Speicher Ade! Scheiden tut weh.

Ach, hätte Caspar-David Friedrich seine Wiesen bei Greifswald nur gute hundert Jahre später gemalt — der alte Speicher wäre heute unleugbarer Bestandteil der Silhouette Greifswalds! Doch Friedrich stellte sein Gemälde, das in der Hamburger Kunsthalle aufbewahrt wird, bereits 1822 fertig — der Kornspeicher am Hafen hingegen wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft in den Jahren 1936/37 erbaut.

Bauaufsichtsbehörde genehmigte Abrissantrag

Dem letzten großen Gebäude dieser Art in Greifswald droht nun jedoch ein vorzeitiges Ende. Anfang April genehmigte die untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt den von Douglas Fernando (Petruswerk) gestellten Antrag auf Abriss. Zuvor befürwortete bereits das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin das Ersuchen des Immobilieninvestors, der an Stelle des historischen Baus ein „markantes Gebäude in der Größe des jetzigen Speichers“ errichten will, wie die Stadtverwaltung in ihrer damaligen Pressemitteilung ankündigte.

Speicher Museumshafen Greifswald

(Foto: Fleischervorstadt-Blog, 02/2012)

Um was für ein Gebäude es sich dabei dann konkret handeln wird, blieb bislang unklar. Im April sei der Bau eines Hotels im Gespräch gewesen, das Bestandteil des Wohngebiets werden soll, welches Fernando im Gebiet zwischen Marienstraße und An den Wurthen errichten will. Diese Fläche (Bebauungsplan 55) wurde in der Vergangenheit immer wieder als „Filetstück“ bezeichnet.

Kritik an „durchgepeitschtem“ Verkauf und zu guten Geschäftsbeziehungen

Kritiker der Transaktion — das Petruswerk bezahlte für das 13 Hektar große Arreal nur 1,5 Millionen Euro — warfen dem Bürgerschaftspräsidenten Egbert Liskow (CDU) damals vor, den Verkauf zugunsten des Petruswerks „durchgepeitscht“ und mit dem Verzicht auf eine Ausschreibung des Grundstücksverkaufs außerdem gegen europäisches Recht verstoßen zu haben.

Zudem wurde immer wieder über die harmonische Geschäftsbeziehung zwischen Douglas Fernando und dem damaligen Baudezernenten Reinhard Arenskrieger spekuliert, mit dem sich vor zwei Jahren sogar ein Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft beschäftigte. Das Speichergebäude soll abgerissen werden, sobald die Bürgerschaft den Entwurf für den Bebauungsplan 55 beschließt. Die Abrissgenehmigungen sind drei Jahre lang gültig.

Indes verfällt der denkmalgeschützte Gebäudekomplex Stralsunder Straße 10, den die Universität Greifswald 2008 für relativ wenig Geld ebenfalls an das Petruswerk verkaufte, weiter. Einer Initiative, die das Haus anschließend kaufen und vor allem retten wollte, war kein Erfolg beschieden und von Sanierungsarbeiten fehlt dort jede Spur.

Flache Decken, dunkle Räume — Wohnungsbau im Kornspeicher wird schwierig

Zurück zum alten Speicher in die Hafenstraße 37. Der sechsstöckige neoklassizistische Bau besteht aus einem 35 Meter hohen Betonsilo und einem zweistöckigen flachen Lagerhaus. Die frühere Funktion des ehemaligen Kornspeichers macht eine Sanierung der Ruine schwierig: die Deckenhöhen der einzelnen Etagen sind sehr niedrig, die Fenster klein und deswegen ist es im Inneren des Gebäudes relativ dunkel. Durch den Bau zieht sich ein Betontrichter, des Speichers Kern, in die Höhe. Wer hier umbauen will und keine Kinderkrippe plant, steht vor einer anspruchsvollen architektonischen Herausforderung.

Früher oder später wird der alte Speicher, der heutzutage die Szenerie am Museumshafen dominiert, verschwinden. Vermutlich erlebt der Bau dieses Jahr seinen letzten Sommer und es ist Zeit, von ihm Abschied zu nehmen. Die Erinnerungen an den unverstellten Blick über die Stadt bis hinaus nach Wieck werden verblassen — das Bier in der Morgensonne war schließlich auch irgendwann geleert. Ach, hätte Caspar-David Friedrich doch sein Werk nur gute hundert Jahre später auf die Leinwand gebracht.

  • Die Greifswalder Einkaufstour des Immobilienmagnaten Douglas Fernando (Fleischervorstadt-Blog, 08.02.11)
  • Bildergalerie Alter Speicher (Mryia Jackalope, 2005)
  • Abriss des Wahrzeichens alter Speicher am Ryck genehmigt (daburnas Logbuch, 12.04.12)
  • Douglas Fernando, die Bürgerschaft, der Alte Speicher… und was davon übrig bleibt. (webMoritz, 18.04.12)

Stimmt für die Diagonalquerung!

Die Diagonalquerung an der Europakreuzung gibt es zwar offiziell nicht, dennoch kann man Tag für Tag unzählige Fahrradfahrerinnen dabei beobachten, wie sie — anstatt zweimal auf grün zu warten — mit dem linksabbiegenden Verkehr die Kreuzung passieren. Die Zeitersparnis ist nicht von der Hand zu weisen und das illegale Queren hat in den vergangenen 20 Jahren zu keinem Unfall geführt.

diagonalquerung(Foto: Fleischervorstadt-Blog, Archiv)

Nun starten Linke, SPD und Grüne einen neuen Anlauf, diese Abkürzung zu legalisieren und eine feste Diagonalquerung einzurichten — die Idee ist schon etwas älter und stand schon einmal kurz vor der Umsetzung, bis im Sommer 2010 plötzlich Mitglieder der CDU Greifswald entgegen ihrer anfänglichen Zustimmung versuchten, das Bauprojekt zu kippen.

Damals scheuten sich Christkonservative wie der Fraktionsvorsitzende Axel Hochschild oder Franz-Robert Liskow auch nicht, intern zur Manipulation einer Umfrage der Ostsee-Zeitung durch Mehrfachabstimmung aufzurufen, um den Eindruck zu erzeugen, die Greifswalder Öffentlichkeit sei gegen das Bauprojekt eingestellt.

WORUM GEHT ES BEI DER DIAGONALQUERUNG?

Die Diagonalquerung ermöglicht das legale Queren der Europakreuzung vom Mühlentor bis zur Robert-Blum-Straße. Für die entstehende Spur würden Fahrradampeln gebaut werden, die simultan mit den Linksabbiegern aus Richtung Hansering beziehungsweise Anklamer Straße grün zeigen sollen. Bei der geplanten Umsetzung würden die vom Hansering kommenden Linksabbieger eine Spur verlieren, aus der stattdessen zwei richtungsgetrennte Querungswege für Radfahrer entstünden.

europakreuzung greifswald(Bild: Projektkonzept)

Bei den Verkehrszählungen, die in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchgeführt wurden, konnte ein Tagesaufkommen von 14.000 Radfahrern und 35.000 Kraftfahrzeugen gemessen werden. Gemäß diesen Zahlen könnten nach Auskunft des Stadtbauamts in Zukunft täglich 7000 Fahrradfahrerinnen die Querung nutzen und damit auch zu einer spürbaren Entlastung der bestehenden Radübergänge beitragen.

Der Verlust der zweiten Fahrspur soll durch eine längere Grünphase der Linksabbieger kompensiert werden. Deren Verkehrsaufkommen ist übrigens nach Angaben des Planungsbüros Stadt-Verkehr-Umwelt mit der Öffnung der Bahnparallele um 23% gesunken. Die Kosten der Diagonalquerung werden auf 185.000 Euro geschätzt, ein Teil dieses Geld fließt in die ohnehin zu erneuernde Lichtsignalanlage.

STIMMT FÜR DAS FAHRRADFREUNDLICHE PROJEKT!

Die Stadtverwaltung versucht seit knapp drei Jahren, Greifswald offensiv als Fahrradhauptstadt zu vermarkten. Bislang fielen die Bemühungen in diese Richtung eher klein aus: es wurde eine Straße zur Fahrradstraße umgewidmet, auf einigen Straßen entstanden eigene Minispuren für die Zweiräder und für Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung wurden Elektro-Räder angeschafft. Dennoch sind viele Radwege in einem desolaten Zustand und die Europakreuzung ist nach wie vor ein Nadelöhr für Fahrradfahrer.

umfrage diagonalquerungDie Umfrage bildet aktuell ein Stimmungsbild ab, das dem Bau der Diagonalquerung sehr zugewandt ist: Heute sprachen sich bereits 70% der abgegebenen 851 Stimmen für den Bau aus. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass mehrere Gruppen — wie zum Beispiel die Jusos — im Internet dazu aufrufen, sich an der Umfrage zu beteiligen. Konnten bei der letzten OZ-Umfrage zum Thema Diagonalquerung noch mehrfach Stimmen abgegeben werden, ist es dieses Mal mit einem einfachen Neuladen der Seite nicht getan.

Erfahrungsgemäß wird das Ergebnis dieser nichtrepräsentativen Umfrage in den nächsten Tagen die erste Seite des Greifswalder Lokalteils schmücken und vermutlich orientieren sich dann auch Vertreter der kommunalen Politik daran, wenn sie versuchen, die Einstellung der Greifswalder Bevölkerung zu diesem Thema einzuschätzen. Deswegen seien alle gebeten, sich ausnahmsweise an dieser Umfrage zu beteiligen, damit die rauschhaften 70% gehalten werden können und vielleicht doch noch etwas passiert!

Hier geht’s zum OZ-Votum, wo ihr angeben könnt, ob ihr für oder gegen den Bau der Diagonalquerung seid.

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  • Jusos Greifswald fordern Bau der Diagonalquerung an der Europakreuzung (Jusos Greifswald, 01.02.2012)
  • CDU macht gegen die Diagonalquerung mobil (Fleischervorstadt-Blog, 22.06.2010)
  • Diagonalquerung der Europakreuzung kommt noch 2010 (webMoritz, 27.04.2010)

Wo die Greifswalder NPD-Wähler zuhause sind. Nachbetrachtung zum Wahlmarathon in MV

Vier Tage sind seit dem Wahlmarathon des vergangenen Sonntags vergangen, bei dem die Bürgerinnen Mecklenburg-Vorpommerns dazu angehalten waren, mit jeweils zwei Stimmen über die Zusammensetzung des Landtags zu entscheiden. Dazu gesellten sich außerdem Landrats- und Kreistagswahl sowie ein Votum über den Namen des neugebildeten Großkreises Südvorpommern.

Grüne und SPD sind Wahlsieger, NPD gelingt Wiedereinzug

Auf Landesebene durften sich Ministerpräsident Erwin Sellering und seine SPD über einen relativen Stimmenzuwachs von über fünf Prozentpunkten freuen. Ebenso die Grünen, denen jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern der Einzug in den Landtag glückte. Die CDU musste herbe Stimmverluste hinnehmen und die FDP spielt im Landesparlament vorerst keine Rolle mehr.

Die NPD konnte nicht aus dem Landtag hinausgekegelt werden und wird dank über 40.000 Zweitstimmen auch in der kommenden Legislatur im Schweriner Schloss Platz nehmen dürfen — wenn auch mit mindestens einem der sechs Fraktionsmitglieder weniger als zuvor. Möglich wurde der Wiedereinzug nicht zuletzt durch eine Wahlbeteiligung, die nur knapp über 50 Prozent lag. Am Wahlergebnis der NPD ist aus regionaler Sicht vor allem ihr Zuspruch aus dem grenznahen Osten des Bundeslands alarmierend, aus demografischer Perspektive sind es die Zustimmungsraten der Jungwähler.

Die Rechtsextremen werden aber nicht nur im neuen Landtag vertreten sein, sondern auch im neuen Großkreis, der von nun an den hölzernen Namen Vorpommern-Greifswald tragen wird. Dort erzielten die Neonazis ein besseres Ergebnis als FDP oder DIE GRÜNEN und sind als fünftstärkste Partei mit dabei. Diese Kreistagswahlen wurden von den Christdemokraten gewonnen, mit Matthias Bahner gelang sogar einem Piraten der Einzug.

Bei der Abstimmung über die neue Landrätin entschied sich die Mehrheit für Barbara Syrbe (DIE LINKE) und nicht für die CDU-Kandidatin Uta Maria Kuder — eine Stichwahl wird am 18. September entscheiden, welche der beiden Frauen zukünftig dieses Amt bekleiden wird. Außerdem wird noch im Wahlkreis 33  auf Rügen gewählt, wo der Urnengang aufgrund des plötzlichen Todes eines Kandidaten um zwei Wochen verschoben wurde. Hier fällt die Entscheidung darüber, ob die NPD mit vier oder fünf Abgeordneten im Landtag vertreten sein wird.

Greifswald: Wo wurde die NPD gewählt?

In Greifswald hielt sich der Zuspruch für die NPD in Grenzen und blieb mit 4,6% unter dem Landesschnitt. Dieses relativ schlechte Ergebnis sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass über 1000 Greifswalder Wähler den Rechten ihre Zweitstimme gaben. Grund zur Sorge bereitet auch die schlechte Wahlbeteiligung in der Hansestadt, die mit 51,3% im landesweiten Trend zur Wahlenthaltung liegt und Fragen nach Repräsentativität und Legitimität der gewählten Vertretungen provoziert.

Differenziert man das Greifswalder Wahlergebnis nach den einzelnen Wahlbezirken, so wird deutlich, wie wenig homogen votiert wird, in welchen Gebieten die NPD ihr größtes Wählerpotenzial hat und wo die meisten Nichtwähler leben. Eines der Stadtgebiete, in dem massenhafte Wahlenthaltung und zweistelliges NPD-Ergebnis miteinander einhergehen, ist der Wahlbezirk 38 (Humboldt-Gymnasium). Hier gaben nicht mal ein Viertel der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, die NPD erreichte beängstigende 12,1 Prozent. „Wo die Greifswalder NPD-Wähler zuhause sind. Nachbetrachtung zum Wahlmarathon in MV“ weiterlesen

Clever, aber nicht genial: OZ-Podiumsdiskussion vor der Landtagswahl *Update*

Die Ostsee-Zeitung lädt ihre Leserinnen und Leser zu einer Podiumsveranstaltung in das St. Spiritus ein, um gemeinsam mit den fünf Landtagskandidaten zu diskutieren. Moderiert werden soll der Abend von den beiden Redakteuren Dr. Eckhard Oberdörfer und Benjamin Fischer.

WEISS DIE REDAKTION ÜBERHAUPT VON ALLEN KANDIDATEN? 

screenshot oz

Grundsätzlich ist die Idee, als Lokalzeitung solch eine Podiumsveranstaltung zu organisieren, wirklich clever. Genialistisch wäre dieser Einfall allerdings umgesetzt worden, wenn die Veranstalter unter Beweis gestellt hätten, tatsächlich von allen zugelassenen Kandidaten zu wissen.

Für diese genialistische Umsetzung hat es leider nicht gereicht — ein Blick in dieses Dokument der Wahlleiterin zeigt, dass im Landtagswahlkreis 1 Greifswald nicht nur fünf, sondern ganze sieben Personen antreten werden.

Es bleibt zu vermuten, dass die Ostsee-Zeitung dem NPD-Kandidaten Marko Müller schlicht und ergreifend kein Podium bieten wollte und deswegen darauf verzichtete, ihn einzuladen. Vermutlich hätte der in Ueckermünde gemeldete Neonazi das soziokulturelle Zentrum ohnehin nicht gefunden.

Eine kurze Erklärung der Veranstalter dazu wäre allerdings konsequenter gewesen, als den Kandidaten einfach wegzuschweigen.

IGNORIERT UND NICHT EINGELADEN: EINZELKANDIDAT FOTHKE

Der andere bis dato nicht eingeladene Kandidat ist der parteilose Einzelbewerber Steven Fothke. Der angehende Lehrer hat sich das bedingungslose Grundeinkommen auf die Fahnen geschrieben. Seine Beiträge wären morgen sicher nicht nur für die Debatte spannend gewesen, sondern auch für das anwesende Publikum. Fothke wurde von der Ostsee-Zeitung, deren Ankündigung den Eindruck erweckt, dass in Greifswald nur fünf Direktkandidaten zur Wahl stünden, leider bislang ignoriert.

Auftreten werden neben dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD), der noch immer nicht zurückgetretende Bürgerschaftspräsident und Landtagsabgeordnete Egbert Liskow (CDU), Mignon Schwenke (Die Linke), Ulrike Berger (Grüne) und David Wulff (FDP). Die Ostsee-Zeitung fordert Interessierte Bürgerinnen dazu auf, sich an der Debatte zu beteiligen und vorab Fragen an die Redaktion zu schicken, die morgen Abend an das Podium gerichtet werden sollen (via E-Mail bitte an lokalredaktion.greifswald[at]ostsee-zeitung.de) .

Fakten: 16.08. | 18 Uhr | St. Spiritus

*Update* 15.08.2011 | 20.45 Uhr

Das Kommen eines weiteren Spezialgasts wurde bislang noch nirgendwo erwähnt: neben den erwähnten fünf Kandidatinnen soll auch Douglas Fernando bei der morgigen Veranstaltung zu Gast sein. Der Investor kaufte sich in den letzten Jahren großzügig in die Stadt ein und baute eine einträgliche Beziehung zum damaligen Baudezernenten Arenskrieger auf. Zu den Objekten in seiner Verantwortung gehört unter anderem die ehemalige Straze (Stralunder Straße 10).

Diese Übersicht der von Douglas Fernando/dem Petruswerk in Greifswald getätigten Immobiliengeschäfte sei an dieser Stelle empfohlen.

Sintflut: Greifswald geht unter, doch an Wahlkampf denkt niemand

Seit Donnerstag regnete es in Greifswald ohne Unterlass und bis Sonnabend sollen über 100 Liter pro m² auf die Hansestadt niedergegangen sein. Allein am Freitag fielen binnen drei Stunden 60 Liter pro Quadratmeter vom Himmel – was in etwa der durchschnittlichen Niederschlagsmenge des gesamten Julis entsprechen soll.

Reisanbau in Gartensparta

Der Dauerregen überfüllte rasch die Rückhaltebecken und sorgte für vollgelaufene Keller und überflutete Straßen mit Wasserständen von teilweise mehr als einem Meter. Fahrradtunnel wurden unpassierbar und die Gartensparten am Kleinbahnhof sahen aus wie Deutschlands nordöstlichstes Reisanbaugebiet – die hier sonst dominierende nationalbeflaggte Gemütlichkeit wurde einfach hinweggespült.

Von den Wassermassen waren vor allem die Lomonossowallee, die Makarenko-, Tolstoi-, Krull-, Hain-, Feld- und Gützkower Straße sowie die Spiegelsdorfer Wende betroffen. Freitagvormittag wurde schließlich auch die Unterführung am Südbahnhof unpassierbar, wenn man nicht gerade ein Wasserfahrzeug hatte.

Die Feuerwehr war machtlos, denn die Überflutung der Rückhaltebecken machte das sinnvolle Abpumpen des Wassers dorthin unmöglich. Allein am Freitag sollen die Wehren rund 160 Mal ausgerückt sein. Ein Stromschaden sorgte außerdem für einen Ausfall im Pumpwerk des Abwasserwerkes. Noch am Freitag wurde ein Krisenstab aus Technischem Hilfswerk (THW), freiwilligen und professionellen Feuerwehren gebildet, während aus den Gullis das Wasser schoss, wie zum Beispiel in der verlängerten Scharnhorststraße, wo sich ein nicht enden wollender Strom seinen Weg in den Fahrradtunnel bahnte.

Betrübliche Wetteraussichten

Auch am Sonntag waren noch einige der insgesamt neun gesperrten Straßen unpassierbar. Der NDR berichtete, dass die Pegel in den Rückhaltebecken leicht zurückgehen sollen und heute vormittag 50 Einsatzkräfte 20.000 Liter pro Minute abgepumpt hätten, unter anderem in den Stadtgraben. Heute Abend soll entschieden werden, ob die betroffenen Straßen am Montag wieder für den Berufsverkehr freigegeben werden können.

Ob man dieses Unwetter mit der Siebenschläfer-Regel in Verbindung bringen mag oder nicht, spielt erstmal eigentlich keine Rolle.  Metereologe Werner Wehry (FU Berlin) tut es dennoch und beschreibt die Aussichten für die nächste Zeit als „betrüblich“ (Tagesspiegel): Das Wetter sei im Juli umgekippt und würde sich erst ab Mitte August spürbar bessern.

Verpasste Wahlkampfchancen

Die  sintflutartigen Regenfälle überraschten offensichtlich auch die hiesigen Politiker, denen zum Wahlkampfauftakt eigentlich ein grauwolkiges Geschenk vom Himmel fiel. Wie passig wäre Axel Hochschilds Selbstinszenierung als Fluthelfer im Friesennerz gewesen: Eben noch die Lösungsmittelreste von der letzten Aufkleberbereinigung an den Händen und schon in gummibestiefelter Pose neben den pumpenden Feuerwehrmännern.

Derweil schippert Krisenmanager Egbert Liskow über die Fleischerwiese und sieht nach den Rechten, die Stimmung gegen polnische Tiefdruckgebiete schüren, während nur wenige Meter weiter Sebastian Ratjen gemeinsam mit seinen Kraftsportfreunden einen Damm improvisiert, um die Unterführung in der Osnabrücker Straße vor dem Absaufen zu bewahren.

Egbert Liskow

Erwin Sellering hätte Regenschirme verteilt und die bedruckten Fahrradponchos der Grünen, deren Slogan ihre Benutzer deutlich gegen die Begradigung von Flüssen positioniert, wären der Renner gewesen. Chance vertan, denn seit heute regnet es kaum noch!

Finanzdesaster Technisches Rathaus: Liskow bleibt Präsident der Greifswalder Bürgerschaft

In dieser Minute tagt die Greifswalder Bürgerschaft und es wird über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschuss Technisches Rathaus diskutiert, in dem unter anderem festgestellt wird,  dass die Aussagen des Bürgerschaftspräsidenten Egbert Liskow (CDU) „nachweislich nicht der Wahrheit“ entsprachen.

Ein Abwahlantrag gegenüber Liskow, über den heute abgestimmt wurde, scheiterte vor wenigen Minuten knapp mit 20 Dafür-, 20 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Damit bleibt der CDU-Politiker bei aller Knappheit dieses Ergebnisses im Amt.

cdu greifswald (Bild: Socke, Stadtgespräch)

Zu diesem Thema wird aus der Sitzung heraus unter dem Hashtag #techRH getwittert.

Wer sich selbst intensiver mit dem Bauskandal beschäftigen möchte, sei auf den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses hingewiesen, der hier als 35seitiges pdf-Dokument abrufbar ist.

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Empfohlene Lektüre zum Bauskandal:

  • Frank und frei: Disziplinierungsmaßnahme innerhalb der Greifswalder CDU-Fraktion (Fleischervorstadt-Blog, 15.04.2011)
  • Time to say goodbye – Untersuchungsausschuss läutet politisches Ende des Bürgerschaftspräsidenten Liskow (CDU) ein (Fleischervorstadt-Blog, 26.05.2011)