Kaum eine Rubrik der Greifswalder Ostsee-Zeitung bietet so ungemein viel Erzählstoff wie das Uni-Eckchen Auf dem Campus. Hier erschien zum Beispiel das peinliche Plagiat über geschlechtergerechte Sprache und den Berner Leitfaden.
Droht die Ungarisierung des Studierendenparlaments?
Gestern meldete sich in ebendieser Rubrik wieder ein alter Bekannter zu Wort und witterte ungarische Verhältnisse im Greifswalder Studierendenparlament:
Grundrecht gebrochen
Was haben das Greifswalder Studierendenparlament und das ungarische Parlament gemeinsam? Beide fassten höchst umstrittene Beschlüsse zur Beschränkung der Pressefreiheit.
In Ungarn soll eine Behörde in Zukunft Sender, Zeitungen und Online-Portale kontrollieren und bestrafen dürfen. In Greifswald wurde es Studenten, welche nicht die Ausrichtung der Studierendenschaft teilen, per Parlamentsbeschluss verboten, für die studentischen Medien zu arbeiten. Demnach dürfte in Greifswalds Studentenzeitung beispielsweise kein Beitrag mehr über mögliche Vorteile von Studiengebühren erscheinen, denn das Studierendenparlament hat sich gegen solche Gebühren ausgesprochen. Auch über Sinn und Unsinn von veganischem [sic!] Essen in der Mensa wird man wohl keinen Disputmehr in studentischen Medien der Hansestadt lesen dürfen.Kritiker sind empört und sprechen von Zensur. Während in Budapest mehr als zehntausend Menschen gegen das neue ungarische Mediengesetz demonstrierten, blieb es in Greifswald bislang auffallend ruhig. Dabei verletzt der Beschluss der studentischen Parlamentarier eines der höchsten Güter dieses Landes: die Pressefreiheit. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.“ So steht es im Grundgesetz.
In Ungarn wurde das neue Mediengesetz am 1.1.2011 wirksam und wird von Kritikerinnen als Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit bewertet. Die Staatliche Behörde für Medien und Nachrichtenübermittlung ist jetzt mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und kann bei Verstößen gegen die undeutlich definierten Vorschriften (z.B. Ausgewogenheit, Erfüllung der Informationspflicht), Geldstrafen von bis zu 90.000 Euro gegen Medien verhängen. Außerdem wird das Redaktionsgeheimnis stark eingeschränkt, was einer Auflösung des Informantenschutzes Bahn bricht.
Die Behörde überwacht allerdings nicht nur das öffentlich-rechtliche Angebot, sondern kann jetzt auch private Fernseh- und Rundfunksender sowie Zeitungen und Internetportale kontrollieren.
Der Campus-Autor und sein eigenes Publikationsverbot
In Greifswald ist die Einrichtung einer Stupistischen Behörde für Medien und Nachrichtenübermittlung hingegen nicht festzustellen – sie ist auch nicht abzusehen. Es gibt bislang nur ein einziges Publikationsverbot und mit dem wurde der Autor des zitierten OZ-Artikels belegt. Das Verbot wurde auch nicht deswegen ausgesprochen, weil der frühere Chefredakteur Alexander Müller unliebsame oder kontroverse Inhalte publizierte, sondern nachdem er im Rahmen der 24-Stunden-Vorlesung einen Referenten des AStA agressiv und homophob beleidigte.
Er trat damals von seinem Amt beim Moritz Magazin zurück, um einer öffentlichen Debatte über den Vorfall auszuweichen. Die Redaktion stellte sich gegen das beschlossene Publikationsverbot, aber nicht geschlossen hinter ihren geschassten Chefredakteur, der jetzt skurrilerweise über sich selbst zu schreiben beginnt.
Die Befugnis des StuPas, in die Moritz Medien einzugreifen, darf und sollte kontrovers debattiert werden. Die Ostsee-Zeitung hätte sich gut zu diesem Thema positionieren können, nicht zuletzt, weil sie – wie die meisten Greifswalder Medien – völlig unabhängig vom StuPa arbeitet. Schon hier gerät der vergleichsweise pietätlose Ungarnvergleich ins Wanken. Ausgerechnet aber den einzigen Betroffenen des (nicht für publizistische Arbeit ausgesprochenen) Publikationsverbotes diese Aufgabe für die Lokalzeitung übernehmen zu lassen, war leider keine glückliche Entscheidung.