Blitz-K.o. nach 24 Sekunden: Ex-Boxweltmeister Sebastian Sylvester drängt in den Kreistag

Was der Klitschko kann, das sollte auch Ex-Boxweltmeister Sebastian Sylvester gelingen — raus aus dem Ring und rein in die Politik. Und während der eine am vergangenen Wochenende in Kiew um die Zukunft der Ukraine rang und sich als politischer Zukunftsträger in Stellung brachte, stellte sich der andere auf dem CDU-Kreisparteitag in Ducherow vor und begeisterte die Parteibasis mit einem Blitz-K.o., wie man es von dem früheren Faustkämpfer kaum anders erwartet hätte.

Am Rednerpult reichten Sebastian Sylvester, der den Kampfnamen „Hurrikan“ trägt, exakt 24 Sekunden aus, um später 86 Prozent der versammelten Christkonservativen von seiner Eignung als Kandidat für die bevorstehende Kreistagswahl zu überzeugen.

„JENSEITS DES SPORTS HABE ICH NOCH NICHT SOVIEL AHNUNG“ 

Das ist besonders deswegen eine respektable Leistung, weil der Sportler bis dato kein Parteibuch hat und anzunehmen ist, dass viele der gut 100 Anwesenden ganz genau hinhören würden, wenn sich ein Parteiloser für einen Platz auf ihren Listen bewirbt. Doch Sylvester fand offenbar die richtigen Worte, um den Großteil der Basis auf seine Seite zu ziehen:

(von links oben nach rechts unten: Gerhard Schröder (SPD), Sebastian Sylvester (parteilos), Vitali Klitschko (UDAR), Angela Merkel (CDU)

Ich bin halt Sebastian Sylvester, bin 33 Jahre jung. Was soll ich sagen? Ich bin zum ersten Mal hier. Ich lerne noch. Und ja, ich wurde jetzt praktisch ins kalte Wasser geschmissen hier; soll das Beste daraus machen. Ich werde immer das Beste daraus machen. Ich kämpfe und werde auch weiterhin kämpfen. Und ja, schauen wir mal, wie es weitergeht. Mehr kann ich jetzt nicht sagen.

Na, auch überzeugt? Für diese Rede erntete der frühere Boxstar die Zustimmung von nicht weniger als 92 der 107 Anwesenden — ein glänzender Start für den kommunalpolitischen Neuling und zugleich ein schlechtes Zeugnis für die Christdemokraten, denn selten gerät das Verhältnis von Popularität und Sachkompetenz eines Kandidaten in so schiefe Lage wie bei Sylvester. Wie zum Beweis räumte der Boxstar auch gegenüber der Ostsee-Zeitung ein, dass seine Frau anfänglich gegen seine Kandidatur gewesen sei, weil beide zu wenig über Kommunalpolitik wüssten. Oder um es mit den Worten des Hurrikan auf den Punkt zu bringen: „Jenseits des Sports habe ich noch nicht so viel Ahnung.“

(Sylvesters kurzweilige Rede beim Kreisparteitag der CDU wurde glücklicherweise gefilmt. Der Link zu diesem Video befindet sich bei den Leseempfehlungen am Ende des Artikels und sollte auf keinen Fall verpasst werden)

NEUES WAHLKAMPFKONZEPT: PERSÖNLICHE POPULARITÄT STATT INHALTLICHER KOMPETENZ 

Der Nordkurier kolportiert indes aus Parteikreisen, dass der CDU inzwischen der Aufnahmeantrag des eloquenten Faustkämpfers vorliege. Die parteipolitische Rekrutierung des populären Sportlers darf sich Egbert Liskow (CDU) auf die Fahnen schreiben. Der suchte schon früher die Nähe zum Greifswalder Boxsport und seinen Aktiven.

Wenig überraschend war Sylvester dann auch beim Neujahrsempfang der CDU am 21. Februar in der Greifswalder Stadthalle mit von der Partie, wo er sich gemeinsam mit Angela Merkel und Egbert Liskow ablichten ließ. Der Mann neben der Kanzlerin ist nämlich kein Personenschützer, sondern politischer Hoffnungsträger — ganz der Klitschko eben!

Mit der parteipolitischen Verpflichtung Sylvesters scheint Liskow vor der Kreistagswahl ein kleiner Coup gelungen zu sein, denn der Boxer erfreut sich auch nach seinem Karriereende großer Beliebtheit und soll die Partei offenbar für Jüngere wählbarer machen. Ob das Konzept Popularität statt Sachkompetenz im Kreistag aufgeht wird, werden die Wähler und Wählerinnen entscheiden, die dann mit ihren Stimmen bei der Kreistagswahl am 25. Mai auch ein Zeugnis über die politische Kultur abgeben werden, zumindest in den Wahlbereichen 1 bis 3, wo der Hurrikan antritt (Greifswald, Amt Landhagen, Jarmen/Tutow und Peenetal/Loitz).

  • Sebastian Sylvester steigt in den Polit-Ring (OZ Video, 01.03.2014)
  • Sylvester kandidiert für den Kreistag (Nordkurier, 02.03.2014)

(Foto: CDU Vorpommern-Greifswald)

Entgleist: Geschäftsführer der CDU-Fraktion verursacht mittelschweren Internetunfall

Der Geschäftsführer der Greifswalder CDU-Fraktion machte gestern seinem Namen alle Ehre und löste mit einem nächtlichen Facebook-Eintrag eine Woge der Empörung aus, deren fäkale Sturmausläufer sich bis zu Twitter ausbreiteten.

„MAN SOLLTE DENEN DIE HÄNDE ABHACKEN!“

Christian Weller war auf dem Nachhauseweg in einer Bahnunterführung, als er offenbar vier „junge Menschen“ dabei störte, die Wände des Tunnels zu besprühen. Die mutmaßlichen Sprayer verschwanden eilig. Weller tat seine Bürgerpflicht und alarmierte die Polizei, die ihm versprach, der Sache nachzugehen. Zu Hause angekommen, teilte er diese Angelegenheit der Welt in einem kurzen Facebook-Eintrag mit, in dem er sich einen konsequenten Umgang mit den jungen Delinquenten wünschte: „Ich hoffe die fassen diese Schmierfinken. Man sollte denen die Hände abhacken!“

(Screenshot)

Am frühen Morgen wurden dann die ersten kritischen Stimmen laut, der Eintrag wurde heftig diskutiert. Während die einen eine klare Parallele zur Scharia erkennen wollten, interpretierten andere den Vorschlag des Fraktionsgeschäftsführers als christdemokratische Umsetzung des Alten Testaments. Es ging drunter und drüber und zwischendrin auch mal um Kunst. „Straftat bleibt Straftat!“, proklamierte eine Hardlinerin, selbst wenn es bunt schöner aussähe und allen gefiele — wo kämen wir denn da hin?

AUGE UM AUGE, ZAHN UM ZAHN!  

Während sich Weller zaghaft von seinem Vorschlag distanzierte („Hände abhacken war ein wenig übertrieben, Sozialstunden und Reinigung der Flächen wäre aber sicherlich angebracht, inkl. der Kostenübernahme“), ging die Diskussion lebhaft weiter. Sie ebbte auch nicht ab, als der Christdemokrat, dem im Laufe der Auseinandersetzung gleich drei Parteifreunde einen friedlichen Charakter bescheinigten, nachlegte: „Das Forderung (sic!) des Händeabhackens war nicht korrekt, ich dachte, dass hätte ich in meinem letzten Post klargestellt.“

Doch zu diesem Zeitpunkt thematisierten die Grünen bereits die Entgleisung des Fraktionsgeschäftsführers auf ihrem Blog. Das Thema erreichte Twitter.

Wellers nächtliche — möglicherweise sogar bierselige — Äußerungen mögen vielleicht Fragen nach seinem Wesen und dem archaischen Rechtsverständnis, das seinen Gedanken zugrunde liegt, aufwerfen.

Doch sollte man diesen Ausfall besser nicht überbewerten und sich stattdessen zurückgelehnt vorstellen, wie die CDU-Fraktion auf die Forderung regieren würden, dass der Bürgerschaftspräsident sein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit mit seiner Zunge bezahlen solle oder dass man den weggelobten Bausenator Arenskrieger mit 100 Peitschenhieben bestrafen und in die Verbannung schicken müsse — ein paar Steinigungen wegen Untreue oder Unzucht wären darüber hinaus sicher auch noch drin!

  • Da kommt man abends nach Hause… (Facebook, 09.01.2014)
  • Auge um Auge, Zahn um Zahn (Grüne, 09.01.2014)
  • CDU Greifswald — Hands ab?! (Piratenpartei, 10.01.2014)

Greifswalder Jugendliche rufen zum Protest gegen befürchteten Kahlschlag in der Jugendarbeit auf

Schon wieder eine Mahnwache, schon wieder geht es um fehlendes Geld und eine ungewisse Zukunft. Doch diese Woche ist es nicht der AStA, der den Protest initiiert — es sind Greifswalder Jugendliche, die morgen gleich zu zwei Mahnwachen vor dem Rathaus aufrufen. Dort tagt ab 18 Uhr der Finanzausschuss in einer Sondersitzung, um über den Haushalt des kommenden Jahres zu beraten.

TEILE EINER GESCHICHTE, DIE SPÄTER VON ÄLTEREN „FRÜHER-WAR-ALLES-BESSER“-FREUNDEN ERZÄHLT WIRD 

Es gibt ein Defizit von neun Millionen Euro, das weggekürzt werden muss. Durch die bevorstehenden Sparmaßnahmen gilt die Finanzierung der freien Jugendarbeit als akut gefährdet. Die Streichung der bereits gekürzten Mittel würde für die beiden Jugendzentren Labyrinth und Klex das Aus bedeuten.

Eine lebendig genutzte Fahrradwerkstatt, gesellschaftlich aktive Pfadfindergruppen, selbstorganisierte Konzerte, Volxküchen, ein Filmclub, Proberäume mit Aufnahmemöglichkeiten und vor allem Raum für Begegnungen vieler Interessen unter einem Dach — das alles wäre dann Teil einer Geschichte, die zukünftige Jugendgenerationen höchstens noch aus den Erzählungen ihrer etwas älteren „Früher-war-alles-besser“-Freunde kennenlernen könnten, während sie in Ermangelung geeigneter Räume am Museumshafen herumlungern und anderen auf die Nerven gehen.

Es geht nicht um neun Millionen für die Jugendarbeit, es geht auch nicht um eine Million — zur Disposition steht ein Betrag von nur 200.000 Euro. Dass die Stadt diesen übernimmt, ist aber Voraussetzung dafür, dass auch die anderen Förderbeträge vom Landkreis und dem Sozialministerium fließen können.

Dabei handelt es sich um insgesamt 600.000 Euro – also 75 Prozent der Gesamtausgaben, eine ähnliche Quote wie bei vielen Greifswalder Baumaßnahmen (Stichwort: Zugbrücke über den Ryck). Mit diesem Geld wurden bisher die Schulsozialarbeit sowie die Jugendsozialarbeit im Labyrinth und im Klex finanziert.

WENN SCHON NIEMAND VOR SCHAM IM BODEN VERSINKEN WILL, KANN MAN SICH AUCH AUS WUT ERHEBEN 

800.000 Euro, auf dieses Niveau wurde die freie Jugendarbeit in den vergangenen Jahren bereits heruntergekürzt. Zahlreiche kleinere Vereine und Initiativen mussten wegen fehlender Förderungen ihre Arbeit einschränken oder ganz einstellen.

Als Dezernent für Jugend (!), Soziales, Bildung, Kultur und öffentliche Ordnung müsste man angesichts dieser Zahlen vor Scham im Boden versinken, doch Ulf Dembski (SPD) ist noch immer da. Derzeit ist er schwer mit der Kita-Krisen-Reform beschäftigt, die ihn in den vergangenen Monaten ins Straucheln gebracht hat. Wenn aber schon niemand vor Scham versinken will, kann man sich auch aus Wut erheben — zumindest erstmal vorsichtig aus dem Sessel des Jugendzentrums.

Kürzungen der Jugendarbeit

An Wutgründen besteht kein Mangel. Da wäre zum Beispiel das Technische Rathaus, ein Bauprojekt, dessen Kosten sich inzwischen von sechs auf fast vierzehn Millionen mehr als verdoppelt haben. Personelle Konsequenzen für das finanzielle Fiasko sucht man auf verantwortlicher Seite der Stadt vergebens.

Der in den Skandal maßgeblich involvierte ex-Baudezernent Reinhard Arenskrieger (CDU) ist heute Vizepräsident des Landesrechnungshofes und Egbert Liskow (CDU) blieb trotz unwahrer Aussagen im anschließenden Untersuchungsausschuss Präsident der Greifswalder Bürgerschaft. Wie und vor allem was wird man, wenn einem soviel Rückgrat vorgelebt wird? Man versetze sich nur einmal in die Lage des verantwortlichen Proton-Mitglieds (so heißt die Konzertgruppe im Klex), das dem Plenum die plötzliche Kostensteigerung einer Veranstaltung von 600 Euro auf fast 1400 Euro erklären müsste. Ich würde höchst ungern tauschen wollen!

POLLERDIENSTE STATT TRISTESSE

Wütend kann auch die Posse um den Superpoller in Wieck machen, dessen Kosten sich inzwischen fast auf den zur Disposition stehenden Betrag belaufen. Die Angst davor, keinen Raum zur individuellen Entfaltung zu haben, ist offenbar so groß, dass die Jugendlichen sogar dazu bereit sind, ihr ehrenamtliches Engagement für die Stadt Greifswald auszuweiten, um fortan — ausgestattet mit Schlagbaum und Warnweste — Pollerdienst an der Wiecker Brücke zu leisten.

Bedingung dieses zynischen Vorschlags ist natürlich, dass ihnen die benötigten 200.000 Euro für die Sicherstellung ihrer Vereine und Freiräume gewährt würden.

(Foto: privat)

„Die freie Jugendarbeit ist kein Luxus, sondern notwendig für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Sie knüpft da an, wo es der Schule nicht möglich ist, Jugendliche zu erreichen.“ Mit diesen Worten rufen die Nutzer und Besucherinnen des Labyrinths und des Jugendzentrums Klex dazu auf, sich morgen vor dem Rathaus einzufinden und gemeinsam auf die prekäre Lage der Jugendarbeit in Greifswald aufmerksam machen.

Das Klex ist ein „essentieller Kulturraum“, die Jugend ist unsere Zukunft — und Du solltest morgen unbedingt auf dem Marktplatz sein, um allen zu zeigen, wie viele Menschen von diesen Mittelstreichungen betroffen sind und wie gut solche Pläne ankommen!

Fakten: 04.12. | 7-20 Uhr | Marktplatz

Es gibt morgen zwei Mahnwachen auf dem Marktplatz. Zur ersten (7-17 Uhr) rufen Nutzerinnen und Besucher des Klex und des Labyrinths auf. Die zweite Mahnwache von 17-20 Uhr hat der Stadtjugendring angemeldet.

Aktionistischer Flügel der Junge Union schuf gestern Nacht vollendete Tatsachen

Wenn der Weg durch die Bürgerschaft und ihre Ausschüsse zu lang ist, einfach anpacken und loslegen! So geschehen offenbar Dienstagnacht, als eine Aktionsgruppe die neue Buskehre in der Bahnhofstraße kurzerhand in den Helmut-Kohl-Platz verwandelte.

In einem vorliegenden Bekennerschreiben bezeichnen sich die lichtscheuen Aktivisten als „tiefschwarzer Block der Jungen Union Greifswald“, der nun einer längst bekannten Forderung eigenmächtig Nachdruck verliehen hätten.

HAT DIE JUNGE UNION IHRE EXTREMISTISCHEN LAGER NOCH IM GRIFF? 

Helmut Kohl Platz Greifswald

Diese ideologische Selbstverortung ist für Kenner der kommunalpolitischen Szene in Greifswald wenig überraschend, denn die christdemokratische Jugendorganisation und ihr frisch vermählter Landesvorsitzender Franz-Robert Liskow verlangen schon lange danach, der neugeschaffenen Fläche vor dem Karl-Marx-Platz einen „geschichtsträchtigen Namen“ zu verpassen.

Auf der Suche nach einem bevorzugten Namenspatron wurden sich die Filzstifte dann auch schnell einig: der Platz soll nach Helmut Kohl benannt werden, unserem Altbundeskanzler. Doch nach diesem Akt symbolpolitischer Reviermarkierung in der vergangenen Nacht muss sich die JU Greifswald nun die Frage stellen lassen, ob sie ihre extremistischen Flügel noch im Griff hat.

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Franz im Glück: schwarze Traumhochzeit verbindet Greifswalder Christdemokraten

In der Mittagssonne vor dem Rathaus Sekt gesoffen und anschließend mit dem Auto über den Fischmarkt zum Essen gekurvt — der Auftakt des hochsommerlichen Wochenendes muss sich auch für die anwesenden Greifswalder Christdemokraten sehr gut angefühlt haben.

Anlass der Feierlichkeit war die Vermählung von Franz-Robert Liskow und Janine Hochheim, beide Kinder kommunalpolitischer Schwergewichte. Liskow Senior ist nachgerücktes Landtagsmitglied, Kreischef der CDU und Präsident der Greifswalder Bürgerschaft. Jörg Hochheim (CDU) ist Baudezernent und Vize-Oberbürgermeister, außerdem sitzt er dem Kreis-Finanzausschuss vor.

ganz links: MdL Egbert Liskow, ganz rechts: Jörg Hochheim, Foto: Fleischervorstadt-Blog

Dass eine Ehe das Band zwischen zwei einflussreichen Familien enger schmieden kann, ist ja aus dem Geschichtsunterricht oder — ganz popkulturell — aus der amerikanischen Fernsehserie Game of Thrones bekannt. Doch entgegen allen Spekulationen über die Vertiefung politischer Allianzen durch das gegenseitige Aufstecken von Edelmetallen darf in diesem Fall angenommen werden, dass die erfolgreiche Tänzerin den ambitionierten Jungpolitiker in erster Linie aus Liebe auf dem Weg in die Fußstapfen seines Vaters begleitet, bis dass der Tod sie scheide.

ÄPFEL, STÄMME, RINGE WERFEN

Diesen Weg hat der Junior, der sich vor wenigen Jahren noch für „Tennis, JU, mein[en] Audi, Bier trinken und Frauen“ interessierte, schon ein gutes Stück weit beschritten. Heute ist Franz-Robert Liskow Landesvorsitzender der Jungen Union und sitzt in der Greifswalder Bürgerschaft, wo er allerdings noch nicht für Akzente sorgen konnte — zumindest, wenn man von der Idee absieht, eine Fläche des Karl-Marx-Platzes nach seinem Vorbild Helmut Kohl umzubenennen.

Offenbar fallen die Äpfel aber auch bei den Liskows in Stammnähe und der Filius weiß inzwischen, hier und da durch polemische Positionen aufzufallen, zum Beispiel beim Thema Höchstgeschwindigkeitsbegrenzungen. Der begeisterte Autofahrer lehnt „Bevormundung und Gleichmacherei durch Tempolimits“ entschieden ab, sie seien nicht nur „Eingriff in die individuelle Freiheit der Autofahrer“, sondern auch „Angriff auf die Absatzmöglichkeiten der deutschen Automobilhersteller“.

Soviel zur politischen Agenda des Jungvermählten und seiner Angetrauten, denen jetzt hoffentlich schöne Flitterwochen bevorstehen. Sollte der honigmondige Ausflug des schwarzen Traumpaares zufällig nach Bern, Zürich, Warschau oder Wien führen, können die beiden ja einen Flug von Heringsdorf buchen und damit dem dauersubventionierten Flughafen — einem der politischen Lieblingsprojekte des dort geborenen Vaters von Franz-Robert Liskow — eine Verdopplung der Passagierzahlen spendieren. Herzlichen Glückwunsch zum Ringewerfen und alles Gute für die Ehe!

  • Das ist die schwärzeste Hochzeit Vorpommerns (Nordkurier, 20.07.2013)
  • Tempolimits in Mecklenburg-Vorpommern? Nein Danke! (Pommern-Blog, 11.04.2013)

Kaffeeklatsch mit Michael: In Anklam haben CDU und NPD ihre Berührungsängste überwunden

„Gruppierungen, die sich hier niederlassen, um in unserer Stadt zu Hass und Gewalt aufzurufen, sind uns nicht willkommen“, hieß es in einer Erklärung, die letzten Donnerstag von der Stadtvertretersitzung verlesen wurde. Das Papier, an dessen Entstehung neben kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Vertretern auch die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien mitwirkten, ist die kommunalpolitische Antwort auf die zum Teil organisierten Übergriffe von Neonazis auf nichtrechte Jugendliche in der Peenestadt.

„ABER SOLLTEN WIR DA ALLE AUFSTEHEN?“

andrejewski endstation rechts

Wie wirkungsmächtig derlei Gesten im Bemühen gegen Rechtsextremismus tatsächlich sind, demonstrieren die Mitglieder der Anklamer CDU-Fraktion beim gemeinsamen Pausenkaffee mit den NPD-Vertretern Michael Andrejewski und Enrico Pflugradt. Dabei handelt es sich um ein Stelldichein mit Tradition, das schon 2009 für konsequenzlose Empörung sorgte, nachdem eine Gruppe von 25 Anklamer Bürgern dem frisch vereidigten Parlamentspräsidenten Karl-Dieter Lehrkamp (CDU) mangelnde Distanz zur NPD vorwarf.

Dieser wies die Kritik zurück, räumte aber ein, dass sich Andrejewski „mal nach einer Anklamer Stadtvertretung an den CDU-Biertisch gesetzt habe“, und gab sich hilflos: „Aber sollten wir da alle aufstehen?“. Lehrkamp bestritt damals gegenüber der Ostsee-Zeitung, dass es regelmäßige Runden mit Andrejewski gegeben habe. Der Anklamer Bürgermeister Michael Galander sieht die Sache anders und äußerte gegenüber dem Nordkurier, dass die Christdemokraten „bereits seit Jahren mit der NPD am Pausentisch“ säßen.

„WAS WOLLEN SIE MACHEN, WENN IN EINER ÖFFENTLICHEN GASTSTÄTTE DIESE FRAGE GESTELLT WIRD?“ 

Um zu dokumentieren, welche Stadtvertreter es mit dem sich offensiv auf die Fahnen geschriebenen Kampf gegen Rechts ernst meinen, fotografierte der Bürgermeister in der Sitzungspause die Kaffeerunde von CDU und NPD. Die Christdemokraten waren darüber sehr erbost und echauffierten sich über die „Stasi-Methoden“ Galanders, die kein gemeinsames Vertrauen aufkommen lassen würden.

Wenig vertrauensförderlich ist jedoch auch das Verhalten der CDU. Lehrkamp bestätigte gegenüber dem Nordkurier zwar, dass die Anklamer Christdemokraten ihre Sitzungspausen gemeinsam mit den NPD-Vertretern verbringen, erklärt die Duldung Michael Andrejewskis in der CDU-Runde, der irgendwann fragte, ob er sich dazusetzen dürfe, jedoch genauso scheinheilig und hilflos wie 2009 gegenüber der Ostsee-Zeitung: „Was wollen sie da machen, wenn in einer öffentlichen Gaststätte diese Frage gestellt wird?“.

„NEIN, HERR ANDREJEWSKI!“ 

Dabei wäre es gerade bei Andrejewski nicht besonders schwierig gewesen, eine entschlossene und deutlich positionierte Haltung an den Tag zu legen und ihm den erbetenen Platz beim christdemokratischen Kaffeekränzchen einfach zu verweigern. Der Neonazi verantwortete 1992 ein Flugblatt, das im Vorfeld der pogromhaften Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen massenhaft verteilt wurde und in dem er und seine Mitstreiter zum „Widerstand gegen die Ausländerflut“ aufriefen. Doch offenbar haben die acht Jahre, in denen Andrejewski in der Anklamer Stadtvertretung saß, ihre Wirkung gezeigt. Man hat sich aneinander gewöhnt, begründete Berührungsängste wurden offenbar fast gänzlich abgebaut.

Tragikomisch ist dagegen einmal mehr der Greifswalder Bürgerschaftspräsident Egbert Liskow (CDU), der gegenüber dem Nordkurier ulbrichtig beteuerte, „dass seine Parteifreunde in Anklam nicht die Absicht haben, regelmäßig mit den NPD-Leuten zu sprechen und schon gar nicht mit ihnen zusammenzuarbeiten“.

  • NPD und CDU in Anklam an einem Tisch (Nordkurier, 17.12.12)
  • Pausentee mit der NPD in Anklam. Oder: Ein Bürgermeister auf „Antifa-Mission“ (Endstation Rechts, 18.12.12)
  • Leserbrief: CDU ist mit sich selbst nicht ehrlich (Jusos Greifswald, 18.12.12)
  • Caffier will sich nicht den Mund verbrennen (Nordkurier, 18.12.12)
  • Neonaziangriffe in Anklam (Kombinat Fortschritt, 08.05.12)
  • Bürger halten Kreistagspräsident Nähe zu Rechtsextremen vor (Ostsee-Zeitung, 05.11.09)

(Foto: Endstation Rechts, 2009)