Nazi-Leaks: Operation Blitzkrieg betrifft auch Greifswald *Update*

Seit Weihnachten werden von Internetaktivisten, die sich dem Anonymous-Netzwerk zuordnen, rechtsextreme Online-Versandhäuser und Webseiten angegriffen. Dabei wurden viele dieser Seiten nicht nur mit sogenannten DDoS-Attacken, also der konzertierten und massenhaften Anfrage vieler Systeme, zur Unerreichbarkeit verdammt, sondern es wurden mit den Angriffen auch Kundendaten erbeutet, die wenig später auf der Website nazi-leaks.net veröffentlicht wurden.

MODEHAUS ODIN: „RUHM UND EHRE DER WEHRMACHT“

blitzkrieg

Die Angriffswelle firmiert unter dem Titel Operation Blitzkrieg und traf bislang unter anderem das Nationale Versandhaus, den Odin-Versand, Erik & Sons sowie den  NPD-Versandhandel Deutsche Stimme. Die Hacker veröffentlichten außerdem Kunden- und Autorendaten der  neurechten Zeitung Junge Freiheit und eine Spenderliste der NPD. Außerdem republizierten sie die 2009 erbeuteten Kundendatenbanken von Thor Steinar und Erik & Sons.

In den geleakten Datenbanken des Odin-Versands finden sich auch die Adressen dreier Greifswalder Kunden. Das sind in Anbetracht der über 90 verschiedenen Treffer, die 2009 in der Thor-Steinar-Datenbank auftauchten, relativ wenig. Der Odin-Versand bietet Textilien (zum Beispiel die Trainingshose Deutsches Reich oder die Kapuzenjacken Autonome Nationalisten und Ruhm und Ehre der Wehrmacht sowie verschiedene Kleidungsstücke bekannter Nazibands von Skrewdriver bis Kraftschlag), aber auch Devotionalien wie das Emailleschild Wolfschanze [sic!] an.

BURSCHENSCHAFT MARKOMANNIA EBENFALLS ALS ADRESSE GELISTET 

Das Haus der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald ist ebenfalls bei den Adressen auf Nazi-leaks.net gelistet, allerdings beherbergt sie nur einen Abonnenten der Jungen Freiheit, die sich seit den Achtziger Jahren von der Schülerzeitung zum deutschen Leitmedium der Neuen Rechten entwickelte. Die wöchentlich erscheinende Zeitung der Kulturrevolutionäre von rechts wurde von einem Studenten abonniert, der vor zwei Jahren beim Versuch, ins Studierendenparlament (StuPa) gewählt zu werden, scheiterte.

Experten attestieren der Jungen Freiheit eine Scharnierfunktion zwischen rechtem Konservatismus und Rechtsextremismus. 2005 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Zeitung in dem von ihm verantworteten Verfassungsschutzbericht nicht in der Rubrik Rechtsextremismus führen darf, auch wenn einzelne Meinungsäußerungen für sich als verfassungsfeindlich angesehen werden können.

Junge Freiheit und Burschenschaft Markomannia bilden ein gutes Paar und hatten auch schon in der Vergangenheit Berührungen. So lud die Burschenschaft 2005  Götz Kubitschek, den von Endstation Rechts als „Salonfaschisten“ bezeichneten, früheren Redakteur der Jungen Freiheit, zu einem Vortrag ein. Der studierte Germanist wurde wegen Beteiligung an rechtsextremen Bestrebungen zwischenzeitlich aus seiner Position als Oberleutnant der Reserve der Bundeswehr entlassen. Außerdem ist er Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik, einer wegen rechtsextremer Aktivitäten bis 2005 vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation und Denkfabrik der Neuen Rechten.

Ein Kurzportrait dieser politischen Strömung und Aufnahmen eines Besuchs auf Kubitscheks Ritterburg erschien nach dem Anschlag von Oslo bei der Kulturzeit (3Sat):

DATENSCHUTZ VERSUS POTENZIELLER OPFERSCHUTZ 

In den Kommentarbereichen von tagesschau.de bis zu netzpolitik.org wird indes heftig über das Vorgehen der Anonymous-Aktivistinnen  debattiert. Einerseits bedanken sich viele für die Veröffentlichungen und legitimieren sie mit dem Versagen des Verfassungsschutzes sowie dem erklärten Ziel vieler Neonazis, das demokratische System überwinden zu wollen. Andererseits wird der offensichtliche Verstoß gegen die Hackerethik, die Auflösung informationeller Selbstbestimmung und die undifferenzierte Stigmatisierung als Neonazi kritisiert.

Aktuelle Informationen gibt es bei Twitter unter dem Hashtag #opblitzkrieg.

*Update* 03.01.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass der angesprochene Markomanne auch selbst für die Junge Freiheit als Autor in Erscheinung trat: Integration ohne Sarg, JF, 03.09.2010.

Die Greifswalder Sportskanonen des Jahres 2011: Markomannia Aachen Greifswald

Der besondere Ehrentitel Greifswalder Sportskanone des Jahres soll natürlich auch 2011 verliehen werden. Nachdem sich im Vorjahr der Fußball-Freestyler Ralf Dörn seine Lorbeeren verdiente, wird dieses Jahr erstmals die sportive Leistung einer akademischen Fecht-Mannschaft mit der unprämierten Auszeichnung gewürdigt.

Auf Technikfehler folgen Schmisse, auf den bösen Blick die Furcht

Die Sportler der Markomannia Aachen Greifswald erhalten den Titel Greifswalder Sportskanone des Jahres 2011 nicht deshalb, weil sie als pflichtschlagende Burschenschaft unermüdlich im verbindungseigenen Trainingsraum an ihrer Fechttechnik und ihrem Durchhaltevermögen feilen, sondern vor allem, weil sie im Laufe der Jahre den als psychologische Superwaffe bekannten „Bösen Blick“ in ihre Kampfkunst integrierten. Dessen Beherrschung lehrt jedem Gegner der bierbäuchigen Degenhelden das Fürchten und macht die drei Pflichtmensuren zu einem Spaziergang.

Burschenschaft Markomannia Greifswald Fechten

(Foto: Scan Anzeigen-Kurier, © Gabriel Kords)

Was den Athleten bei diesen Initiationsritualen durch den Kopf gehen mag, beschrieb ein unbekannter Autor im Rückgriff auf J. Christoph Ambergers Warum wir fechten folgendermaßen:

„Dann haben die Paukanten plötzlich knapp einen Meter geschliffenen Stahl in der Hand und sehen dem Gegenüber in die Augen. Die Paukanten erkennen, daß der Mann gegenüber unter demselben Druck steht wie man selbst. Die Paukanten werden alles Nötige tun, um nicht mit dem bedrohlichen Stahl in der Hand des Gegenpaukanten in Kontakt zu kommen und sei\’s auch, um dem Gegenüber zuerst die kalte, scharfe Klinge quer durch das Gesicht zu ziehen. Die einzige Emotion die dem Fechter im Moment der Konfrontation bewußt wird ist Furcht.

Die Furcht vor der Klinge des kaum als Individuum wahrgenommenen Gegenpaukanten. Furcht vor der möglichen Verletzung. Furcht vor dem Liegenbleiben oder dem Mucken. Aber ganz besonders Furcht vor einem Gesichtsverlust – im wörtlichen und übertragenen Sinn. […] Und jedem Fehler, der gemacht wird, folgt mit fast mathematischer Notwendigkeit eine unumgehbare Konsequenz: Auf Technikfehler folgen Schmisse. Auf Fehler in Haltung und Moral folgt die moralische Abfuhr.“ (Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld)

Sportive Parallelwelt zwischen Fuchsmajor und Bierzipfel  

Burschentreffen Greifswald NeunzigerDa verhallen die Unkenrufe, ob das Tranchieren anderer Menschen Visagen überhaupt ein Sport sei, ungehört, denn schließlich versucht heutzutage auch niemand mehr, Billard, Schach oder Counterstrike das sportliche Moment abzusprechen.

Was den einen ihre Unterwasserrugby-Liga ist, ist den Athleten der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald ihre korporierte Parallelwelt zwischen Fuchsmajor und Bierzipfel. Und um zu vermeiden, dass bleibende Schäden und schmissige Vernarbungen noch Jahrzehnte später an die Tölpelhaftigkeiten der eigenen Jugend erinnern, muss eben diszipliniert trainiert und in Notfällen auch mit allen Tricks gearbeitet werden.

Wem dieses blutige Herumgefuchtel aus naheliegenden Gründen einfach nicht mehr zeitgemäß erscheint oder wer sich aus politischen Gründen nicht für die testosteronen Glockenschläger begeistern will, sollte die diesjährigen Titelträger schlicht ignorieren und sich nochmal dem Gewinner des Vorjahres, Ralf Dörn, zuwenden. Dessen Musikgeschmack ist zwar noch immer unter aller Kanone, aber sein neustes Video erregt einmal mehr Staunen und zeugt von einem ganz anderen Sportsgeist.

Filialschließungen — Schlecker-Krise erreicht Greifswald

Das Unternehmen Schlecker, lange Zeit Marktführer auf dem deutschen Drogeriemarkt, schließt seit November unrentable Zweigstellen.

Im letzten Monat wurden bereits 400 der insgesamt 8.000 Schlecker-Läden aufgegeben, weitere 200 Filialen sollen noch dieses Jahr geschlossen werden. Diese „Umstrukturierungen“ sollen laut SPIEGEL auch im ersten Quartal 2012 weitergehen.

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Vermisster Greifswalder tot aufgefunden *Update*

Wie die Polizei meldet, ist die vermisste Person, nach der in den letzten Tagen Polizei und Angehörige gesucht haben, tot aufgefunden worden:

„Im Rahmen großangelegter Fahndungs- und Suchmaßnahmen zur vermisst gemeldeten Person des 36-jährigen Matthias Hagen aus Greifswald wurde am gestrigen Abend gegen 20:33 Uhr die Jacke des Vermissten durch Hunde des Bundesverbandes Rettungshunde am Ufer des Stadtgrabens Höhe Hansering aufgefunden. In weiterer Folge eingesetzte Leichensuchhunde schlugen an der Wasseroberfläche an, was vermuten ließ, dass sich eine Person im Wasser befindet.

Angeforderte Taucher der BFW Stralsund fanden dann gegen 01:30 Uhr eine leblose Person im Wasser. Bei der aufgefundenen männlichen Person handelt es sich um den seit dem 17.12.2011, 00:30 Uhr vermissten Matthias Hagen. Eine erste rechtsmedizinische Untersuchung ergab keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Fremdeinwirkungen. Eine Sektion und genaue Untersuchung zur Klärung der Todesursache findet im Laufe des heutigen Tages statt.“ (Pressemitteilung Polizei)

*Update* 22.12. / 20 Uhr

Die Polizei hat zwar gemeldet, dass eine erste Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung beim Tod Matthias Hagens ergab, dennoch wird weiter ermittelt. Der 36jährige Mann verließ in der Nacht vom 17.12.2011 die Cocktailbar Comix in der Steinbecker Straße und soll weiter zu Fuß in Richtung Lange Straße und Marktplatz gelaufen sein.

(Karte: Openstreetmap)

Die Beamten bitten um Mithilfe der Bevölkerung, um die genauen Umstände, die zum Tod Matthias Hagens führten, aufzuklären. Personen, die Matthias Hagen nach seinem Besuch im Comix gegen 0.30 Uhr zwischen Steinbeckerstraße und Hansering gesehen haben oder denen in den frühen Morgenstunden des 17.12.2011 Personenbewegungen im Bereich der Holzgasse aufgefallen sind, werden gebeten, sich an die Greifswalder Polizei (03834/5400) zu wenden.

Wer kann Hinweise zu vermisster Person geben?

Seit der Nacht vom 16. zum 17. Dezember wird der 36-jährige Mathias Hagen aus Kräpelin bei Greifswald vermisst. Angehörige und Bekannte haben vorgestern damit begonnen, mit Aushängen und via Facebook nach dem Vermissten zu suchen, der das letzte Mal am 17.12. gegen 1 Uhr dabei gesehen wurde, wie er in betrunkenem Zustand die Cocktailbar Comix (Steinbeckerstraße) mit unbekanntem Ziel verließ.

Der Gesuchte ist 1,89m groß, von kräftiger Gestalt und hat dunkles kurzgeschnittenes Haar. Er trug einen beigen Anorak (REPLAY) mit Fellkapuze, blaue Jeans, braune Schuhe und ein grün-weiß gestreiftes Hemd. Die Polizei ermittelt nach eigener Aussage in alle Richtungen und geht auch Hinweisen nach, wonach die vermisste Person am Sonntagvormittag in der Innenstadt gesehen worden sei. Nach polizeilichen Erkenntnissen gäbe es keine Anhaltspunkte auf suizidale Absichten.

vermisst in greifswald

Personen, die Angaben zum Aufenthaltsort des Vermissten machen können, werden gebeten, sich bei der Familie beziehungsweise bei der Greifswalder Polizei unter der Nummer 03834-5400 zu melden.

Gleichgeschaltet, mobilisiert, im Krieg: Universität Greifswald arbeitet NS-Vergangenheit auf

Seit heute informiert die Universität Greifswald über ihre Rolle während des Nationalsozialismus. Die Aufarbeitungspläne wurden zu Jahresbeginn in Absprache mit den Dekanen vom Rektorat beschlossen und sehr zügig umgesetzt.

Herausgekommen ist eine Darstellung des aktuellen Forschungsstands zur Greifswalder Universitätsgeschichte zwischen 1933 und 1945 und eine Konkretisierung der Aufarbeitungslücken.

greifswald uni ns
(Screenshot ns-zeit.uni-greifswald.de)

WIE STARK WAREN UNI-ANGEHÖRIGE IN DAS NATIONALSOZIALISTISCHE HERRSCHAFTSSYSTEM INTEGRIERT? 

Die bislang versammelten Informationen und viele digitalisierte Quellen werden, sowohl thematisch als auch chronologisch sortiert, auf einem übersichtlichen Online-Portal angeboten. Ergänzt wird die Darstellung um eine Mediathek, in der Publikationen wie  zum Beispiel Vorlesungsverzeichnisse oder Universitätstaschenbücher abgerufen werden können, zahlreiche Fotos illustrieren die Texte.

Entsprechend dreier zeitlich-inhaltlicher Phasen, Gleichgeschaltete Universität (1933-1935), Mobilisierte Universität (1936-1939) sowie Universität im Krieg (1939-1945), kann sich der Nutzer darüber informieren, wie sich nationalsozialistische Machtpolitik und Ideologie auf das universitäre Leben auswirkten und auf welche Art Professoren, Dozenten, Universitätsmitarbeiter und Studierende in das nationalsozialistische Herrschaftssystem integriert und verstrickt waren.

Über Verweise wird dabei immer wieder auf vorhandene Forschungspublikationen und Quellen verwiesen.

RASSENHYGIENE UND WEHRMACHTSFORSCHUNG

An der Universität Greifswald waren etwa elf Prozent des Lehrkörpers von den „personellen Säuberungen“ betroffen, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten durchgeführt wurden. Kurz vor Augang des Jahres 1933 wurde das Institut für menschliche Erblehre und Eugenik gegründet und die sogenannte „Rassenhygiene“ auch in Greifswald als wissenschaftliche Disziplin etabliert.

Geforscht wurde aber auch direkt für die Wehrmacht: 1942 waren an nicht weniger als 14 Einrichtungen der Hochschule Aufträge vergeben: „Das Physikalische Institut war mit nahezu allen Mitarbeitern in derartige Forschungen einbezogen.

1939 jahrbuch universität
(Screenshot ns-zeit.uni-greifswald.de)

Sie betreuten Arbeiten für Marine, Luftwaffe, Nachrichtentruppe etc.. Die Physik galt wie das Chemische Institut als Wehrmachtsbetrieb und unterstand dem Rüstungskommando.“
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Unter der wissenschaftlichen Leitung des Historikers Dr. Dirk Alvermann soll in den kommenden drei Jahren systematisch weitergeforscht werden. Auch das Archiv wird sich noch verändern und in den nächsten Monaten um weitere Dokumente erweitert.

Die Digitalisierung der Quellen, ihre strukturierte Verknüpfung und ihr offener Zugang auf dem Web-Portal sind die großen Stärken bei der Umsetzung dieses längst überfälligen Projekts, das einen facettenreichen Eindruck vom Hochschulwesen unter der nationalsozialistischen Herrschaft vermittelt.