In eigener Sache: Fleischervorstadt-Blog gewinnt Prozess gegen Marcus G.

Am Mittwoch fand am Greifswalder Amtsgericht die zweite Verhandlung zwischen Marcus G. und dem Fleischervorstadt-Blog statt. Der Prozess endete mit einer Rücknahme der Klage.

Ein Jahr lang dauerte der anwaltliche Papierkrieg zwischen dem Fleischervorstadt-Blog und Marcus G., der schließlich am vergangenen Mittwoch sein Ende in einem Verfahren vor dem Greifswalder Amtsgericht fand. Nachdem G. den ersten Verhandlungstag wegen einer kurzfristigen Erkrankung nicht wahrnehmen wollte, erschien der Kläger dieses Mal vor Gericht, um sich gegen die Berichterstattung des Blogs zu wehren. Durch diese fühlte er sich zu Unrecht in ein schlechtes — besser gesagt: rechtes — Licht gerückt. In den Schriftsätzen seines Anwalts wurde zuvor jeder Bezug zur rechtsextremen Szene bestritten, insbesondere die frühere Nähe zur 2005 verbotenen Kameradschaft Tor (KS Tor), seine Aktivitäten als Anti-Antifa-Fotograf sowie die Tatsache, dass er gemeinsam mit Ragnar Dam und Lutz Giesen in einer Wohngemeinschaft im Greifswalder Ostseeviertel gelebt hätte oder die beiden bundesweit bekannten Neonazis überhaupt kenne.

Amtsgericht Greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Im Laufe der Verhandlung wurden Fotostrecken ausgewertet, die G. als Fotografen auf zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der NPD und der JN abbilden. Bereits hier sorgten widersprüchliche Angaben von G. und seinem Anwalt, der in den Fotos der rechten Demonstrationen Aufnahmen normaler Konzerte und Studentenveranstaltungen erkennen wollte, gleichsam für Erheiterung wie Unverständnis im bis auf den letzten Platz mit Medienvertretern und Unterstützern des Blogs gefüllten Gerichtssaal. Richterin Stefanie Kohnen musste G. mehrmals dahingehend belehren, dass er vor Gericht der Wahrheit verpflichtet sei und ihm bei falschen Aussagen ein Strafverfahren wegen Prozessbetrugs drohe.

Ergebnis dreier Hausdurchsuchungen: Hitler- und NS-Devotionalien, Propagandamaterial, Gewehrmunition und Adresslisten politischer Gegner

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Veranstaltungshinweis: „Mädelsache! Frauen in der Nazi-Szene“

Vor sechs Monaten veröffentlichten die beiden Journalistinnen Andreas Speit und Andrea Röpke mit Mädelssache! Frauen in der Neonazi-Szene ihr drittes Buch zum Themenfeld Rechtsextremismus. Nun kommt zumindest Speit nach Greifswald, um im Koeppenhaus aus der Veröffentlichung zu lesen und darüber zu diskutieren.

andrea röpke andreas speitFür Mädelsache! trugen die beiden Experten unheimlich viele Beobachtungen und Detailwissen zusammen, zitieren aus zahlreichen Interviews und schufen eine Art Bestandsaufnahme der weiblichen Neonazi-Szene und ihrer Entwicklungen in den vergangenen 20 Jahren. Das reicht vom Ring Nationaler Frauen (RNF) über die Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) bis zur Mädelgruppe der Kameradschaft Tor.

Ursel, Edda und Marianne

Die Autoren portraitieren dabei einige Frauen, wie zum Beispiel Marianne Pastörs, die Gattin des NPD-Fraktionsvorsitzenden Mecklenburg-Vorpommerns. Sie berichten über heidnisch-völkische Siedlungsprojekte und von Autonomen Nationalisten, von den Schwierigkeiten, mit denen Frauen in der Männersekte Rechtsextremismus konfrontiert werden und von ihrer Bedeutung für die nationale Sache. Wer eine gender-analytische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Neonazistinnen sucht, wird in Mädelsache! nicht viele Antworten finden. Den Wert des Buches schmälert dieses Defizit allerdings kaum. Diese Publikation ist vor allem aktuell und taugt auch als Nachschlagewerk zum Thema.

Mädelsache! ist nicht nur im normalen Buchhandel erhältlich, sondern kann wesentlich günstiger über die Bundeszentrale für Politische Bildung bezogen werden. Dort kostet das Buch nur eine Schutzgebühr von 4,50 Euro. Die Lesung wird gemeinsam vom Literaturzentrum Koeppen und der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in M-V (KOWA-MV) organisiert. Die Teilnahme ist nur mit vorheriger Anmeldung möglich (telefonisch unter 03831-457603 oder via E-Mail an kowa_mv [at] fh-stralsund.de).

Andrea Röpke ist Politologin und freie Journalistin, die seit vielen Jahren zum Thema Rechtsextremismus arbeitet und publiziert.

Fakten: 28.09. | 20 Uhr | Koeppen | Eintritt frei

Brandanschlag auf das IKUWO

In der Nacht zum 27. April wurde zum wiederholten Mal das IKUWO angegriffen. Gegen 04:20 Uhr verschafften sich die derzeit noch unbekannten Täter Zugang zum Hof des Internationalen Kultur- und Wohnprojekts und steckten einen PKW in Brand. Das Feuer wurde mit Hilfe eines Benzin-Brandsatzes gelegt, dessen Reste die Polizei heute früh sicherstellte.

„Es wurde in Kauf genommen, dass Menschenleben gefährdet werden“

In unmittelbarer Nähe des Tatorts befinden sich einschließlich des IKUWO gleich drei Wohnhäuser. Dort ansässige Mieter bemerkten das Feuer, verständigten sofort die Polizei und alarmierten die Feuerwehr. Beide trafen ein, nachdem der Brand durch die geistesgegenwärtige Reaktion eines Anwohners bereits gelöscht war. Durch die starke Rauchentwicklung erlitt eine Person eine Rauchvergiftung und musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Kriminalpolizei ermittelt.

Nadja Tegtmeyer, Sprecherin des IKUWO, sieht in diesem Angriff „eine neue Qualität organisierter rechter Gewalt. Bei dem Anschlag wurde in Kauf genommen, dass Menschenleben gefährdet werden.“ Im IKUWO geht man von einem gezielten Anschlag aus und vermutet einen Zusammenhang mit dem bevorstehenden Nazi-Aufmarsch am 1. Mai und dem Engagement des IKUWO beim Bündnis Greifswald Nazifrei.

Brandanschlag IKUWO

Unrühmliche Traditionslinie von politisch motivierten Angriffen auf das IKUWO

Dieser Brandanschlag ist nicht der erste Angriff auf das Internationale Kultur- und Wohnprojekt, sondern reiht sich ein in eine unrühmliche Traditionslinie, die bei Stein- und Flaschenwürfen bewaffneter Burschenschafter und rechten Sprühereien gegen das Haus begann und einen ihrer Höhepunkte erlebte, als eine mit einem Antifa-Aufkleber präparierte tote Katze als Warnung vor der Eingangstür des Hauses platziert wurde.

Aber nicht nur das IKUWO wurde zum Ziel mehrerer Angriffe. Im Zuge des Widerstands gegen den Castor-Transport wurden mehrere Fahrzeuge von Nazis beschädigt und Plakate abgerissen. Die Demonstrationen und Mahnwachen wurden regelmäßig von den Greifswalder Neonazis fotografiert .

Nazischmierereien in Greifswald

Seit Wochen marodieren die verirrten Aktivisten der sogenannten Nationalen Sozialisten Greifswald mit der Sprühdose in der Hand durch die Stadt, und bringen Hakenkreuze, Naziparolen und Drohungen an die Wände. Zu dieser Gruppe gehört auch Marcus G.

Der aus Berlin stammende Anti-Antifa-Aktivist – vormals im Dienste der inzwischen verbotenen Kameradschaft Tor – studiert an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald und versuchte am 5. April sogar, ein Treffen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses, das sich anlässlich einer zu befürchtenden NPD-Demonstration gründete, zu infiltrieren (mehr dazu hier).

Nazis legten auch in Alt Ungnade Feuer

Von einem Angriff in der vergangenen Nacht war allerdings nicht nur das IKUWO betroffen, sondern auch das alternative Bauwagenprojekt Alt Ungnade. Dort vermeldete man, dass in der gestrigen Nacht in der Scheune des Wagenplatzes ein Feuer gelegt und die Wände mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. Der Brand konnte gelöscht werden, die Täter entkamen. Über ihren politischen Hintergrund besteht kein Zweifel.

Offenbar befindet sich die Greifswalder Neonazi-Szene, nachdem erst vor einer Woche am Museumshafen plakatierende Antifaschistinnen angegriffen wurden, auf einem aktionistischen Endspurt vor der angemeldeten, aber in erster Instanz verbotenen NPD-Demonstration am 1. Mai. Die Frage, ob diese Menschen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, haben die Neonazis in den vergangenen Tagen und Wochen selbst beantwortet.

Neonazi beim Bündnistreffen – Infiltrierungsversuch vereitelt

Gestern Nachmittag fand im Greifswalder Rathaus unter dem Titel Greifswald ist bunt – kein Ort für Neonazis das zweite Treffen zivilgesellschaftlicher Gruppen statt, die der Einladung von Bürgerschaft und Oberbürgermeister folgten, um gemeinsam Strategien gegen die von der NPD angemeldete Demonstration am 1. Mai zu entwickeln.

Bereits nach dem ersten Treffen wurden Stimmen laut, die Zweifel an der Integrität dieser Runde äußerten und konstatierten, dass ein Greifswalder Neonazi diese Gruppe zu infiltrieren versuchte. Beim gestrigen Treffen war diese Person, Marcus G., wieder zugegen, wurde dieses Mal allerdings enttarnt und des Saales verwiesen.

BÜNDNIS BROWN UNDER

Die Greifswalder Antifa (AAG) bewertet diesen Rausschmiss positiv: „Dass Neonazis selbst auf Veranstaltungen des städtischen Protestbündnisses zum 1. Mai auftauchen, zeigt, wie selbstbewusst und sicher sie sich bei ihren Ausspähversuchen fühlen. „Dieser Tendenz muss Einhalt geboten werden. Der heutige Tag war ein wichtiges Zeichen dafür.““

In einer schriftlichen Stellungnahme erklärt die Gruppe, dass es zur Strategie von Neonazis gehöre, auf zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen aufzutauchen, um über antifaschistische Aktivisten Informationen zu sammeln.

(Foto: AAG)

Marcus G. sei bereits auf vielen, vornehmlich von Studierenden organisierten, politischen Veranstaltungen unterwegs gewesen, wie zum Beispiel beim studentenverbindungskritischen Vortrag Saufen, Schlagen, Seilschaften im Geokeller oder der von den Moritz Medien organisierten Podiumsdiskussion Rechtsextremismus – nur ein Phänomen?, die während der letzten 24-Stunden-Vorlesung stattgefunden hat.

„VIELLEICHT STEHEN WIR DAS NÄCHSTE MAL GENAU HINTER DIR“

Im Fall der Podiumsveranstaltung wurde wenig später auf einem Greifswalder Nazi-Blog ein Text veröffentlicht, den einige der anwesenden Studierenden kommentierten und daraufhin die altbekannten anonymen Drohszenarien ernteten:

„Natürlich wissen wir einiges über dich und deine Genossen. Ist ja auch nicht schlimm…aber der Zeitpunkt ist einfach noch nicht reif, dass ihr uns seht…vielleicht stehen wir das nächste Mal genau hinter dir an der Kasse oder bei der Bank…:)“

Im Fall des vom Bündnistreffen verwiesenen Neonazis Marcus G. muss noch erwähnt werden, dass dieser kein lokales Eigengewächs ist, sondern bereits vor seinem Umzug nach Greifswald in der seit 2005 verbotenen Kameradschaft Tor (Berlin/Lichtenberg) im Anti-Antifa-Bereich aktiv gewesen sein soll und im Dunstkreis der hiesigen Kader Ragnar Dam und Lutz Giesen herzlich aufgenommen worden sein soll.

GREIFSWALD NAZIFREI: INFORMIEREN, MOBILISIEREN & DIE NPD BLOCKIEREN!

Die Greifswalder Naziszene bereitet sich also augenscheinlich auf die bevorstehende Demonstration vor und wird mit Sicherheit noch mehr Anstrengungen in die Waagschale werfen. Aktuelle Informationen über den geplanten NPD-Aufmarsch am 1.Mai und den Protest beziehungsweise die Massenblockade der Nazis bietet das informelle Bündnis Greifswald Nazifrei auf einem Blog, einer Facebook-Seite und via Twitter an.

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