Stefan kocht im Stadtteilzentrum, Jörg steht an der Tanke und wäscht Autos — nur Björn bleibt auf der Couch. Was sich anfühlt wie eine Greifswalder Ehrenamtsmesse, ist knallharter Kommunalwahlkampf am Internationalen Frauentag.
„Chilli con und sin carne, Paprikasuppe … mehr wird noch nicht verraten.“ Dr. Stefan Fassbinder (Die Grünen) lädt am Internationalen Frauentag zum Kommunalwahlmampf in das Schönwalder Stadtteilzentrum Schwalbe ein. Es geht um die Oberbürgermeisterwahl im April, bei der der engagierte Historiker als gemeinsamer Kandidat von Grünen, SPD, Linke und Piratenpartei gegen den Baudezernenten Jörg Hochheim (CDU) und den Studenten Björn Wieland (Die Partei) antritt.
Das ist ja gerade nochmal gut gegangen: die Pläne zum innovativen Verkehrsprojekt Diagonalquerung sind bis auf weiteres abgeschmettert! Gut, damit kommt zwar erstmal auch keine neue Lichtsignalanlage an die Europakreuzung (ca. 25.000 EUR), aber dafür haben wir unterstrichen, wer hier der Kuchen und wer die Krümel sind.
SCHLUSS MIT DEM GEZAUDER, JETZT ÜBERNEHMEN WIR!
Ein wenig ins Straucheln kamen wir schon, als das Meinungsbild der OZ-Umfrage nicht mehr so klar gegen das Projekt ausfiel wie noch im Juni 2010, sondern stattdessen die Mehrheit für die Diagonalquerung votierte. Doch wir konnten alle Zauderer, die schon in Gedanken versunken mit der Idee der Fahrradhauptstadt flirteten, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.
Dafür mussten wir nicht mehr tun, als bei jeder Möglichkeit auf die exorbitant hohen Kosten des Projekts hinzuweisen, ohne dabei die Zuhörer mit Details zu übersättigen, wofür dieses Geld ausgegeben wird und welche Verkehrsteilnehmerinnen davon profitieren werden.
Am erfolgreichsten waren wir aber mit der Strategie, die verschiedenen Interessen gegeneinander in Stellung zu bringen: Autofahrer gegen Radfahrer, Fußgänger gegen Radfahrer, Kindergarten- und Schulkinder gegen Radfahrer und schließlich sogar Radfahrer selbst gegen Radfahrer, echt clever, oder? Und bei einem Haushaltsdefizit von sechs Millionen Euro muss sich auch niemand rechtfertigen, wenn kleinere Investitionen zurückgestellt werden.
HIER WERDEN SIE VERHOHNEPIPELT
Zugegeben, wir sind mächtig stolz auf unseren Coup — und den muss uns erstmal jemand nachmachen! Erst reden wir der Öffentlichkeit ein, dass die Diagonalquerung mit kalkulierten Kosten von 185.000 Euro zu teuer sei, und wenige Wochen später schlagen wir vor, in der Rathenaustraße einen Radfahrerübergang zu bauen, für den 100.000 Euro bereitgestellt werden — freilich erst, nachdem ein seit Monaten vorliegendes Konzept jetzt nochmal geplant wird und die Bürgerschaft zu überzeugen weiß. Kostenpunkt für diese Planung: 12.000 Euro.
Wenn die Planung des bereits geplanten Verkehrsprojekts abgeschlossen ist und dieser Fahrradübergang zur Abstimmung kommt, haben wir sicher wieder einen guten Einfall, diesen Mumpitz zu verhindern. Verlassen sie sich da mal auf uns!
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Greifswald wirft 12.000 Euro im Radverkehr zum Fenster raus (daburna, 22.02.12)
Haushaltsrede Oberbürgermeister Arthur König (pdf-Dokument (39KB), 20.02.12)
Haushaltssatzung Greifswalds für 2012 beschlossen (webMoritz, 21.02.12)
Die Grünen laden wieder einmal ein – es soll Tacheles über Greifswald geredet werden. Tachles? Jawohl, man will endlich zur Sache kommen, „da es in der Bürgerschaft nicht geschieht, in der Zeitung nur ansatzweise, und nicht jede(r) sich in der twitternden Welt der Blogs und der Social Media (facebook, StudiVZ, SchülerVZ, XING etc.) tummelt“. „Speakers‘ Corner in der Brasserie Hermann“ weiterlesen →
Viele werden den vorgestern Nacht im ZDF ausgestrahlten Dokumentarfilm Showdown in Anklam. Eine Stadt kämpft um die Demokratie. von Anita Blasberg, Marian Blasberg und Lutz Ackermann verpasst haben. Die politische Reportage taucht zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung ein in den Anklamer Kommunalwahlkampf und zeichnet ein düsteres Bild des politischen Systems in der 13.000-Einwohner-Stadt Ostvorpommerns.
DAS „SYSTEM GALANDER“
Getreu der Maxime Jede Stadt kriegt den Bürgermeister, den sie verdient ist in den vergangenen Jahren eine von Unternehmern dominierte, unpolitische Wählergemeinschaft (IfA) entstanden, die alsbald den zwischenzeitlich suspendierten Bürgermeister Michael Galander stellte.
Der aus den alten Bundesländern nach Anklam gezogene Bauunternehmer etablierte seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2002 zügig ein mehr oder minder funktionierendes System aus Anhängerschaften und Aufragsvergaben und konnte so einen Großteil der Anklamer Mittelschicht an sich binden. Teure Dienstwägen, kostspielige Dienstreisen und ein beinahe fürstliches Amtsgebaren erregten die Gemüter der verbliebenen Kommunalpolitikerinnen. Ermittlungen wegen Untreue stellte die Staatsanwaltschaft allerdings wegen mangelnder Erfolgsaussichten ein.
Stolpersteine und Unmöglichkeiten der Verwaltung wurden von Galander hemdsärmelig aus dem Weg geräumt: „Was vorher nicht möglich war von Amtswegen, das hat irgendwie gefunkt„, so eine Anklamer Eigenheimbauerin im Film.
ANKLAMER PARTEIEN NAHEZU BEDEUTUNGSLOS
Die klassischen Parteien sind mit Ausnahme der NPD, die sich in Anklam und Umgebung über vergleichsweise astronomische Wahlergebnisse freuen durfte, nahezu bedeutungslos. Allein die Versuche eines jungen Anklamer Polizisten, für die CDU ins Rathaus gewählt zu werden, wurden mit mehr als 20 % der abgegebenen Stimmen honoriert. Gereicht das hat nicht, um sich Galanders Bürgermeisterkandidatur in den Weg zu stellen.
Es ist noch keine sechs Wochen her, dass der frühere Baudezernent Reinhard Arenskrieger (CDU) nach einem umstrittenen Wahlprozedere zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes wurde und seinen Schreibtisch räumte. Sein kommissarischer Nachfolger Jörg Hochheim (CDU) beginnt nun, den zurückgelassenen Scherbenhaufen zu sortieren.
Kostenexplosion beim Technischen Rathaus
Gestern Abend informierte er die Bürgerschaft über die nun zutage tretenden Explosionen der Sanierungskosten von ca. sechs auf stolze 13,8 Millionen Euro. Bereits am 20. April verhängte Hochheim gemeinsam mit Oberbürgermeister Arthur König (CDU) einen Auftragsstop, um „über Alternativen nachzudenken„, wie die Ostsee-Zeitung weiß.
Auf dem Blog der Grünen erhitzten derweil die Gemüter. Einer gewohnt — aber auch erfrischend — giftigen Schilderung der gestrigen Sitzung des Bau- und Finanzausschusses folgte wenig später eine Pressemitteilung die nicht weniger forderte, als dass Oberbürgermeister Arthur König die Konsequenzen aus dem Desaster zöge und sein Amt abgäbe: „Grüne fordern Rücktritt des Oberbürgermeisters *update*“ weiterlesen →
Die Greifswalder Grünen gestalten ihren Kommunalwahlkampf zunehmend moderner und scheinen sich von den elektionären Entwicklungen in den USA inspiriert haben zu lassen.
Schon im Februar wies ich auf den eigens eingerichteten Blog hin, auf dem bisher täglich Beiträge publiziert werden. Doch damit nicht genug. Inzwischen ist die Gruppe auch via Twitter aktiv und scheint die Erfahrungen im Umgang mit den neuen Medien sichtlich zu genießen. Fehlen nur noch Podcasting und Videobotschaften an die zukünftige Wählerschaft. Zum Glück bleibt uns das erspart und es kommt sogar noch besser.
Anstatt blind den beispielhaften Vorreitern in Sachen WählerInnen-Aktivierung hinterherzulaufen, wird hier lustvoll Technikaffinität, Politik und parlamentarisch-oppositioneller Duktus verbunden. Es scheint einfach mehr Vergnügen zu bereiten, selbst und unmittelbar zu veröffentlichen, als auf die – im Schlimmstfall gekürzte – Veröffentlichung eines Leserbriefes in der Ostsee Zeitungzu warten.
Was nicht heißen soll, dass keine Leserbriefe mehr geschrieben werden. Gerade heute widerspricht Dr.Ulrich Rose in der Ostsee Zeitung zurecht einem Leserbriefautoren, der scheinbar einige Zusammenhänge der umstrittenen Vertragsverlängerung des Theater-Intendanten Prof. Nekovar mißverstanden hatte.
Der webMoritz berichtete gestern über den neuesten Streich der Grünen Wahlkampagne: das wandernde Telefon. Seit gestern rotiert diese besondere Art der technisch-vermittelten Bürgersprechstunde zwischen den Kandidaten, so dass jeden Tag eine andere Listenangehörige unter 0176 43096623 erreichbar ist. Das ist besser als jeder Live-Chat und eine wirklich hervorragende Idee.
Ideenreich gestaltet sich in meinen Augen das gesamte Auftreten der lokalen Grünen. Bisher konnte beim Kommunalwahlkampf 2009 keine andere Partei in Greifswald so sehr durch Originalität und Zeitgeist glänzen wie die Grünen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit jetzt die anderen Parteien medial nachziehen, zu erwarten ist es nicht.
Beinahe bedauerlich bleibt nur, dass der Ikarus der Hansestadt sein Versprechen nach der verlorenen Bürgermeisterwahl 2008, für die bevorstehende Kommunalwahl ein starkes Bündnis zusammenstellen zu wollen, nicht einhält und abgetaucht ist. Seine Kampagne wäre sicher einige Beiträge wert gewesen.