Wie in Hollywood: Verfolgungsfahrt, Warnschuss und geglückte Flucht

Endlich mal was los! Nachdem schon am vergangenen Wochenende Spezialkräfte der Polizei in den Museumshafen ausrückten, um einen Mann festzunehmen, der sich dort  — bewaffnet mit einem Küchenmesser und einer Signalrakete — in einem fremden Boot verbarrikadiert hatte, wurde heute Mittag die Ruhe des ostvorpommerschen Polizeialltags ein weiteres Mal jäh unterbrochen, als es für die Beamten galt, einen flüchtigen Autofahrer zu stellen. Hierfür waren nicht weniger als acht Fahrzeuge im Einsatz.

Arno Bachert / pixelio.de

ALARM FÜR SCHILDKRÖTE 17

Nach Polizeiangaben sei zuvor auf der B105 bei Reinberg ein 3er BMW aufgefallen, der trotz Gegenverkehrs überholte und das Anhaltesignal der Polizei ignorierte. Stattdessen flüchtete er mit bis zu 160 km/h nach Greifswald, „wo er in verkehrsgefährdender Art und Weise bei Querung von zahlreichen Kreuzungen und Fußgängerüberwegen sich letztendlich im Max-Hagen-Weg in der Südstadt fest fuhr“ (Pressemitteilung Polizei).

Der Fahrer flüchtete anschließend zu Fuß — auch ein abgegebener Warnschuß konnte ihn nicht daran hindern, zu verschwinden. Seine Begleiterin hingegen hatte weniger Glück und wurde festgenommen. Bislang habe sie sich aber noch nicht über die Identität des Fahrers geäußert.

Die Polizei ist froh darüber, dass niemand bei der Verfolgsungsfahrt verletzt wurde, „auch nicht die Fußgänger, die dem auch teilweise auf dem Gehweg fahrenden Fluchtwagen durch Wegspringen ausweichen mussten“. Endlich mal was los!

Pop am Wochenende: the love „little snacks in between“

Die Reihe “Pop am Wochenende” versammelt Greifswalder Musikgeschichte und hält über das klangliche Gegenwartstreiben in der wilden Provinz auf dem Laufenden.

the love hannah schulze

Frau mit Hund beißt ins Klavier. Die Jungs kriegen einen Korb und den dazugehörigen Ball zum Herumspielen. Ein Selbstverletzungsschutz kräuselt sich am Hals des Mädchens hinauf. Ein bisschen Strobohobo, ein Ausschnitt der Totale. Alles fliegt — nur du nicht.

Little snacks in between heißt der Song, zu dem es seit kurzem auch ein Video gibt. Aufgenommen und produziert wurde beides von Hanna Schulze, die hierorts hauptsächlich als bildende Künstlerin in Erscheinung trat, sich aber schon seit einiger Zeit mit ihrem Solo-Musikprojekt the love ein neues Terrain künstlerischen Ausdrucks erschließt. Dabei entstehen düstere Dreampop-Landschaften, die in ihren größten Momenten wie Reminiszenzen an die New Yorker Band Blonde Redhead klingen.

DER WILLE ZUM DRAMA, DER MUT ZUR MANIE 

Alles in allem eine höchst fragile Angelegenheit, klagevoll und mit dem Willen zum Drama, der manchmal eben notwendig ist. Trotz aller Entschleunigung geht es plötzlich nach vorne und auch die manischen Momenten kriegen ihren Raum.

The love veröffentlichte bislang erst vier Songs bei Soundcloud. Auf ein mögliches Album wird also noch eine Weile zu warten sein. Bis dahin bleibt genügend Zeit, sich in eines der gegenwärtig interessantesten Projekte der Stadt zu verlieben. Welcome to Zwischenreich!

(Foto: Ausschnitt Filmstill)

Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #18

Wenn’s dunkel ist, werd‘ ich dann meine Boots rausholen / und selbst schauen, was da draußen so geht / Ich werd‘ schnell merken, sie haben uns mehr als die Straße gestohlen / und das sagt da jemand, der on the road klebt / This is no adventure, not even a trip /This is DMD KIU LIDT / Ich bin dann also wirklich rausgegangen / Mir war mehr kalt als heiß, aber gut / Es hat sich gelohnt nochmal anzufangen /Es ist doch nichts schöner, wenn man’s teilt, als die Wut / Und ich rauch‘ mir eine an und ich schau‘ mich mal um / Ja, es stimmt, auf Susis Parties / sind die schönsten Jungs am tanzen und die coolsten sowieso.*

kurze wege lange nächte

Abwechslungsreiche Zerstreuungsangebote für ein schlafloses Wochenende in der vermeintlichen Kleinstadtprovinz: Da kündigt sich mit Hjalti Þorkelsson Besuch aus Island an, den Minimalisten steht eine Abgesandtschaft von Pan-Pot ins House, Captain A-Harp & The Blues Whales feiern endlich ihre Precord-Release-Party und dann ist da noch als programmatischer Höhepunkt Notwist-Elektrifizierer Acid Pauli im Roten Salon. Bildet euch, bildet andere, bildet Ausgehbanden!

VON FÜCHSEN UND BLUES-WALEN

klex prerelease

Was ist eigentlich unter einer Precord-Release-Party zu verstehen? Das Umdrehen klassischer Produktionsketten? Erst hinfallen und dann stolpern? Ganz egal, denn die Greifswalder Southern-Rock-Band  Captain A-Harp & the Blues Whales rufen pünktlich auf die Minute das Jahr des Wales aus und laden ins Klex ein.

Gemeinsam mit der beischläfrigen Rockband Reinstecke Fuchs und dem Projekt Hustig Kittler wird die Release-Party zur nicht aufgenommenen Platte vorgezogen. Blues statt Bumms und Bier am Tresen anstelle einer technoiden Aftershow!

Fakten: 06.01. | 20 Uhr | KLEX | 4 EUR

WELTGEREISTER MINIMALIST ZU GAST BEI FREUNDEN

pan pot flyerDie kommerzielle Veranstaltungsreihe Zu Gast bei Freunden bricht am Freitag ebenfalls über die Stadt herein, und zwar bereits zum 45. Mal. Freundinnen kantenfreier elektronischer Sounds zwischen Minimal und House dürfen sich auf Pan-Pot freuen — zumindest auf den Teil des Kollektivs, der sich auf den Weg nach Greifswald begeben wird.

Pan-Pot, das sind inzwischen die beiden Produzenten Tassilo Ippenberger und Thomas Benedix, die auf Anja Schneiders Mobilee-Label veröffentlichen und 2007 mit ihrer Veröffentlichung Pan-O-Rama ihren Durchbruch erlebten. Seitdem füllen sie die Hallen mit den Sounds aus ihren Laptops. Sonst zu zweit unterwegs, wird am Freitag vermutlich nur der heilige Benedix an den Reglern stehen.

Den Anfang wird Riccardo Lieblich machen, von 2-4 soll Pan-Pot auf den Plan treten, ehe Somatic und Mark Synthi die letzten Gäste in tiefsten Schlummer wiegen werden.

Fakten: 06.01. | 23 Uhr | TV-Club

DAS GELOCKTE GENIE: ACID PAULI IM ROTEN SALON

Der Rote Salon beginnt das Jahr 2012 mit einem herausragenden Booking: Acid Pauli beehrt die Stadt. Der Tausendsassa, der auf den bürgerlichen Namen Martin Gretschmann hört, wird vielen als Cut’nClick-Elektrifitzler der deutschen Überband The Notwist bekannt sein, zu der er Ende der Neunziger Jahre, pünktlich vor Aufnahme der Melancho-Jazz-Art-Platte Shrink (1998), stieß.

acid pauli console(Foto: ©Gerald von Foris)

Der Soundtüftler agiert aber nicht nur bei den Weilheimern unter dem Pseudonym Console, sondern veröffentlichte zwischen 1997 und 2010 nicht weniger als 14 Alben unter diesem Namen und scharte für den Live-Betrieb eine Band um sich. Während die oben aufgeführten Pan-Pot 2007 ihr Pan-O-Rama veröffentlichten, hatte Console dieses Feld schon 10 Jahre früher mit seinem Album Pan Or Ama längst bestellt. Ein alter Hase, ein Klangfuchs, ein gelocktes Genie, ein Heiliger! „Kurze Wege, lange Nächte – das Greifswalder Wochenende im Überblick #18“ weiterlesen

Nazi-Leaks: Operation Blitzkrieg betrifft auch Greifswald *Update*

Seit Weihnachten werden von Internetaktivisten, die sich dem Anonymous-Netzwerk zuordnen, rechtsextreme Online-Versandhäuser und Webseiten angegriffen. Dabei wurden viele dieser Seiten nicht nur mit sogenannten DDoS-Attacken, also der konzertierten und massenhaften Anfrage vieler Systeme, zur Unerreichbarkeit verdammt, sondern es wurden mit den Angriffen auch Kundendaten erbeutet, die wenig später auf der Website nazi-leaks.net veröffentlicht wurden.

MODEHAUS ODIN: „RUHM UND EHRE DER WEHRMACHT“

blitzkrieg

Die Angriffswelle firmiert unter dem Titel Operation Blitzkrieg und traf bislang unter anderem das Nationale Versandhaus, den Odin-Versand, Erik & Sons sowie den  NPD-Versandhandel Deutsche Stimme. Die Hacker veröffentlichten außerdem Kunden- und Autorendaten der  neurechten Zeitung Junge Freiheit und eine Spenderliste der NPD. Außerdem republizierten sie die 2009 erbeuteten Kundendatenbanken von Thor Steinar und Erik & Sons.

In den geleakten Datenbanken des Odin-Versands finden sich auch die Adressen dreier Greifswalder Kunden. Das sind in Anbetracht der über 90 verschiedenen Treffer, die 2009 in der Thor-Steinar-Datenbank auftauchten, relativ wenig. Der Odin-Versand bietet Textilien (zum Beispiel die Trainingshose Deutsches Reich oder die Kapuzenjacken Autonome Nationalisten und Ruhm und Ehre der Wehrmacht sowie verschiedene Kleidungsstücke bekannter Nazibands von Skrewdriver bis Kraftschlag), aber auch Devotionalien wie das Emailleschild Wolfschanze [sic!] an.

BURSCHENSCHAFT MARKOMANNIA EBENFALLS ALS ADRESSE GELISTET 

Das Haus der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald ist ebenfalls bei den Adressen auf Nazi-leaks.net gelistet, allerdings beherbergt sie nur einen Abonnenten der Jungen Freiheit, die sich seit den Achtziger Jahren von der Schülerzeitung zum deutschen Leitmedium der Neuen Rechten entwickelte. Die wöchentlich erscheinende Zeitung der Kulturrevolutionäre von rechts wurde von einem Studenten abonniert, der vor zwei Jahren beim Versuch, ins Studierendenparlament (StuPa) gewählt zu werden, scheiterte.

Experten attestieren der Jungen Freiheit eine Scharnierfunktion zwischen rechtem Konservatismus und Rechtsextremismus. 2005 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Zeitung in dem von ihm verantworteten Verfassungsschutzbericht nicht in der Rubrik Rechtsextremismus führen darf, auch wenn einzelne Meinungsäußerungen für sich als verfassungsfeindlich angesehen werden können.

Junge Freiheit und Burschenschaft Markomannia bilden ein gutes Paar und hatten auch schon in der Vergangenheit Berührungen. So lud die Burschenschaft 2005  Götz Kubitschek, den von Endstation Rechts als „Salonfaschisten“ bezeichneten, früheren Redakteur der Jungen Freiheit, zu einem Vortrag ein. Der studierte Germanist wurde wegen Beteiligung an rechtsextremen Bestrebungen zwischenzeitlich aus seiner Position als Oberleutnant der Reserve der Bundeswehr entlassen. Außerdem ist er Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik, einer wegen rechtsextremer Aktivitäten bis 2005 vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation und Denkfabrik der Neuen Rechten.

Ein Kurzportrait dieser politischen Strömung und Aufnahmen eines Besuchs auf Kubitscheks Ritterburg erschien nach dem Anschlag von Oslo bei der Kulturzeit (3Sat):

DATENSCHUTZ VERSUS POTENZIELLER OPFERSCHUTZ 

In den Kommentarbereichen von tagesschau.de bis zu netzpolitik.org wird indes heftig über das Vorgehen der Anonymous-Aktivistinnen  debattiert. Einerseits bedanken sich viele für die Veröffentlichungen und legitimieren sie mit dem Versagen des Verfassungsschutzes sowie dem erklärten Ziel vieler Neonazis, das demokratische System überwinden zu wollen. Andererseits wird der offensichtliche Verstoß gegen die Hackerethik, die Auflösung informationeller Selbstbestimmung und die undifferenzierte Stigmatisierung als Neonazi kritisiert.

Aktuelle Informationen gibt es bei Twitter unter dem Hashtag #opblitzkrieg.

*Update* 03.01.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass der angesprochene Markomanne auch selbst für die Junge Freiheit als Autor in Erscheinung trat: Integration ohne Sarg, JF, 03.09.2010.