Nach den Brandanschlägen: Kundgebung auf dem Greifswalder Markt

Gut 36 Stunden nach den beiden Brandanschlägen, deren Ziele das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IKUWO) und der Wagenplatz in Alt Ungnade waren, findet heute auf dem Greifswalder Marktplatz eine eilig angemeldete Kundgebung unter dem Titel Gegen Nazigewalt – Solidarität mit dem IKUWO statt. Hier kann mit purer Anwesenheit gezeigt werden, dass Neonazis geächtet gehören.

Die Kundgebung wird mit einer eigenen Veranstaltungsseite beim sozialen Netzwerk Facebook beworben.

Fakten: 28.04. | 18 Uhr | Marktplatz

Kurz darauf beginnt im Koeppenhaus die vorletzte Infoveranstaltung vor der geplanten NPD-Demonstration am 1. Mai. Dort wird ein Vertreter der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie über die regionale Naziszene sprechen. Anschließend werden die beiden Bündnisse Greifswald Nazifrei und Greifswald ist bunt – Kein Ort für Neonazis ihre Strategien für den 1. Mai vorstellen und alle Interessierten informieren.

Fakten: 28.04. | 19 Uhr | Koeppenhaus

Unabhängig von der Kundgebung haben die HI allnostars in Kollaboration mit Katyusha feat. Hugo Stiglitz den ersten Track zur Mai-Demo veröffentlicht und rufen auf gemächlichen 126 BPM das Ende der Bockwurstparty aus.

Brandanschlag auf das IKUWO

In der Nacht zum 27. April wurde zum wiederholten Mal das IKUWO angegriffen. Gegen 04:20 Uhr verschafften sich die derzeit noch unbekannten Täter Zugang zum Hof des Internationalen Kultur- und Wohnprojekts und steckten einen PKW in Brand. Das Feuer wurde mit Hilfe eines Benzin-Brandsatzes gelegt, dessen Reste die Polizei heute früh sicherstellte.

„Es wurde in Kauf genommen, dass Menschenleben gefährdet werden“

In unmittelbarer Nähe des Tatorts befinden sich einschließlich des IKUWO gleich drei Wohnhäuser. Dort ansässige Mieter bemerkten das Feuer, verständigten sofort die Polizei und alarmierten die Feuerwehr. Beide trafen ein, nachdem der Brand durch die geistesgegenwärtige Reaktion eines Anwohners bereits gelöscht war. Durch die starke Rauchentwicklung erlitt eine Person eine Rauchvergiftung und musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Kriminalpolizei ermittelt.

Nadja Tegtmeyer, Sprecherin des IKUWO, sieht in diesem Angriff „eine neue Qualität organisierter rechter Gewalt. Bei dem Anschlag wurde in Kauf genommen, dass Menschenleben gefährdet werden.“ Im IKUWO geht man von einem gezielten Anschlag aus und vermutet einen Zusammenhang mit dem bevorstehenden Nazi-Aufmarsch am 1. Mai und dem Engagement des IKUWO beim Bündnis Greifswald Nazifrei.

Brandanschlag IKUWO

Unrühmliche Traditionslinie von politisch motivierten Angriffen auf das IKUWO

Dieser Brandanschlag ist nicht der erste Angriff auf das Internationale Kultur- und Wohnprojekt, sondern reiht sich ein in eine unrühmliche Traditionslinie, die bei Stein- und Flaschenwürfen bewaffneter Burschenschafter und rechten Sprühereien gegen das Haus begann und einen ihrer Höhepunkte erlebte, als eine mit einem Antifa-Aufkleber präparierte tote Katze als Warnung vor der Eingangstür des Hauses platziert wurde.

Aber nicht nur das IKUWO wurde zum Ziel mehrerer Angriffe. Im Zuge des Widerstands gegen den Castor-Transport wurden mehrere Fahrzeuge von Nazis beschädigt und Plakate abgerissen. Die Demonstrationen und Mahnwachen wurden regelmäßig von den Greifswalder Neonazis fotografiert .

Nazischmierereien in Greifswald

Seit Wochen marodieren die verirrten Aktivisten der sogenannten Nationalen Sozialisten Greifswald mit der Sprühdose in der Hand durch die Stadt, und bringen Hakenkreuze, Naziparolen und Drohungen an die Wände. Zu dieser Gruppe gehört auch Marcus G.

Der aus Berlin stammende Anti-Antifa-Aktivist – vormals im Dienste der inzwischen verbotenen Kameradschaft Tor – studiert an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald und versuchte am 5. April sogar, ein Treffen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses, das sich anlässlich einer zu befürchtenden NPD-Demonstration gründete, zu infiltrieren (mehr dazu hier).

Nazis legten auch in Alt Ungnade Feuer

Von einem Angriff in der vergangenen Nacht war allerdings nicht nur das IKUWO betroffen, sondern auch das alternative Bauwagenprojekt Alt Ungnade. Dort vermeldete man, dass in der gestrigen Nacht in der Scheune des Wagenplatzes ein Feuer gelegt und die Wände mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. Der Brand konnte gelöscht werden, die Täter entkamen. Über ihren politischen Hintergrund besteht kein Zweifel.

Offenbar befindet sich die Greifswalder Neonazi-Szene, nachdem erst vor einer Woche am Museumshafen plakatierende Antifaschistinnen angegriffen wurden, auf einem aktionistischen Endspurt vor der angemeldeten, aber in erster Instanz verbotenen NPD-Demonstration am 1. Mai. Die Frage, ob diese Menschen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, haben die Neonazis in den vergangenen Tagen und Wochen selbst beantwortet.

Verwaltungsgericht Greifswald bestätigt Verbot der NPD-Demo

Gute Nachrichten aus der ersten Instanz: Wie aus einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung hervorgeht, bestätigte heute das Verwaltungsgericht Greifswald das Verbot der angemeldeten NPD-Demonstration am 1. Mai:

Begründet wird das mit dem § 130 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch. Hier heißt es, „wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verleumdet … wird mit einer Freiheitsstrafe von drei bis zu fünf Jahren bedroht.“

kein ort für neonazis greifswald

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass das von der NPD gewählte Demonstrationsmotto „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen“ diesen Straftatbestand erfüllt. Durch die Nutzung der Begriffe Fremdarbeiter und Invasion in Bezug auf polnische Arbeitskräfte in der BRD werde die Menschenwürde dieses Teils der Bevölkerung angegriffen. Die öffentliche Ordnung sei gefährdet, dem könne nur durch das Verbot der angemeldeten Versammlung begegnet werden, heißt im Beschluss des Gerichtes.

Damit folgte das Verwaltungsgericht der Argumentation der Stadt Greifswald. Über die Entscheidung herrscht im Greifswalder Rathaus große Freude. Senator für öffentliche Ordnung Ulf Dembski: „Unsere Stadt steht für Toleranz, Gewaltfreiheit und Internationalität. Menschenverachtende Äußerungen werden wir nicht dulden.“ (Pressemitteilung)

Neues von der NPD-Demo: 1000 Polizisten, Videos aus dem Archiv, Fortschritte beim Bündnis und Angriffe auf Antifaschisten

Wie die Schweriner Volkszeitung berichtet, sollen bei der angemeldeten NPD-Demonstration am 1. Mai in Greifswald 1000 Polizeibeamte im Einsatz sein, um „Krawalle zu verhindern“. Die Beamten werden dabei unter anderem von einer Hundertschaft sächsischer Bereitschaftspolizisten unterstützt.

Gewaltfreie Sitzblockaden

Die Zeitung zitiert den Sprecher des Landesinnenministeriums, Olaf Seidlitz: „Aufgrund der im Internet kursierenden Blockadeaufrufe und den Erfahrungen mit so genannten antifaschistischen Versammlungen gehen wir davon aus, dass auch gewaltbereite Linksextremisten versuchen werden, an den Protesten teilzunehmen.“ Der Himmel wird sich verdunkeln und die Gewalttäterinnen werden auf schwarz-roten Rössern herangeprescht kommen – fürchten Sie sich auch schon?

Im folgenden Video vom 14.1.2001 kann man einen Eindruck davon gewinnen, wie  sogenannter „gewaltbereiter Linksextremismus“ und Blockaden gegen NPD-Demonstrationen zusammenhängen. Am Anfang des Videos ist übrigens der von Arthur König angeführte Demonstrationszug zu sehen, der sich auf seiner ganz eigenen Route den Neonazis „entschieden in den Weg stellte“, während der NPD-Zug tatsächlich an völlig anderer Stelle temporär aufgehalten wurde.

Sie werden marschieren — wir werden (friedlich) blockieren!

nazis blocken!Trotz des vom Greifswalder Oberbürgermeister ausgesprochenen Verbotes ist damit zu rechnen, dass die geplante Demonstration stattfinden wird. Die Universität wirbt dafür, dass die Uni-Mitglieder und alle, die sich mit ihr verbunden fühlen, sich um 8:45 Uhr am Rubenow-Denkmal treffen, um von dort gemeinsam auf den Marktplatz und weiter zum Demokratiefest am Trelleborger Weg zu laufen.

Das Bündnis Greifswald Nazifrei ruft im Gegensatz dazu auf, die NPD-Demonstration tatsächlich zu blockieren und sich den Nazis in den Weg zu stellen beziehungsweise zu setzen. Mit Gewaltbereitschaft hat das nichts zu tun, sondern mit Zivilcourage! Der gemeinsame Aktionskonsens bringt das auch zum Ausdruck:

  • Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Naziaufmarsch.
  • Von uns geht dabei keine Eskalation aus.
  • Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden.
  • Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.

Dass so eine Blockade erfolgreich verlaufen kann, zeigt dieses Video des zweiten Greifswalder Nazi-Aufmarsches im Jahr 2001. Gut erkennbar beteiligten sich an dieser Aktion nicht nur die vom Landesinnenministerium und der Schweriner Volkszeitung herbeiorakelten „gewaltbereiten Linksextremisten“, sondern ein milieuübergreifender Teil der Gesellschaft – bunt und friedlich.

„Ich blockiere, weil sich so gut wie alle anderen Aktionsformen als unwirksam erwiesen haben“

Das Bündnis rechnet ebenfalls fest mit einer Genehmigung der verbotenen NPD-Demonstration und vermeldete, dass es inzwischen bereits eine Sanitäterinnen- und eine Volxküchencrew gäbe: Veggie-Burger statt Gesicht-zeigen-Bratwurst!

Beeindruckend sind auch die landesweiten Mobilisierungsveranstaltungen, die in den kommenden Tagen nicht nur in Greifswald, sondern auch in Neubrandenburg,  Rostock, Burg, Wismar, Schwerin, Berlin, Ribnitz-Damgarten und Potsdam stattfinden werden. Organisiert werden sollen auch einige Busse, die auswärtige Demonstrierende nach Greifswald bringen sollen.

Eine schöne Idee ist außerdem das Einrichten der neusten Rubrik auf dem Blog des Bündnisses: Ich blockiere weil…. Dort sind alle dazu eingeladen, mit einem Statement die eigene Intention, sich an der Blockade zu beteiligen, zu erklären.

Versuchter Angriff auf Nazi-Gegnerinnen

Bei Indymedia tauchte gestern die Meldung auf, dass eine Gruppe Jugendlicher beim Plakatieren in der Nacht zum 18. April nur knapp einem offensichtlich neonazistisch motivierten Angriff am Hafen entgehen konnte. Dort heißt es: „Es war bereits früh geworden, als sich drei Männer einer Personengruppe näherten, die unterwegs waren, um Plakate zu verkleben.  Gegen zwei Uhr morgens trafen im Stadthafen die beiden Personengruppen aufeinander. Einige Meter entfernt begannen die Angreifer sich zu vermummen. Geistesgegenwärtig entschloss sich der Plakatiertrupp zur sofortigen Flucht. Die drei nun vermummten Männer eilten ihnen hinterher. Mit den Worten „Scheiß Antifa“ und „Wir kriegen euch“ dürften sowohl Absicht und Motiv erkennbar werden.“

Ob es angesichts eines solchen Ereignisses klug ist, die Proteste gegen den Greifswalder Naziaufmarsch als „gewaltbereit“ zu diskreditieren, darf bezweifelt werden. Der Landesverband der NPD reagierte auf das Demonstrationsverbot siegesgewiss und kündigte an, dass am 1. Mai „die volkstreue Bewegung Mecklenburg [sic!] und Pommerns in Greifswald ihren Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse, für die Freiheit und das Wohl des Volkes auf die Straße tragen“ würden. Das könne durch „König, Dembski und Co“ nicht verhindert werden.

In diesem Punkt darf der NPD ausnahmsweise wirklich zugestimmt werden: König und Dembski werden mit einem Demokratiefest keine Demonstration verhindern. Entscheidend wird also sein, wie viele Menschen gewillt sind, persönlich Platz zu nehmen, damit Greifswald der NPD eine klare Absage erteilt.

Oberbürgermeister verbietet NPD-Demonstration in Greifswald

Wie die Stadtverwaltung heute mitteilte, hat Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU) die für den 1. Mai angemeldete Demonstration des Landesverbands der NPD verboten. Eine entsprechende Verfügung soll dem Landesverband heute zugestellt werden. Zur Begründung heißt es in der Pressemitteilung:

das Motto „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen“ verstoße gegen die öffentliche Sicherheit. Im Zusammenhang mit dem Parteiprogramm und der Präsentation auf den Internetseiten der NPD werde die Menschenwürde ausländischer Bürger auf strafbare Weise diskreditiert und die Angst der Bevölkerung vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg auf Kosten ausländischer Mitmenschen geschürt.

Trotzdem soll am geplanten „Demokratiefest“ genauso festgehalten werden wie am gemeinsamen Demonstrationszug, für den unter anderem auch die Universität wirbt und der am Tag der Arbeit vom Rubenowplatz ins Ostseeviertel führen wird.

kein ort für neonazis greifswald

Diese Entscheidung ist weise, denn trotz des lobenswerten Verbotes durch den Oberbürgermeister ist damit zu rechnen, dass die NPD alles daran setzen wird, den geplanten Aufmarsch mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Die Chancen dafür, dass die Nazis sich vor Gericht durchsetzen und am Ende doch in Greifswald demonstrieren dürfen, stehen dabei leider gar nicht schlecht.