalen Hochschulgruppe aus Greifswald herumzuhacken, die jüngste Verlautbarung der LHG ist einfach zu absurd, um sie schweigend im Nachrichtenstrom versiegen zu lassen.

Auf der Flucht vor der eigenen Saftlosigkeit

Zugegeben, Hochschulpolitik mag ein wichtiges Anliegen sein, ein Tempel der Befriedigung politischen Gestaltungswillens ist sie sicher nicht. Und so vermag es kaum zu verwundern, dass einzelne Vertreterinnen oder ganze Hochschulgruppen hier und da der Saftlosigkeit ihres universitären Aktionsraumes  entfliehen wollen, um entweder ein Stück Lebenswirklichkeit mitzubekommen oder sich Themen größerer Relevanz zuzuwenden.

stupa Greifswald

(Foto: webMoritz)

Kämpfte die Liberale Hochschulgruppe noch vor knapp drei Wochen beim Demokratiefest im benachbarten Anklam mit Populismen gegen Populismus, so wendet sie sich jetzt einer bundespolitischen Debatte zu und stellt fest: „Täglich greift der Staat durch Gebote und Verbote in unsere Freiheitsrechte ein, kontrolliert und verfolgt uns auf Schritt und Tritt bis in die intimsten Bereiche individueller Selbstbestimmung. Fatale Szenarien wie der Amoklauf von Winnenden werden mit Vorliebe medial dazu missbraucht, die Bürger in Angst und Misstrauen zu versetzen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, sie befänden sich in stetiger Gefahr, um so eine weitere Reglementierungen [sic!] zu rechtfertigen.“

Klingt doch eigentlich vernünftig, zumindest bis hierhin. Doch kurz darauf wird erläutert, welches Freiheitsrecht gemeint ist, das vor den Reglementierungen zu schützen sei, denn es „forderten Unionspolitiker nach dem Amoklauf von Winnenden eine weitere Verschärfung der Waffengesetze! Die LHG Greifswald ist entschieden gegen diese Überreglementierung.“

Fällt den jungen Liberalen zum Themenkomplex um gläserne Bürger, schrumpfende Freiheitsrechte, Bankgeheimnis, Kontrolle und Repression nichts Dringlicheres ein, als sich zuerst um privaten Waffenbesitz zu sorgen?

Mangelnde Pietät gegenüber den Opfern

Das Timing stimmt, denn heute soll vor dem Landgericht Stuttgart der Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden fortgesetzt werden. Dieser muss sich dafür verantworten, dass er seinem Sohn Zugriff auf eine erlaubnispflichtige Schusswaffe sowie entsprechende Munition ermöglicht hatte.

liberal nra

Der damals siebzehnjährige Amokläufer tötete in Winnenden und Wendlingen insgesamt 15 Menschen und sich selbst. Tritt die LHG jetzt in die Fußstapfen der Lobby-Organisation NRA (National Rifle Association), die so sehr auf die Wehrhaftig- und Schießwütigkeit der US-amerikanischen Bevölkerung erpicht ist?

Ist die Ausrichtung eines Paintball-Turniers ein origineller Beitrag zur Debatte oder nicht vielmehr der Versuch, sich unter Auslassung einer inhaltlichen Vertiefung zu positionieren? Angesichts des Stuttgarter Prozesses doch eigentlich eine Pietätlosgikeit für die Opfer und deren Angehörigen. Und bedeuten die bunten Paintball-Geschosse nicht eine logische Fortsetzung der Blechdosen, die den Anklamern zum Abwurf vor die Nase gesetzt wurden?

liberale hochschulgruppe greifswald

„Verbote verbieten!“

Das anvisierte Turnier wird an einem Sonnabend im November stattfinden, soviel ist sicher. Wie offen das Angebot auch für Nichtangehörige der LHG ist, bleibt abzuwarten – die Einladung richtet sich an Freunde und Mitglieder, aber die entsprechende Doodle-Liste kann auch per E-Mail angefragt werden.

Mitunter böte diese Möglichkeit der gespielt kriegerischen Auseinandersetzung ja auch eine unterhaltsame und vor allem (noch) legale Option für Gegnerinnen der Gruppe, ihren Antipathien Raum zu geben: den politischen Gegner erschießt man schließlich nicht mehr und Farbbeutel sind ebenfalls aus der Mode gekommen.

Bei den politischen Inszenierungen, die wir inzwischen von der LHG gewohnt sind, beruhigt allein die Bodenhaftung, die sich die Autorin der Paintball-Einladung, Juliane Hille, bewahrt hat und die man von ihren Kollegen oft so schmerzlich vermisst. Sie weiß offensichtlich um das politische Gewicht der LHG und mahnt abschließend:

ACHTUNG: Damit das Turnier stattfinden kann, sind mindestens 6 Teilnehmer erforderlich.

Wer mit Paintball nichts anfangen kann, darf sich bei der Betrachtung des folgenden Videos aus dem Greifswalder Paintballbunker vorstellen, wie sich die liberalen Überreglementierungsgegnerinnen dort über die Wiese jagen werden.

Die komplette Meldung der LHG ist hier zu finden.

Dosenwerfen auf Linksextremismus und HartzIV in Anklam

Manchmal kann man einfach nur noch den Kopf schütteln. Das geht dann von links nach rechts und wieder zurück. Diese Choreographie des Missmuts wiederholt sich einige Male und verebbt dann schließlich; zurück bleiben gerunzelte Stirn und bedrückte Mimik. Von Zeit zu Zeit und bei besonderen Tölpeleien will das Kopfschütteln, das in diesen Situationen eher einem Umherwerfen der Denkzentrale gleicht, partout nicht aufhören.

Liberale holten im politischen Niemandsland zum großen politischen Wurf aus

Dieses Gefühl ist vermutlich allgemein bekannt. Wer sich aber in experimentierfreudiger Nachempfindsamkeit üben möchte, wirft einen kritischen Blick auf diese weltfremde Pressemitteilung der Liberalen Hochschulgruppe aus Greifswald.

Der Vorsitzende Patrick Kaatz resümiert hier den Tag der deutschen Einheit und wie er ihn in Anklam bei einem Demokratiefest verbrachte. Bis hierhin scheint noch alles in Ordnung zu sein, aber dann wird offenbar, dass Kaatz entweder in einer anderen Stadt war oder die Zeichen der Zeit fehldeutete:

„Wir bezogen unseren Stand, eine von der Stadt gestellte Holzbude, zwischen Sozialdemokraten und der Linkspartei. Dort luden wir interessierte Bürger dazu ein, unliebsame Dinge, wie “Linksextremismus” oder “Hartz IV” beim Dosen werfen einfach mal “abzuwerfen”.

Für jeden Teilnehmer gab es anschließend ein Grundgesetz und für die Kleinen dazu noch Malbuch. Schnell sammelte sich eine kleine Traube von Menschen vor unserem Stand und den einen oder anderen Besucher durften wir im Verlauf des Tages häufiger begrüßen.

Außerdem zeigte sich Anklam an diesem Tag von seiner schönsten Seite. Neben strahlenden Sonnenschein blieben auch Besuche von Links- oder Rechtsextremisten größtenteils aus und es blieb für die Beteiligten ein schönes Volksfest.“

Populistisch gegen Populismus

Es gibt in Anklam wohl dringendere Probleme als den „Linksextremismus“ – in diesem Punkt sollte eigentlich ein Konsens bestehen. Und wenn ich schon nichts besseres zu tun habe, als Leibesübungen in Sachen Demokratie zum Rummelplatz-Spektakel zu degenerieren, dann nehme ich doch lieber die Dose mit der Aufschrift Populismus aus der Wurfbahn und sehe zufrieden und reinen Gewissens dabei zu, wie sich die Leute weiter auf Ziele wie Oskar Lafontaine, Kreisgebietsreform oder eben „Linksextremismus“ einschießen.

Die Förderung demokratischer Kultur ist sicher nirgendwo auf der Welt fehl am Platze, erst recht nicht in Anklam. Aber so platten Aktionismus, wie ihn die Liberale Hochschulgruppe hier beschreibt, braucht dort wirklich niemand und bringt die Peenestadt auch nicht weiter. Und die Sache mit dem Malbuch für die Kleinen kennen die Leute dort doch von ihren Kinderfesten, so diese nicht rechtzeitig verboten werden konnten.

Die Stirn ist runzelig, die Mimik bedrückt und mein Blick wandert immerfort von links nach rechts und wieder zurück.