Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #9

„Ich mag den Weg / ich mag das Ziel / den Exzess, das Selbstexil / Ich mag erschaudern / und nicht zu knapp / ich gebe jedem etwas ab /… / Ich mag die Spiegelung der Luft / und wenn die Sehnsucht nie verpufft / den Glanz des Lebens in einem Tag / Ich mag den Zweifel, der an mir nagt / wenn meine Angst mich schnell verlässt / Ich mag den Tanz, das Idiotenfest / Wenn wir irren nachts im Kreis / eine Bewegung gegen den Fleiß!“

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Der Hochsommer bleibt dieses Jahr aus und verdrossen oktobert sich das Wetter durch die Mitte des Kalenders. Ein Gutes hat es ja: die gemächliche Sommerpausenruhe wird geschwänzt — wer keine Sonne abgekriegt hat, braucht bekanntlich auch nicht früh ins Bett. Wo man sich stattdessen herumtreiben kann, wird hier in Kurzform empfohlen und notiert. „Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #9“ weiterlesen

Stalker: Zonensehnsucht und Seelenreise

Das vergangene Jahr klang für die Schauspielenden von Stuthe mit einem sehr erfolgreichen Kooperationsprojekt aus – gemeinsam mit dem Theater Vorpommern und dem Caspar-David-Friedrich-Institut wurde eine Inszenierung des russischen Kunstfilms Stalker (1979) auf die Bühne gebracht.

Regisseur Andrej Tarkowski erzählt in seinem Science-Fiction-Werk von einem als Zone betitelten, militärisch abgesperrten Gebiet, in dem sich merkwürdige Dinge ereignen sollen. In dieses Areal führt Stalker, ein Fährtenleser, der seine Ortskenntnis zur Profession entwickelte, zwei ungleiche Charaktere: Eine Wissenschaftlerin und einen Schriftsteller, die auf der Suche sind nach einem geheimen Zimmer, in dem der innigste Wunsch eines jeden Wirklichkeit werden soll. Diese Reise wird zum gefährlichen Seelentrip ins Selbst.

(Foto: Theater Vorpommern)

Die bisherigen Reaktionen auf die Umsetzung des Films waren anerkennend, positiv und regelrecht euphorisch. Die eingesetzten Gerüstkonstruktionen prägten ein ungewöhnliches Bühnenbild und fungierten gewissermaßen als Trittleiter in eine andere Dimension. Jakob Pallus resümiert im webMoritz:

plakat stalker theater

„Stalker ist kein reines Theaterstück. Vielmehr ist es ein Kunstprojekt. Als solches angekündigt, wird es tatsächlich dieser Beschreibung gerecht. Die Atmosphäre, die Tarkowski in seinem Film noch mit Hilfe von Naturaufnahmen und Wechseln in der Farbigkeit aufbaute, wird hier nun mittels Bühnenkonstruktion, Videoprojektionen und den Suchern und Wiedergängern evoziert – nicht in der gleichen Weise bildgewaltig, aber ebenso eindringlich. Beladen mit Symbolen nimmt das Stück den Zuschauer mit zum Wunschzimmer, aber auch tief in die Seelen der Akteure – und in die eigene.“ (webmoritz)

Neben mehreren Schauspielerinnen des Greifswalder Studententheaters sind in das Stück auch die hauptamtlichen Darsteller Lukas Goldbach, Hannes Rittig, Katja Klemt und Christian Holm vom Theater Vorpommern involviert.

Stalker wird an den ersten drei Märztagen im Rubenowsaal der Stadthalle aufgeführt. Am 21. und 22. März finden Vorstellungen in Stralsund statt. Karten lassen sich unter anderem über das Online-System des Theaters beziehen.

Brasserie Hermann und der ballspielende Mensch gehen in die Verlängerung

Das pünktlich zur vergangenen Fußballweltmeisterschaft konzipierte Stück Homo Pilicrepus – der ballspielende Mensch, das bis dato ausschließlich im roten Salon der Brasserie Hermann aufgeführt wurde und sich bester Publikumsresonanzen erfreute, geht in die Verlängerung.

der ballspielende mensch(Foto: Stuthe)

Lukas Goldbach, Katja Klemt, Gunnar Fasold, Christian Gaul, Jana Nederost und Juwe wussten nicht nur mit einem Clash aus Philosophie und Ballsport zu überzeugen, sondern auch mit einer ganz hervorragenden Werbekampagne für das Stück. Ganz im Stil der Schokobackwaffeln beiliegenden Sportaufkleber, war die Reklame für das Theater auch irgendwie eine Hommage an die Sammelleidenschaft fußballverrückter Süßigkeitenverzehrer.

Das Spiel ist Ein grundlegendes Element unserer Kultur. Der Mensch ist ein Spieler – und ohne seine Lust und Fähigkeit zum spielen hätten sich ganze Bereiche seiner Kultur und Gesellschaftsstrukturen überhaupt nicht entwickelt: die Dichtung, das Recht, die Wissenschaft, die bildende Kunst, die Philosophie und viele andere.

stuthe luhmannDa alle Spiele, auch jene, aus denen sich unsere Gesellschaft gebildet hat, zunächst freiwillig passieren und den Charakter der Freiheit haben – da ein befohlenes Spiel ja kein Spiel mehr sein kann – entwerfen wir dieses Spiel, „WIR“ gegen „DIE“. Die Wissenschaft sagt, der mensch sei der Homo Sapiens, (der Vernünftige), mancher meint, er sei der Homo Faber (der Schaffende), wir aber sagen: der Mensch ist der Homo Pilicrepus, der Ballspielende Mensch!

Rechtzeitiges Erscheinen ist aufgrund des begrenzten Platzangebotes anzuraten. Die Kasse öffnet eine Stunde vor dem Vorstellungsbeginn. Die letzte Vorstellung wird am 1. November stattfinden.

Fakten: 18.10. | 20.30 Uhr | Brasserie Hermann (Gützkower Str.1) | 6 EUR (erm. 4 EUR)

Skandalstück „Zerbombt“ feiert Premiere

Nachdem das Theater Vorpommern am vergangenen Mittwoch zur Premierenvorschau ins IKUWO lud und Einblicke in die Produktion und Inszenierung des Skandalstückes Zerbombt gewährte, wird morgen Abend im Rubenowsaal die Greifswalder Erstaufführung stattfinden.

plakat zerbombt kaneDas Stück erzählt von Gewalt im privatesten Bereich. Angesiedelt in einem Bürgerkriegsszenario, begegnen sich in einem Hotelzimmer der krebskranke Journalist Ian (Jan Bernhardt) und seine frühere Geliebte Cate (Elke Zeh). Ihr Suchen nach Nähe bleibt erfolglos und endet damit, dass sie von Ian vergewaltigt wird. Ein Granateinschlag lässt einen verletzen und gewalttätigen Soldaten (Katja Klemt) dazustoßen.

Wenn Menschen nach verstörenden Erfahrungen immer noch lieben können, dann ist die Liebe die größte Macht.“ (Sarah Kane)

Ungeschminkt und brachial an die Grenzen des Schmerzes

Die Textproben während der Premierenvorschau gaben einen Vorgeschmack auf die Ungeschminktheit und Brachialität von Zerbombt, dessen Autorin Sarah Kane sich mit 28 Jahren das Leben nahm. Konformistisches Provinz(possen)theater? Wohl kaum, viel eher ein morbider Selbsterfahrungstrip für das Publikum. Was kannst du aushalten?

Die Premiere in Greifswald ist bereits ausverkauft, ihr wird sich eine kleine Premierenparty im IKUWO anschließen. Zerbombt wird in den nächsten 10 Wochen noch dreimal in Stralsund (29.4. und 04.05.) und Greifswald (19.05.) aufgeführt werden. Ein frühzeitiger Kauf der Karten ist angeraten.

The Return of Super Ikuwo!

Am kommenden Dienstag ist es endlich soweit: Das IKUWO öffnet nach der abgeschlossenen Sanierung die Türen zur Wiedereröffnung. Die mit Abstand wichtigste Neuerung hierbei ist das Schallschutzkonzept, das zukünftig einen lebendigen und unterbrechungsresistenten Kulturbetrieb garantieren soll.

Baumaßnahmen sind noch in Gang

Im Haus wird derzeit noch gesägt, gehämmert, geschweisst, geräumt und gesäubert; kurzgesagt arbeiten viele AktivistInnen unter Hochdruck an und in den neuen Räumen. Es wird sich zeigen, inwieweit die Gruppe in der Lage sein wird, der DIN-gerechten Sterilität den gewohnt wie geliebten Charme des Hauses abzutrotzen.

Eindrücke von den Umbauarbeiten sollen niemandem vergönnt bleiben und ich möchte an dieser Stelle nachdrücklich den Besuch der Eröffnungswoche empfehlen, denn das RETURN OF SUPER IKUWO! ist eine ganze Batterie von Paukenschlägen, mit denen man sich in der kulturellen Öffentlichkeit der Stadt zurückmeldet:

// Dienstag, 27.Mai, 20.00 Uhr KARL HLAMKIN & OGNEOPASNO ORKESTR (Moskau/RUS) //

Balkan-Melodien und jüdische Weisen, kubanische Rumba-Rhythmik, ukrainischer Folk, jamaikanischer Ska und vieles andere mehr – verrührt zu einem unwiderstehlichen Partymix po russki.

// Mittwoch, 28. Mai, 20.00 Uhr POLNISCHE UND DEUTSCHE KLASSIK //

Ein klassisches Konzert am Flügel. Der Pianist Karol Masternak versteht es, mit unglaublicher Hingabe, Virtuosität und Musikalität in den Klavier-Werken von Frédéric Chopin zu vereinen. Klavierstücke des großen Romantikers Chopin und des Spätromantikers Johannes Brahms werden den Abend zu einem einzigartigen Klangerlebnis machen.

// Donnerstag, 29. Mai, 21.00 Uhr IMPROVISATIONSTHEATER-BATTLE //

Noch vor Beginn der Fußball-EM kommt Greifswald in den Genuss einer Sportveranstaltung der ganz besonderen Art.
Die Disziplin: Theater. Die Teams: Improsant (StuThe, HGW) gegen die SundGuerilla (StiCer, HST). Public Viewing in der IKuWo-Arena. Spiel um Spiel fordern sich die Kontrahenten in den verschiedensten Disziplinen des Improvisationstheaters heraus. Das Publikum ist hier nicht nur für die nötige Stadionatmosphäre verantwortlich, sondern gestaltet maßgeblich mit, was auf der Bühne passieren soll und welches Team die Punkte bekommt.

// Freitag, 30. Mai, 20.00 Uhr UNGEHALTENE REDEN UNGEHALTENER FRAUEN //

Monologe von Christine Brückner. Katja Klemt, Schauspielerin am Theater Vorpommern, als Gudrun Ensslin und Eva Hitler, geb. Braun. Die Bühne ist ein Kubus – der Assoziationsraum zweier Texte, ablesbar als Gefängnis wie Bunkerraum. Plexiglasscheiben lassen zudem die Wände verspiegelt erscheinen und öffnen den Blick noch weiter. „Die Banalität des Bösen“ bei Eva Hitler sowie das bittere Erkennen Gudrun Ensslins, dass es – wie bei Kafkas Hungerkünstler – „kein Denkmal“ für sie geben wird, erspielt sich Katja Klemt beim Lesen.

// Samstag, 31. Mai, 19.00 Uhr GRISTUF-COUNTDOWN Live-Vertonung von „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ (Walther Ruttmann, 1927) & Party //

Das vom 13. – 22. Juni stattfindende Studentenfestival wird auch dieses Jahr wieder mit Countdownveranstaltungen eingeläutet. Gäste des Abends sind das Leipziger Wanderkino, das sich darauf spezialisiert hat, in der Tradition des ganz frühen Kinos Live-Vertonungen zu Stummfilm-Klassikern zu präsentieren. Mit Walther Ruttmanns „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ von 1927 haben sie ein besonders faszinierendes Werk ausgewählt – ein panoramaartiges Portrait der pulsierenden Großstadt Ende der 20er, die mit ihren verschiedenen Facetten Rhythmus und Handlung bestimmt, verfolgt über einen ganzen Tag.Danach spielen die IKUWO-Allstars zur ersten großen Party auf mit einer Mischung quer durch die Stile und Grooves.

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