Nach mehr als 30 Veranstaltungen binnen 12 Tagen hat es sich Montagnacht im St. Spiritus für den PolenmARkT ausgetobt — das war’s jetzt erstmal für ein Jahr! Wer die schönsten Momente des polnischen Festivals nochmal Revue passieren lassen möchte, kriegt womöglich in der folgenden Bildergalerie Hilfestellung.
Es wurde allerdings nicht nur fotografiert, sondern auch gefilmt, unter anderem die Veranstaltungen mit Leszek Możdżer, dem Bester Quartet oder dem Live-Hörspiel von Felix Kubin & The Complainer. Einige dieser Videos sind im Youtube-Kanal von Zajacmuseomaniak zu finden, so auch Aufnahmen vom Fürsten am Piano, Leszek Możdżer, der schon als Fünfjähriger mit dem Klavierspiel begann und später zur polnischen Jazz-Sensation aufstieg. Die gleich folgende Bach-Interpretation ist erwartungsgemäß wenig jazzig, dafür aber um so rasanter! „Festgehalten: Die Höhepunkte des PolenmARkTs 2011“ weiterlesen →
Wir tun das Gegenteil von dem, was du dir rätst / wenn du dein eigener Arzt bist / Wenn wir nicht so verzweifelt hier sein wollen / können wir ja rausgehen, oder ins Extrem / Wenn wir dabei nicht so verzweifelt aussehen wollen bleiben wir hier / um zunächst die Wohnung zu zerstören und dann neu zu beziehen / Ich weiß es gibt Krieg mit der Normalität / Und es wird spät.
Das anstehende Wochenende wird facettenreich und mit Durchhaltevermögen vom PolenmARkT bespielt, der zweifelsfrei die kulturellen Höhepunkte bietet. Neben den Theaterkonzerten des Bester Quartets und vom Pianisten Leszek Możdżer, machen an zwei Abenden die Russendisko und das DJ-Team Soul Service in Greifswald Station, während im Dom der historische Science-Ficition Film Metropolis gezeigt wird.
ZORNIG: DAS BESTER QUARTET
Gegründet unter dem Namen The Cracow Klezmer Band, erspielte sich das Quartet um den Akkordeonspieler Jaroslaw Bester seinen Platz in der internationalen Szene moderne jüdischer Musik. Wer sich noch mit gutem Gefühl an die grandiosen Kroke erinnert, die beim PolenmARkT vor zwei Jahren das Greifswalder Theater in ihren Bann zogen, ist beim Bester Quartet bestens aufgehoben. Hier trifft moderne Kammermusik auf improvisationsfreudigen Jazz.
Der New Yorker Jazzmusiker und Labelchef John Zorn hat die Band für sich entdeckt und bislang alle sechs Veröffentlichungen des Bester Quartets auf seinem Radical Jewish Music Label Tzadik herausgebracht.
Kurz nachdem das Bester Quartet auch die letzte Zugabe gespielt hat, beginnt im IKUWO die prominent besetzte Aftershowsause. Als DJ konnte hierfür niemand geringeres als Yuriy Gurzhy gewonnen werden.
Der gehört nicht nur zur Emigrantski-Raggamuffin-Band Rotfront, sondern ist vor allem durch die Russendisko berühmt geworden, die er als bis heute existierende Veranstaltungsreihe mit dem Autoren der gleichnamigen Kurzgeschichtensammlung, Wladimir Kaminer, realisiert. Gurzhy stellte gemeinsam mit dem Engländer Lemez Lovas die Kompilation Shtetl Superstars zusammen und präsentierte auf ihr „funky Jewish Sounds“ aus der ganzen Welt. Russendisko, das heißt durchdrehen bis zum Schluss und Yuriy Gurzhy wird das Hanse-Shtetl garantiert auf den Kopf stellen!
Am Sonnabend wird Fritz Langs Meisterwerk Metropolis (D, 1927, rest. 2010, 145 Min.) gezeigt. Der erste berühmte Science-Fiction-Film wurde 1927 der Öffentlichkeit vorgestellt, konnte dann aber über achtzig Jahre nur in gekürzter Fassung gezeigt werden. Erst vor wenigen Jahren wurde in Buenos Aires eine Kopie des Originals gefunden, mit deren Hilfe das Werk restauriert werden konnte.
Der Film führt in die zweigeteilte Zukunftsstadt Metropolis: „In der lichtlosen Unterstadt schuften Sklaven rund um die Uhr bei Wasser und Brot, die Luxusmenschen der Oberstadt dagegen vertreiben sich die Zeit mit Spiel und Sport aufs Angenehmste. Zwischen Ober- und Unterstadt dröhnen ohne Pause riesige Maschinen, deren Erfinder Rotwang ein übles Komplott ausheckt: Er schafft eine künstliche Frau, welche die Massen gegen die Bewohner der Oberstadt aufhetzen soll, um einen Vorwand für noch größere Unterdrückung zu liefern. Nur zwei Menschen durchschauen den Plan: Die schöne Maria, „Heilige der Unterdrückten“, und Freder, Sohn des Herrschers von Metropolis, der sich unsterblich in Maria verliebt hat.“
Wie zur Entstehungszeit üblich, wird die Filmvorführung live an an der Domorgel begleitet. Es spielt der Stettiner Organist Filip Presseisen. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Filmclub Casablanca e.V. statt. Hier ein Trailer:
Fakten: 26.11. | 19 Uhr | Dom | 5 / 3 EUR
FUNKY: DJ-TEAM SOUL SERVICE
Durch die Sonnabendnacht wird im IKUWO das Soul Service-DJ-Team aus Warschau und Lublin führen. Dieses Quartet der Schallplattenunterhaltung besteht aus Burn Reynolds, Cpt. Sparky, DJ Misty und Papa Zura, die als „retrovertierte Soundforscher und akribische Archivgänger in Sachen polski Fusion-Funk“ angekündigt werden.
„Als Kenner mit Sendungsbewusstsein brachten sie diesen hoch geschätzten polnischen Jazz-Sound der Siebziger geballt und zudem stilvoll verpackt zurück in die Pop-Warenzirkulation. Als versiertes und leidenschaftliches DJ-Team aber pumpen sie ihn vor allem dahin, wo er eigentlich hingehört: auf die Tanzfläche, in die Beine und Bäuche der Party-Crowd!“
Fakten: 26.11. | 22 Uhr | IKUWO | 5 EUR
FÜRSTLICH: LESZEK MOZDZER
Mit einem Klavierkonzert der Superlative wird das inoffizielle Ende des PolenmARkTs eingeläutet. Der mit Preisen überhäufte, polnische Starpianist Leszek Możdżer wird am Sonntag im Theater gastieren und dort als Solokünstler auftreten. Możdżer begann schon als Fünfjähriger mit dem Klavierspiel, absolvierte eine klassische Ausbildung, bis er auf Jazz aufmerksam wurde und zur Szene-Sensation aufstieg.
Leszek Możdżer hat an über 100 Alben mitgewirkt, Musik für Theater und Film geschrieben und spielte unter anderem mit Arthur Blythe, Buster Williams, Billy Harper, Pat Metheny oder Archie Shepp auf internationalen Bühnen.
Selbst wenn wir beisammen sitzen / in unserem Lieblingsbrauereilokal / dann sollten wir wissen / daß mit jedem Bissen / den wir wie von Sinnen / nahezu herunterschlingen / ehe wir uns versehen / unser Stolz und unsere Würde verloren gehen / und die Alltäglichkeit / die man uns jederzeit / aus vollen Fässern zapft / macht uns nicht mehr betrunken / sondern vielmehr bewußt / daß das Unglück überall zurückgeschlagen werden muß.
TANZTENDENZEN: WEICHE LANDUNG UND DIE STRATEGIE DES SCHEITERNS
Das Wochenende beginnt hochkulturell mit dem Abschluss der Tanztendenzen, dem Greifswalder Festival für zeitgenössischen Tanz. Angekündigt wird eine Doppelveranstaltung mit dem deutsch-australischen Projekt battleROYAL und den Franzosen Collectif 2 Temps 3 Mouvement, das HipHop, Tanz und Zirkus verbindet.
BattleROYAL zeigen bereits in ihrem etwas älteren Trailer, was für eine beeindruckende und marionettenhafte Performance sich hinter dem angekündigten Soft Landing verbirgt, unbedingt ansehen!
Die Kabutze feiert mit einer Woche Verspätung den ersten Geburtstag. Die offene Nähwerkstatt wird heute Nacht deswegen in eine Schwarzlichthöhle verwandelt. An den Decks werden Hannah und The Schaule Solo stehen und alle Feierwütigen mit Elektro und E-Swing bombardieren. Happy Birthday!
Am vergangenen Sonnabend wandelten Gisa, Gerdrun und Gudela als Muschiballett auf den ausgetretenen Pfaden des Patriarchats und nahmen dabei das zahlreich erschienene Publikum mit auf Spurensuche durch die jüngere Kulturgeschichte — Diskursperformance galore!
Wohin zur Hölle mit den Depressionen / Ich geh in die Disco, ich will da wohnen / Ich geh in die Disco und bring den Depri mit / Na wie wär’s, Wechselschritt / trauernder Tango, flennender Fox / langes Elend, elender Trotz / Tanz den Burnout, tanz das Syndrom! / Immer was was Neues, kennt man schon.
„WENN GOTT EMMA PEEL WÄRE, DANN WÄREN DIE MOBYLETTES DIE HAUSBAND DES HIMMELS“ (ROCKO SCHAMONI)
Die Hamburger Band Mobylettes, die schon vor 20 Jahren mit einer bewegenden Mischung aus 60ies, Soul, Motown, und amerikanischer Beatmusik für Begeisterung sorgte, ist nach zehnjähriger Schaffenspause wieder da und präsentiert ihr neues Album „Immer schlimmer“ (tapete records). Anführerin des Quartetts ist Diana Diamond, die in der Vergangenheit nicht nur für Huah! sang, sondern auch den Sternen oder den Goldenen Zitronen ihre wunderbare Stimme lieh.
Nach dem Konzert wird London-Rückkehrer Marten für eine ungestüm-elegante Aftershowparty sorgen. Ein Abend auf dem Hamburger Schulhof, eine Nacht auf dem Parkett!
Wem die Mobylettes nicht technoid genug sind, der muss seine Freitagnacht in der Tschaika rumbringen.
Dort wird sich mit MC. ebenfalls ein Rückkehrer — diesmal aus Lissabon — am Mixer austoben. Davor übernimmt Patrick Bolze das “seriöse Eingrooven” mittels Rhythmus und Klang.
Adherence, das ist eine unkommerzielle Dunkeltechon-Reihe, die regelmäßig an wechselnden Greifswalder Schauplätzen und heute in nunmehr zehnter Auflage stattfindet.
Fakten: 21. 10. | 22 Uhr | Tschaika | frei
MUSCHIBALLETT & GENDERGEZWITSCHER
Wer am Sonnabend queer feiern will, kann schon nachmittags mit den Vorbereitungen beginnen, denn um 14 Uhr startet in der Nähwerkstatt Kabutze ein kostenloser Cross-dressing-queer-Klamottenbauworkshop.
Abends tritt dann im IKUWO das feministische Diskurstheater Muschiballett auf, das sich „mit vollem Körpereinsatz durch die patriarchale Kulturgeschichte“ ackert. „Gisa, Gerdrun und Gudela vereinen Kunst, Politik und Wissenschaft. Ein 53minütiger Soundtrack gibt den Rhythmus vor, nachdem sie live auf der Bühne eine Art sportliche Form feministischer Diskursanalyse betreiben.“
Danach geht das Gendergezwitscher unter der musikalischen Hoheit von Frau_Bruch + S.U.P.A.! (Herzfieber) und den HI All No Stars los. Schminktisch und Verkleidungsfundus stehen bereit, wer gleich gecrossdressed erscheint, zahlt nur 4 EUR Eintritt.
Die Veranstaltung wird von der Hedonistischen Internationale Sektion Greifswald in Zusammenarbeit mit dem “Jugend kann bewegen” e.V. und dem IKUWO organisiert und vom Studentenwerk, dem AStA, der Rosa-Luxemburg-Stiftung MV und dem IZFG gefördert. Bend your Gender!
Im Café Koeppen wird das CKKT (Café Koeppen Konzert Team) den Ausklang des Wochenendes geruhsam angehen. Eingeladen ist der deutsche Songwriter Maxim, der auch seine Band mitbringt. Daraus erwächst ein reggaeaffiner, aber vor allem popverwurzelter Gesamtsound. Mit dabei ist auch Marc Hola, der den Abend eröffnen wird.
Am Montag geht es dann noch mit dem Briten Bobby Long weiter, der auf seiner Tour 12 Konzerte in Europa spielt und hier halt macht. Long lebt inzwischen in New York. Seine Musik wurde von der LA Times mit Damien Rice und Mumford & Sons verglichen.
Eine kleine Werkeinführung bietet dieser Videotrailer an.
Mit Kritik am Greifswalder Theater wird selten gespart: es sei provinziell, die schauspielerischen Leistungen seien selten vorzeigbar und die Inszenierungen einfach nicht radikal genug. Einige dieser — zumeist zugezogenen — Theaterkritiker haben das Schauspielhaus sogar schon von innen gesehen. Doch wer dachte, dass die Zustände am Theater zementiert seien, kann sich derzeit eines Besseren belehren lassen. Vor zwei Wochen sorgte die Meldung, dass der neue Intendant Dirk Löschner einen Großteil des Ensembles austauschen würde, für helle Aufregung und wilde Spekulationen.
„GEHEN SIE DOCH NACH STENDAL, DA IST JETZT EIN PLATZ FREI!“ (PETER MULTHAUF)
Möglich wird diese Frischzellenkur dadurch, dass die Arbeitsverträge der Schauspielerinnen branchenüblich befristet sind und auf Intervention Löschners hin nicht verlängert werden sollen. Nichtverlängerungen lassen sich aus künstlerischen Gründen oder wegen eines Intendantenwechsels aussprechen, wobei der durch den Wechsel des Intendanten bedingte Verlust des Arbeitsplatzes keine negativen Auswirkungen auf die Vita der betroffenen Schauspieler entfalte, wie Löschner bei der gestrigen Sitzung des Kulturausschusses versicherte.
Ausschussmitglied Peter Multhauf (DIE LINKE) wollte das nicht glauben und meinte, dass mit Löschners Erscheinen „die Angst im Theater eingezogen“ sei. Soziale Härten will der designierte Intendant bei seinen Personalentscheidungen zwar berücksichtigt haben, jedoch seien Löschners Einschätzung zufolge dadurch bei niemandem „nicht zu handlende“ Nöte entstanden. Multhauf dachte laut darüber nach, wie Löschner die Einzelgespräche mit den Nichtverlängerten kommentiert haben könnte: „Gehen Sie doch nach Stendal, da ist jetzt ein Platz frei!“
„KLEIN ANFANGEN UND DANN MAL SCHAUEN, WAS GEHT“ (DIRK LÖSCHNER)
Löschner, der in der Schauspielsparte einen kompletten Neuanfang plant, möchte die Altersstruktur ändern und hier in Greifswald seine eigenen Vorstellungen von Theater umsetzen, die so neu erstmal gar nicht klingen: Theater müsse sich durch gesellschaftliche Relevanz auszeichnen, soziale Themen aufgreifen, und dürfe dem Publikum nicht hinterherlaufen. Seine Antworten auf die ihm gestellten Fragen nach dem künstlerischen Konzept der Zukunft fielen unspektakulär und ausweichend aus. Überrascht wirkte keiner der Anwesenden — wirklich zufrieden war allerdings auch niemand. „Intendantenwechsel: Wenn die Angst in das Theater zieht“ weiterlesen →