Alles, was man sagt, ist wahr. Eine Reise, die zu neuen Ufern geht. Eure Welt ist nicht mehr da.
(Foto: ©igger via Flickr)
Greifswald Galore
Alles, was man sagt, ist wahr. Eine Reise, die zu neuen Ufern geht. Eure Welt ist nicht mehr da.
(Foto: ©igger via Flickr)
Für immatrikulierte Neonazis wird es an deutschen Universitäten langsam ungemütlich, denn in jüngster Zeit häufen sich Aktionen, in deren Verlauf Studierende und Dozenten darauf aufmerksam gemacht werden, wer mit ihnen gemeinsam die Hochschulbank drückt und wessen Geistes Kinder diese junge Männer sind. Seit Novemberbeginn widerfuhr dies sowohl Daniel F. (Universität Rostock) als auch Manuel T. (Uni Leipzig).
Der Startschuss für die neuerliche Transparenzoffensive an ostdeutschen Hochschulen wurde allerdings am 1. November in Greifswald abgegeben, als eine etwa zwanzigköpfige Gruppe die Einführungsvorlesung der Politikwissenschaft für knapp zwei Minuten unterbrach und die Anwesenden darüber informierte, dass unter ihnen ein aktiver Neonazi säße.
Die Gruppe bewarf Marcus G., der sich in Sekundenbruchteilen vermummte, mit Konfetti, verteilte flugs die mitgebrachten Flyer und verließ den Hörsaal ebenso schnell, wie sie ihn betreten hat. Der Dozent setzte seine Vorlesung anschließend fort.
Wenig später beglückwünschte man sich für das gelungene Outing, das obendrein auch gefilmt wurde. Dieses Video verbreite sich wie ein Lauffeuer durch die sozialen Netzwerke und erntete Wohlwollen und Zustimmung. Doch neben allem Zuspruch wurde auch Kritik an der Aktion laut.
Damit ist nicht nur die tumbe Pressemitteilung des RCDS gemeint, in der die gewaltfreie Aktionsform als „Anstiftung zu Gewalttaten“ stilisiert wird, man sich großzügig der undurchdachten Links-Rechts-Gleichsetzung bedient und schon mal die Extremismuskeule aus dem Nachtschrank holt, sondern auch der webMoritz, dessen Redaktion sich 73 Jahre nach der Reichspogromnacht kein passenderes Datum als den 9. November für die Veröffentlichung einer Stellungnahme des Neonazis aussuchen konnte.
Das Portal publizierte damit den nunmehr zweiten Artikel zum Thema, in dem der Autor die negative Kritik an der Aktion zusammenfasst — die Welle positiver Resonanzen blendet er jedoch vornehm aus.
Es ehrt zwar den journalistischen Ethos der Redaktion, dem Geouteten — der auf die Publikation des ersten webMoritz-Artikels umgehend mit juristischen Drohungen antwortete — eine Gegendarstellung einzuräumen. Doch ohne eine kritische Einordnung nützt das wenig und am Ende geriert sich ein mutmaßlicher Täter als Opfer. Alles vertauscht?
Dabei zieht sich ein grundlegender Denkfehler durch die in Greifswald geführte Debatte um das Outing von Marcus G., denn dieser Begriff wird vorschnell als diffamierender und verleumderischer Akt übersetzt, mit dem der Neonazi gesellschaftlich sanktioniert und ausgeschlossen werden soll.
Dabei wird ausgeblendet, dass es G. selbst war, der sich zielsicher ins Abseits jener demokratischen Gesellschaft manövrierte, die er in dieser Form gerne überwunden sähe. Denn auch nachdem er seine Heimatstadt Berlin und damit die 2005 verbotene, rechtsextreme Kameradschaft Tor hinter sich gelassen hat, nutzte er die Chance nicht, Leben und Denken neu zu sortieren und das Nazi-Kapitel zu beenden — im Gegenteil.
In Greifswald knüpfte er Kontakte zur rechten Szene Mecklenburg-Vorpommerns und trieb den Aufbau rechtsextremer Strukturen vor Ort voran. Diese Entwicklung ist vielfach belegt und straft die Stellungnahme von Marcus G. Lügen.
Der geoutete Neonazis weist in seinem Text zwar „jegliche Extremismusvorwürfe“ zurück, doch das ändert nichts daran, dass sein neonazistisches Wirken und Vernetzen dokumentiert ist.
Sei es als Fotograf bei NPD-Demonstrationen wie in Teterow, beim Plausch mit dem Rechtsextremisten Frank Klawitter (NPD-Demo Anklam 2010, siehe Foto), beim Konzertbesuch im KLEX mit dem rechtsextremen Kampfsportler Siegfried H. aus Rostock und dem Nazi-Aktivisten Reik P. aus Teterow oder beim gescheiterten Infiltrierungsversuch des städtischen Bündnisses Greifswald ist bunt – kein Ort für Neonazis.
Die Transparenzoffensive an der Greifswalder Universität ist in erster Linie als deutliches Signal an den früheren Jurastudenten Marcus G. zu verstehen, dem vielleicht schon jetzt einleuchtet, dass sich ein ungestörtes Studium nur schwer mit seiner antidemokratischen Ideologie in Einklang bringen lässt.
Seine Kommilitoninnen sind vor ihm gewarnt und wissen nun, dass neben ihnen im Seminar ein Neonazi Platz nimmt, der sich nicht nur mit Outings auskennt, sondern vielleicht auch etwas über Othering erzählen kann.
Ob man die Aktion uneingeschränkt befürwortet oder in allen Punkten kritisiert, ändert erstmal nichts an der Tatsache, dass mit Marcus G. gewiss nicht der Falsche um seine Anonymität gebracht wurde.
Ein warmes Wort des Dankes an die Aktivistinnen wäre da vielleicht angebrachter gewesen als die doch relativ einseitig ausgefallene Berichterstattung im zweiten webMoritz-Artikel zum Vorfall. Eine deutliche Positionierung in dieser Sache leistet sich das gerade umstrukturierte studentische Portal leider nicht.
Im zweiten webMoritz-Artikel wurde eine Manöverkritik des Fleischervorstadt-Blogs, die sich an der pommernprinzenhaften Pöbelei und der Lust an der eigenen Überlegenheit reibt, leider unvollständig und missverständlich zitiert; sie ist beim Kombinat-Fortschritt als Kommentar in ungekürzter Fassung sichtbar.
Wie Dr. Ulrich Rose gestern auf seinem privaten Blog mitteilte, wird er das Ladenlokal des gleichnamigen Antiquariats am 11.11.2011 nach mehr als 17jährigem Bestehen schließen. Rose zieht damit Konsequenzen aus Veränderungen im Einzelhandel und der zunehmenden Verlagerung des Buchgeschäfts ins Internet.
(Foto: Ulrich Rose)
Seinen Kunden wird der Antiquar weiterhin zur Verfügung stehen: sie erreichen ihn per E-Mail, Telefon, Briefpost oder Faxgerät. Nach Überarbeitung seiner Website werden dort auch Online-Bestellungen ermöglicht. Das Ladenlokal in der Steinbeckerstraße 20 soll ab sofort andere Zwecke erfüllen.
Ich bedanke mich bei allen Kunden, die mich in den letzten 17 Jahren im Ladenlokal besucht haben, für Ihre Treue und hoffe, daß Sie mir diese Treue auch in Zukunft halten. Ein wenig traurig bin ich schon, aber die Veränderungen im Handel erfordern Reaktion. Ich hoffe, daß wir auch zukünftig miteinander in Kontakt bleiben und daß das Schließen der Ladentür nicht das Ende unserer Beziehung ist! Ich würde mich jedenfalls freuen, auch weiterhin jedes aktuell lieferbare Buch für Euch besorgen und nach vergriffenen Büchern für Euch suchen zu dürfen!
Bis Freitag besteht die letzte Chance, nochmal das Flair dieses Antiquariats zu spüren, ehe es seinen Platz in den wehmütigen Rückblicken auf die Greifswalder Stadtgeschichte einnehmen wird.
*Update* 17.11.11
Greifswald TV hat inzwischen auch einen Beitrag über die Schließung des Antiquariats gebracht.
Die Greifswalder Künstlerin swinx verwirklicht seit Novemberbeginn einen kreativen Vorsatz und schenkt der Welt so etwas wie einen einjährigen Artventskalender, der jeden Tag aufs Neue ein kleines Stückchen vom großen Kunstkuchen bereithalten soll.
Die Fragmente des project: 365 veröffentlicht swinx im Internet. Bislang erschienen dort neun Werke, darunter ein Foto und ein Video. Vornehmlich beschäftigt sich die Künstlerin allerdings mit Collagen, weswegen diese auch den Löwenanteil der bisherigen Arbeitsergebnisse stellen.
In der folgenden Galerie sind erste Eindrücke des täglich unter Zeit- und Publikationsdruck stehenden project: 365 versammelt.
Wer mitverfolgen will, welche kreativen Outputs swinx in den kommenden 356 Tagen produzieren wird, sollte die Adresse ihrer Website im Hinterkopf behalten und täglich vorbeischauen. Es lohnt sich!
Die Entwicklungspolitischen Tage dauern an und halten für Mittwochabend eine Filmvorführung der besonderen Art bereit, denn beim Fahrradkino im IKUWO wird der dafür benötigte Strom mit einem Zweirad selbst erzeugt. Film und Vortrag werden die Idee der Transition Towns vorstellen.
Mit dem Gedanken, sich durch lokale Vernetzung vor den Folgen des Klimawandels und der nach »Peak Oil« drohenden globalen Ölverknappung zu schützen, ent- standen in den letzten Jahren weltweit zahlreiche Transition Town Initiativen.
Um den Übergang zu einer nachhaltigeren Welt zu ermöglichen, versuchen die neuen »Städte des Wandels« ihren Energieverbrauch und die Abhängigkeit von langen Versorgerketten zu minimieren.
Nach dem Film werden Enrico Rosenkranz und Frank Wolf einen Vortrag halten. Beide sind Mitbegründer der Transition Initiative Hamburg, mit der sie eine „kulturelle Gegenstimme zur überforderten, konsumorientierten Gesellschaft bilden möchten“.
Ein arte-Beitrag führt niedrigschwellig ins Thema ein und stellt vor, um was es geht.
(Video 08:44)
[youtube BMXT2ZQDbns]
Die vollständige Auflistung aller EPO-Veranstaltungen ist im Programmheft (pdf-Dokument, 2,4 MB) der Entwicklungspolitischen Tage zu finden.
Fakten: 09.11. | 19 Uhr | IKUWO | Eintritt frei
In den späten Abendstunden des 17. Oktober inszenierten die noch immer nicht vom Verfassungsschutz beobachteten Situationisten H.i.G.H. (Hedonismus inna Greifswalder Hochschule) eine symbolische Umbenennungsaktion der Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Nachdem sich der webMoritz über das Spektakel amüsierte, erzürnte sich Thorben Vierkant wenig später stellvertretend für den Greifswalder RCDS über diesen angeblich undemokratischen Akt der Entarndtung.
(Foto: Grenzfrequenz via Flickr)
Inzwischen sind zwar fast drei Wochen vergangen, doch das Thema Umbenennung geisterte trotzdem noch weiter vor sich hin. So wies Franz Küntzel, AStA-Referent für Hochschulpolitik, via Pressemitteilung darauf hin, „dass der Namenspatron als kritische Figur der Zeitgeschichte immer noch nicht genügend Beachtung seitens der Universitätsleitung gefunden hat“ und kritisiert, dass sich Rektor Prof. Rainer Westermann „trotz etlicher Diskussionen, Vollversammlungen und StuPa-Beschlüssen der letzten Jahre, sowie der Urabstimmung um den Namen der Universität“ weiterhin bedeckt halte, wenn es um die kritische Auseinandersetzung der Uni mit Arndt gehe.
Das „Totschweigen von Seiten der Universitätsleitung“ sei „ein Schlag ins Gesicht“ für alle Studierenden und Bürger, die an der Debatte beteiligt gewesen seien.
Auch der Nordkurier nahm sich der Sache an. Am Freitag erschien dort ein Artikel über die eigentlich relativ unspektakuläre Aktion, in dem festgestellt wird, dass die Greifswalder Sektion „weitgehend bei Nacht“ operiere und nicht weniger fordere, als dass die Umbenennung der Universität endlich selbst in die Hand genommen werde.
Der Autor des Artikels bemüht sich redlich um eine angemessene Darstellung der hedonistischen Idee. Neben dem Text wurde auch noch ein Infokasten mit allgemeinen, der Wikipedia entnommenen Informationen über die Hedonistische Internationale platziert. Diese Ehrlichkeit in Bezug auf die Zitation der Wikipedia könnte der hiesigen Lokalzeitung glatt zum Vorbild gereichen!
Was der verantwortliche Journalist, dessen E-Mail die Hedonistinnen offenbar nicht erreichte, über besagten Eintrag in der Online-Enzyklopädie nicht wissen konnte, ist dessen Autorenschaft, die in urhedonistischen Zirkeln zu verorten ist. Solche Nebensächlichkeiten, amüsantere Zoten und Binnenperspektiven auf das, was gelebten und in einer Sektion (un)organisierten Hedonismus ausmachen kann, erfährt man in einer neuen Folge von Tim Pritloves Chaosradio Express. Die Podcastlegende war übrigens im Mai 2011 bei einer Podiumsdiskussion über Bürgerjournalismus in Greifswald zu Gast. Für die oben verlinkte, fast zweistündige Sendung blieb Pritlove allerdings in der Hauptstadt und traf sich dort mit den beiden Berliner Hedos Abdula und Karl. Hören, verstehen, verstören!